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02.08.2017 · IWW-Abrufnummer 195603

Oberlandesgericht Oldenburg: Urteil vom 18.05.2017 – 1 U 65/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht  Oldenburg

Im Namen des Volkes

Urteil
 
1 U 65/16
9 O 9005/15 Landgericht Oldenburg   

Verkündet am 18. Mai 2017

In dem Rechtsstreit

XXX

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Richterin am Oberlandesgericht………., die Richterin am Oberlandesgericht ……….und die Richterin am Oberlandesgericht ………. auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2017 für Recht erkannt:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 19.10.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug.

Am 13.09.2015 (Anlage K 1) schlossen die Parteien einen schriftlichen Kaufvertrag über einen Pkw Mercedes E 280 zum Kaufpreis von 8.000 €.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil vom 19.10.2016 Bezug genommen.
 
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Kläger kann vom Beklagten die Rückabwicklung des am 13.09.2015 geschlossenen Kaufvertrages über den Pkw Mercedes E 280 gemäß §§ 437 Nr. 2, 434, 323, 326 Abs. 5, 346 BGB verlangen.

1)

2) Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, hat der Beklagte für eine Laufleistung von 160.000 km eine Garantie übernommen mit der Folge, dass er sich nach § 444 Alt. 2 BGB nicht auf einen Gewährleistungsausschluss berufen kann.

a) Mit der Übernahme der Garantie für die Beschaffenheit einer Sache im Sinne des § 444 Alt. 2 BGB durch den Verkäufer ist - ebenso wie mit der Übernahme einer Garantie im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB - zumindest auch die Zusicherung einer Eigenschaft der Sache nach früherem Recht (§ 459 Abs. 2 BGB a.F.) gemeint (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 132, 240;BGH, Urteil vom 29.11.2006 - VIII ZR 92/06 - BGHZ 170, 86Tz. 20 m.w.N.). Die Übernahme einer Garantie setzt daher - wie früher die Zusicherung einer Eigenschaft (BGH WM 1991, 1224, unter II 2 a aa, m.w.N.) - voraus, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Beschaffenheit einzustehen.

Die Frage, ob die Angabe einer  Laufleistung als Beschaffenheitsgarantie (§ 444 Alt. 2 BGB) oder lediglich als Beschaffenheitsangabe (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu werten ist, ist unter Berücksichtigung der beim Abschluss eines Kaufvertrages über ein Gebrauchtfahrzeug typischerweise gegebenen Interessenlage zu beantworten (BGH WM 1974,895). Nach der Rechtsprechung des BGH ist dabei grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob der Verkäufer ein Gebrauchtwagenhändler oder eine Privatperson ist.

Auf den - wie hier gegebenen - privaten Verkauf trifft die für den gewerblichen Verkauf maßgebliche Erwägung, dass der Käufer sich auf die besondere Erfahrung und Sachkunde des Händlers verlässt und in dessen Erklärungen daher die Übernahme einer Garantie sieht, in der Regel nicht zu. Hier steht vielmehr dem Interesse des Käufers gleichgewichtig das Interesse des Verkäufers gegenüber, für nicht mehr als dasjenige einstehen zu müssen, was er nach seiner laienhaften Kenntnis zu beurteilen vermag (BGH WM 1991, 1224). Der Käufer kann nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Verkäufer als Laie nachprüfen kann, ob der Tachometerstand die Laufleistung des Fahrzeugs zutreffend wiedergibt (vgl. BGHZ 170, 86 Tz. 25).

Will der Käufer beim privaten Gebrauchtwagenkauf eine Garantie für die Laufleistung des Fahrzeugs haben, muss er sich diese regelmäßig ausdrücklich von dem Verkäufer geben lassen (vgl. BGHZ 170, 86 Tz. 26).

b) Der Beklagte hat hier eine solche ausdrückliche Garantie für eine Gesamtfahrleistung von 160.000 km übernommen. Im schriftlichen Kaufvertragsformular ist - sowohl im Exemplar des Klägers als auch des Beklagten -  unter „III. Zusicherungen des Verkäufers, Der Verkäufer sichert Folgendes zu (nicht Zutreffendes bitte streichen): Das Fahrzeug weist folgende Gesamtfahrleistung auf:“ handschriftlich „160.000“ eingetragen. Diese Erklärung ist als Zusicherung und damit - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - als Übernahme einer Garantie im Sinne des § 444 BGB anzusehen. Dabei kommt es - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht entscheidend darauf an, ob die genannte Angabe zur Gesamtfahrleistung zusätzlich handschriftlich angekreuzt war oder - wie der Beklagte geltend macht - jedenfalls in seinem Exemplar ein entsprechendes Kreuz fehlt. Bereits aufgrund der handschriftlichen Eintragung der Gesamtfahrleistung von 160.000 km war die Erklärung als Zusicherung bzw. Garantieübernahme im vorgenannten Sinne zu verstehen. Sofern der Beklagte eine Zusicherung nicht hätte abgeben wollen, hätte die Gesamtfahrleistung nicht eingetragen werden dürfen oder der Passus zur Gesamtfahrleistung hätte - wie in der Überschrift auch ausdrücklich vorgegeben ist - gestrichen werden müssen.

Wer mündliche Vereinbarungen gegen den Inhalt der Urkunde behauptet, muss beweisen, dass die Urkunde unrichtig oder unvollständig sei und auch das mündlich besprochene Gültigkeit haben solle (BGH NJW-RR 89,1323, Zöller/Geimer 31. Aufl. § 416 Rn. 10). Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der das Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden wirkt sich bei der Auslegung des vereinbarten dahin aus, dass die Partei die Beweislast trägt, die ein (ihr günstiges) Auslegungsergebnis auf außer Umstände außerhalb der Urkunde stützt, vergleiche BGH NJW 9 9,1702

Eine andere Bewertung könnte sich allenfalls aus dem Vorbringen des Beklagten ergeben, wonach er eine Zusicherung bzw. Garantie nicht habe abgeben wollen, sondern die Laufleistung lediglich „laut Tacho“ angegeben worden sei bzw. er nur seine eigene Kenntnis zur Laufleistung habe wiedergeben wollen. Eine Zusicherung bzw. Garantie könnte allerdings wohl nur verneint werden, wenn der Beklagte bei Abschluss des Kaufvertrages deutlich gemacht hat, dass er - entgegen der ausdrücklichen Erklärung der Vertragsurkunde - für die im Vertrag genannte Laufleistung nicht einstehen wolle (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13.05.1998 - VIII ZR 292/97 - NJW 1998, 2207).

Ob dies hier angenommen werden kann, ist zweifelhaft. Dass der Beklagte dem Kläger gegenüber ausdrücklich angesprochen hätte, dass er für die im Vertrag genannte Gesamtlaufleistung nicht einstehen wolle, trägt der Beklagte an sich selbst nicht vor. In der Berufung macht er vielmehr geltend, dass die Gesamtlaufleistung zwischen den Parteien nicht Thema gewesen sei. Hierzu sollten allerdings die Parteien ggf. noch ergänzend angehört bzw. die vom Beklagten zum Inhalt der Vertragsverhandlung benannte Zeugin B………. vernommen werden.

Im Übrigen musste der Kläger m.E. allein aus dem Umstand, dass in der Vertragsurkunde zugleich angegeben ist, dass das Fahrzeug drei Vorbesitzer hatte, nicht schließen, dass der Beklagte für die Gesamtlaufleistung entgegen seiner ausdrücklich Erklärung nicht einstehen will. Es ist nicht zwingend, dass der Beklagte, wenngleich er Privatverkäufer ist, während seiner Besitzzeit keinen Überblick über die Gesamtlaufleistung gewonnen haben kann (in der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass in Fällen von Privatverkäufen mit schlichten Laufleistungs-Angaben in den Vertragsformularen eine entsprechende stillschweigende Zusicherung bzw. Garantie ausscheidet, vgl. dazu BGHZ 170, 86 Tz. 26, wonach eine stillschweigende Garantie nur bei besonderen Umständen angenommen werden kann; Reinking/Eggert, Der Autokauf 13. Aufl. Rn. 2818 ff.).

2) Sollte nach weiterer Aufklärung davon auszugehen sein, dass der Beklagte entgegen der ausdrücklichen Erklärung keine Zusicherung abgegeben bzw. keine Garantie übernommen hat, sondern die Angabe zur Laufleistung als schlichte Beschaffenheitsangabe im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verstehen ist, würde sich der Beklagte wohl gleichwohl nicht mit Erfolg auf den Gewährleistungsausschluss berufen können. Wie sich aus der Entscheidung des BGH vom 19.11.2006 (VIII ZR 92/06 - BGHZ 170, 86 Tz. 28 ff. zum Privatverkauf über eBay) ergibt, ist ein pauschaler individualvertraglicher Ausschluss der Sachmängelhaftung regelmäßig dahin auszulegen, dass dieser nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit bzw. einer Beschaffenheitsangabe gilt. Dies könnte auch in Fällen von - wie hier gegebener - formularmäßiger Freizeichnung über § 305b BGB gelten (vgl. dazu Reinking/Eggert, Rn. 3996, 4023 ff. m.w.N.).

3) Darüber hinaus ist unabhängig davon, ob der Beklage für die Laufleistung eine Zusicherung abgegeben bzw. Garantie übernommen hat oder eine schlichte Beschaffenheitsangabe anzunehmen ist, von einem Mangel der Kaufsache auszugehen. Das Landgericht hat nach Durchführung der Beweisaufnahme zutreffend festgestellt, dass die tatsächliche Laufleistung am 12.01.2010 und damit mehr als 4 Jahre vor dem Abschluss des Kaufvertrages bereits 222.576 km betrug und damit von der im Vertrag angegebenen Laufleistung des Fahrzeugs von 160.000 km abweicht. Die erstinstanzlichen Feststellungen sind bindend (§ 529 Abs.1 Satz 1 ZPO); sie werden von der Berufung nicht angegriffen.

Auch die weiteren Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt sind aus den vom Landgericht genannten Gründen gegeben. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Das Rechtsmittel der Revision ist nicht zugelassen worden, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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