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30.08.2017 · IWW-Abrufnummer 196179

Landgericht Berlin: Urteil vom 29.12.2016 – 7 O 141/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Berlin

Im Namen des Volkes

Urteil     
 
Geschäftsnummer: 7 O 141/16      
verkündet am: 29.12.2016

In dem Rechtsstreit

xxx

hat die Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin in Berlin - Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 15.12.2016 durch den Richter am Landgericht Spuhl als Einzelrichter

für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Es wird festgestellt, dass der Klägerin gegen die Beklagte aus dem streitgegenständlichen Versicherungsfall, Einbruchsdiebstahl vom 9. Juni 2015, hinsichtlich der beiden streitgegenständlichen Uhren keine Ansprüche zustehen.
  3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche aus einer Hausratversicherung geltend, die ihr inzwischen verstorbener Ehemann seit September 2009 bei der Beklagten auf der Basis der VHB2000 (im Folgenden: VHB) für die Wohnung in der ■■■■■. 31, 14167 Berlin, unterhielt. Versichert war der Hausrat zum Neuwert u.a. gegen Schäden durch Einbruchsdiebstahl bei einer Versicherungssumme in Höhe von ursprünglich 104.800 EUR.

In § 19 VHB ist zu “Entschädigungsgrenzen für Wertsachen einschließlich Bargeld” u.a. Folgendes geregelt:
“1. Wertsachen sind
a) Bargeld und auf Geldkarten geladene Beträge…,
b) Urkunden einschließlich Sparbücher und sonstiger Wertpapiere,
c) Schmucksachen, Edelsteine, Perlen, Briefmarken, Telefonkarten, Münzen und Medaillen, sowie alle Sachen aus Gold oder Platin,

2. Die Entschädigung für Wertsachen ist je Versicherungsfall auf insgesamt 20 Prozent der Versicherungssumme begrenzt, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.
3. Ferner ist für Wertsachen, die sich außerhalb verschlossener mehrwandiger Stahlschränke mit einem Mindestgewicht von 200 kg … befinden, die Entschädigung je Versicherungsfall begrenzt auf
1.000 EUR für Bargeld …

insgesamt 20.000 EUR für Wertsachen gemäß Nr. 1 c.”

Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Regelungen wird auf den Versicherungsschein und die Versicherungsbedingungen (Anlagenkonvolut K 1) Bezug genommen.

Die Klägerin meldete der Beklagten einen Einbruchsdiebstahl in die versicherte Wohnung vom 9.6.2015. Die Beklagte trat in die Leistungsprüfung ein und zahlte an die Klägerin für Wertsachen gemäß Nr. 1 c VHB insgesamt 20.000 € aus.

Die Klägerin behauptet, bei dem Einbruchsdiebstahl seien neben den entschädigten Sachen eine Damenuhr Rolex (Oyster Perpetual) mit einem Gehäuse aus 18 Karat Gelb-Gold und einem mit 10 Diamanten besetzten Ziffernblatt sowie eine Herrenuhr Rolex (Oyster Perpetual) mit einem Gehäuse aus 18 Karat Gelb-Gold gestohlen worden. Die unverbindlichen Preisempfehlungen betragen für die Damenuhr 24.250 € und für die Herrenuhr 25.800 €.

Die Klägerin ist der Meinung, die Uhren unterfielen nicht den Entschädigungsgrenzen für Wertsachen aus den vereinbarten VHB.

Sie fordert im Wege der Teilklage je Uhr eine Versicherungsleistung in Höhe von 15.000 €.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 30.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt widerklagend,
festzustellen, dass der Klägerin auch über 30.000 € hinausgehend keine Ansprüche ihr gegenüber zustehen.

Die Klägerin beantragt,
die Widerklage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig jedoch unbegründet. Die Widerklage ist zulässig und begründet; die Kammer hat lediglich aus Klarstellungsgründen den Feststellungstenor sprachlich abweichend vom Antrag gefasst.

Die Klägerin hat aufgrund der behaupteten Entwendung der Uhren keinen Anspruch gegen die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag. Beide Uhren unterfallen den in § 19 VHB geregelten Entschädigungsgrenzen für Wertsachen. Es handelt sich bei den Uhren jedenfalls um Wertsachen, konkret um Sachen aus Gold iSd. § 19 Nr. 1 c. VHB. Dahinstehen kann, ob die Uhren auch als Schmucksachen anzusehen sind.

Die Entschädigung für Wertsachen gemäß Nr. 1 c. ist nach § 19 Nr. 3 c. VHB auf insgesamt 20.000 € begrenzt. Für Wertsachen gemäß Nr. 1 c. VHB hat die Beklagte aufgrund des streitgegenständlichen Versicherungsfalls jedoch unstreitig bereits 20.000 € gezahlt.

Beide Uhren haben ein Gehäuse aus 18 Karat Gelb-Gold und sind damit Sachen aus Gold iSd. § 19 Nr. 1 c. VHB. Dies ist das Ergebnis der Auslegung der Klausel (so im Ergebnis bereits der BGH, Urteil vom 16.3.1983, IVa ZR 111/81, VersR 1983, 573, wenn auch ggf. noch als Ergebnis einer gesetzesähnlichen Auslegung und das OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.12.1993, 12 U 249/93, VersR 1994, 1465).

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (BGH, Urteile vom 17. Februar 2016 - IV ZR 353/14, VersR 2016, 720 Rn. 15; vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 unter III 1 b; st. Rspr.).

Ein solcher Versicherungsnehmer wird dem Wortlaut der Klausel zunächst entnehmen, dass “alle Sachen aus Gold”, also insbesondere auch unabhängig davon, ob sie als Schmucksachen anzusehen sind, den Wertgrenzen unterfallen sollen. Im allgemeinen Sprachgebrauch steht jedoch die “goldene Uhr” geradezu sprichwörtlich für eine Sache aus Gold.

Der verständige Versicherungsnehmer wird zur endgültigen Beantwortung der Frage, ob auch Sachen, die nicht ganz aus Gold bestehen, den Wertgrenzen unterliegen sollen, sodann den für ihn erkennbaren Zweck der Klausel in den Blick nehmen (vgl. zu diesem Maßstab BGH, Urteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21). Erkennbarer Sinn und Zweck von § 19 VHB ist es, das Risiko des Hausratversicherers in sinnvoller Weise zu begrenzen. Das Diebstahlsrisiko ist besonders groß bei Sachen von geringer Größe und erkennbar hohem Wert, die ein Dieb leicht für seine Zwecke verwerten kann. Die besondere Diebstahlsgefährdung von Goldsachen liegt hierbei auch in der Tatsache, dass ein Dieb oder Hehler sich den reinen Materialwert des Goldes durch Umarbeiten oder Einschmelzen verhältnismäßig leicht zunutze machen kann. Das gilt auch dann, wenn der Materialwert des Goldes den Wert der ganzen Sache - wie hier - nicht erreicht. Ein Dieb nimmt nämlich auch die Vernichtung höherer Sachwerte oder auch Markenwerte in Kauf, um sich den Materialwert des Goldes zunutze machen zu können. Deshalb sind Goldsachen auch dann, wenn sie nicht ganz aus Gold bestehen, ihr Wert aber vom Materialwert des Goldanteils - wie vorliegend - wesentlich mitbestimmt wird, dem Diebstahlsrisiko in höherem Maße ausgesetzt als andere Sachen.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin für ihre gegenteilige Rechtsansicht auf die Entscheidung des OLG Koblenz, Beschluss vom 10.11.2011, 10 U 771/11, VersR 2012, 1173. Das OLG Koblenz ist in dieser Entscheidung zu der Auffassung gelangt, dass eine Uhr, die “teilweise mit Gold oder Platin besetzt” ist, keine Schmucksache und auch keine Sache aus Gold oder Platin ist. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Die hier in Rede stehenden Uhren waren nicht lediglich teilweise mit Gold oder Platin besetzt, sondern hatten jeweils ein Gehäuse aus massivem Gold.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 709 ZPO.

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