25.08.2017 · IWW-Abrufnummer 196102
Oberlandesgericht Koblenz: Hinweisbeschluss vom 29.07.2017 – 5 U 565/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 U 565/16
1 O 351/14 LG Koblenz
Oberlandesgericht Koblenz
Hinweisbeschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO
In dem Rechtsstreit
…
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
…
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, die Richterin am Oberlandesgericht Kohlmeyer und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Walter am 04.07.2016 beschlossen:
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen behandlungsfehlerhafter zahnärztlicher Versorgung sowie unzureichender Aufklärung im Zusammenhang mit der Extraktion eines Backenzahnes.
Die Klägerin stellte sich am 14. April 2014 mit Beschwerden im linken Unterkiefer in der Praxis des Beklagten vor. Ohne Fertigung eines Röntgenbildes teilte der Beklagte der Klägerin nach zahnklinischer Untersuchung mit, dass der Backenzahn 37 gezogen werden müsse. Daraufhin kam es zur Entfernung des Zahns mittels Osteotomie unter örtlicher Betäubung. Der Beklagte versorgte und verschloss die Wunde und ließ zur Kontrolle ein OPG fertigen, dessen Auswertung durch den Beklagten das Verbleiben eines Wurzelrestes ergab. Zum Zeitpunkt der Befundung der Aufnahme hatte die Klägerin die Zahnarztpraxis bereits verlassen. Am 17. April 2014 entfernte der Beklagte den in der Wunde verbliebenen Wurzelrest unter Leitungsanästhesie.
In der Folge kam es zu weiteren zahnärztlichen Behandlungen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Begründung ihres auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 10.000 €, Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 1.607,78 €, die Feststellung der Einstandspflicht für alle künftigen materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 490,99 € gerichteten Begehrens Behandlungs- und Aufklärungsfehler des Beklagten gerügt. Für die Extraktion des Zahns 37 habe es an einer Indikation gefehlt. Dies folge bereits aus dem Verzicht auf die Fertigung einer Röntgenaufnahme. Die Entfernung selbst sei auch nicht ordnungsgemäß und sorgfältig durchgeführt worden, weshalb die Zahnwurzel abgebrochen sei. Dies hätte der Beklagte bemerken müssen. Auch hätte er vor der Kontrolle, ob Wurzelanteile in der Alveole verblieben sein könnten, von einem Vernähen der Wunde absehen und nach Fertigung der postoperativen Aufnahme sogleich den Wurzelrest entfernen müssen. Eine Mitarbeiterin des Beklagten habe sie indes nach der Fertigung des OPG auf Nachfrage aus der Behandlung entlassen, woraufhin sie nach Hause gegangen sei. Die drei Tage später erfolgte langwierige und schmerzhafte Entfernung des Wurzelrestes sei ebenfalls nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt worden. Zudem sei es zu einer Verletzung des Nervus mentalis und des Nervus mandibularis links gekommen. Letztlich habe sich eine irreversible Nervschädigung mit erheblichen Beschwerden ergeben. Im Anschluss an die Behandlung habe sich ein ausgedehnter und stationär zu behandelnder Abzess entwickelt. Eine Aufklärung über Risiken, Therapiealternativen und Verhaltensweisen sei zu keiner Zeit erfolgt.
Der Beklagte hat dem entgegengehalten, der klinische Befund habe eine Fraktur des Zahns im Bereich der Krone ergeben. Daher sei dieser nicht erhaltungsfähig gewesen. Er habe die erforderliche Extraktion des Zahns mit der Klägerin eingehend erörtert und sie darüber aufgeklärt, dass es zu Schmerzen, einer Schwellung, Schluckbeschwerden, einer eingeschränkten Mundöffnung und lang anhaltenden Betäubung kommen könne. Die nach der Extraktion gefertigte Übersichtsaufnahme habe nicht mit der Klägerin besprochen werden können, da sie eigenmächtig die Arztpraxis verlassen habe, statt - wie erbeten - im Wartezimmer bis zur Besprechung des Befunds zu warten. Der Versuch, die Klägerin telefonisch nochmals einzubestellen, sei gescheitert, da sie eine Behandlung am selben Tag verweigert habe; daher sei es erst am 17. April 2014 zur Entfernung des Wurzelrests gekommen. Vorsorglich hat sich der Beklagte auf eine hypothetische Einwilligung berufen.
Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung vom 19. April 2016 verwiesen.
Das sachverständig beratene Landgericht hat die Klage nach Erhebung von Zeugenbeweis sowie Anhörung der Parteien zum Ablauf der zahnärztlichen Behandlung abgewiesen. Es liege weder ein Behandlungsfehler vor noch könne sich die Klägerin auf die fehlende Einwilligung in die Behandlung berufen. Die Indikation der Zahnextraktion sei gegeben gewesen. Dies folge bereits aus einer im Verlauf des Rechtsstreits vorgelegten Röntgenaufnahme, die rund sechs Monate vor der streitgegenständlichen Behandlung gefertigt worden sei. Die Aufnahme belege, dass ein Zahnerhaltungsversuch mit so erheblichen Risiken belastet gewesen wäre und damit eine Extraktion zumindest auch indiziert gewesen sei. Im Übrigen müsse aufgrund der Angaben des Beklagten, wonach eine Fraktur des Zahns vorgelegen habe, von einer zwingenden Indikation der Extraktion ausgegangen werden. Ein Röntgenbild sei bei dieser Sachlage für die Feststellung der Indikation nicht erforderlich gewesen. Das Verbleiben eines Wurzelrestes in der Alveole müsse intraoperativ nicht zwingend bemerkt werden; insofern könne nicht von einem Behandlungsfehler ausgegangen werden. Die Art der Vorgehensweise des Klägers mittels Extraktionszange sei keiner Beanstandung zugänglich. Auch müsse von der Qualifikation des Beklagten ausgegangen werden. Die Entfernung des Wurzelrestes erst drei Tage nach der Extraktion könne dem Beklagten nicht vorgehalten werden, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon auszugehen sei, dass die Klägerin die Arztpraxis nach entsprechender Gestattung noch vor der Erörterung der Übersichtsaufnahme verlassen habe. Vielmehr sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die Behandlung noch nicht abgeschlossen war und gegebenenfalls weitergeführt werden musste. Die bei Entfernung des Wurzelrestes eingetretene Nervverletzung sei ebenso wie die Wundinfektion als schicksalhaft anzusehen. Letztlich könne die Klägerin ihr Begehren auch nicht auf eine unzureichende Aufklärung bzw. fehlende Einwilligung in den Eingriff stützen. Das Risiko der Nervverletzung sei ihr aufgrund der Vorbehandlungen - wie sie selbst eingeräumt habe - bekannt gewesen. Über das Wundinfektionsrisiko müsse bei der Extraktion eines Zahnes nicht aufgeklärt werden, da es allgemein bekannt sei. Im Übrigen seien die Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung gegeben, auf die sich der Beklagte berufen habe. Eine Behandlungsalternative habe nicht bestanden, da der Zahn wegen der Fraktur nicht erhaltungsfähig gewesen sei. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 273 ff. GA) Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung unter Weiterverfolgung ihres erstinstanzlichen Begehrens. Zur Begründung führt sie an, das Landgericht habe fehlerhaft die Indikation der Zahnextraktion angenommen. Eine dem Beklagten unbekannte Röntgenaufnahme könne zu deren Herleitung nicht herangezogen werden. Zudem habe das Landgericht nicht von einem frakturierten Zahn ausgehen dürfen. Die entsprechende Beweiswürdigung sei mangelhaft. Es fehle bereits an einer Dokumentation eines entsprechenden klinischen Befundes. Dieser hätte nur durch eine Röntgenaufnahme „bewiesen“ werden können; eine solche habe der Beklagte indes nicht gefertigt. Seine Einlassung und die Aussage der vom Landgericht vernommenen Zahnarzthelferin seien abgesprochen gewesen. Hinsichtlich des verbliebenen Wurzelrestes hätte zwingend ein Röntgenbild gefertigt werden müssen. Sie sei über den verbliebenen Wurzelrest auch nicht informiert worden. Eine entsprechende Sicherungsaufklärung müsse dokumentiert werden, was jedoch nicht geschehen sei. Folglich könne nur vom Fehlen der Sicherungsaufklärung ausgegangen werden. In diesem Fall streite für sie die Vermutung des „aufklärungsrichtigen Verhaltens“. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Frage, ob sie die Praxis eigenmächtig verlassen habe, sei schließlich fehlerhaft. Zur Entfernung des Wurzelrestes habe der Sachverständige keine ausreichenden Feststellungen treffen können. Damit liege ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht vor. Letztlich sei die Entfernung des Wurzelrestes zeitlich zu spät und ohne ausreichende Dokumentation vorgenommen worden, was die Verantwortung des Beklagten für den Nervschaden begründe. Hinsichtlich der unzureichenden Aufklärung habe die Alternative der Wurzelbehandlung erörtert werden müssen. Im Übrigen wird - auch hinsichtlich des gestellten Berufungsantrags - auf die Berufungsbegründung vom 21. Juni 2016 (Bl. 296 ff. GA) verwiesen.
II.
Der Senat ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand einstimmig der Überzeugung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten. Von ihr sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Berufung überzeugen den Senat nicht. Hierzu Folgendes:
1. Zutreffend hat das Landgericht keine Grundlage für das Vorliegen eines haftungsbegründenden Behandlungsfehlers gesehen.
Voraussetzung für eine vertragliche bzw. deliktische Einstandspflicht des Beklagten ist das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, also eines Verstoßes gegen den zahnmedizinischen Standard. Diesen hat ebenso wie den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden die Klägerin als Patientin zu beweisen (vgl. nur BGH, NJW 2011, 1672; BGH, VersR 2003, 1256). Allein der Misserfolg der ärztlichen Behandlungsmaßnahme bzw. der Eintritt eines Schadens genügt folglich nicht zur Haftungsbegründung.
Hiervon ausgehend fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für die Annahme eines Behandlungsfehlers.
a) Von einer Indikation der Extraktion des Zahns 37 ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auszugehen. Die entsprechende Beweiswürdigung des Landgerichts wird vom Senat geteilt.
Dabei kann offenbleiben, ob sich bereits aus der Röntgenaufnahme vom 3. Juni 2013 eine zumindest relative Indikation ergibt. Eine solche ist nicht aufgrund des Umstandes, dass die Aufnahme dem Beklagten zum Behandlungszeitpunkt nicht vorlag, ausgeschlossen. Zwar sind Behandlungsfehlervorwürfe auf der Grundlage der Erkenntnisse zum Behandlungszeitpunkt zu beurteilen. Rechtfertigen allerdings nachträgliche Erkenntnisse die Annahme einer standardgerechten Behandlung, sind diese auch zu berücksichtigen. Insofern konnte die Röntgenaufnahme zur Beurteilung der Indikation herangezogen werden.
Allerdings kommt es hierauf - worauf auch das Landgericht abgestellt hat - nicht an, da von einer absoluten Indikation der Extraktion auszugehen ist. Der Beklagte hat sich darauf berufen, es habe ein frakturierter Zahn vorgelegen, der nicht erhaltungsfähig gewesen sei. Der Sachverständige Dr. Dr. ...[A] hat bei Unterstellung einer entsprechenden Befundlage die absolute Indikation der Extraktion bestätigt. Das Landgericht ist zutreffend von dem vom Beklagten angeführten Befund ausgegangen. Zwar verweist die Klägerin zu Recht auf das Fehlen einer entsprechenden Dokumentation und eines Röntgenbildes. Letzteres war indes nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht erforderlich, da bei einem frakturierten Zahn die Extraktionsbedürftigkeit allein durch die klinische Untersuchung festgestellt werden kann. Eine Röntgenaufnahme, die ihrerseits stets aufgrund der mit ihr verbundenen Belastungen einer Indikation bedarf, ist in einem solchen Fall zur Diagnostik nicht erforderlich. Allerdings dürfte von einem Dokumentationserfordernis hinsichtlich des Untersuchungsbefundes auszugehen sein. Dies führt jedoch nicht ohne weiteres zur Annahme einer Standardverletzung. Lücken in der Behandlungsdokumentation begründen grundsätzlich keinen Behandlungsfehlervorwurf. Sie haben lediglich beweisrechtliche Konsequenzen, wenn es der Behandlungsseite nicht gelingt, den dokumentationspflichtigen Umstand anderweitig zu beweisen und so die Dokumentationslücke zu schließen. Letzteres kann durch die Anhörung des behandelnden Arztes, aber auch die Vernehmung von Zeugen erfolgen.
Dies erkennt auch die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung. Entgegen ihrer Auffassung hat sich das Landgericht indes mit dem Ergebnis der Anhörung des Beklagten und der Zeugenaussage zur Frage des klinischen Bildes vor der Extraktion auseinandergesetzt. Dabei ist das Landgericht aus für den Senat überzeugenden Gründen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Zahn 37 frakturiert war. Sowohl der Beklagte als auch die Zeugin ...[B], die bei der Behandlung der Klägerin anwesend war, haben bekundet, dass der Zahn tief abgebrochen gewesen sei. Allein der Gesichtspunkt, dass die Zeugin ...[B] beim Beklagten angestellt ist, steht der Überzeugungskraft ihrer Angaben nicht entgegen. Entsprechendes gilt für etwaige Widersprüche hinsichtlich der tatsächlichen Geschehensabläufe bei der Fertigung der Übersichtsaufnahme. Letztere sprechen gerade nicht dafür, dass sich der Beklagte mit der Zeugin zum Inhalt der wechselseitigen Angaben abgesprochen hat. In diesem Fall hätten diese ihre Aussage vollständig aufeinander abgestimmt und keine Lücken gelassen, zumal die Umstände im Zusammenhang mit der Fertigung der Übersichtsaufnahme erkennbar Gegenstand der Beweisaufnahme sein würden. Auch der Inhalt der Dokumentation steht dem vom Beklagten geschilderten Geschehensablauf nicht entgegen. Die Behandlungsdokumentation des Beklagten ist - zurückhaltend formuliert - äußerst dürftig. Sie enthält kaum aussagekräftige Angaben zum Behandlungsgeschehen. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte nunmehr ein Detail hinzufügt, das mit der sonstigen Dokumentation nicht vereinbar ist. Vielmehr musste - ob nun eine relative oder absolute Indikation vorlag - eine über die Dokumentation hinausgehende klinische Befundsituation vorgelegen haben, die lediglich nicht dokumentiert wurde. Da das Behandlungsgeschehen zeitlich nicht erheblich zurückliegt und aufgrund des Fortgangs durchaus erinnerungswürdig ist, erscheint es auch plausibel, dass der Beklagte und auch die Zeugin sich an die Behandlung erinnern können.
b) Soweit erstinstanzlich die Durchführung der Extraktion mit der Extraktionszange beanstandet wurde, wird dies mit der Berufung nicht mehr aufgegriffen. Die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts, nach denen die Verwendung der Extraktionszange nicht beanstandet werden kann, begegnen auch keinen Bedenken.
c) Auch das Verbleiben eines Wurzelrestes sowie die Reaktion hierauf am 14. April 2014 vermögen einen Behandlungsfehlervorwurf nicht zu tragen.
Das Landgericht hat zunächst festgestellt, dass ein Zahnarzt bei der Zahnextraktion das Verbleiben eines Wurzelrestes nicht bemerken muss. Daher hat es der Sachverständige auch als standardkonform bezeichnet, wenn die Wunde vor der zur Abklärung gefertigten bildgebenden Kontrolle vernäht wird. Der mit der Berufungsbegründung erneuerte Vorwurf, der Beklagte sei nach dem Vernähen der Wunde der Auffassung gewesen, er habe die Wurzel komplett entfernt, vermag daher keinen Behandlungsfehler zu rechtfertigen. Die Veranlassung der Übersichtsaufnahme führte letztlich zur Feststellung des Verbleibs eines Wurzelrestes in der Alveole. Dieser Befund wird auch durch die Übersichtsaufnahme dokumentiert, weshalb der Vorwurf der Klägerin, es fehle an einer Dokumentation, nicht tragfähig ist.
Dem Beklagten kann auch nicht angelastet werden, dass es nicht unmittelbar am 14. April 2014 zur Entfernung des Wurzelrestes aus dem Zahnfach kam. Unstreitig war die Klägerin zum Zeitpunkt der Auswertung des OPG nicht mehr in der Praxis des Beklagten. Ob eine dokumentationspflichtige Sicherungsaufklärung durch den Beklagten zur Erforderlichkeit des Verbleibs in der Praxis überhaupt geboten war, kann der Senat offenlassen. Hieran bestehen zumindest Zweifel, da bei Fertigung einer Panoramaaufnahme nach einer Zahnextraktion vor der Befunderörterung nicht von einer Beendigung der Behandlung ausgegangen werden kann. Dies bedarf indes keiner Entscheidung, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von der Wahrnehmung dieser Verpflichtung auszugehen ist. Der Beklagte hat angegeben, er habe der Klägerin mitgeteilt, dass die Fertigung des OPG der Kontrolle hinsichtlich des Verbleibs von Wurzelresten erfolge und diese gegebenenfalls noch entfernt werden müssten. An einer entsprechenden Mitteilung hat der Senat keinen Zweifel. Es liegt auf der Hand, dass vor der Auswertung der Panoramaaufnahme nicht von einer Beendigung der Behandlung ausgegangen werden konnte. Insofern entspricht der vom Beklagten geschilderte Hinweis dem ohnehin auf der Hand liegenden Behandlungsablauf. Ein Widerspruch zur Dokumentation besteht insofern nicht. In dieser ist lediglich vermerkt, dass das OPG eine verbliebene Wurzelspitze ergeben hat. Zudem enthält die Niederschrift den Vermerk: „Neuer Termin!“. Diese knappe Dokumentation ist mit den Angaben des Beklagten auch der Zeugin ...[C] nicht in Widerspruch zu bringen, da damit lediglich festgehalten wurde, welchen Befund die Panoramaaufnahme ergeben hat, und dass ein neuer Termin erforderlich ist. Die Erforderlichkeit eines neuen Termins lag aufgrund der Entfernung der Klägerin aus der Praxis auf der Hand.
Insofern fehlt es bereits an hinreichenden Anhaltspunkten für die Annahme einer Verletzung der Verpflichtung zur Sicherungsaufklärung. Die den Kausalzusammenhang betreffende Frage, ob bei Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Beratung die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens greift, kommt es nicht an. Hierzu sei angemerkt, dass diese Vermutung in der Rechtsprechung nur in besonderen Konstellationen angenommen wurde. Hierfür fehlt es vorliegend indes an Anhaltspunkten. Grundsätzlich führt die mangelnde Aufklärung über die Erforderlichkeit einer weiteren Behandlung nicht ohne weiteres zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten (vgl. nur BGH, NJW 2009, 2820, 2822; MünchKomm-BGB/Wagner, 6. Aufl. 2013, § 823 Rdnr. 82).
Auf den weiteren Fortgang bis zum Behandlungstermin am 17. April 2014 kommt es nicht mehr entscheidend an. Denn unabhängig von der Frage, wie sich der weitere Geschehensablauf nach dem Verlassen der Arztpraxis durch die Klägerin gestaltet hat, hätte es, selbst wenn die Klägerin am 14. April 2014 erneut vorstellig geworden wäre, eines erneuten Eingriffs bedurft, wie er letztlich am 17. April 2014 erfolgt ist. Vorsorglich merkt der Senat allerdings an, dass er die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Frage, ob ein Anruf bei der Klägerin erfolgt ist, teilt.
d) Die Durchführung der Entfernung des Wurzelrestes bietet ebenfalls keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt für einen Behandlungsfehler des Beklagten. Soweit die Klägerin eine unzureichende Dokumentation rügt, vermag auch insofern eine Lücke in der Dokumentation kein Behandlungsfehlervorwurf zu begründen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Wurzelrest letztlich entfernt wurde. Zwar muss davon ausgegangen werden, dass es durch den Eingriff zu einer Nervverletzung infolge der Leitungsanästhesie sowie zu einer Infektion gekommen ist. Diese Folgen hat der Sachverständige indes nicht auf den Eingriff zurückführen können. Er hat klargestellt, dass eine Infektion im Mundraum, wie dem Senat auch aus anderen Verfahren hinlänglich bekannt ist, ein allgemeines Eingriffsrisiko darstellt. Entsprechendes gilt für die Nervverletzung. Bei einer Leitungsanästhesie kann es zu einer Nervverletzung kommen, da der Verlauf des Nervs nicht kontrolliert werden kann und damit auch bei Einhaltung des zahnmedizinischen Standards ein Komplikationsrisiko besteht. Die von der Klägerin angeführten Mängel in der Dokumentation vermögen hinsichtlich dieser Folgen des Eingriffs vom 17. April 2014 keine Schlüsse auf Behandlungsfehler zu eröffnen, da die knappe Dokumentation (auch nach dem Vorbringen der Klägerin) in keinem Zusammenhang mit der Beurteilung der Ursache der Nervschädigung bzw. der späteren Wundinfektion steht. Der Ansatz der Klägerin, allein eine nicht ordnungsgemäße Dokumentation und eine zeitlich zu späte Durchführung der Wurzelentfernung drei Tage nach der Extraktion begründe die Verantwortlichkeit des Beklagten für den Nervschaden, entbehrt einer Grundlage. Eine entsprechende Schlussfolgerung ist nicht eröffnet.
2. Der von der Klägerin erstinstanzlich erhobene Einwand einer unzureichenden Aufklärung wird mit der Berufung dahingehend eingegrenzt, der Beklagte habe nicht über die Behandlungsalternative einer Wurzelbehandlung aufgeklärt. Der Senat hat indes bereits zur Frage der Indikation ausgeführt, dass er von einer absoluten Indikation der Extraktion ausgeht. Insofern bestand keine Behandlungsalternative, wie der Sachverständige auch verdeutlicht hat.
III.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen bietet die Berufung offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des neu gefassten § 522 Abs. 2 ZPO ist eine mündliche Verhandlung aus den eingangs genannten Gründen nicht geboten. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO liegen vor.
Der Klägerin wird empfohlen, die Berufung kostensparend zurückzunehmen.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 13.607,78 € festzusetzen.
Aktenzeichen: 5 U 565/16
1 O 351/14 LG Koblenz
Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss
In dem Rechtsstreit
…
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
…
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Richter am Oberlandesgericht Burkowski, die Richterin am Oberlandesgericht Kohlmeyer und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Walter am 29.07.2016 beschlossen:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.04.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Koblenz und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.607,78 € festgesetzt.
Gründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.04.2016 ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die Stellungnahme der Klägerin vom 26. Juli 2016 rechtfertigt keine andere Entscheidung.
1. Die weiterhin von der Klägerin erhobenen Zweifel an der Indikation der Extraktion des Zahns 37 stützen sich auf eine von der Sichtweise des Landgerichts und des Senats abweichende Beweiswürdigung. Anders als die Klägerin ausführt, können Dokumentationslücken nicht nur durch die Vernehmung von Zeugen „geschlossen“ werden; vielmehr kann auch allein eine Anhörung des beklagten (Zahn-)Arztes einen nicht dokumentierten Zustand bzw. Geschehensablauf belegen. Bereits die Angaben des Beklagten genügen hierfür. Die Angaben der Zeugin ...[B] bestätigen die Befundsituation (lediglich) ergänzend. Die abweichende Würdigung der Aussage der Zeugin durch die Klägerin vermag auch nicht zu überzeugen. Arbeitsrechtliche Konsequenzen könnten der Zeugin kaum drohen, wenn ihre Aussage den Tatsachen entspricht. Insofern ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass allein die Stellung als Arbeitnehmer zwar in die Würdigung einfließen muss, aber der Überzeugungskraft der vorgenommenen Aussage nicht – wie die Klägerin offenbar meint – schlechthin entgegensteht. Soweit die Klägerin nicht nachvollziehen kann, weshalb aus Sicht des Senats die Umstände im Zusammenhang mit der Fertigung der Übersichtsaufnahme erkennbar Gegenstand der Beweisaufnahme sein würden, ist nur auf die mit Vehemenz verfolgten streitigen Behauptungen der Parteien zu dem Komplex rund um die Fertigung des OPG und ihr (vorzeitiges) Verlassens der Praxis zu verweisen. Widersprüche in den Angaben der Zeugin und des Beklagten zu diesem Geschehen eröffnen daher den Schluss auf eine abgesprochene Aussage gerade nicht.
2. Zum von der Klägerin monierten Fehlen einer Sicherungsaufklärung bezüglich des Verlassens der Praxis bzw. des Verbleibens eines Wurzelrestes im Zahn werden die Ausführungen des Senats missinterpretiert und daher im Argumentationsansatz verfehlt angegriffen.
Der Senat hat keine Zweifel am Bestehen einer Pflicht zur Sicherungsaufklärung geäußert; vielmehr erscheint – aufgrund der erkennbar wegen der (offenkundig zur Überprüfung) gefertigten Übersichtsaufnahme nicht abgeschlossenen Behandlung – eine Grundlage für eine Sicherungsaufklärung in der konkreten Situation zumindest vage. Sie kann jedenfalls aufgrund des Ergebnisses der Anhörung des Beklagten nicht als Pflichtverletzung festgestellt werden. Vom Nachweis der behaupteten Erlaubnis einer Mitarbeiterin des Beklagten zur Entfernung aus der Praxis kann nach dem Beweisergebnis ebenfalls nicht ausgegangen werden. Insofern verkennt der wiederholte Verweis der Klägerin auf die ohnehin nicht eingreifende Rechtsprechung zur Vermutung eines aufklärungsrichtigen Verhaltens, dass diese lediglich den Kausalzusammenhang betreffen kann. Es kann also – anders als die Klägerin offenbar meint – nicht aus ihrem Verlassen der Praxis des Beklagten auf dessen Pflichtverletzung geschlossen werden; auch ein entsprechender Beweis des ersten Anscheins kommt nicht in Betracht.
Eine Dokumentationspflicht zu den Gründen, weshalb der neue Termin erst am 17. April 2014 stattfinden sollte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Gesichtspunkte hierfür sind der Stellungnahme der Klägerin nicht zu entnehmen. Zudem bezieht sich ihr Vorbringen nicht auf den vom Senat als entscheidend angesehenen Aspekt, dass aufgrund ihres Verlassens der Praxis ohnehin ein Eingriff – insbesondere mit erneuter Leitungsanästhesie – erforderlich war, wie er am 17. April 2014 vorgenommen wurde.
3. Das Vorbringen zur Nervenverletzung anlässlich der Entfernung des Wurzelrestes erfordert ebenfalls keine ergänzende Beweiserhebung. Der Sachverständige Dr. Dr. ...[A] hat klargestellt, dass die Nervenverletzung bei einer Leitungsanästhesie auftreten kann. Er konnte eine Verursachung durch eine standardwidrige Ausführung des Eingriffs nicht erkennen. Das Vorbringen der Klägerin lässt dies nicht in einem anderen Licht erscheinen. Der auf Vernehmung des Zeugen Dr. ...[D] gerichtete Beweisantritt geht ins Leere, da die Klägerin insoweit den Gegenstand von Zeugen- und Sachverständigenbeweis nicht auseinanderhält. Es ist nicht Aufgabe eines sachverständigen Zeugen, sondern des Sachverständigen, dem Richter allgemeine Erfahrungssätze und besondere Kenntnisse des jeweiligen Wissensgebietes zu vermitteln bzw. aufgrund von Erfahrungssätzen und besonderen Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen (vgl. etwa Senat, GesR 2005, 329). Der Sachverständige hat indes gerade keinen Behandlungsfehler erkennen können, sondern bei seiner Betrachtung der Nervenschädigung die Möglichkeit einer komplikationsbedingten Schädigung durch die Leitungsanästhesie erwogen. Insofern hat er sich klar geäußert. Das Vorbringen der Klägerin erweist sich hierzu nicht als medizinisch begründete Gegendarstellung.
Die ohnehin nur als Möglichkeit („dürfte“) erwogene Schlussfolgerung, es sei eine Überweisung zu einem Kieferchirurgen erforderlich gewesen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Die Entfernung des Wurzelrestes selbst durfte der Beklagte vornehmen; dies folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen und leuchtet unmittelbar ein. Soweit die Klägerin damit die Nachbehandlung der aufgetretenen Nervenschädigung ansprechen wollte, wird ein völlig neuer Behandlungsfehlervorwurf erhoben, der nach
§ 531 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht berücksichtigungsfähig ist, da der Beklagte jedweden Behandlungsfehler bestritten hat. Unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Beklagten eine weitere unzureichende Behandlung vorgeworfen werden kann, da die zahnärztliche Versorgung anschließend anderweit von der Klägerin veranlasst wurde, weshalb eine eventuell erforderliche kieferorthopädische Intervention nach Feststellung des Ausbleibens einer zeitnahen Regeneration (wie sie der Sachverständige grundsätzlich bei entsprechenden Schadensbildern als möglich ansieht) von Seiten der Nachbehandler zu besorgen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.
1 O 351/14 LG Koblenz
Oberlandesgericht Koblenz
Hinweisbeschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO
In dem Rechtsstreit
…
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
…
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, die Richterin am Oberlandesgericht Kohlmeyer und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Walter am 04.07.2016 beschlossen:
- Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 19. April 2016 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
- Die Klägerin kann zu den Hinweisen des Senats bis zum 27. Juli 2016 Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen behandlungsfehlerhafter zahnärztlicher Versorgung sowie unzureichender Aufklärung im Zusammenhang mit der Extraktion eines Backenzahnes.
Die Klägerin stellte sich am 14. April 2014 mit Beschwerden im linken Unterkiefer in der Praxis des Beklagten vor. Ohne Fertigung eines Röntgenbildes teilte der Beklagte der Klägerin nach zahnklinischer Untersuchung mit, dass der Backenzahn 37 gezogen werden müsse. Daraufhin kam es zur Entfernung des Zahns mittels Osteotomie unter örtlicher Betäubung. Der Beklagte versorgte und verschloss die Wunde und ließ zur Kontrolle ein OPG fertigen, dessen Auswertung durch den Beklagten das Verbleiben eines Wurzelrestes ergab. Zum Zeitpunkt der Befundung der Aufnahme hatte die Klägerin die Zahnarztpraxis bereits verlassen. Am 17. April 2014 entfernte der Beklagte den in der Wunde verbliebenen Wurzelrest unter Leitungsanästhesie.
In der Folge kam es zu weiteren zahnärztlichen Behandlungen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Begründung ihres auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 10.000 €, Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 1.607,78 €, die Feststellung der Einstandspflicht für alle künftigen materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 490,99 € gerichteten Begehrens Behandlungs- und Aufklärungsfehler des Beklagten gerügt. Für die Extraktion des Zahns 37 habe es an einer Indikation gefehlt. Dies folge bereits aus dem Verzicht auf die Fertigung einer Röntgenaufnahme. Die Entfernung selbst sei auch nicht ordnungsgemäß und sorgfältig durchgeführt worden, weshalb die Zahnwurzel abgebrochen sei. Dies hätte der Beklagte bemerken müssen. Auch hätte er vor der Kontrolle, ob Wurzelanteile in der Alveole verblieben sein könnten, von einem Vernähen der Wunde absehen und nach Fertigung der postoperativen Aufnahme sogleich den Wurzelrest entfernen müssen. Eine Mitarbeiterin des Beklagten habe sie indes nach der Fertigung des OPG auf Nachfrage aus der Behandlung entlassen, woraufhin sie nach Hause gegangen sei. Die drei Tage später erfolgte langwierige und schmerzhafte Entfernung des Wurzelrestes sei ebenfalls nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt worden. Zudem sei es zu einer Verletzung des Nervus mentalis und des Nervus mandibularis links gekommen. Letztlich habe sich eine irreversible Nervschädigung mit erheblichen Beschwerden ergeben. Im Anschluss an die Behandlung habe sich ein ausgedehnter und stationär zu behandelnder Abzess entwickelt. Eine Aufklärung über Risiken, Therapiealternativen und Verhaltensweisen sei zu keiner Zeit erfolgt.
Der Beklagte hat dem entgegengehalten, der klinische Befund habe eine Fraktur des Zahns im Bereich der Krone ergeben. Daher sei dieser nicht erhaltungsfähig gewesen. Er habe die erforderliche Extraktion des Zahns mit der Klägerin eingehend erörtert und sie darüber aufgeklärt, dass es zu Schmerzen, einer Schwellung, Schluckbeschwerden, einer eingeschränkten Mundöffnung und lang anhaltenden Betäubung kommen könne. Die nach der Extraktion gefertigte Übersichtsaufnahme habe nicht mit der Klägerin besprochen werden können, da sie eigenmächtig die Arztpraxis verlassen habe, statt - wie erbeten - im Wartezimmer bis zur Besprechung des Befunds zu warten. Der Versuch, die Klägerin telefonisch nochmals einzubestellen, sei gescheitert, da sie eine Behandlung am selben Tag verweigert habe; daher sei es erst am 17. April 2014 zur Entfernung des Wurzelrests gekommen. Vorsorglich hat sich der Beklagte auf eine hypothetische Einwilligung berufen.
Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung vom 19. April 2016 verwiesen.
Das sachverständig beratene Landgericht hat die Klage nach Erhebung von Zeugenbeweis sowie Anhörung der Parteien zum Ablauf der zahnärztlichen Behandlung abgewiesen. Es liege weder ein Behandlungsfehler vor noch könne sich die Klägerin auf die fehlende Einwilligung in die Behandlung berufen. Die Indikation der Zahnextraktion sei gegeben gewesen. Dies folge bereits aus einer im Verlauf des Rechtsstreits vorgelegten Röntgenaufnahme, die rund sechs Monate vor der streitgegenständlichen Behandlung gefertigt worden sei. Die Aufnahme belege, dass ein Zahnerhaltungsversuch mit so erheblichen Risiken belastet gewesen wäre und damit eine Extraktion zumindest auch indiziert gewesen sei. Im Übrigen müsse aufgrund der Angaben des Beklagten, wonach eine Fraktur des Zahns vorgelegen habe, von einer zwingenden Indikation der Extraktion ausgegangen werden. Ein Röntgenbild sei bei dieser Sachlage für die Feststellung der Indikation nicht erforderlich gewesen. Das Verbleiben eines Wurzelrestes in der Alveole müsse intraoperativ nicht zwingend bemerkt werden; insofern könne nicht von einem Behandlungsfehler ausgegangen werden. Die Art der Vorgehensweise des Klägers mittels Extraktionszange sei keiner Beanstandung zugänglich. Auch müsse von der Qualifikation des Beklagten ausgegangen werden. Die Entfernung des Wurzelrestes erst drei Tage nach der Extraktion könne dem Beklagten nicht vorgehalten werden, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon auszugehen sei, dass die Klägerin die Arztpraxis nach entsprechender Gestattung noch vor der Erörterung der Übersichtsaufnahme verlassen habe. Vielmehr sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die Behandlung noch nicht abgeschlossen war und gegebenenfalls weitergeführt werden musste. Die bei Entfernung des Wurzelrestes eingetretene Nervverletzung sei ebenso wie die Wundinfektion als schicksalhaft anzusehen. Letztlich könne die Klägerin ihr Begehren auch nicht auf eine unzureichende Aufklärung bzw. fehlende Einwilligung in den Eingriff stützen. Das Risiko der Nervverletzung sei ihr aufgrund der Vorbehandlungen - wie sie selbst eingeräumt habe - bekannt gewesen. Über das Wundinfektionsrisiko müsse bei der Extraktion eines Zahnes nicht aufgeklärt werden, da es allgemein bekannt sei. Im Übrigen seien die Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung gegeben, auf die sich der Beklagte berufen habe. Eine Behandlungsalternative habe nicht bestanden, da der Zahn wegen der Fraktur nicht erhaltungsfähig gewesen sei. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 273 ff. GA) Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung unter Weiterverfolgung ihres erstinstanzlichen Begehrens. Zur Begründung führt sie an, das Landgericht habe fehlerhaft die Indikation der Zahnextraktion angenommen. Eine dem Beklagten unbekannte Röntgenaufnahme könne zu deren Herleitung nicht herangezogen werden. Zudem habe das Landgericht nicht von einem frakturierten Zahn ausgehen dürfen. Die entsprechende Beweiswürdigung sei mangelhaft. Es fehle bereits an einer Dokumentation eines entsprechenden klinischen Befundes. Dieser hätte nur durch eine Röntgenaufnahme „bewiesen“ werden können; eine solche habe der Beklagte indes nicht gefertigt. Seine Einlassung und die Aussage der vom Landgericht vernommenen Zahnarzthelferin seien abgesprochen gewesen. Hinsichtlich des verbliebenen Wurzelrestes hätte zwingend ein Röntgenbild gefertigt werden müssen. Sie sei über den verbliebenen Wurzelrest auch nicht informiert worden. Eine entsprechende Sicherungsaufklärung müsse dokumentiert werden, was jedoch nicht geschehen sei. Folglich könne nur vom Fehlen der Sicherungsaufklärung ausgegangen werden. In diesem Fall streite für sie die Vermutung des „aufklärungsrichtigen Verhaltens“. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Frage, ob sie die Praxis eigenmächtig verlassen habe, sei schließlich fehlerhaft. Zur Entfernung des Wurzelrestes habe der Sachverständige keine ausreichenden Feststellungen treffen können. Damit liege ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht vor. Letztlich sei die Entfernung des Wurzelrestes zeitlich zu spät und ohne ausreichende Dokumentation vorgenommen worden, was die Verantwortung des Beklagten für den Nervschaden begründe. Hinsichtlich der unzureichenden Aufklärung habe die Alternative der Wurzelbehandlung erörtert werden müssen. Im Übrigen wird - auch hinsichtlich des gestellten Berufungsantrags - auf die Berufungsbegründung vom 21. Juni 2016 (Bl. 296 ff. GA) verwiesen.
II.
Der Senat ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand einstimmig der Überzeugung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten. Von ihr sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Berufung überzeugen den Senat nicht. Hierzu Folgendes:
1. Zutreffend hat das Landgericht keine Grundlage für das Vorliegen eines haftungsbegründenden Behandlungsfehlers gesehen.
Voraussetzung für eine vertragliche bzw. deliktische Einstandspflicht des Beklagten ist das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, also eines Verstoßes gegen den zahnmedizinischen Standard. Diesen hat ebenso wie den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden die Klägerin als Patientin zu beweisen (vgl. nur BGH, NJW 2011, 1672; BGH, VersR 2003, 1256). Allein der Misserfolg der ärztlichen Behandlungsmaßnahme bzw. der Eintritt eines Schadens genügt folglich nicht zur Haftungsbegründung.
Hiervon ausgehend fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für die Annahme eines Behandlungsfehlers.
a) Von einer Indikation der Extraktion des Zahns 37 ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auszugehen. Die entsprechende Beweiswürdigung des Landgerichts wird vom Senat geteilt.
Dabei kann offenbleiben, ob sich bereits aus der Röntgenaufnahme vom 3. Juni 2013 eine zumindest relative Indikation ergibt. Eine solche ist nicht aufgrund des Umstandes, dass die Aufnahme dem Beklagten zum Behandlungszeitpunkt nicht vorlag, ausgeschlossen. Zwar sind Behandlungsfehlervorwürfe auf der Grundlage der Erkenntnisse zum Behandlungszeitpunkt zu beurteilen. Rechtfertigen allerdings nachträgliche Erkenntnisse die Annahme einer standardgerechten Behandlung, sind diese auch zu berücksichtigen. Insofern konnte die Röntgenaufnahme zur Beurteilung der Indikation herangezogen werden.
Allerdings kommt es hierauf - worauf auch das Landgericht abgestellt hat - nicht an, da von einer absoluten Indikation der Extraktion auszugehen ist. Der Beklagte hat sich darauf berufen, es habe ein frakturierter Zahn vorgelegen, der nicht erhaltungsfähig gewesen sei. Der Sachverständige Dr. Dr. ...[A] hat bei Unterstellung einer entsprechenden Befundlage die absolute Indikation der Extraktion bestätigt. Das Landgericht ist zutreffend von dem vom Beklagten angeführten Befund ausgegangen. Zwar verweist die Klägerin zu Recht auf das Fehlen einer entsprechenden Dokumentation und eines Röntgenbildes. Letzteres war indes nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht erforderlich, da bei einem frakturierten Zahn die Extraktionsbedürftigkeit allein durch die klinische Untersuchung festgestellt werden kann. Eine Röntgenaufnahme, die ihrerseits stets aufgrund der mit ihr verbundenen Belastungen einer Indikation bedarf, ist in einem solchen Fall zur Diagnostik nicht erforderlich. Allerdings dürfte von einem Dokumentationserfordernis hinsichtlich des Untersuchungsbefundes auszugehen sein. Dies führt jedoch nicht ohne weiteres zur Annahme einer Standardverletzung. Lücken in der Behandlungsdokumentation begründen grundsätzlich keinen Behandlungsfehlervorwurf. Sie haben lediglich beweisrechtliche Konsequenzen, wenn es der Behandlungsseite nicht gelingt, den dokumentationspflichtigen Umstand anderweitig zu beweisen und so die Dokumentationslücke zu schließen. Letzteres kann durch die Anhörung des behandelnden Arztes, aber auch die Vernehmung von Zeugen erfolgen.
Dies erkennt auch die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung. Entgegen ihrer Auffassung hat sich das Landgericht indes mit dem Ergebnis der Anhörung des Beklagten und der Zeugenaussage zur Frage des klinischen Bildes vor der Extraktion auseinandergesetzt. Dabei ist das Landgericht aus für den Senat überzeugenden Gründen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Zahn 37 frakturiert war. Sowohl der Beklagte als auch die Zeugin ...[B], die bei der Behandlung der Klägerin anwesend war, haben bekundet, dass der Zahn tief abgebrochen gewesen sei. Allein der Gesichtspunkt, dass die Zeugin ...[B] beim Beklagten angestellt ist, steht der Überzeugungskraft ihrer Angaben nicht entgegen. Entsprechendes gilt für etwaige Widersprüche hinsichtlich der tatsächlichen Geschehensabläufe bei der Fertigung der Übersichtsaufnahme. Letztere sprechen gerade nicht dafür, dass sich der Beklagte mit der Zeugin zum Inhalt der wechselseitigen Angaben abgesprochen hat. In diesem Fall hätten diese ihre Aussage vollständig aufeinander abgestimmt und keine Lücken gelassen, zumal die Umstände im Zusammenhang mit der Fertigung der Übersichtsaufnahme erkennbar Gegenstand der Beweisaufnahme sein würden. Auch der Inhalt der Dokumentation steht dem vom Beklagten geschilderten Geschehensablauf nicht entgegen. Die Behandlungsdokumentation des Beklagten ist - zurückhaltend formuliert - äußerst dürftig. Sie enthält kaum aussagekräftige Angaben zum Behandlungsgeschehen. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte nunmehr ein Detail hinzufügt, das mit der sonstigen Dokumentation nicht vereinbar ist. Vielmehr musste - ob nun eine relative oder absolute Indikation vorlag - eine über die Dokumentation hinausgehende klinische Befundsituation vorgelegen haben, die lediglich nicht dokumentiert wurde. Da das Behandlungsgeschehen zeitlich nicht erheblich zurückliegt und aufgrund des Fortgangs durchaus erinnerungswürdig ist, erscheint es auch plausibel, dass der Beklagte und auch die Zeugin sich an die Behandlung erinnern können.
b) Soweit erstinstanzlich die Durchführung der Extraktion mit der Extraktionszange beanstandet wurde, wird dies mit der Berufung nicht mehr aufgegriffen. Die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts, nach denen die Verwendung der Extraktionszange nicht beanstandet werden kann, begegnen auch keinen Bedenken.
c) Auch das Verbleiben eines Wurzelrestes sowie die Reaktion hierauf am 14. April 2014 vermögen einen Behandlungsfehlervorwurf nicht zu tragen.
Das Landgericht hat zunächst festgestellt, dass ein Zahnarzt bei der Zahnextraktion das Verbleiben eines Wurzelrestes nicht bemerken muss. Daher hat es der Sachverständige auch als standardkonform bezeichnet, wenn die Wunde vor der zur Abklärung gefertigten bildgebenden Kontrolle vernäht wird. Der mit der Berufungsbegründung erneuerte Vorwurf, der Beklagte sei nach dem Vernähen der Wunde der Auffassung gewesen, er habe die Wurzel komplett entfernt, vermag daher keinen Behandlungsfehler zu rechtfertigen. Die Veranlassung der Übersichtsaufnahme führte letztlich zur Feststellung des Verbleibs eines Wurzelrestes in der Alveole. Dieser Befund wird auch durch die Übersichtsaufnahme dokumentiert, weshalb der Vorwurf der Klägerin, es fehle an einer Dokumentation, nicht tragfähig ist.
Dem Beklagten kann auch nicht angelastet werden, dass es nicht unmittelbar am 14. April 2014 zur Entfernung des Wurzelrestes aus dem Zahnfach kam. Unstreitig war die Klägerin zum Zeitpunkt der Auswertung des OPG nicht mehr in der Praxis des Beklagten. Ob eine dokumentationspflichtige Sicherungsaufklärung durch den Beklagten zur Erforderlichkeit des Verbleibs in der Praxis überhaupt geboten war, kann der Senat offenlassen. Hieran bestehen zumindest Zweifel, da bei Fertigung einer Panoramaaufnahme nach einer Zahnextraktion vor der Befunderörterung nicht von einer Beendigung der Behandlung ausgegangen werden kann. Dies bedarf indes keiner Entscheidung, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von der Wahrnehmung dieser Verpflichtung auszugehen ist. Der Beklagte hat angegeben, er habe der Klägerin mitgeteilt, dass die Fertigung des OPG der Kontrolle hinsichtlich des Verbleibs von Wurzelresten erfolge und diese gegebenenfalls noch entfernt werden müssten. An einer entsprechenden Mitteilung hat der Senat keinen Zweifel. Es liegt auf der Hand, dass vor der Auswertung der Panoramaaufnahme nicht von einer Beendigung der Behandlung ausgegangen werden konnte. Insofern entspricht der vom Beklagten geschilderte Hinweis dem ohnehin auf der Hand liegenden Behandlungsablauf. Ein Widerspruch zur Dokumentation besteht insofern nicht. In dieser ist lediglich vermerkt, dass das OPG eine verbliebene Wurzelspitze ergeben hat. Zudem enthält die Niederschrift den Vermerk: „Neuer Termin!“. Diese knappe Dokumentation ist mit den Angaben des Beklagten auch der Zeugin ...[C] nicht in Widerspruch zu bringen, da damit lediglich festgehalten wurde, welchen Befund die Panoramaaufnahme ergeben hat, und dass ein neuer Termin erforderlich ist. Die Erforderlichkeit eines neuen Termins lag aufgrund der Entfernung der Klägerin aus der Praxis auf der Hand.
Insofern fehlt es bereits an hinreichenden Anhaltspunkten für die Annahme einer Verletzung der Verpflichtung zur Sicherungsaufklärung. Die den Kausalzusammenhang betreffende Frage, ob bei Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Beratung die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens greift, kommt es nicht an. Hierzu sei angemerkt, dass diese Vermutung in der Rechtsprechung nur in besonderen Konstellationen angenommen wurde. Hierfür fehlt es vorliegend indes an Anhaltspunkten. Grundsätzlich führt die mangelnde Aufklärung über die Erforderlichkeit einer weiteren Behandlung nicht ohne weiteres zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten (vgl. nur BGH, NJW 2009, 2820, 2822; MünchKomm-BGB/Wagner, 6. Aufl. 2013, § 823 Rdnr. 82).
Auf den weiteren Fortgang bis zum Behandlungstermin am 17. April 2014 kommt es nicht mehr entscheidend an. Denn unabhängig von der Frage, wie sich der weitere Geschehensablauf nach dem Verlassen der Arztpraxis durch die Klägerin gestaltet hat, hätte es, selbst wenn die Klägerin am 14. April 2014 erneut vorstellig geworden wäre, eines erneuten Eingriffs bedurft, wie er letztlich am 17. April 2014 erfolgt ist. Vorsorglich merkt der Senat allerdings an, dass er die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Frage, ob ein Anruf bei der Klägerin erfolgt ist, teilt.
d) Die Durchführung der Entfernung des Wurzelrestes bietet ebenfalls keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt für einen Behandlungsfehler des Beklagten. Soweit die Klägerin eine unzureichende Dokumentation rügt, vermag auch insofern eine Lücke in der Dokumentation kein Behandlungsfehlervorwurf zu begründen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Wurzelrest letztlich entfernt wurde. Zwar muss davon ausgegangen werden, dass es durch den Eingriff zu einer Nervverletzung infolge der Leitungsanästhesie sowie zu einer Infektion gekommen ist. Diese Folgen hat der Sachverständige indes nicht auf den Eingriff zurückführen können. Er hat klargestellt, dass eine Infektion im Mundraum, wie dem Senat auch aus anderen Verfahren hinlänglich bekannt ist, ein allgemeines Eingriffsrisiko darstellt. Entsprechendes gilt für die Nervverletzung. Bei einer Leitungsanästhesie kann es zu einer Nervverletzung kommen, da der Verlauf des Nervs nicht kontrolliert werden kann und damit auch bei Einhaltung des zahnmedizinischen Standards ein Komplikationsrisiko besteht. Die von der Klägerin angeführten Mängel in der Dokumentation vermögen hinsichtlich dieser Folgen des Eingriffs vom 17. April 2014 keine Schlüsse auf Behandlungsfehler zu eröffnen, da die knappe Dokumentation (auch nach dem Vorbringen der Klägerin) in keinem Zusammenhang mit der Beurteilung der Ursache der Nervschädigung bzw. der späteren Wundinfektion steht. Der Ansatz der Klägerin, allein eine nicht ordnungsgemäße Dokumentation und eine zeitlich zu späte Durchführung der Wurzelentfernung drei Tage nach der Extraktion begründe die Verantwortlichkeit des Beklagten für den Nervschaden, entbehrt einer Grundlage. Eine entsprechende Schlussfolgerung ist nicht eröffnet.
2. Der von der Klägerin erstinstanzlich erhobene Einwand einer unzureichenden Aufklärung wird mit der Berufung dahingehend eingegrenzt, der Beklagte habe nicht über die Behandlungsalternative einer Wurzelbehandlung aufgeklärt. Der Senat hat indes bereits zur Frage der Indikation ausgeführt, dass er von einer absoluten Indikation der Extraktion ausgeht. Insofern bestand keine Behandlungsalternative, wie der Sachverständige auch verdeutlicht hat.
III.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen bietet die Berufung offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des neu gefassten § 522 Abs. 2 ZPO ist eine mündliche Verhandlung aus den eingangs genannten Gründen nicht geboten. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO liegen vor.
Der Klägerin wird empfohlen, die Berufung kostensparend zurückzunehmen.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 13.607,78 € festzusetzen.
Aktenzeichen: 5 U 565/16
1 O 351/14 LG Koblenz
Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss
In dem Rechtsstreit
…
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
…
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Richter am Oberlandesgericht Burkowski, die Richterin am Oberlandesgericht Kohlmeyer und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Walter am 29.07.2016 beschlossen:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.04.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Koblenz und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.607,78 € festgesetzt.
Gründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.04.2016 ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die Stellungnahme der Klägerin vom 26. Juli 2016 rechtfertigt keine andere Entscheidung.
1. Die weiterhin von der Klägerin erhobenen Zweifel an der Indikation der Extraktion des Zahns 37 stützen sich auf eine von der Sichtweise des Landgerichts und des Senats abweichende Beweiswürdigung. Anders als die Klägerin ausführt, können Dokumentationslücken nicht nur durch die Vernehmung von Zeugen „geschlossen“ werden; vielmehr kann auch allein eine Anhörung des beklagten (Zahn-)Arztes einen nicht dokumentierten Zustand bzw. Geschehensablauf belegen. Bereits die Angaben des Beklagten genügen hierfür. Die Angaben der Zeugin ...[B] bestätigen die Befundsituation (lediglich) ergänzend. Die abweichende Würdigung der Aussage der Zeugin durch die Klägerin vermag auch nicht zu überzeugen. Arbeitsrechtliche Konsequenzen könnten der Zeugin kaum drohen, wenn ihre Aussage den Tatsachen entspricht. Insofern ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass allein die Stellung als Arbeitnehmer zwar in die Würdigung einfließen muss, aber der Überzeugungskraft der vorgenommenen Aussage nicht – wie die Klägerin offenbar meint – schlechthin entgegensteht. Soweit die Klägerin nicht nachvollziehen kann, weshalb aus Sicht des Senats die Umstände im Zusammenhang mit der Fertigung der Übersichtsaufnahme erkennbar Gegenstand der Beweisaufnahme sein würden, ist nur auf die mit Vehemenz verfolgten streitigen Behauptungen der Parteien zu dem Komplex rund um die Fertigung des OPG und ihr (vorzeitiges) Verlassens der Praxis zu verweisen. Widersprüche in den Angaben der Zeugin und des Beklagten zu diesem Geschehen eröffnen daher den Schluss auf eine abgesprochene Aussage gerade nicht.
2. Zum von der Klägerin monierten Fehlen einer Sicherungsaufklärung bezüglich des Verlassens der Praxis bzw. des Verbleibens eines Wurzelrestes im Zahn werden die Ausführungen des Senats missinterpretiert und daher im Argumentationsansatz verfehlt angegriffen.
Der Senat hat keine Zweifel am Bestehen einer Pflicht zur Sicherungsaufklärung geäußert; vielmehr erscheint – aufgrund der erkennbar wegen der (offenkundig zur Überprüfung) gefertigten Übersichtsaufnahme nicht abgeschlossenen Behandlung – eine Grundlage für eine Sicherungsaufklärung in der konkreten Situation zumindest vage. Sie kann jedenfalls aufgrund des Ergebnisses der Anhörung des Beklagten nicht als Pflichtverletzung festgestellt werden. Vom Nachweis der behaupteten Erlaubnis einer Mitarbeiterin des Beklagten zur Entfernung aus der Praxis kann nach dem Beweisergebnis ebenfalls nicht ausgegangen werden. Insofern verkennt der wiederholte Verweis der Klägerin auf die ohnehin nicht eingreifende Rechtsprechung zur Vermutung eines aufklärungsrichtigen Verhaltens, dass diese lediglich den Kausalzusammenhang betreffen kann. Es kann also – anders als die Klägerin offenbar meint – nicht aus ihrem Verlassen der Praxis des Beklagten auf dessen Pflichtverletzung geschlossen werden; auch ein entsprechender Beweis des ersten Anscheins kommt nicht in Betracht.
Eine Dokumentationspflicht zu den Gründen, weshalb der neue Termin erst am 17. April 2014 stattfinden sollte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Gesichtspunkte hierfür sind der Stellungnahme der Klägerin nicht zu entnehmen. Zudem bezieht sich ihr Vorbringen nicht auf den vom Senat als entscheidend angesehenen Aspekt, dass aufgrund ihres Verlassens der Praxis ohnehin ein Eingriff – insbesondere mit erneuter Leitungsanästhesie – erforderlich war, wie er am 17. April 2014 vorgenommen wurde.
3. Das Vorbringen zur Nervenverletzung anlässlich der Entfernung des Wurzelrestes erfordert ebenfalls keine ergänzende Beweiserhebung. Der Sachverständige Dr. Dr. ...[A] hat klargestellt, dass die Nervenverletzung bei einer Leitungsanästhesie auftreten kann. Er konnte eine Verursachung durch eine standardwidrige Ausführung des Eingriffs nicht erkennen. Das Vorbringen der Klägerin lässt dies nicht in einem anderen Licht erscheinen. Der auf Vernehmung des Zeugen Dr. ...[D] gerichtete Beweisantritt geht ins Leere, da die Klägerin insoweit den Gegenstand von Zeugen- und Sachverständigenbeweis nicht auseinanderhält. Es ist nicht Aufgabe eines sachverständigen Zeugen, sondern des Sachverständigen, dem Richter allgemeine Erfahrungssätze und besondere Kenntnisse des jeweiligen Wissensgebietes zu vermitteln bzw. aufgrund von Erfahrungssätzen und besonderen Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen (vgl. etwa Senat, GesR 2005, 329). Der Sachverständige hat indes gerade keinen Behandlungsfehler erkennen können, sondern bei seiner Betrachtung der Nervenschädigung die Möglichkeit einer komplikationsbedingten Schädigung durch die Leitungsanästhesie erwogen. Insofern hat er sich klar geäußert. Das Vorbringen der Klägerin erweist sich hierzu nicht als medizinisch begründete Gegendarstellung.
Die ohnehin nur als Möglichkeit („dürfte“) erwogene Schlussfolgerung, es sei eine Überweisung zu einem Kieferchirurgen erforderlich gewesen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Die Entfernung des Wurzelrestes selbst durfte der Beklagte vornehmen; dies folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen und leuchtet unmittelbar ein. Soweit die Klägerin damit die Nachbehandlung der aufgetretenen Nervenschädigung ansprechen wollte, wird ein völlig neuer Behandlungsfehlervorwurf erhoben, der nach
§ 531 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht berücksichtigungsfähig ist, da der Beklagte jedweden Behandlungsfehler bestritten hat. Unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Beklagten eine weitere unzureichende Behandlung vorgeworfen werden kann, da die zahnärztliche Versorgung anschließend anderweit von der Klägerin veranlasst wurde, weshalb eine eventuell erforderliche kieferorthopädische Intervention nach Feststellung des Ausbleibens einer zeitnahen Regeneration (wie sie der Sachverständige grundsätzlich bei entsprechenden Schadensbildern als möglich ansieht) von Seiten der Nachbehandler zu besorgen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.