11.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196431
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 16.02.2017 – 7 Sa 577/16
Um eine gesetzliche Ruhepause im Sinne von § 4 ArbZG handelt es sich nur, wenn zeitliche Lage und Dauer der Pause vor deren Beginn feststehen; wenn die Pause die Arbeitszeit unterbricht, also weder unmittelbar am Anfang oder am Ende einer Schicht liegt; wenn der Arbeitnehmer während der Pause keinerlei Arbeitspflicht unterliegt und sich auch nicht für eventuell anfallende Arbeitsleistung bereithalten muss; wenn er grundsätzlich seinen Aufenthaltsort während der Pause frei wählen kann, also nicht verpflichtet ist, sich an seinem Arbeitsplatz aufzuhalten.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 18.05.2016 in Sachen 1 Ca 4379/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Zeitraum von Mai 2014 bis April 2015 berechtigt war, der Klägerin bei 95 von ihr absolvierten Arbeitsschichten, die länger als sechs Stunden dauerten, eine jeweils halbstündige "Mindestpause" in Abzug zu bringen.
Die 1958 geborene Klägerin arbeitet bei der Beklagten, die ein Freizeitbad betreibt, als teilzeitbeschäftigte Kassiererin. Ihr Bruttostundenlohn betrug seinerzeit 11,94 € brutto. Die Beklagte zahlte der Klägerin eine verstetigte monatliche Vergütung in Höhe von 1.035,00 € brutto und führte zugleich ein Arbeitszeitkonto, in dem Plus- und Minusstunden erfasst wurden. Die tatsächlich erbrachten Arbeitszeiten wurden in einem Zeiterfassungssystem dokumentiert.
Die Mitarbeiter/innen an der Kasse arbeiteten im Anspruchszeitraum in einem Zweischichtsystem (Früh- und Spätschicht). Die Klägerin wurde bis auf vereinzelte Ausnahmen regelmäßig in der Spätschicht eingesetzt. Auf die sogenannten monatlichen "Mitarbeiter-Protokolle", in denen die erfassten Arbeitszeiten und deren Verarbeitung für das Arbeitszeitkonto dokumentiert sind, wird Bezug genommen (Bl. 5 ff. d. A.). Wie aus den Mitarbeiter-Protokollen ersichtlich leistete die Klägerin im Anspruchszeitraum (mindestens) 95 Spätschichten, die länger als sechs Stunden dauerten. Wie sich ebenfalls aus den Mitarbeiter-Protokollen ergibt, zog die Beklagte dabei von der erfassten Arbeitszeit jeweils eine halbe Stunde mit der Bemerkung "Mindestpause" von der auf das Arbeitszeitkonto anzurechnenden Arbeitszeit ab.
Mit Schreiben vom 26.01.2010 hatte der Geschäftsführer der Beklagten an die bei der Beklagten beschäftigten Kassiererinnen eine "Überarbeitete Pausenregelung Kasse" kommuniziert. Auf den vollständigen Inhalt des Schreibens vom 26.10.2010 wird Bezug genommen (Bl. 25 d. A.).
In einem weiteren an die "Kolleginnen der Ticketkasse" gerichteten Schreiben vom 3. Februar 2010 führte der Geschäftsführer der Beklagten sodann u. a. Folgendes aus:
Zur Einführung des geplanten 3-Schicht-Systems kam es in der Folgezeit jedoch nicht, da die Mitarbeiter/innen damit nicht einverstanden waren. Erst im Mai 2015 wurde ein Schichtsystem eingeführt, das nur noch 6-Stunden-Schichten ohne Pausen vorsieht.
Auf zwei von ihr quittierten "Unterweisungen nach Arbeitsschutzgesetz" vom 10.10.2012 bzw. 30.09.2013 hatte die Klägerin handschriftlich vermerkt: "Keine ordnungsgemäße Pause im Spätdienst!" (vgl. Bl. 118 d. A.) bzw. "Kassierer-Empfangskasse: keine ordnungsgemäßen Pausen" (vgl. Bl. 119 d. A.). Ferner war das Thema Gegenstand einer Teambesprechung vom 10.01.2012 (vgl. Bl. 120 f. d. A.).
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ihr im Zeitraum Mai 2014 bis April 2015 insgesamt 47,5 Arbeitsstunden zu Unrecht als Pausenzeiten von den auf das Arbeitszeitkonto anrechenbaren Zeiten abgezogen. In Wirklichkeit habe sie nämlich keine Pausen machen können. Die Problematik habe sich im Wesentlichen in der Spätschicht ergeben. Während der Frühschicht sei nämlich das Verwaltungsbüro besetzt, sodass die dortige Mitarbeiterin an der Kasse aushelfen könne, damit die Kassiererin ihre Pause realisieren kann. In der Spätschicht sei dies nicht der Fall. Die Kasse habe ständig besetzt sein müssen. Das Aufstellen eines Schildes, dass die Kasse vorübergehend nicht besetzt sei, sei allenfalls dann möglich gewesen, wenn man die Toilette habe aufsuchen müssen.
Die Klägerin hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Die Beklagte beruft sich auf die Pausenregelung vom 26.01.2010, die in den Jahren bis Mai 2015 fortgegolten habe und - abgesehen von der Klägerin - problemlos praktiziert worden sei. Die Beklagte hat behauptet, auch die Klägerin habe ihre Pausen tatsächlich genommen. Dies könne durch Videoaufzeichnungen belegt werden. Es sei auch nicht zutreffend, dass die Kasse stets habe besetzt sein müssen. Hierauf komme es aber letztlich auch nicht an; denn da die Pausen angeordnet gewesen seien, könne die Klägerin keine Rechte daraus herleiten, wenn sie die Pausen tatsächlich nicht in Anspruch genommen haben sollte.
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 18.05.2016 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 01.06.2016 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 29.06.2016 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 01.09.2016 - am 31.08.2016 begründet.
Die Beklagte wiederholt ihre Ansicht, dass sie gegenüber der Klägerin die Pausenzeiten mit dem entsprechenden Schreiben vom 26.01.2010 ordnungsgemäß festgelegt und angeordnet habe. Ihr, der Beklagten, sei nicht bekannt gewesen, dass die Klägerin ihre Pausen angeblich nicht habe nehmen können. Dies habe die Klägerin bis zum hiesigen Rechtsstreit nicht mitgeteilt. Unverständlich sei auch die irrige Auffassung der Klägerin, die Kasse habe durchgehend besetzt sein müssen.
Sie, die Beklagte bestreite, dass die Klägerin die festgelegten Pausen nicht habe nehmen können. Gegenteiliges habe die Klägerin darlegen und beweisen müssen. Das Arbeitsgericht habe insoweit die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Jedenfalls habe es aber die von ihr, der Beklagten, angebotenen Beweise erheben müssen.
Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 31.08.2016 wird ergänzend Bezug genommen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
Die Klägerin wiederholt ihrerseits, dass die unter dem 26.01.2010 aufgestellte Pausenregelung nur bis zu dem Schreiben vom 03.02.2010 gegolten habe. Sie sei durch das Schreiben der Beklagten vom 03.02.2010 überholt worden. Nachdem es zur Einführung des in diesem Schreiben angekündigten neuen Schichtsystems nicht gekommen sei, sei in der Folge bis Mai 2015 wieder das System mit "langen" Schichten ohne Pause durchgeführt worden.
Ferner weist die Klägerin darauf hin, dass das Bad in der Zeit von Montag bis Samstag jeweils um 22.00 Uhr schließe und um diese Zeit auch die offizielle Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen ende. Sonn- und feiertags schließe das Bad bereits um 20.00 Uhr und ende die Arbeitszeit an der Kasse grundsätzlich ebenfalls um 20.00 Uhr. Ab dem späten Nachmittag sei jeweils nur noch eine Kasse besetzt. Ein Schild "Ich mache gerade Pause und bitte um etwas Geduld" habe nicht exisitiert. Sie habe auch in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass keine bzw. keine ordnungsgemäßen Pausen genommen werden könnten. Nicht zuletzt gehe aus dem Schreiben vom 03.02.2010 auch hervor, dass es sehr wohl ausdrückliche Vorgabe der Beklagten gewesen sei, dass eine Kasse durchgehend habe besetzt sein müssen.
Auf den vollständigen Inhalt der Berufungserwiderung der Klägerin vom 06.10.2016 wird ebenfalls Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 18.05.2016 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formell ordnungsgemäß eingelegt und begründet.
II. Die Berufung der Beklagten konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht Aachen hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin 47,5 Arbeitsstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Dabei handelt es sich um diejenigen Stunden, die die Beklagte der Klägerin im Zeitraum von Mai 2014 bis April 2015 von der auf das Arbeitszeitkonto anrechenbaren erfassten Arbeitszeit mit der Begründung "Mindestpause" abgezogen hat. Die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz bieten keinen hinreichenden Anlass dafür, das Ergebnis des arbeitsgerichtlichen Urteils und seine tragenden Gründe in Frage zu stellen.
1. Die Klägerin hat im Anspruchszeitraum Mai 2015 bis April 2015 an (mindestens) 95 Arbeitstagen Spätschichten absolviert, die länger als sechs Stunden gedauert haben. Dies ergibt sich aus der in den sogenannten Mitarbeiter-Protokollen dokumentierten Zeiterfassung. Der Inhalt der Mitarbeiter-Protokolle ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat in den genannten Fällen jeweils pauschal eine halbe Arbeitsstunde als "Mindestpause" in Abzug gebracht. Dem Arbeitszeitkonto der Klägerin wurde dementsprechend nur die um eine halbe Arbeitsstunde reduzierte Arbeitszeit gutgeschrieben.
2. Der Zeitabzug unter dem Stichwort "Mindestpause" erfolgte unberechtigt. Es ist nämlich nach Lage der Dinge nicht erkennbar, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin Ruhepausen im Sinne von § 4 ArbZG ordnungsgemäß festgelegt bzw. angeordnet hat und/oder dass die Klägerin solche Ruhepausen tatsächlich in Anspruch nehmen konnte und in Anspruch genommen hat.
a. § 4 S. 1 ArbZG schreibt vor, dass die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen ist. § 4 S. 3 ArbZG schreibt darüber hinaus vor, dass Arbeitnehmer länger als sechs Stunden hintereinander nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden dürfen. § 4 ArbZG dient in erster Linie dem Gesundheitsschutz und ist für beide Arbeitsvertragsparteien verbindlich.
b. Eine ordnungsgemäße Ruhepause im Sinne von § 4 ArbZG liegt nur unter den folgenden Voraussetzungen vor:
aa. Die Ruhepause muss "im Voraus feststehen". Dies bedeutet, dass die zeitliche Lage der Pause und deren Dauer vor Beginn der Pause festgelegt sein müssen.
bb. Um eine Ruhepause im Sinne von § 4 ArbZG handelt es sich ferner nur dann, wenn der Arbeitnehmer während deren Dauer von jeglicher Arbeitspflicht befreit ist. Mit dem Wesen einer Ruhepause im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist es auch nicht vereinbar, wenn dem Arbeitnehmer zwar eingeräumt wird, mit Beginn der Pause die Arbeit niederzulegen, dass er sich aber gleichwohl bereithalten muss, bestimmte während der Pausenzeit eventuell anfallende Arbeitstätigkeiten gleichwohl zu verrichten. Die Festlegung einer Ruhepause schließt die Anordnung von Arbeitsbereitschaft aus. Der Arbeitnehmer muss regelmäßig die Möglichkeit haben, während der Pausenzeit, wenn gewünscht, seinen Arbeitsplatz auch in räumlicher Hinsicht zu verlassen und die Pause an einem anderen Ort zu verbringen.
Es handelt sich daher nicht um eine Ruhepause im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, wenn z. B. ein Dienstleister oder Einzelhändler seinen Kassierern oder Kassiererinnen gestattet, in Zeiten geringen Kundenzuspruchs am Arbeitsplatz private Dinge zu erledigen wie z. B. eine Mahlzeit einzunehmen oder Zeitung zu lesen, wenn er zugleich erwartet, dass etwaige gleichwohl eintreffende Kunden dennoch bedient werden.
cc. Schließlich liegt eine Ruhepause im Sinne von § 4 ArbZG nur dann vor, wenn diese nach den Worten des Gesetzes die Arbeitszeit "unterbricht". Dies schließt es aus, eine Ruhepause in der Weise zu gewähren, dass der Unternehmer dem Arbeitnehmer zubilligt, die Arbeitsschicht eine halbe Stunde früher zu beenden. Mit dem Sinn und Zweck einer Ruhepause, die nach dem Wortlaut des Gesetzes die Arbeit unterbrechen soll, ist es nicht vereinbar, die Pausenzeit so festzulegen, dass die Ruhepause schon kurze Zeit nach Arbeitsaufnahme beginnt bzw. erst kurz vor Arbeitsende endet .
c. Im vorliegenden Fall ist schon nicht feststellbar, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitpunkt ordnungsgemäße Ruhepausen festgelegt hat, die den genannten Voraussetzungen gerecht werden.
aa. Die Beklagte beruft sich für ihre Auffassung, die Pausenzeiten ordnungsgemäß festgelegt zu haben, auf ein Schreiben ihres Geschäftsführers an die Kassiererinnen vom 26.01.2010 (Bl. 25 d. A.). Dieser Argumentation kann aus verschiedenen Gründen nicht gefolgt werden. Zum einen ist inhaltlich nicht ersichtlich, dass das Schreiben, bezogen auf die Spätschicht der Kassiererinnen, eine Pausenregelung enthält, die § 4 ArbZG gerecht wird. Zum anderen kann aber vor allem nicht davon ausgegangen werden, dass die mit Schreiben vom 26.01.2010 kommunizierte Pausenregelung auch nach dem 03.02.2010 verbindlich fortbestanden hat.
aaa. Die Klägerin hat, untermauert durch die Vorlage eines Publikumsflyers im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht und ohne dass die Beklagte ihrem Vortrag konkret entgegen getreten wäre, vorgetragen, dass das Freizeitbad in der Zeit von Montag bis Samstag jeweils bis 22.00 Uhr und sonn- und feiertags um 20.00 Uhr schließt und zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich auch die Regelarbeitszeit der Kassiererinnen ihr Ende findet.
bbb. Tatsächlich lässt sich der in den Mitarbeiter-Protokollen dokumentierten Zeiterfassung entnehmen, dass die Klägerin am 08.07., 05.11., 17.11., 26.11., 16.12. und 29.12.2014, ferner am 05.01., 20.01., 03.02., 03.03., 09.03., 10.03., 12.03., 16.03., 26.03., 01.04., 02.04., 08.04., 09.04. und 23.04.2015 insgesamt länger als sechs Stunden andauernde Spätschichten absolviert hat, die allesamt in der Zeit zwischen 21.59 Uhr und spätestens 22.15 Uhr beendet waren. Bei keinem der genannten Tage handelte es sich um einen Sonn- oder Feiertag. Nach dem oben Gesagten liegt auf der Hand, dass der Klägerin an den genannten Tagen für die Zeit von 21.45 Uhr bis 22.15 Uhr keine ordnungsgemäße Ruhepause im Sinne von § 4 ArbZG gewährt werden konnte.
ccc. Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass ausweislich der Mitarbeiter-Protokolle die Klägerin an zahlreichen anderen Tagen im Anspruchszeitraum ihre Schicht erst deutlich später als 22.15 Uhr beendet hat, in Einzelfällen sogar um mehr als zwei Stunden später. Die unregelmäßig über 22.15 Uhr hinausgehenden Arbeitszeiten mögen dadurch erklärbar sein, dass es sich um Tage mit hohem Publikumsandrang gehandelt hat, an denen auch nach 22.00 Uhr noch Serviceaufgaben und Restarbeiten zu erledigen waren. Nicht ersichtlich ist jedoch, inwiefern solche Tage mit verlängertem Arbeitsanfall in der Weise planbar waren, dass eine Pausengewährung in der Zeit von 21.45 Uhr bis 22.15 Uhr noch eine dem Sinne und Zweck von § 4 S. 1 ArbZG gerecht werdende Arbeitsunterbrechung darstellen konnte.
ddd. Es hilft der Beklagten dabei auch nicht weiter, dass nach der Bemerkung in dem Schreiben vom 26.01.2010 die Pausenzeit von 21.45 Uhr bis 22.15 Uhr von den Kassiererinnen selbst vorgeschlagen worden sein soll. Wie bereits ausgeführt, richtet sich die Vorschrift des § 4 ArbZG an beide Arbeitsvertragsparteien, sodass eine der Intention des Gesetzes nicht mehr entsprechende Regelung nicht mit einem entsprechenden Wunsch einer der Vertragsparteien gerechtfertigt werden kann.
d. Es kann jedoch letztlich sogar dahingestellt bleiben, dass die Pausenregelung für die Spätschicht gemäß Schreiben vom 26.01.2010 schon inhaltlich den Vorgaben des § 4 S. 1 ArbZG nicht voll entspricht. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die in dem Schreiben vom 26.01.2010 getroffene Pausenregelung über den 03.02.2010 hinweg überhaupt als verbindliche arbeitgeberseitige Anordnung im Betrieb der Beklagten gegolten hat.
aa. Die Klägerin hat sich, ohne dass die Beklagte näher darauf eingegangen wäre, erst- wie zweitinstanzlich auf ein Schreiben des Geschäftsführers vom 3. Februar 2010 "an die Kolleginnen der Ticketkasse" (Bl. 51 d. A.) bezogen, in welchem der Geschäftsführer sinngemäß die Praktikabilität der im Schreiben vom 26.01.2010 enthaltenen Pausenregelung für die Spätschicht in Frage stellt. Dies folgt aus der Passage: "Das im Moment praktizierte Verfahren, wonach die Kassiererin sich eine halbe Stunde "ausklinkt" und den Wünschen der Gäste nicht entsprochen werden kann, ist nicht im Sinne der Gäste und damit auch nicht im Interesse der Firma. Erschwerend kommt noch hinzu, dass ein Kollege aus der Arbeit der Aufsicht abgezogen werden muss, damit das Foyer zumindest nicht völlig verwaist ist". Der Geschäftsführer sieht daher in dem Schreiben vom 03.02.2010 Anlass für eine Umstellung des gesamten Schichtsystems, "um die von unseren Gästen bisher gewöhnte und geschätzte Betreuung bis zum Verlassen des Bades auch weiterhin sicherstellen zu können". Das von dem Geschäftsführer avisierte 3-Schicht-System hätte kürzere als 6-Stunden-Schichten mit sich gebracht und eine Pausenregelung somit obsolet gemacht.
bb. Das in dem Schreiben vom 03.02.2010 avisierte 3-Schicht-System ist zwar in der Folgezeit unstreitig nicht zum Tragen gekommen. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass damit die in dem Schreiben vom 26.01.2010 enthaltene Pausenregelung unverändert und verbindlich wieder in Kraft gesetzt werden sollte. Der Geschäftsführer der Beklagten hat in dem Schreiben vom 03.02.2010 ein Problem beschrieben und dafür eine Lösung in Form der Einführung eines 3-Schicht-Systems vorgeschlagen. Daraus, dass über die vom Geschäftsführer befürwortete Lösung des Problems kein Einvernehmen erzielt werden konnte, folgt nicht, dass das von ihm erkannte Problem nun plötzlich nicht mehr bestanden hätte.
cc. Nach dem Scheitern der Einführung des 3-Schicht-Systems bestand daher hinsichtlich der Pausengestaltung in der Spätschicht ein letztlich ungeregelter Zustand. Zwar mag man sich dabei in der Praxis in Ermangelung anderweitiger "Lösungen" weiter an dem Inhalt des Schreibens vom 26.01.2010 orientiert haben. Es stand dabei aber weiterhin die Aussage des Geschäftsführers aus dem Schreiben vom 03.02.2010 im Raum, dass es nicht im Interesse der Firma liege, wenn die Kassiererin sich eine halbe Stunde ausklinkt und den Wünschen der Gäste nicht entsprochen werden kann. Es ist der Klägerin daher nicht anzulasten, wenn sie sich weiter an dieser Aussage orientiert hat. Da, wie bereits ausgeführt, gegenüber der Klägerin eine ordnungsgemäß dem Sinn und Zweck von § 4 S. 1 ArbZG entsprechende Pausenanordnung schon nicht bestanden hat, kann die Beklagte nicht mit ihrer Auffassung gehört werden, dass es allein Sache der Klägerin sei, wenn sie angeordnete Pausen nicht in Anspruch genommen haben sollte.
3. Es kann der Entscheidung auch nicht zugrunde gelegt werden, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Pausenzeiten tatsächlich in Anspruch genommen hätte.
a. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass insoweit die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet war.
Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die von ihr tatsächlich geleistete Arbeitszeit ihrem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben bzw. vergütet wird. Der Feststellung der von der Klägerin tatsächlich geleisteten Arbeitszeit dient die Arbeitszeiterfassung der Beklagten, wie sie in den sogenannten Mitarbeiter-Protokollen dokumentiert ist. Die dokumentierte Zeiterfassung weist keine konkreten Pausenzeiten auf. Der Eingriff der Beklagten in das Ergebnis der Zeiterfassung durch Vornahme pauschaler Zeitabzüge stellt einen Ausnahmetatbestand dar, der einer Rechtfertigung bedarf. Hierbei handelt es sich um einen für die Beklagte günstigen Tatsachenkomplex, für den sie damit nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegung- und Beweislast trifft.
b. Dieser ist die Beklagte, wie auch das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht gerecht geworden. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe tatsächlich ihre Pausen in dem Umfang, in dem die Beklagte sie von der erfassten Arbeitszeit abgezogen hat, in Anspruch genommen, entbehrt der nötigen Substantiierung und enthält keinen ordnungsgemäßen Beweisantritt.
aa. Die Beklagte hat sich nicht dazu geäußert, wann die Klägerin im Einzelnen die von der Beklagten behaupteten Pausen gemacht haben soll. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte konkludent zum Ausdruck bringen will, die Klägerin habe ihre Pausen stets von 21.45 Uhr bis 22.15 Uhr gemacht; denn, wie oben aufgezeigt, hat die Klägerin an zahlreichen streitgegenständlichen Tagen ihre Spätschicht ausweislich der Arbeitszeiterfassung schon vor 22.15 Uhr beendet.
bb. Ebenso beinhaltet das Angebot der Vorlage von Videoaufnahmen der Überwachungskamera keinen ordnungsgemäßen Beweisantritt für die Behauptung, die Klägerin habe ihre Pausen genommen. Schon das Arbeitsgericht hat zu Recht beanstandet, dass die Beklagte in keiner Weise erläutert hat, was auf den Videoaufnahmen konkret zu sehen sein soll und inwieweit sich aus dem Gesehenen dann ergibt, dass die Klägerin ihre Arbeitszeitpausen im Sinne von § 4 ArbZG eingehalten hat. Auch in der Berufungsinstanz hat die Beklagte entsprechenden Sachvortrag nicht nachgeholt.
4. Es muss daher bei dem Ergebnis des tragfähig begründeten arbeitsgerichtlichen Urteils vom 18.05.2016 verbleiben. Die Berufung der Beklagten konnte keinen Erfolg haben.
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO.
Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.