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25.08.2017 · IWW-Abrufnummer 196099

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 14.07.2016 – 12 K 1197/15

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Hessen

Urt. v. 14.07.2016

Az.: 12 K 1197/15

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Zinsanteil aus einer verrenteten Kaufpreiszahlung Einkünfte aus Kapitalvermögen oder solche aus Gewerbebetrieb darstellt.

Der Kläger zu 1. erzielte u.a. als Diplomkaufmann Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ist Gläubiger des gestundeten Kaufpreises aus der Geschäftsveräußerung der KG. Ein Grundstück war von der KG für einen Kaufpreis in Höhe von 1.500.000,00 Euro veräußert worden. Die Vertragsparteien hatten die Verrentung des Kaufpreises zur Altersversorgung des Klägers zu 1. in Gestalt einer monatlichen Zeitrente vereinbart.

Die Laufzeit beträgt 123 Monate bei einem Zinssatz von 5 v.H. Die Zinsen betragen insgesamt 412.152,49 Euro.

Der Veräußerungsgewinn 2009 war einheitlich und gesondert festgestellt worden und die Kläger hatten zur Besteuerung die Erfassung nach dem Zuflussprinzip gewählt.

Die Kläger erklärten in ihrer Einkommensteuererklärung 2011 den in den Kaufpreisraten enthaltenen Zinsanteil in Höhe von 59.655,00 Euro als Kapitalerträge in Zeile 30 der Anlage KAP. In dem am 16. Oktober 2013 zur Post gegebenen Einkommensteuerbescheid erfasste der Beklagte den Zinsanteil im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Gegen den Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 15. November 2013 Einspruch ein. Sie beantragten die Änderung des angefochtenen Bescheids dahingehend, dass die seitens des Beklagten als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzten Zinsen den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) zuzuordnen seien. Des Weiteren beantragten die Kläger die Besteuerung mit dem Steuersatz von 25 v.H. gemäß § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG. Zur Begründung führten die Kläger an, dass es sich bei dem streitigen Betrag um das gestundete Kaufgeld aus der Geschäftsveräußerung der KG handele. Die Zinsen im Darlehensvertrag seien dem Grunde und der Höhe nach abschließend definiert. Sie seien kein Teil des Veräußerungsgewinns, sodass die steuerliche Erfassung aus eigenem Rechtsgrund nach dem Zuflussprinzip zu erfolgen habe. Die Kläger führten weiter aus, dass die Kapitalforderung durch Entnahme aus dem Betriebsvermögen ein Wirtschaftsgut des Privatvermögens und kein weiterbestehendes Betriebsvermögen sei. Die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen sei deutlich unterbrochen worden. Die Zinsen seien nicht Ausfluss einer früheren gewerblichen Tätigkeit, da diese definitiv mit der Veräußerung beendet wurde. Der grundlegende Tarifwechsel in der Besteuerung der Zinsen vom 1. Januar 2009 müsse dazu führen, die Richtlinie 16 Abs. 11 Satz 7 EStR auch an den Wandel der Besteuerung der Zinsen anzupassen.

Der Einkommensteuerbescheid 2011 wurde aus vorliegend nicht interessierenden Gründen mit Bescheid vom 4. Juni 2014 geändert.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2016 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte führte in der Begründung aus:

Im Rahmen der Feststellung habe der Kläger zu 1. die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach dem Zuflussprinzip gewählt, da der Kaufpreis auf 123 Raten zu zahlen ist. In diesem Fall entstehe ein Gewinn, wenn der Kapitalanteil der wiederkehrenden Leistungen das steuerliche Kapitalkonto des Veräußerers zuzüglich etwaiger Veräußerungskosten übersteigt. Der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil stelle somit im Zuflusszeitpunkt nachträgliche Betriebseinnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar (§ 15 in Verbindung mit § 24 Nr. 2 EStG). Auf diese, im Rahmen der Einkunftsart Gewerbebetrieb zufließenden Zinsanteile, finde die Besteuerung mit dem Steuersatz von 25 v.H. keine Anwendung (§ 20 Abs. 8, § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG).

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger nunmehr mit ihrer Klage.

Sie sind weiterhin der Ansicht, dass der zur Altersversorgung aus dem Kaufgeld gebildete Anspruch auf Zeitrente kein (fortbestehendes) Betriebsvermögen in der Hand des Klägers zu 1. sei. Die Teilbeträge für die Kapitaltilgung und die Zinsen seien im Streitfall vertraglich eindeutig definiert. Die Besteuerung folge dieser Parteivereinbarung als angemessene Gestaltung. Die nachgelagerte Besteuerung des Veräußerungsgewinns erschöpfe sich in der Erfassung des Kaufgeldes von 1.500.000,00 Euro abzüglich des Buchwertes 31. Dezember 2008 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das seien 1.235.347,74 Euro.

Die Zinsen seien aus dem Rechtsgrund der freien Gestaltung ratierlicher Tilgung zur Versorgung des Klägers zu 1. verdient. Er beziehe die Zinsen als Einkünfte aus eigener Einkunftsquelle. Die im Streitjahr gezahlten Zinsen seien rechnungsmäßig für den Zahlungsaufschub geschuldet. Sie entständen aus einem anderen Rechtsgrund für einen anderen Zeitraum und zeitlich nach Beendigung der Beteiligung als Mitunternehmer. Die Zinsen unterfielen nicht § 24 Abs. 2 EStG. Auch habe der Kläger keine Einkunftsquelle aus aktiver oder ruhender gewerblicher Tätigkeit, weshalb § 20 Abs. 8 EStG für die Zuordnung der Zinsen ausscheide.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2011 vom 4. Juni 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2016 die Einkommensteuer für 2011 von 35.004,00 Euro auf 26.558,00 Euro herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bleibt im Wesentlichen bei seinem außergerichtlichen Vorbringen und nimmt Bezug auf die Einspruchsentscheidung. Er ist der Ansicht, dass durch die Ausübung des Wahlrechts zur nachgelagerten Besteuerung des verrenteten Kaufpreises der betriebliche Charakter der Rentenzahlung insgesamt bestehen bleiben müsse. Auch wenn sich die Kläger für die Sofortbesteuerung entschieden hätten, würden die Zinsen als in den Rentenzahlungen enthaltene Ertragsanteile als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu behandeln sein. Eine Besteuerung des Zinsanteils nach § 32d EStG mit dem gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen komme daher nicht in Frage.

Dem Gericht haben die den Streitgegenstand betreffenden Steuerakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 4. Juni 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat zu Recht den in den verrenteten Kaufpreiszahlungen enthaltenen Zinsanteil als Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Ansatz gebracht.

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils erzielt werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungsgewinn nach Abzug der Veräußerungskosten den nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelten Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt (§ 16 Abs. 2 EStG). Der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils ist nach der Regelung des § 16 Abs. 1 und 2 EStG im Zeitpunkt der Veräußerung verwirklicht und in dem Veranlagungszeitraum zu versteuern, in den dieser Zeitpunkt fällt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Veräußerungspreis sofort fällig oder ganz oder teilweise langfristig gestundet ist und wann der Veräußerungspreis dem Verkäufer tatsächlich zufließt (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Mai 1999 IV B 52/98, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1999, 1330).

Für bestimmte Fälle der Betriebsveräußerung gegen Ratenzahlung gestehen Rechtsprechung und Verwaltung dem Steuerpflichtigen abweichend vom gesetzlichen Normalfall der Sofortbesteuerung ein Wahlrecht zu zwischen einer tarifbegünstigten Besteuerung des Veräußerungsgewinns im Zeitpunkt der Betriebs- oder Anteilsveräußerung nach Maßgabe der §§ 16, 34 EStG und einer nicht tarifbegünstigten Besteuerung nachträglicher Einkünfte aus Gewerbebetrieb im jeweiligen Jahr des Zuflusses des Veräußerungserlöses nach Maßgabe der §§ 15 Abs. 1, 24 Nr. 2 EStG. Dieses Wahlrecht stellt rechtssystematisch eine Billigkeitsregelung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung dar, welche ihre innere Rechtfertigung in einer teleologischen Reduktion des (an sich zwingenden) Anwendungsbereichs der §§ 16, 34 EStG im Verhältnis zu § 24 Nr. 2 EStG findet (BFH-Urteile vom 26. Juli 1984 IV R 137/82, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1984, 829; und vom 12. Juni 1968 IV 254/62, BStBl II 1968, 653).

So heißt es auch in der Einkommensteuerrichtlinie 16 Abs. 11 "Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge": Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen eine Leibrente, hat er ein Wahlrecht (Satz 1). Er kann den bei der Veräußerung entstandenen Gewinn sofort versteuern (Satz 2). Er kann aber auch stattdesssen die Rentenzahlungen als nachträgliche Betriebseinnahmen im Sinne des § 15 in Verbindung mit § 24 Nr. 2 EStG behandeln (Satz 6). In diesem Fall entsteht ein Gewinn, wenn der Kapitalanteil der wiederkehrenden Leistungen das steuerliche Kapitalkonto des Veräußerers übersteigt; der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil stellt bereits im Zeitpunkt des Zuflusses nachträgliche Betriebseinnahmen dar (Satz 7). Das Wahlrecht zwischen einer begünstigten Sofortversteuerung eines Veräußerungsgewinns und einer nicht begünstigten Besteuerung nachträglicher Einkünfte aus Gewerbebetrieb besteht auch bei der Veräußerung gegen eine Zeitrente mit einer langen, nicht mehr überschaubaren Laufzeit, wenn sie auch mit dem Nebenzweck vereinbart ist, dem Veräußerer langfristig eine etwaige zusätzliche Versorgung zu schaffen (Einkommensteuerhinweise 16 Abs. 11 "Zeitrente"; BFH-Urteile IV R 137/82 und IV 254/62).

Wählt der Steuerpflichtige - wie vorliegend -, die Rentenzahlungen als nachträgliche Betriebseinnahmen zu behandeln, geht die ständige Rechtsprechung und die mit dieser Rechtsprechung in Einklang stehende Einkommensteuerrichtlinie konsequenterweise davon aus, dass auch der in den Kaufpreisraten enthaltene Zinsanteil das Schicksal des in den Kaufpreisraten enthaltenen Tilgungsanteils teilt. Eine Aufteilung dieser Raten in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil ist daher nicht vorzunehmen (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 27. Mai 2003 5 K 140/01, Entscheidungen der Finanzgerichts - EFG - 2003, 1160).

Das Gericht sieht keine Veranlassung, an der Rechtmäßigkeit dieser Rechtsprechung und der Einkommensteuerrichtlinie zu zweifeln. Nimmt der Steuerpflichtige für sich das als Billigkeitsregelung ausgestaltete Wahlrecht in Anspruch, die Kaufpreiszahlung abweichend vom Normalfall nicht sofort zu versteuern, hat er sich auch an dieser Wahl unter Beachtung aller in der Billigkeitsregelung festgelegten Konsequenzen festhalten zu lassen.

Vorliegend sind die Voraussetzungen gegeben, die Zeitrente mit der Leibrente gleichzustellen. Es wurde eine Laufzeit von 123 Monaten, mithin von über 10 Jahren, vereinbart, die zudem zu dem Zweck erfolgte, die Versorgung des Klägers zu 1. sicherzustellen, und nicht in erster Linie dazu diente, dem Erwerber den Kaufpreis zu stunden. Im Kaufvertrag vom 29. Juli 2008, Urkundsrolle des Notars mit dem Amtssitz in F, heißt es dazu in § 3 wörtlich: "Der Kaufpreis wird verrentet und dient der Altersvorsorge des Erschienen zu 1.)".

Eine zwingende Gleichbehandlung mit Veräußerungen gegen Leibrente von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne von § 17 EStG sieht das Gericht nicht als gegeben an.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO genannten Gründe vorliegt.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 15 Abs.1, § 16 Abs.1 Nr.2, § 24 Nr.2

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