12.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196446
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 19.06.2017 – 1 Sa 7/17
In der Rechtssache
- Kläger/Berufungsklägerin -
gegen
- Beklagte/Berufungsbeklagte -
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 1. Kammer -
durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter,
den ehrenamtlichen Richter Fischer.
und den ehrenamtlichen Richter Grein
auf die mündliche Verhandlung vom 19.06.2017
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn, Kammern Crailsheim, vom 01.02.2017 - 2 Ca 449/16 - abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund arbeitsvertraglicher Befristung mit Ablauf des 28.02.2017 geendet hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Reinigungskraft weiterzubeschäftigen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitsvertraglicher Befristung mit Ablauf des 28. Februar 2017 geendet hat.
Die am 29. August 1973 geborene Klägerin trat bei der Beklagten am 15. Dezember 2000 als Reinigungskraft ein. Nach dem Arbeitsvertrag vom 22. Februar 2006 (Anlage B 4) war sie zuletzt als Vollzeitbeschäftigte zur Reinigung der WC-Anlagen "Marktplatz" und "Kulturforum" eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Die Klägerin war in die Entgeltgruppe 2 eingruppiert und bezog hiernach ein Bruttoarbeitsentgelt von zuletzt 2.357,19 €.
Im Laufe der Beschäftigungsdauer schlossen die Parteien insgesamt sieben befristete Arbeitsverträge ab. Im Einzelnen verhielt es sich wie folgt:
- Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2000: Reinigung der WC-Anlage "Post", Arbeitszeitumfang: 12,25 Stunden, Urlaubsvertretung, Befristung bis zum 3. Januar 2001 (Anlage B 1)
- Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2000: Reinigung der WC-Anlage "Marktplatz", Arbeitszeitumfang: 24,5 Stunden, Vertretung der an der WC-Anlage tätigen, auf unbestimmte Zeit erkrankten Mitarbeiterin, Befristung bis zum Tag der Rückkehr der Stammkraft bzw. bis zu deren Ausscheiden (Anlage B 2)
- Arbeitsvertrag vom 28. November 2005: Reinigung der WC-Anlage "Marktplatz", Arbeitszeitumfang: 24,5 Stunden, Vertretung der Reinigungskraft I.K., Befristung bis zum Zeitpunkt der Genesung von Frau K. bzw. der Gewährung einer unbefristeten Rente an diese, längstens jedoch bis zum 28. Februar 2006 (Anlage B 3)
- Arbeitsvertrag vom 22. Februar 2006: Reinigung der WC-Anlagen "Marktplatz" und "Kulturforum", Arbeitszeitumfang: Vollzeit, Vertretung der Reinigungskraft K., Befristung bis zum Zeitpunkt der Genesung von Frau K. bzw. der Gewährung einer unbefristeten Rente an diese, längstens bis zum 29. Februar 2008 (Anlage B 4)
- Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2007: Reinigung der WC-Anlagen "Marktplatz" und "Kulturforum", Arbeitszeitumfang: Vollzeit, Vertretung der Reinigungskraft K., Befristung bis zum Ende der befristeten Rente von Frau K., längstens bis zum 28. Februar 2011 (Anlage B 5)
- Änderungsvertrag vom 11. Januar 2011: Reinigung der WC-Anlagen "Marktplatz" und "Kulturforum", Arbeitszeitumfang: Vollzeit, Vertretung der Reinigungskraft K., Befristung bis zum Ende der befristeten Rente von Frau K., längstens bis zum 28. Februar 2014 (Anlage B 6)
- Änderungsvertrag vom 17. Januar 2014: Reinigung der WC-Anlagen "Marktplatz" und "Kulturforum", Arbeitszeitumfang: Vollzeit, Vertretung der Reinigungskraft K., Befristung bis zum Ende der befristeten Rente von Frau K., längstens bis zum 28. Februar 2017 (Anlage K 2)
An den WC-Anlagen "Marktplatz" und "Kulturforum" arbeitete die Klägerin anfangs in einer 7-Tage-Woche und zuletzt in einer 6-Tage-Woche (wechselnd 7 Tage und 5 Tage). Um die Reinigung der beiden WC-Anlagen an allen Wochentagen zu gewährleisten, schloss die Beklagte mit Frau VK am 20. März 2007 einen bis zum 29. Februar 2008 befristeten Arbeitsvertrag ab. Als Vertretungsgrund wurde "Ende der befristeten Rente von Frau K." angegeben (Anlage B 12). Am 20. Dezember 2007 schloss die Beklagte einen weiteren Arbeitsvertrag mit Frau VK ab, wonach sie mit einem Arbeitszeitumfang von 60 % unbefristet und mit einem Arbeitszeitumfang von 11,5 % befristet bis zum 28. Februar 2011 an den beiden WC-Anlagen eingesetzt wird (Anlage B 13). Durch Änderungsverträge vom 11. Januar 2011 und 17. Januar 2014 wurde die Befristung bis zum 28. Februar 2014 bzw. 28. Februar 2017 verlängert (Anlagen B 14 und 15).
Die von der Klägerin vertretene Stammkraft, Frau K., bezog seit 1. August 2004 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Laut Angabe der Klägerin beruht die Erwerbsminderung auf einem Hüftleiden. Im Einzelnen lagen der Beklagten folgende Bescheide der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg vor:
- Bescheid vom 28. April 2004: Befristung bis zum 28. Februar 2006 (Anlage B 7)
- Bescheid vom 7. November 2005: Befristung bis zum 29. Februar 2008 (Anlage B 8)
- Bescheid vom 13. November 2007: Befristung bis zum 28. Februar 2011 (Anlage B 9)
- Bescheid vom 8. Dezember 2010: Befristung bis zum 28. Februar 2014 (Anlage B 10)
- Bescheid vom 3. Januar 2014: Befristung bis zum 28. Februar 2017 (Anlage B 11)
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2016 (Anlage K 1) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Arbeitsvertrag nach dem heutigen Stand am 28. Februar 2017 ende. Grund für die Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses war, dass die Beklagte mit den Arbeitsleistungen der Klägerin nicht mehr zufrieden war und die Reinigungsarbeiten an den beiden WC-Anlagen fremdvergeben wollte. Die Fremdvergabe erfolgte sodann mit Wirkung vom 1. März 2017.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2016 (nicht vorgelegt) verlängerte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg die befristete Erwerbsminderungsrente von Frau K. erneut bis zum 29. Februar 2020. Frau K. war nach der Angabe der Klägerin zu diesem Zeitpunkt 62 Jahre alt. Die Beklagte erhielt den Bescheid der Landesversicherungsanstalt am 18. Januar 2017.
Im Reinigungsdienst beschäftigt die Beklagte derzeit rund 40 Reinigungskräfte. Die meisten von ihnen werden mit kleineren Arbeitszeitumfängen eingesetzt, auch im Bereich der geringfügigen Beschäftigung. Die Klägerin ist derzeit die einzige vollzeitbeschäftigte Reinigungskraft. Die Beklagte beschäftigt noch zwei weitere Reinigungskräfte, deren Arbeitszeiten vor ca. zwei Jahren von Vollzeit auf 35 Stunden umgestellt wurden. Die Beklagte schreibt die dauerhaft im Reinigungsbereich zu besetzenden Stellen in der örtlichen Tageszeitung, im Intranet und bei der Bundesagentur für Arbeit aus. Vollzeitstellen wurden zuletzt nicht ausgeschrieben. Die Klägerin bewarb sich nicht auf eine der ausgeschriebenen Stellen.
Mit ihrer am 17. November 2016 eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewandt. Sie trug vor, die Befristung des Arbeitsvertrags sei nicht sachlich gerechtfertigt. Zur Vertretung von Frau K. sei nicht nur sie, sondern auch Frau VK seit 10 Jahren angestellt. Es könne nicht sein, dass zwei Mitarbeiterinnen zur Vertretung einer Vollzeitkraft eingestellt würden. Frau K. sei dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Sie sei nicht mehr in der Lage, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Nach dem Auslaufen der Erwerbsminderungsrente werde sie in Altersrente gehen.
Selbst wenn ein sachlicher Befristungsgrund bestehe, sei es nicht zulässig, ein befristetes Arbeitsverhältnis über eine so lange Zeitdauer aufrechtzuerhalten. Bei der vorliegenden Befristungsdauer sei eine missbräuchliche Gestaltung indiziert. Die von der Beklagten gewählte Gestaltung stelle eine Umgehung von Kündigungsschutzvorschriften dar. Nach dem TVöD sei die Unkündbarkeit nach 15 Jahren eingetreten.
Die Klägerin beantragte:
Die Beklagte beantragte,
Sie trug vor, die Befristung des Arbeitsvertrags sei durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Die Klägerin werde als Vertretung der aufgrund einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente abwesenden Frau K. beschäftigt. Ein institutioneller Rechtsmissbrauch liege nicht vor. Es bestehe kein dauerhafter Bedarf zur Beschäftigung der Klägerin. Die Klägerin werde ausschließlich zur unmittelbaren Vertretung von Frau K. beschäftigt. Sie müsse damit rechnen, dass Frau K. nach dem Auslaufen der befristeten Rente an ihren Arbeitsplatz zurückkehre.
Soweit sich die Klägerin auf Frau VK beziehe, so werde diese befristet ausschließlich dann beschäftigt, wenn die Klägerin nach dem Dienstplan nicht eingesetzt sei. Von den Ursachen der Erwerbsminderung von Frau K. habe sie keine Kenntnis. Sie habe nach Vorlage des befristeten Rentenbescheids vom 3. Januar 2014 davon ausgehen müssen, dass Frau K. an ihren Arbeitsplatz zurückkehre. Auf die spätere Entwicklung komme es nicht an.
Mit Urteil vom 1. Februar 2017 wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, die zuletzt getroffene Befristungsabrede vom 17. Januar 2014 beruhe auf dem Sachgrund der Vertretung. Im Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrags habe die Beklagte davon ausgehen müssen, dass Frau K. ihre Tätigkeit wieder aufnehmen werde. Allein aus der langjährigen Erwerbsunfähigkeit ergebe sich nicht die gegenteilige Annahme. Frau K. habe nicht kundgetan, dass sie nicht wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren werde.
Die Befristung halte auch trotz ihrer langen Dauer einer Rechtsmissbrauchskontrolle stand. Die Klägerin sei ausschließlich zur Vertretung von Frau K. eingestellt worden. Ein ständiger und dauerhafter Vertretungsbedarf bestehe nicht. Die Laufzeit der befristeten Arbeitsverträge habe stets der Dauer der Befristung der Erwerbsminderungsrente von Frau K. entsprochen. Die Beschäftigung von Frau VK stehe ebenfalls nicht entgegen. Frau VK sei in Ergänzung der Klägerin an beiden Reinigungsanlagen beschäftigt, um eine Reinigung an allen Wochentagen zu gewährleisten. Die Vorschrift des § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD stehe der Befristung ebenfalls nicht entgegen. Der Sonderkündigungsschutz für ältere und langjährige Beschäftigte gelte nicht im Falle der Befristung. Der Gesetzgeber habe die Sachgrundbefristung ausdrücklich nicht zeitlich begrenzt.
Gegen das ihr am 9. Februar 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. März 2017 Berufung eingelegt und diese am 7. April 2017 begründet. Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe die Beklagte davon ausgehen müssen, dass Frau K. nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt. Frau K. sei dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte habe gewusst, dass sich der Gesundheitszustand von Frau K. in den letzten 10 Jahren nicht verbessert, sondern verschlechtert habe.
Das Arbeitsgericht habe auch verkannt, dass die Einstellung von Frau VK ein gewichtiges Indiz dafür sei, dass die zuletzt vorgenommene Befristung rechtsmissbräuchlich sei. Ihr sei eine Festanstellung in Aussicht gestellt worden, weil sie von 2002 bis 2006 alleine die Vertretung von Frau K. ohne einen freien Tag übernommen habe. Die Befristung sei auch deswegen rechtsmissbräuchlich, weil sie, wäre sie unbefristet eingestellt, nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD nur noch aus wichtigem Grund hätte gekündigt werden können. Die Überschreitung der 15-Jahres-Frist sei ein weiteres äußerst gravierendes Indiz für die Rechtsmissbräuchlichkeit.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte trägt vor, sie habe damit rechnen müssen, dass Frau K. ihre Arbeit wieder aufnimmt. Sie habe keine Kenntnisse über den Gesundheitszustand von Frau K.. Dass sich deren Gesundheitszustand in den letzten 10 Jahren verschlechtert habe, bestreite sie mit Nichtwissen. Die Befristung von Frau VK stehe der Befristung des Arbeitsvertrags mit der Klägerin nicht entgegen. Eine Zusage der Festanstellung werde bestritten. Vor der Einstellung von Frau VK habe Frau M. die Reinigung der WC-Anlagen am 7. Wochentag durchgeführt (Anlage B 16). Bis zum Beginn der Vollzeitbeschäftigung der Klägerin habe Frau R. die Reinigung der WC-Anlage "Kulturforum" vorgenommen (Anlagen B 17 und 18).
Die Vorschrift des § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD stehe der streitgegenständlichen Bestimmung nicht entgegen. Ordentliche Unkündbarkeit und Befristung schlössen sich nicht aus. Im vorliegenden Fall liege die Rechtfertigung in der Sondersituation der dauerhaften unmittelbaren Vertretung einer einzelnen Person.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Kammer kann sich nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts anschließen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund arbeitsvertraglicher Befristung mit Ablauf des 28. Februar 2017 geendet hat.
1. Die Klage ist mit dem Antrag zu 1 zulässig. Es handelt sich bei dem zuletzt mit Schriftsatz vom 13. Januar 2017 gestellten Antrag um einen Befristungskontrollantrag nach § 17 Satz 1 TzBfG. Der Formulierung, dass das Arbeitsverhältnis als unbefristetes Arbeitsverhältnis über die Befristung hinaus fortbesteht, kommt keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu. Die Klägerin hat damit lediglich das von ihr erstrebte Klageziel näher beschrieben (vgl. nur BAG 24. Juni 2015 - 7 AZR 541/13 - Rn 18).
Die Klägerin hat die Rechtsunwirksamkeit der Befristung auch rechtzeitig geltend gemacht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG 21. März 2017 - 7 AZR 369/15 - Rn 11) wahrt auch eine vor Ablauf der Befristung erhobene Klage die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG. Selbst wenn man die mit Schriftsatz vom 17. November 2016 erhobene Klage noch nicht als Befristungskontrollklage betrachten sollte (was sich aber im Wege der Auslegung ergeben dürfte), so hat jedenfalls die mit Schriftsatz vom 13. Januar 2017 konkretisierte Klage die Klagefrist gewahrt.
Auch gegen den Klageantrag zu 2 bestehen keine Zulässigkeitsbedenken. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist nach den Erklärungen der Klägerin in der Berufungsverhandlung für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1, somit als uneigentlicher Hilfsantrag gestellt. Er ist außerdem dahingehend auszulegen, dass die Klägerin ihre Weiterbeschäftigung als Reinigungskraft begehrt. Denn ausschließlich als solche wurde sie von der Beklagten beschäftigt.
2. Die Klage ist mit dem Antrag zu 1 auch begründet. Die Befristung vom 17. Januar 2014 beruht zwar auf dem Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG (dazu a). Die Beklagte kann sich jedoch nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs nicht auf den Sachgrund der Vertretung berufen (dazu b).
a) Gegenstand der Befristungskontrolle ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die zuletzt getroffene Befristungsabrede vom 17. Januar 2014 (vgl. nur BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 783/10 - Rn. 8). Die darin enthaltene Befristung ist durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt etwa BAG 26. Oktober 2016 - 7 AZR 135/15 - Rn 14; BAG 24. August 2016 - 7 AZR 41/15 - Rn. 17) liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Grund für die Befristung liegt in den Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber mit der vorübergehend ausgefallenen Stammkraft in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieser Stammkraft rechnen darf. Damit besteht für die Wahrnehmung der Arbeitsaufgaben der Stammkraft durch die Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Die Stammkraft hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, nach Wegfall des Verhinderungsgrunds die vertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufzunehmen. Der Arbeitgeber muss daher davon ausgehen, dass die Stammkraft diesen Anspruch geltend machen wird.
Nur dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass die Stammkraft wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nicht gegeben ist. In der Regel setzt dies voraus, dass die Stammkraft dem Arbeitgeber bereits vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Vertretungskraft verbindlich erklärt hat, sie werde die Arbeit nicht wieder aufnehmen (BAG 24. August 2016 - 7 AZR 41/15 - Rn 18; BAG 11. Februar 2015 - 7 AZR 113/13 - Rn 16).
Trotz Kritik im Schrifttum hat das Bundesarbeitsgericht auch bei einer erheblichen Befristungsdauer an dieser Rechtsprechung festgehalten. In seinen Urteilen vom 18. Juli 2012 (7 AZR 783/10 - Rn 15 und 7 AZR 443/09 - Rn 21) hat das Bundesarbeitsgericht sich ausführlich mit der Kritik des Schrifttums auseinandergesetzt und ist bei seiner bisherigen Rechtsprechung verblieben. Dies bedeutet, dass anders als nach der früheren Rechtsprechung mit zunehmender Befristungsdauer keine "strengeren Anforderungen" an den Befristungsgrund zu stellen sind oder eine "strengere Kontrolle" des Befristungsgrundes stattzufinden hat. Das Bundesarbeitsgericht hat dies damit begründet, durch die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Missbrauchskontrolle (EuGH 26. Januar 2012 - C-586/10 - Rn 43) sei in einem zweiten Schritt in den Fällen der Kettenbefristungen eine umfassende Missbrauchskontrolle nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs durchzuführen.
bb) Nach diesen Grundsätzen teilt die Kammer die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die vorliegende Befristung sachlich gerechtfertigt war.
(1) Nach der Befristungsabrede vom 17. Januar 2014 wurde die Klägerin bis zum Ende der befristeten Rente von Frau K., längstens jedoch bis zum 28. Februar 2017, weiterbeschäftigt. Bei Frau K. handelt es sich unstreitig um die Reinigungskraft, die vor der Einstellung der Klägerin für die Reinigung der WC-Anlagen "Marktplatz" und "Kulturforum" zuständig war. Frau K. erkrankte zu einem nicht näher vorgetragenen Zeitpunkt im Laufe des Jahres 2000 und bezog ab dem 1. August 2004 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Klägerin vertrat Frau K. zunächst an der WC-Anlage "Marktplatz" mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24,5 Stunden und ab dem 3. März 2006 als Vollzeitbeschäftigte an beiden WC-Anlagen. Somit liegt der Fall der unmittelbaren Stellvertretung vor.
(2) Die bisherigen Entscheidungsfälle des Bundesarbeitsgerichts betrafen, soweit ersichtlich, vor allem die Verhinderungsgründe der Krankheit, der Beurlaubung oder der Freistellung von der Arbeit. Der hier vorliegende Vertretungsgrund des befristeten Bezugs einer vollen Erwerbsminderungsrente war bislang noch nicht Gegenstand einer vertieften Erörterung. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte unter den dort genannten Voraussetzungen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente hängt aber nicht allein vom Gesundheitszustand des Versicherten ab. Die konkrete Situation des (Teilzeit-) Arbeitsmarktes ist bei der Frage zu berücksichtigen, ob der teilweise erwerbsgeminderte Versicherte mit einem Restleistungsvermögen zwischen 3 und 6 Stunden täglich, der grundsätzlich nur Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hat, die volle Erwerbsminderungsrente beanspruchen kann. Die Rentenversicherungsträger gehen bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage in der Regel ohne weitere Ermittlungen davon aus, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, wenn der Versicherte keinen geeigneten Teilzeitarbeitsplatz innehat (Küttner/Ruppelt Personalhandbuch 2015 Stichwort Erwerbsminderung Rn 22).
Nach § 102 Abs. 2 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Nach Satz 5 der Vorschrift werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von 9 Jahren auszugehen.
In Anwendung dieser Regelungen erhielt Frau K. beginnend mit dem 1. August 2004 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im Bescheid vom 7. November 2005 ist zur Befristung vermerkt, dass der Rentenanspruch zeitlich begrenzt sei, weil die volle Erwerbsminderung nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand, sondern auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes beruhe. Somit ist davon auszugehen, dass die Gewährung der vollen Erwerbsminderungsrente auf dem Umstand beruhte, dass die Rentenversicherung Baden-Württemberg zugunsten von Frau K. einen verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt annahm. Daher konnte die volle Erwerbsminderungsrente auch nach Ablauf der 9-Jahresfrist nur zeitlich befristet geleistet werden.
(3) Unter diesen Umständen kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sich der gesundheitliche Zustand von Frau K. nicht verbessern werde und diese nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand gehen werde, ohne ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Es war zwar bereits im Zeitpunkt der Befristungsabrede vom 17. Januar 2014 sehr unwahrscheinlich, dass Frau K. in den Dienst zurückkehren werde. Da aber die Rentengewährung nicht allein vom Gesundheitszustand von Frau K., sondern auch von der Situation auf dem Arbeitsmarkt abhing, konnte eine Rückkehr von Frau K. aus Sicht der Beklagten nicht völlig ausgeschlossen werden. Die Beklagte lief das Risiko, dass die volle Erwerbsminderungsrente von Frau K. wegen einer Änderung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr bewilligt werde und Frau K. ihre Arbeitsleistung anbieten würde. In einem solchen Fall wäre es nicht auszuschließen gewesen, dass es im Falle eines Annahmeverzugsprozesses zu einer rechtlichen Auseinandersetzung über den Grad des Leistungsvermögens von Frau K. hätte kommen können. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass dieses Risiko sehr begrenzt war. Dennoch wäre die Beklagte ein gewisses Risiko eingegangen, wenn sie mit der Klägerin im Januar 2014 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingegangen wäre. Daher sprechen die besseren Gründe dafür, ungeachtet des relativ geringen Risikos der Beklagten die Wirksamkeit der Befristungsabrede anzunehmen.
(4) Daran ändert sich auch nichts, dass die Erwerbsminderungsrente von Frau K. mit Bescheid vom 19. Dezember 2016 erneut bis zum 29. Februar 2020 verlängert wurde. Angesichts des von der Klägerin mitgeteilten Alters von Frau K. von 62 Jahren ist damit zu rechnen, dass Frau K. anschließend eine Altersrente beziehen wird. Für die Wirksamkeit der Befristungsabrede kommt es ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an (st. Rspr., vgl. nur BAG 29. April 2015 - 7 AZR 310/13 - Rn 21). Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine befristete Weiterbeschäftigung, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse vor dem Auslaufen der Befristung geändert haben. Der Arbeitgeber ist in seiner Entscheidung frei, auf welche Weise er einen unvorhergesehenen weiteren Vertretungsbedarf abdecken möchte (BAG 20. Februar 2002 - 7 AZR 600/00 - Rn 25).
b) Die Beklagte kann sich jedoch nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs nicht auf den Sachgrund der Vertretung berufen.
aa) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (beginnend mit BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 783/10 und 7 AZR 443/09 im Anschluss am EuGH 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük]) dürfen sich die Gerichte bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Ob ein institutioneller Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, hängt maßgeblich von der Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverträge sowie der Anzahl der Vertragsverlängerungen ab. Ist danach die Prüfung eines institutionellen Rechtsmissbrauchs veranlasst, sind weitere Umstände zu berücksichtigen. Hierbei kann von Bedeutung sein, dass der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde oder ob es sich um wechselnde, ganz unterschiedliche Aufgaben handelt. Für eine missbräuchliche Handhabung kann zudem sprechen, wenn der Arbeitgeber trotz einer tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Arbeitsverträge zurückgreift.
bb) Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Klägerin als Indiz für einen Rechtsmissbrauch nicht darauf berufen kann, die Beklagte habe den Sachgrund der Vertretung von Frau K. "doppelt" ausgenutzt habe. Es trifft zwar zu, dass die Klägerin für beiden WC-Anlagen "Marktplatz" und "Kulturforum" in Vollzeit zuständig war und die Beklagte zusätzlich Frau VK ab 26. März 2007 für dieselben WC-Anlagen mit demselben Befristungsgrund eingestellt hatte. Rein rechnerisch ergibt sich damit ein Arbeitszeitumfang von 111,5 %, während Frau K. lediglich einen Arbeitszeitumfang von 100 % hatte.
Die Beklagte hat jedoch nachvollziehbar erläutert, weshalb Frau VK zusätzlich eingestellt wurde. Der Grund ist, dass die Beklagte von ihrer bisherigen Praxis abgerückt war, die Klägerin ohne einen arbeitsfreien Tag an den WC-Anlagen einzusetzen, und daher eine Vertretung für die arbeitsfreien Tage benötigte. Die Arbeitskraft von Frau VK wurde somit ausschließlich für die arbeitsfreien Tage der Klägerin benötigt. Eine "doppelte" Ausnutzung des Befristungsgrundes liegt somit nicht vor.
cc) Die Kammer teilt auch die Auffassung des Arbeitsgerichts, ein Rechtsmissbrauch sei nicht darin zu sehen, dass die Beklagte durch die Dauer der befristeten Arbeitsverhältnisse den Sonderkündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 TVöD umgangen hat. Hiernach können die Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und unter die Regelungen des Tarifgebiets West fallen, nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Diesen Sonderkündigungsschutz hat die Beklagte mit der Befristung der Arbeitsverhältnisse nicht rechtsmissbräuchlich umgangen.
Mit der Befristung von Arbeitsverhältnissen ist in zahlreichen Fällen die Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes verbunden. Bereits der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts würdigte die Wirksamkeit befristeter Arbeitsverträge unter dem Gesichtspunkt der objektiven Gesetzesumgehung (BAG 12. Oktober 1960 - GS 1/59). Der Große Senat gelangte zu dem Ergebnis, dass der Sonderkündigungsschutz nach § 9 MuSchG keine Wirkung entfalte, wenn ein Arbeitsvertrag rechtswirksam befristet sei. An dieser Auffassung hat das Bundesarbeitsgericht auch in seiner späteren Rechtsprechung festgehalten (BAG 23. Oktober 1991 - 7 AZR 56/91 - Rn 35). Kündigung und Befristung sind in ihrer Rechtswirkung nicht vergleichbar. Lediglich dann, wenn sich die Befristung als gezielte Umgehung des Sonderkündigungsschutzes darstellt, hat das Bundesarbeitsgericht eine unzulässige Rechtsausübung erwogen (BAG 28. November 1963 - 2 AZR 140/63).
Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht auch in anderen Zusammenhängen fortgesetzt. So hat es entschieden, dass die nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse von Betriebsratsmitgliedern mit Ablauf der vereinbarten Befristung enden. Lediglich dann, wenn der Arbeitgeber den Abschluss eines Folgevertrags wegen der Betriebsratstätigkeit ablehnt, kann das benachteiligte Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Schadenersatz haben (BAG 5. Dezember 2012 - 7 AZR 698/11; BAG 25. Juni 2014 - 7 AZR 847/12).
In gleicher Weise stellt auch die "Umgehung" des Sonderkündigungsschutzes zugunsten der langjährig Beschäftigten und älteren Arbeitnehmer kein Indiz für einen Gestaltungsmissbrauch dar (vgl. auch APS-Backhaus 5. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 62 ff; KR-Lipke 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 71 ff). Das befristete Arbeitsverhältnis genießt nicht denselben Bestandsschutz wie das unbefristete Arbeitsverhältnis; der - andersartige - Bestandschutz richtet sich nach den Regelungen des § 14 ff. TzBfG. So unterliegt ein befristetes Arbeitsverhältnis nach § 15 Abs. 3 TzBfG nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist. Ordentliche Unkündbarkeit und Befristung schließen sich daher nicht aus (BAG 19. Februar 2014 - 7 AZR 260/12 - Rn 24; so schon BAG 12. Mai 1955 - 2 AZR 23/54).
Der Klägerin ist einzuräumen, dass ihr damit ein ganz wesentlicher Schutz im Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes versagt bleibt. Es ist aber zu berücksichtigen, dass der Sonderkündigungsschutz in anderen Tarifbereichen an ganz andere Voraussetzungen als im öffentlichen Dienst anknüpft. So setzt der Sonderkündigungsschutz für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie zwar einerseits erst mit Vollendung des 53. Lebensjahr, andererseits aber bereits nach einer Beschäftigungsdauer von drei Jahren ein. Eine Befristungsdauer von drei Jahren wäre aber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs gänzlich unproblematisch.
dd) Die Kammer kann sich aber nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts anschließen, die Beklagte habe den durch die Vertragslaufzeit von mehr als 16 Jahren indizierten Rechtsmissbrauch entkräftet.
(1) Bereits in seinen Ausgangsentscheidungen vom 18. Juli 2012 hat das Bundesarbeitsgericht ein dreistufiges System zur Bestimmung der Schwelle des institutionellen Rechtsmissbrauchs angelegt, das der 7. Senat nunmehr mit Urteil vom 26. Oktober 2016 (7 AZR 135/15 - Rn 25 ff.) weiter konkretisiert hat. Nach diesem sogenannten Ampelmodell ist auf der dritten Stufe ein Rechtsmissbrauch indiziert, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder kumulativ in besonders gravierendem Ausmaß überschritten werden. Von einem indizierten Rechtsmissbrauch ist in der Regel auszugehen, wenn durch die befristeten Verträge einer der Werte des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG um mehr als das 5-fache überschritten wird oder beide Werte mehr als das jeweils 4-fache betragen. Dies bedeutet, dass ein Rechtsmissbrauch indiziert ist, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses 10 Jahre überschreitet oder mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden (1. Fallgruppe) oder wenn mehr als 12 Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als 8 Jahren vorliegen (2. Fallgruppe). In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber allerdings die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Rechtsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften.
(2) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall ein Rechtsmissbrauch indiziert. Nach einer Befristungsdauer von mehr als 16 Jahren befindet sich die vorliegende Befristungsabrede bildlich gesprochen im "tiefroten" Bereich. Die Beklagte hat den indizierten Rechtsmissbrauch nicht widerlegt.
Die Beklagte hat sich insoweit erstinstanzlich auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29. April 2015 berufen. Diesem Entscheidungsfall lag jedoch ein anderer Sachverhalt zugrunde. Der Sachverhalt zeichnete sich zwar wie der hiesige dadurch aus, dass der dortige Kläger (als stellvertretender Küchenleiter) ausschließlich zur Vertretung der langjährig beurlaubten Stammkraft eingestellt worden war und diese unmittelbar vertrat. In dieser Besonderheit erschöpfte sich aber der Sachverhalt nicht. Es kam hinzu, dass die Arbeitgeberin nur eine Küche betrieb, in der sie 5,2 Vollzeitkräfte beschäftigte. Sie verfügte insbesondere nicht über weitere Stellen für stellvertretende Küchenleiter. Damit hatte sie auch nicht die Möglichkeit, entweder den damaligen Kläger oder die verhinderte Stammkraft auf eine andere Stelle zu versetzen. Nur unter diesen besonderen Umständen war das Bundesarbeitsgericht (aaO Rn. 29) der Auffassung, dass die Arbeitgeberin bei einer Befristungsdauer von mehr als 15 Jahren den indizierten Rechtsmissbrauch widerlegt habe.
Eine vergleichbare Besonderheit liegt im Streitfall gerade nicht vor. Zwar wurde die Klägerin ausschließlich zur Vertretung von Frau K. eingestellt und vertrat diese unmittelbar. Anders im Entscheidungsfall vom 29. April 2015 verfügte und verfügt die Beklagte aber nicht nur über eine einzige Stelle als Reinigungskraft. Vielmehr waren und sind bei der Beklagten rund 40 Reinigungskräfte beschäftigt. Wie bei Reinigungsleistungen vielfach üblich, handelt es sich hierbei zwar nicht durchweg um Vollzeitbeschäftigte. Vielmehr richtet sich der Beschäftigungsumfang nach den Umständen des Einzelfalls, d.h. in der Regel nach dem Reinigungsbedarf an den Einsatzobjekten. Laut dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten in der Berufungsverhandlung ist die Klägerin derzeit die einzige Vollzeitbeschäftigte; zwei weitere Reinigungskräfte besitzen 35-Stunden-Verträge.
Trotz dieser Sachlage hätte sich die Beklagte nach Auffassung der Kammer nach dem Bekanntwerden der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Januar 2012 und des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Juli 2012 nicht damit begnügen dürfen, die Klägerin auf der für die Reinigungsobjekte passenden Vollzeitbeschäftigung an den WC-Anlagen "Marktplatz" und "Kulturforum" befristet weiter zu beschäftigen. Die Beklagte hätte prüfen müssen, ob sich ggf. durch ein "Zusammenbauen" von freien Beschäftigungsumfängen an verschiedenen Reinigungsobjektiven die Möglichkeit einer Vollzeitbeschäftigung ergeben hätte. Selbst wenn dies nicht gelungen wäre, hätte die Beklagte nach Auffassung der Kammer zumindest ein unbefristetes Arbeitsverhältnis anbieten müssen, das soweit wie betrieblich vertretbar einem Vollzeitarbeitsverhältnis nahekommt. Es wäre sodann die Sache der Klägerin gewesen zu entscheiden, ob sie einem befristeten Vollzeitarbeitsverhältnis oder einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit einem geringeren Beschäftigungsumfang den Vorzug gibt. Hätte die Klägerin, vor diese Wahl gestellt, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einem geringeren Beschäftigungsumfang abgelehnt, so hätte dies als ein gegen einen Gestaltungsmissbrauch sprechender Gesichtspunkt gewertet werden können.
(3) Nach Auffassung der Kammer war es nicht die Aufgabe der Klägerin, von sich aus tätig zu werden und sich auf unbefristete ausgeschriebene Stellen für Reinigungskräfte zu bewerben. Da die Beklagte nach Bekanntwerden der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Januar 2012 und des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Juli 2012 die Gefahr lief, sich nicht mehr auf den Sachgrund der Vertretung berufen zu können, lag die Initiativlast bei ihr. Dies folgt aus der dem Arbeitgeber auf der dritten Stufe des "Ampelmodells" obliegenden Darlegungs- und Beweislast für die Entkräftung des institutionellen Rechtsmissbrauchs. Trifft den Arbeitgeber insoweit die Darlegungslast, so folgt hieraus zugleich die Verpflichtung, von sich aus tätig zu werden, wenn die Überschreitung der Schwelle des institutionellen Rechtsmissbrauchs droht und besondere Umstände im Sinne der Rechtsprechung nicht ersichtlich sind.
(4) Aus dem von der Beklagten vorgelegten Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 9. Januar 2015 (14Sa 229/14) folgt nichts anders. Das Hessische Landesarbeitsgerichts hat eine Kongruenz zwischen Befristungsdauer und Vertretungsbedarf nicht genügen lassen, um bei einer zwölfjährigen Befristungsdauer einen institutionellen Rechtsmissbrauch zu verneinen. Wie aus den Ausführungen ab Rn. 79 hervorgeht, ist das Landesarbeitsgericht im Einzelnen der Frage nachgegangen, ob die Beklagte die Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung hatte. Im Rahmen einer Würdigung des Einzelfalls ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass im konkreten Fall keine solche Möglichkeit bestand.
Wie die Sachlage im vorliegenden Fall war, kann die Kammer aufgrund des Vorbringens der Beklagten nicht prüfen. Der Schriftsatz der Beklagten vom 13. Juni 2017 enthält hierzu keinen verwertbaren Sachverhalt. Auch in der Berufungsverhandlung konnte sich die Kammer keine Gewissheit dazu verschaffen, wie es sich seit Bekanntwerden der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Januar 2012 und des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Juli 2012 mit der Möglichkeit einer dauerhaften Beschäftigung verhielt.
3. Hat die Klage somit mit dem Befristungskontrollantrag Erfolg, so fällt der Weiterbeschäftigungsantrag zu 2 zur Entscheidung an. Die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats vom 27. Februar 1985 - GS 1/84)) über den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gelten entsprechend auch dann, wenn um die Wirksamkeit einer Befristung gestritten wird (BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84). Nach Erlass des vorliegenden Urteils, das die Unwirksamkeit der Befristung feststellt, überwiegt das Beschäftigungsinteresse der Klägerin. Entgegenstehende überwiegende Interessen der Beklagten sind nicht vorgetragen.
III.
Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Es handelt sich in Anwendung der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Rechtsgrundsätze um eine Einzelfallentscheidung.
Fischer
Grein
Verkündet am 19.06.2017