23.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194697
Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 10.03.2017 – 9 TaBV 17/16
Tenor:
I. Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 03.02.2016 - 4 BV 93/15 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt von der Arbeitgeberin die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses durch elektronische Dateien.
Die Arbeitgeberin ist im D -Verbund für die internationalen Express-Produkte zuständig. Der Antragsteller ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat, der aufgrund eines Zuordnungstarifvertrages die Bereiche Vertrieb, Zentrale, und Operationeller Bereich mit insgesamt 20 Betrieben und dem D Frachtzentrum S (HUB S ) vertritt.
Die Arbeitgeberin übermittelt dem Wirtschaftsausschuss vor den Sitzungen den sog. "WA-Report" in Form einer passwortgeschützten Excel-Datei sowie als Hardcopys die Reports "Joiner Leaver" (Eintritte und Austritte im Unternehmen, 1 - 3 Seiten ), "Quick Sales" (Umsatzzahlen, ca. 7 Seiten), "Gema" (Kundenforderungen wegen beschädigter Sendungen, Verlust von Sendungen, Falschzustellungen etc., ca. 3 Seiten) und "Beschwerde" (Anzahl der Kundenbeschwerden, ca. 4 Seiten). Kostenstellenberichte werden dem Wirtschaftsausschuss vor der Wirtschaftsausschusssitzung im Excel-Format auf drei nach der Sitzung zurückzugebenden Laptops zur Verfügung gestellt. Ein Kopieren der Daten ist nicht möglich.
Mit seinem am 24.07.2015 bei dem Arbeitsgericht Bonn eingereichten Antrag begehrt der Gesamtbetriebsrat die Überlassung aller Reports an die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses als bearbeitungsfähige Dateien, damit der Wirtschaftsausschuss durch die Verarbeitung der Daten in anderen Datenbanken die Entwicklungen und Risiken für bestimmte Standorte und Produkte rechtzeitig ausmachen zu können.
Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 03.02.2016 als unbegründet zurückgewiesen und dies damit begründet, dass der Wirtschaftsausschuss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schon keine Kopien der ihm in Papierform überlassen Unterlagen fertigen dürfe. Erst recht dürfe er daher die ihm in Form elektronischer Daten überlassen Informationen nicht elektronisch verarbeiten. Die Gefahr, dass durch die Verarbeitung der überlassenen Daten Informationen über den Kreis der Berechtigten hinaus gelangen würden, sei groß. Dem Interesse des Wirtschaftsausschusses, sich angemessen auf die anstehenden Ausschusssitzungen vorbereiten zu können, werde durch rechtzeitig vorher überlassene Unterlagen hinreichend Rechnung getragen.
Der Beschluss ist dem Gesamtbetriebsrat am 17.02.2016 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete Beschwerde ist am 02.03.2016 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 18.05.2016 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet worden.
Der Gesamtbetriebsrat rügt, das Arbeitsgericht gehe fälschlicherweise davon aus, dass der Wirtschaftsausschuss die elektronischen Dateien weiterverarbeiten wolle. Ferner habe das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen, dass die Absicht des Wirtschaftsausschusses, einzelne Zahlen zu entnehmen um damit eigene Berechnungen in anderen Dateien anzustellen, der Anfertigung einer Kopie Papierform gleichzusetzen sei. Wenn er einzelne Daten per copy & paste in eine eigene Datei einfügen wolle, so sei dies mit dem Anfertigen von Notizen vergleichbar.
Die Vorlage der Reports in elektronischer Form sei aus Praktikabilitätsgründen erforderlich. Aufgrund der immer größer werdenden Datenflut sei es nicht möglich, die geforderten Unterlagen in Papierform bzw. zu mehreren Personen an drei Laptops am Sitzungstag selbst zu sichten.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes würden Unterlagen, sei es in Papierform oder in elektronischer Form, mit dem Ziel vorgelegt, dass er, der Wirtschaftsausschuss, mit diesen Unterlagen arbeite. Diese abstrakte Gefahr, dass Informationen widerrechtlich weitergegeben würden, bestehe im Übrigen bei in Papierform vorgelegten Unterlagen genauso wie bei Unterlagen im Excel-Format.
Der Gesamtbetriebsrat beantragt,
Die Arbeitgeberin beantragt,
Die Arbeitgeberin verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung und hält auch die neuen Anträg für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Anträge des Gesamtbetriebsrats zurückgewiesen. Auch die im Beschwerdeverfahren zulässigerweise neu gestellten sachdienlichen Anträge sind unbegründet.
1.) Die Anträge sind schon deswegen nicht begründet, weil nach Auffassung der Kammer für die Behandlung des mit den Anträgen verfolgten Informationsverlangens eine materielle Primärzuständigkeit der Einigungsstelle nach § 109 BetrVG besteht.
a) Nach § 109 Satz 1 BetrVG entscheidet die Einigungsstelle, wenn eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens im Sinn des§ 106 entgegen dem Verlangen des Wirtschaftsausschusses nicht, nicht rechtzeitig oder nur ungenügend erteilt wird und darüber zwischen Unternehmer und Betriebsrat eine Einigung nicht zustande kommt. Die Einsetzung einer Einigungsstelle im Rahmen des § 109 BetrVG setzt somit voraus, dass ein bestimmtes Auskunftsverlangen zukunftsgewandt geltend gemacht wird (Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 12. Juni 2013 - 6 TaBV 9/13 -, Rn. 73, [...]; Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Beschluss vom30. April 2010 - 13 TaBV 94/09 -, Rn. 39, [...]), weil noch keine ausreichende Information vorliegt. Die Einigungsstelle trifft insoweit als innerbetriebliche Schlichtungsstelle aus Zweckmäßigkeitserwägungen eine Rechtsentscheidung (Fitting, 28. Aufl. 2016, § 109 BetrVG, Rn.1; Däubler, 15. Aufl. 2016,§ 109 BetrVG, Rn. 1). Dieses Einigungsstellenverfahren dient dazu, Informationsansprüche des Wirtschaftsausschusses gegen das Unternehmen aus § 106 BetrVG durchzusetzen. Der Wirtschaftsausschuss soll durch den Unternehmer in der Planungsphase vor einer Entscheidung unterrichtet werden. Der Wirtschaftsausschuss soll Ziele und Wege mit dem Unternehmer erörtern. Er soll in die Lage versetzt werden, den Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat bei der späteren Ausübung seiner Beteiligungsrechte zu beraten. Mit dem Einigungsstellenverfahren steht dem Wirtschaftsausschuss ein Instrument zur Verfügung, um die Informationen und Unterlagen für die Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben zu erhalten (Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 12. Juni 2013 - 6 TaBV 9/13 -, Rn. 73, [...]). Dabei ist Entscheidung über die Form der Auskunftserteilung grundsätzlich dem Unternehmer überlassen (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. November 1985 - 5 TaBV 6/85 -, [...]; GK/Oetker, 10. Aufl. 2014, § 109 BetrVG. Rn. 10; Däubler/DKKW, 15. Aufl. 2016, § 109 BetrVG, Rn. 1).
b) Bei der Frage, ob eine Information gedruckt oder als (bearbeitungsfähige) elektronische Datei vorgelegt wird, handelt es sich jedoch nicht lediglich um eine Frage der Form. So ist zunächst festzuhalten, dass eine Auskunft auch dann ungenügend erteilt wurde, wenn der Unternehmer bei der Unterrichtung nicht die erforderlichen Unterlagen vorlegt (Richardi BetrVG/Annuß BetrVG § 109 Rn. 4-8, [...]). Dabei braucht sich der Wirtschaftsausschuss nicht auf vom Unternehmer nur für den Zweck der Unterrichtung angefertigte Unterlagen oder Exzerpte verweisen zu lassen, sondern kann die Vorlage der allgemein im Unternehmen für die Angelegenheit verwandten Unterlagen verlangen (Richardi BetrVG/Annuß BetrVG § 106 Rn. 27-31, [...]). Zu diesen Unterlagen können auch elektronische Dateien gehören, wenn sie üblicherweise im Betrieb genutzt werden. Die Information des Wirtschaftsausschusses durch eine (bearbeitungsfähige) elektronische Datei hat eine andere Qualität als bedrucktes Papier, weil sie andere Lese- und Bearbeitungsmöglichkeiten als das Einsehen von Unterlagen in Papierform eröffnet.
c) Ob die von der Arbeitgeberin im vorliegenden Fall gewählte Information ausreicht, um den Erfordernissen des § 106 Abs. 2 BetrVG zu genügen, lässt sich im Instanzenzug durch die Gerichte für Arbeitssachen nicht so schnell, effektiv und möglicherweise auch nicht hinreichend unternehmensbezogen feststellen wie durch eine innerbetriebliche Einigungsstelle. Die Annahme der Primärzuständigkeit der Einigungsstelle entspricht damit Sinn und Zweck der Regelung in § 109 BetrVG: Der Streit zwischen Unternehmer und Gesamtbetriebsrat soll nicht gerichtlich entschieden werden. Maßgebend für die Auskunftspflicht des Unternehmers soll allein die Einigung zwischen diesem und dem Gesamtbetriebsrat sein (vgl. BAG, Beschluss vom 08. August 1989 - 1 ABR 61/88 -, BAGE 62, 294-313, Rn. 46).
d) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Einigungsstelle insoweit eine generelle, dauerhafte Regelung bezüglich der Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses treffen darf (ablehnend ArbG Hamburg, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 23 BV 1/02 -, Rn. 28, [...]). Denn jedenfalls könnte die Einigungsstelle anlassbezogen ein konkretes Unterrichtungsverlangen regeln, ohne dass dafür die Gerichte für Arbeitssachen in Anspruch genommen werden müssten.
2.) Aber selbst wenn man die Einigungsstelle nicht als primär zuständig ansähe, wären die Anträge unbegründet. Denn die Arbeitgeberin ist im konkreten Fall nicht verpflichtet, dem Wirtschaftsausschuss bzw. seinen Mitgliedern die gewünschten Informationen über in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen.
a) Soweit es um den WA-Bericht geht, wird das Informationsbegehren durch die Überlassung einer passwortgeschützten Datei weitgehend erfüllt. Gleiches gilt für die in der Sitzung auf Laptops einzusehenden Kostenstellenberichte. Damit ist dem Unterrichtungsanspruch Genüge getan. Diese müssen auch nicht vor der Sitzung übermittelt werden. Es reicht nach Auffassung der Kammer aus, wenn die Unterlagen in den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses zur Verfügung stehen. Dies ergibt sich aus der § 106 Abs. 2 BetrVG ergänzenden Regelung des § 108 Abs. 3 BetrVG, der von einem bloßen Einsichtsrecht spricht (vgl. Fitting, 28. Aufl. 2016, § 108 BetrVG, Rn. 25).
b) Auch im Übrigen erhält der Wirtschaftsausschuss alle nach § 106 Abs. 2 BetrVG geschuldeten Informationen. Die zu den Ein- und Austritten im Unternehmen, zu den Umsatzzahlen, zu den Kundenforderungen wegen beschädigter Sendungen, Verlust von Sendungen, Falschzustellungen etc. sowie zur Anzahl der Kundenbeschwerden sind vom Umfang her so überschaubar, dass der Informationsanspruch des Wirtschaftsausschusses durch die Überlassung dieser Berichte in Papierform problemlos erfüllt werden kann.
3.) Die Kammer misst den entscheidungserheblichen Fragen des Rechtsstreits grundsätzliche Bedeutung bei und hat deshalb die Rechtsbeschwerde zugelassen.