13.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194437
Sozialgericht Schwerin: Urteil vom 07.03.2017 – S 3 KA 57/15 ER
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sozialgericht C-Stadt
Aktenzeichen: S 3 KA 57/15 ER
Beschluss
In dem Rechtsstreit
A.,
A-Straße, A-Stadt
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte B.,
B-Straße, B-Stadt
- -
- Antragsteller -
gegen
C.,
C-Straße, C-Stadt
- Antragsgegnerin -
hat die 3. Kammer des Sozialgerichts C-Stadt am 07.03.2017 durch ihren Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht …. ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 3 KA 58/15 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.145,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Umstritten ist eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honoraranforderungen des Antragstellers (AS) für konservierend-chirurgische Leistungen in den Quartalen IV2010 bis III/2011 um insgesamt 51.454,06 €.
Durch Bescheid vom 23. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2015 nahm die Antragsgegnerin (AG) eine entsprechende Richtigstellung vor, weil sie von grob fahrlässigen Falschabrechnungen des AS in den einzelnen Quartalen ausging, indem er nicht erbrachte Leistungen abrechnete, da die Patienten entweder nicht in der Praxis gewesen seien oder Leistungen in der Patientenkartei nicht dokumentiert seien. Die Garantiefunktion der Bestätigung der ordnungsgemäßen Abrechnung durch den AS sei bereits dann insgesamt nicht mehr erfüllt, wenn nur ein mit ihr erfasster Abrechnungsschein eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthalte. Damit entfalle für sie die Verpflichtung, mehr als eine unrichtige Abrechnung pro Quartal nachzuweisen. Damit liege das Honorarrisiko auf Seiten des Vertragszahnarztes. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die durch Klage vom 14. Dezember 2015 (S 3 KA 58/15) angefochtenen Bescheide verwiesen.
Zur Begründung seines Eilantrages trägt der AS insbesondere vor, die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17. September 1997 (6 RKa 86/95) sei nicht mehr einschlägig und könne nicht mehr zum Maßstab für sachlich-rechnerische Berichtigungsverfahren gemacht werden. Die AG habe sich schon nicht festgelegt, auf welcher Rechtsgrundlage sie sachlich-rechnerisch berichtigend tätig werde. Spätestens für Zeiträume seit dem 1. Juli 2008 könnten sich sachlich-rechnerische Berichtigungsverfahren allein noch nach den Bestimmungen des § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V und der nach § 106a Abs. 5 Satz 1 SGB V dazu vereinbarten „Plausi-Vereinbarung“ richten. Die alten bundesmantelvertraglichen Bestimmungen zum sachlich-rechnerischen Berichtigungsverfahren seien spätestens für Abrechnungszeiträume ab 1. Juli 2008 hinfällig geworden. Dazu gehöre insbesondere auch die auf diesen alten Bestimmungen beruhende Bedeutung der Abrechnungs-Sammelerklärung. Dabei nenne die AG in ihrem Widerspruchsbescheid vom 16. November 2015 insoweit ohnehin nur die Bestimmung des § 16 Abs. 2 EKV-Z und keine dementsprechende Bestimmung im Primärkassenbereich. Schon gar nicht könne die AG damit gehört werden, der „Gesamteindruck“ habe ihre Verwaltungsentscheidung geprägt, eine durchgehende Einzelfallprüfung sei „unzumutbar“ und die Neufestsetzung des Honorars im Wege der Schätzung sei die einzig „praktikable“ Möglichkeit. Eine derart belastende Verwaltungsentscheidung könne rechtsstaatlich korrekt nur auf der Grundlage einer gesetzlichen und einer darauf beruhenden untergesetzlichen Rechtsgrundlage und durch Subsumtion des von der Behörde zu ermittelnden Sachverhalts unter die einschlägigen Normentatbestände ergehen. Die AG nehme ohne jedes weitere Begründungelement einfach an, er habe grob fahrlässig gehandelt. Dabei bleibe insbesondere unklar, worauf sich die Fahrlässigkeit bezogen haben solle. Richtigerweise stellten sich nach der neuen Gesetzes- und Vertragslage diese Fragen nur noch in Bezug auf seine Verpflichtung, seine Abrechnung in elektronischer Form zu übermitteln und deren Prüfung durch das BEMA-Modul zu ermöglichen. Insoweit sei ihm keinerlei Schuldvorwurf zu machen. Schließlich sei auch die im Wege der Schätzung vorgenommene Neufestsetzung des Honorars rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage seien hier schon allein deshalb gegeben, weil die angefochtenen Bescheide wegen Verkennung der einschlägigen Rechtsgrundlagen durch die AG offensichtlich rechtswidrig seien. Auf die Frage, ob der kurzfristige sofortige Vollzug der geltend gemachten Honorarrückforderung in Höhe von über 50.000 € für ihn existenzgefährdend sei, komme es somit nicht an.
Der AS beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage (S 3 KA 60/15) gegen den Bescheid vom 23. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2015 anzuordnen
Die AG beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie verweist insbesondere darauf, dass die Prüfung Falschabrechnungen in einem Ausmaß ergeben habe, dem mit einer Einzelfallprüfung und Korrektur der einzelnen Gebührenpositionen nicht Rechenschaft getragen werden könne. Es sei ihr nicht zuzumuten, die gesamte Abrechnung zu prüfen und auf Abrechnungsfehler zu durchforsten. Vielmehr sei gerade für solche Fälle eine Aufhebung des Honorarbescheids möglich, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen würden. Vorliegend habe auch der Gesamteindruck zu der Entscheidung geführt, den Honorarbescheid insgesamt aufzuheben. Hierzu hätten die Äußerungen des AS gegenüber ihren Mitarbeiterinnen beigetragen, welche zusammengefasst dahingehend lauteten, dass einige Gebührenpositionen nicht ausreichend vergütet seien und daher kompensiert werden müssten. Aus diesen Äußerungen habe gefolgert werden können, dass möglicherweise Leistungen abgerechnet worden seien, die nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Form erbracht seien. Die Prüfung habe diesen Eindruck zunächst bereits statistisch bestätigt. Aus ihrer Sicht handele es sich trotz der Auswertung der Statistiken aber nicht um ein Problem der Wirtschaftlichkeit, da die Leistungen nach dem Ergebnis der Prüfungen teilweise nicht bzw. nicht richtlinienkonform erbracht worden seien. Die Durchsicht der eingereichten Behandlungskarteien habe diesen Eindruck bestätigt. Auch im digitalen Zeitalter habe der Vertragszahnarzt die Abrechnung nicht nur korrekt anhand der tatsächlich erbrachten und dokumentierten Leistungen zu erstellen und zu übermitteln. Er garantiere auch jetzt noch die Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung. Anders könne ein Abrechnungssystem, welches auf Vertrauen basiere, nicht funktionieren. Der Logik des Antragstellers folgend, könnten am vertrags-zahnärztlichen System teilnehmende Vertragszahnärzte grob fahrlässig falsch abrechnen und müssten aufgrund der praktischen Grenzen, die den sachlich-rechnerischen bzw. Plausibilitätsprüfungen naturgemäß innewohnten, nur einen marginalen Malus befürchten. Die Vertragszahnärzte bestätigten bei der Übermittlung ihrer Abrechnung weiterhin die Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung, allerdings weit überwiegend nicht mehr mittels Unterschrift, sondern elektronisch. Entsprechend sei das Herleiten der Garantiefunktion, die die Erklärung der Richtigkeit der Abrechnung seitens des Vertragszahnarztes bestätige, an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Die Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Quartalsabrechnung Erfolge elektronisch. Die Abrechnung der Vertragszahnärzte lasse sich im online-Portal nur hochladen, wenn der Haken für folgenden Text gesetzt werde:
„Bitte bestätigen Sie die nachfolgende Erklärung, bevor sie WEITER klicken.“ Dann folgten die Checkbox und ein Link namens „Erklärung“. Werde auf Erklärung geklickt, erscheine u.a. folgende Erklärung:
„Erklärung zur Abrechnung
Primärkassen, Bundesknappschaft und Sozialhilfeträger
Ich erkläre hiermit, die beiliegende Abrechnung nach den Bestimmungen des BMV-Z, insbesondere § 4 Abs. 1-4 BMV-Z, erbracht zu haben.
Ersatzkassen (VdAK- und AEV-Kassen)
Ich erkläre hiermit, die beiliegende Abrechnung nach den Bestimmungen des zwischen dem VdAK/AEV und der KZBV gültigen Vertrages, insbesondere §§ 8,16 VdAK/AEV-Vertrag, erstellt zu haben.“
Der Nutzer müsse die Erklärung abgeben, andernfalls könne er seine Abrechnung nicht übermitteln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der AG Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen.
Ein solcher Fall liegt hier vor, da nach § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung haben. Die streitbefangene sachlich-rechnerische Richtigstellung des Honorars des AS für die Quartale I bis IV/2012 fällt hierunter.
Bei der Entscheidung, ob und inwieweit die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, sind die öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse. Andererseits liegt ein überwiegendes öffentliches Interesse dann vor, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ersichtlich rechtmäßig ist. Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage auch im Fall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung grundsätzlich nicht vorsieht und diese eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben muss (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG iVm § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V; Keller in Meyer-Ladewig ua, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 12c; vgl. speziell zur Honorarrückforderung: LSG Nordrhein-Westfalen v. 17.07.2013 – L 11 KA 101/12 B – juris Rn. 60).
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung unterbleibt im vorliegenden Fall, weil der angefochtene Richtigstellungsbescheid nicht offenbar rechtswidrig ist und die Klage kaum Erfolgsaussichten hat (1.). Den Interessen des AS am Erhalt seiner Zahnarztpraxis kann im Rahmen des Pfändungsschutzes Rechnung getragen werden (2.).
1. Die Beklagte ist befugt, die Honorarforderungen des AS für konservierend-chirurgische Leistungen sachlich-rechnerisch richtigzustellen.
a) Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertrags(zahn)ärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V, ab 01.01.2017 § 106d, Art 2 Nr. 9 GKV-VSG v. 16.07.2015, BGBl I S. 1211).
Damit liegt – seit 01.01.2004 – eine gesetzliche Kodifizierung des Berichtigungsrechts der KZV vor. Es schadet nicht, wenn die AG im angefochtenen Bescheid zusätzlich die bundesmantelvertraglichen Bestimmungen in § 19 BMV-Z/§ 17 EKV-Z aufführt (zur Richtigstellungsbefugnis der KZV: BSG v. 19.10.2011 – B 6 KA 30/10 R -, juris Rn. 13; BSG v. 05.11.2008 – B 6 KA 1/08 R -, juris Rn. 9). Hieraus ist kein Begründungsdefizit herzuleiten. Die Voraussetzungen für eine Richtigstellung werden zutreffend genannt. Der AS ist durch die Ausführlichkeit des Bescheides im Übrigen hinreichend in die Lage versetzt, sich gegenüber dem Vorwurf der Falschabrechnung zu verteidigen. Es sind auch keine entscheidungserheblichen Abweichungen zwischen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich.
Die vom AS in diesem Zusammenhang angeführte Richtlinie nach § 106d Abs. 5 SGB V betrifft den Inhalt und die Durchführung der „Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4“, regelt aber selbst nicht die Abrechnung vertragszahnärztlicher Leistungen durch den Vertragszahnarzt (dazu § 295 Abs. 1, 3 SGB V). Daher verwundert es nicht, wenn die Richtlinie keine Regelungen über eine Abrechnungs-Sammelerklärung enthält.
b) In materiell-rechtlicher Hinsicht erstreckt sich die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Solche Verstöße können zum Beispiel darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (Clemens in jurisPK-SGB V, 106a Rn. 77, 97ff; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, § 106a Rn. 26).
Eine KZV darf im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vom Vertragszahnarzt in Ansatz gebrachte Leistungen in vollem Umfang streichen, wenn deren Voraussetzungen erweislich nicht vorliegen oder ihr Vorliegen sich im Einzelfall nicht nachweisen lässt. Die Regelungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung implizieren neben der Befugnis zur Änderung bereits bestandskräftiger Honorarbescheide auch die Berechtigung zur Rückforderung von Honorar. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG v. 22.03.2006 – B 6 KA 76/04 R -, juris Rn. 11).
Eine KÄV ist weitergehend nicht auf die Richtigstellung einzelner nachgewiesener Fehlansätze beschränkt, sondern berechtigt, den gesamten Honorarbescheid für ein Quartal allein wegen der Unrichtigkeit der Abrechnungssammelerklärung aufzuheben, falls unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig erfolgt sind (BSG v. 22.03.2006 – B 6 KA 76/04 R – juris Rn. 28; LSG Niedersachen-Bremen v. 28.01.2013 – L 3 KA 34/12 B ER-, juris Rn. 28; LSG D-Stadt-Brandenburg v. 25.03.2011 – L 7 KA 13/11 B ER – juris Rn. 3). Wesentliche Rechtsfolge ist, dass die KÄV in diesem Fall nicht gehalten iat, in allen Behandlungsfällen den Nachweis der Unrichtigkeit zu führen, sondern ihr steht bei der Neufestsetzung des Honorars ein Schätzungsermessen zu.
aa) Diese Rechtsprechung gilt auch für den vertragszahnärztlichen Bereich.
Die ansich für jede einzelne Leistungsabrechnung gebotene Erklärung des Arztes über die ordnungsgemäße Erbringung und Abrechnung der Leistung wird aufgrund der den Vertragszahnarzt bindenden Bestimmungen untergesetzlichen Rechts durch eine sog. Abrechnungs-Sammelerklärung ersetzt (eingehend zu § 45 Abs. 1 BMV-Ä: LSG Nordrhein-Westfalen v. 27.06.2016 – L 11 KA 7/16 B ER -, juris Rn. 29). Die Abgabe einer ordnungsgemäßen Abrechnungssammelerklärung als eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Vergütung erbrachter Leistungen ergibt sich für den Ersatzkassenbereich aus § 16 Abs. 2 EKV-Z: „Mit der Abrechnung der BEMA-Teile 1 bis 5 bestätigt der Vertragszahnarzt, dass die abgerechneten Leistungen persönlich erbracht worden sind (§ 8 dieses Vertrages) und dass die Abrechnung sachlich richtig ist“ (vgl. § 45 Abs. 1 BMV-Ä; § 42 Abs. 3 BMV-Ä 95).
Für den Primärkassenbereich hat die AG in den streitbefangenen Quartalen eine entsprechende Erklärung zur Voraussetzung der Honorarabrechnung gemacht, deren Verbindlichkeit im Nachhinein nicht angezweifelt werden kann, ohne dass sich der Vertragszahnarzt dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens aussetzen würde. Es bestehen aufgrund summarischer Prüfung auch keine Bedenken, dass die AG im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages und der Gewähr einer den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechenden Versorgung (§ 75 Abs. 1 SGB V) befugt ist, eine derartige generelle Erklärung vom Vertragsarzt zur Einhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Regelungen im Zusammenhang mit der Leistungserbringung und –abrechnung abzufordern. Die Abrechnung zahnärztlicher Leistungen durch die Vertragszahnärzte mittels EDV bedarf nach § 14 Abs. 4 BMV-Z der Genehmigung durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung nach Maßgabe der Anlage 2. Nach Ziff. 1 der „Bestimmungen über die Gestaltung und die Ausfüllung der Planungsvordrucke und die edv-mäßige Erstellung der Abrechnung“ (Anlage 2) erfolgt mit der Umsetzung des DTA-Vertrages zum 01.01.2012 die Abrechnung zahnärztlicher Leistungen grundsätzlich im Wege elektronischer Datenübermittlung oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern. Die Verwendung eines Datenverarbeitungssystems, mit dem der Vertragszahnarzt Leistungen zum Zwecke der Abrechnung erfasst, speichert und verarbeitet, bedarf der Genehmigung durch die zuständige Kassenzahnärztliche Vereinigung. Das von der AG vorgesehene (genehmigte) Abrechnungssystem hat insoweit die Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit durch den Vertragszahnarzt auf elektronischem Wege vorgesehen.
Die nach der Rechtsprechung des BSG für die besondere Funktion der Sammelerklärung bei der Überprüfung der Abrechnung von Vertragsärzten angeführten Gründe (vgl. BSG v. 17.09.1997 – 6 RKa 86/95 -, juris Rn. 19) treffen im Übrigen auch auf den Vertragszahnarzt in Bezug auf die konservierend-chirurgischen Leistungen in gleicher Weise zu und sind nicht überholt, weil der Gesetzgeber seit 2004 eine gesetzliche Konzeption der Richtigstellung in Anknüpfung an die entsprechenden bundesmantelvertraglich vereinbarten Regelungen vorsieht oder der Abrechnungsverkehr auf elektronischem Wege erfolgt. Die Garantiefunktion ist weiterhin wegen der aufgrund des Sachleistungsprinzips auseinanderfallenden Beziehungen bei der Leistungserbringung (Verhältnis Vertragszahnarzt zum Patienten) und der Vergütung (Verhältnis Vertragszahnarzt zur KZV) und den damit verbundenen Kontrolldefiziten unverzichtbar (so auch für die Angaben in den Heil- und Kostenplänen: SG Marburg 23.03.2005 – S 12 KA 15/05 ER -, juris 23; dem folgend: Hessisches LSG v. 14.07.2005 – L 4 KA 18/05 ER -, juris).
Es ist auch unwidersprochen geblieben, dass der AS entsprechende Abrechnungs-Sammelerklärungen für die streitbefangenen Quartale abgegeben hat. Insoweit hat die AG insbesondere darauf hingewiesen, dass der AS im Wege der elektronischen Abrechnung in Bezug auf die Primärkassen/Bundesknappschaft und Sozialhilfeträger erklärt habe, die „beiliegende Abrechnung nach den Bestimmungen des BMV-Z, insbesondere § 4 Abs. 1-4 BMV-Z, erbracht zu haben“ und in Bezug auf die Ersatzkassen „die beiliegende Abrechnung nach den Bestimmungen des zwischen dem VdAK/AEV und der KZBV gültigen Vertrages, insbesondere §§ 8, 16 VdAK/AEV-Vertrag, erstellt zu haben“.
bb) Die AG hat (zumindest) einen fehlerhaften Honoraransatz in jedem Quartal – nach der im Eilverfahren gebotenen Prüfungstiefe - ausreichend dargelegt und begründet.
Das Sozialgericht Marburg hat sich in zahlreichen Entscheidungen mit der Nachweispflicht hinsichtlich der vollständigen Leistungserbringung im Rahmen sachlich-rechnerischer Richtigstellungsverfahren auseinandergesetzt. Die Kammer macht sich zur weiteren Begründung die Ausführungen des SG Marburg (v. 07.07.2010 – S 12 KA 325/09, juris Rn. 34ff.; v. 07.07.2010 – S 12 KA 633/09, juris; v. 03.06.2009 – S 12 KA 520/08, juris; v. 25.09.2013 _ S 12 KA 106/13 -, juris; Hessisches LSG v. 20.03.2013 – L 4 KA 60/10 -, juris Rn. 34) zu eigen, die sie für zutreffend hält: Grundsätzlich ist für die Erbringung einer zahnärztlichen Leistung der Vertragszahnarzt als Leistungserbringer nachweispflichtig. Im vertragszahnärztlichen Leistungssystem reicht hierfür im Regelfall der Nachweis durch die Angaben des Vertragszahnarztes auf dem Behandlungsausweis aus. Bestehen allerdings Zweifel an der ordnungsgemäßen und/oder vollständigen Erbringung der Leistung, so ist der Vertragszahnarzt wiederum nachweispflichtig. Ein Mittel für den Nachweis der Leistungserbringung sind seine Aufzeichnungen in der Karteikarte, die auch elektronisch geführt werden kann, oder die angefertigten technischen Aufzeichnungen wie z. B. Röntgenbilder.
(a) Zunächst werden 27 vom AS abgerechnete Leistungen in Anlage 1 zum Ausgangsbescheid aufgelistet, in denen für den abgerechneten Behandlungstag sich kein Eintrag über Leistungen in der Patientendokumentation findet. Dies sind zB:
Name Datum Abgerechnete GOP Zahn
A. D. 17.03.2011 8, 12, 13b, 25, 41a 47
L. D. 25.02.2011 01
P. Sch. 09.06.2011 10
D. Sch. 04.07.2011 106
I.P. 18.10.2010 12
25
2 x 13d
25 12
12
21, 12
21
T. Sch. 07.07.2011
11.07.2011 Ä1
Ä1
(b) Weitere Fälle betreffen Abrechnungspositionen, für die sich eine passende Leistungsbeschreibung in der Behandlungsdokumentation des entsprechenden Tages nicht findet, bzw. Abrechnungen ohne konkrete Abdeckung durch Karteikarteneintragungen. In Einzelfällen sind in der Dokumentation des AS die GOP sogar durchgestrichen.
Name Datum Abgerechnete GOP Zahn
G G. G 11.10.2010 5 x 25 51, 61, 62, 75, 85 „keine Cp´s!“
P Sch 07.04.2011 5 x 40,
2 x 12 16, 13, 11, 22, 40
16, 24
S Sch 28.02.2011 2 x 25
15, 14 gestrichen
F M 15.02.2011 4 x 25 13, 11, 23, 24 gestrichen
S M 18.01.2011 3 x 25 13, 33, 44 gestrichen
M Sch 01.04.2011 4 x 25 21, 22, 23, 25 gestrichen
A D 21.12.2010 13c, 12, 25, 41a 34
K St 12.11.2010 7 x Ä161 24, 37, 36, 35, 34, 33
(c) Bei der Versicherten P Sch wurde für den 07.04.2011 an Zahn 12 die GOP 25 und 13b abgerechnet, obgleich der Zahn nach der Dokumentation bereits am 10.03.2011 extrahiert worden war.
cc) Das von der AG zusammengetragene Ermittlungsergebnis reicht nach einer im Eilverfahren gebotenen summarischer Prüfung auch für die Annahme, der AS habe zumindest grob fahrlässig gehandelt, d.h. nicht erbrachte Leistungen zur Abrechnung gebracht.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Hs. 2 SGB X vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist. Schlichtes Versehen etwa würde nur zur Richtigstellung hinsichtlich der einzelnen, konkret nachgewiesenen Abrechnungsfehler berechtigen.
Die Abrechnung nicht dokumentierter Leistungen, ohne dass der AS einzelfallbezogene Erklärungen hierfür liefert, lässt derzeit unter Berücksichtigung der Vielzahl der Fälle aber nur den Schluss auf zumindest grob fahrlässige Falschabrechnungen vor. Der AS hätte anhand der von der AG konkret benannten Fälle ggf. darlegen müssen, inwieweit hier Schreibfehler vorgelegen haben oder aber sich die Leistungserbringung wie selbstverständlich aus der Dokumentation ergebe. Ohne dies fehlen schlichtweg stichhaltige Anhaltspunkte für ein noch entschuldbares Handeln des AS.
dd) Die Aufhebung der Honorarbescheide und eine Neufeststellung des Honoraranspruches aufgrund einer Schätzung, wobei die AG dem AS (nur) den durchschnittlichen Fallwert nach dem Landesgruppendurchschnitt zugebilligt hat, ist ebenfalls aufgrund einer summarischen Prüfung nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung kommt der KZV hierbei ein „weites Schätzungsermessen“ zu, ein Honorar nur in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zuzuerkennen. In aller Regel sei es nicht zu beanstanden, wenn die KÄV in den Fällen, in denen die vom Arzt geltend gemachte Quartalsvergütung bezogen auf den Fallwert wesentlich über dem Durchschnitt seiner Fachgruppe liegt, deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornimmt und sich im Wege pauschalierender Schätzung damit begnügt, ihm ein Honorar zB in Höhe des Fachgruppendurchschnitts - oder in KV-Bezirken mit hohen Fallwerten evtl. niedriger - zuzuerkennen (BSG v. 17.09.1997 – 6 RKa 86/95 -, juris Rn. 23, 28). Der AS hat bislang keine triftigen Gründe vorgetragen, warum die Orientierung am Fachgruppendurchschnitt, etwa im Hinblick auf anzuerkennende Praxisbesonderheiten, ermessensfehlerhaft sein sollte bzw. warum das Gericht sich die Ausführungen der AG nicht zu eigen machen sollte. Die für die AG tragenden Gründe sind im Widerspruchsbescheid (Seite 8) aufgeführt. Sachliche Gründe für die erheblichen Überschreitungen des Landesdurchschnitts bei einer Vielzahl von Gebührenpositionen sind derzeit nicht erkennbar.
2. Gerade die ganz erhebliche Höhe der Rückforderung gebietet es im Sinne der Realisierbarkeit der Rückforderung vor einer Bestandskraft des angefochtenen Bescheides zu beginnen. Bei einer Aufrechnung der Rückforderung gegenüber aktuellen Honorarforderungen wären die in den Pfändungsfreigrenzen liegenden Beschränkungen zu beachten, die sich aus der Anwendung der §§ 394 S. 1 BGB, 850c ZPO ergeben (dazu: LSG Niedersachsen-Bremen v. 08.10.2009 – L 3 KA 60/09 B ER-, juris, ggfs. auch aus § 850f Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert wird auf 5.145,00 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 GKG). Das zu berücksichtigende Interesse des AS ist allein darauf gerichtet, zumindest für die Dauer des Hauptsacheverfahrens das rückgeforderte Honorar behalten zu dürfen. Das wirtschaftliche Interesse wird mithin durch den Zeitfaktor "Länge des Verfahrens" und durch das Zinsinteresse bestimmt (vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen v. 24.02.2016 – L 11 KA 58/15 B ER -, juris Rn. 84). Die Dauer des Hauptsacheverfahrens wird mit 2 Jahren angenommen und ein Zinssatz von 5 % zugrunde gelegt (5 % von 51.454,06 € x 2 = 5.145,41 €).
Rechtsmittelbelehrung
I.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das E. statthaft. Diese ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht C-Stadt, Wismarsche Straße 323 a , C-Stadt schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem E., E-Straße, E-Stadt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
II.
Gegen den Beschluss über die Höhe des Streitwertes kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Sozialgericht C-Stadt, Wismarsche Straße 323 a, C-Stadt Beschwerde eingelegt werden.
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von 6 Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Die Beschwerde ist nicht zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.
Aktenzeichen: S 3 KA 57/15 ER
Beschluss
In dem Rechtsstreit
A.,
A-Straße, A-Stadt
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte B.,
B-Straße, B-Stadt
- -
- Antragsteller -
gegen
C.,
C-Straße, C-Stadt
- Antragsgegnerin -
hat die 3. Kammer des Sozialgerichts C-Stadt am 07.03.2017 durch ihren Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht …. ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 3 KA 58/15 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.145,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Umstritten ist eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honoraranforderungen des Antragstellers (AS) für konservierend-chirurgische Leistungen in den Quartalen IV2010 bis III/2011 um insgesamt 51.454,06 €.
Durch Bescheid vom 23. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2015 nahm die Antragsgegnerin (AG) eine entsprechende Richtigstellung vor, weil sie von grob fahrlässigen Falschabrechnungen des AS in den einzelnen Quartalen ausging, indem er nicht erbrachte Leistungen abrechnete, da die Patienten entweder nicht in der Praxis gewesen seien oder Leistungen in der Patientenkartei nicht dokumentiert seien. Die Garantiefunktion der Bestätigung der ordnungsgemäßen Abrechnung durch den AS sei bereits dann insgesamt nicht mehr erfüllt, wenn nur ein mit ihr erfasster Abrechnungsschein eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthalte. Damit entfalle für sie die Verpflichtung, mehr als eine unrichtige Abrechnung pro Quartal nachzuweisen. Damit liege das Honorarrisiko auf Seiten des Vertragszahnarztes. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die durch Klage vom 14. Dezember 2015 (S 3 KA 58/15) angefochtenen Bescheide verwiesen.
Zur Begründung seines Eilantrages trägt der AS insbesondere vor, die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17. September 1997 (6 RKa 86/95) sei nicht mehr einschlägig und könne nicht mehr zum Maßstab für sachlich-rechnerische Berichtigungsverfahren gemacht werden. Die AG habe sich schon nicht festgelegt, auf welcher Rechtsgrundlage sie sachlich-rechnerisch berichtigend tätig werde. Spätestens für Zeiträume seit dem 1. Juli 2008 könnten sich sachlich-rechnerische Berichtigungsverfahren allein noch nach den Bestimmungen des § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V und der nach § 106a Abs. 5 Satz 1 SGB V dazu vereinbarten „Plausi-Vereinbarung“ richten. Die alten bundesmantelvertraglichen Bestimmungen zum sachlich-rechnerischen Berichtigungsverfahren seien spätestens für Abrechnungszeiträume ab 1. Juli 2008 hinfällig geworden. Dazu gehöre insbesondere auch die auf diesen alten Bestimmungen beruhende Bedeutung der Abrechnungs-Sammelerklärung. Dabei nenne die AG in ihrem Widerspruchsbescheid vom 16. November 2015 insoweit ohnehin nur die Bestimmung des § 16 Abs. 2 EKV-Z und keine dementsprechende Bestimmung im Primärkassenbereich. Schon gar nicht könne die AG damit gehört werden, der „Gesamteindruck“ habe ihre Verwaltungsentscheidung geprägt, eine durchgehende Einzelfallprüfung sei „unzumutbar“ und die Neufestsetzung des Honorars im Wege der Schätzung sei die einzig „praktikable“ Möglichkeit. Eine derart belastende Verwaltungsentscheidung könne rechtsstaatlich korrekt nur auf der Grundlage einer gesetzlichen und einer darauf beruhenden untergesetzlichen Rechtsgrundlage und durch Subsumtion des von der Behörde zu ermittelnden Sachverhalts unter die einschlägigen Normentatbestände ergehen. Die AG nehme ohne jedes weitere Begründungelement einfach an, er habe grob fahrlässig gehandelt. Dabei bleibe insbesondere unklar, worauf sich die Fahrlässigkeit bezogen haben solle. Richtigerweise stellten sich nach der neuen Gesetzes- und Vertragslage diese Fragen nur noch in Bezug auf seine Verpflichtung, seine Abrechnung in elektronischer Form zu übermitteln und deren Prüfung durch das BEMA-Modul zu ermöglichen. Insoweit sei ihm keinerlei Schuldvorwurf zu machen. Schließlich sei auch die im Wege der Schätzung vorgenommene Neufestsetzung des Honorars rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage seien hier schon allein deshalb gegeben, weil die angefochtenen Bescheide wegen Verkennung der einschlägigen Rechtsgrundlagen durch die AG offensichtlich rechtswidrig seien. Auf die Frage, ob der kurzfristige sofortige Vollzug der geltend gemachten Honorarrückforderung in Höhe von über 50.000 € für ihn existenzgefährdend sei, komme es somit nicht an.
Der AS beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage (S 3 KA 60/15) gegen den Bescheid vom 23. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2015 anzuordnen
Die AG beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie verweist insbesondere darauf, dass die Prüfung Falschabrechnungen in einem Ausmaß ergeben habe, dem mit einer Einzelfallprüfung und Korrektur der einzelnen Gebührenpositionen nicht Rechenschaft getragen werden könne. Es sei ihr nicht zuzumuten, die gesamte Abrechnung zu prüfen und auf Abrechnungsfehler zu durchforsten. Vielmehr sei gerade für solche Fälle eine Aufhebung des Honorarbescheids möglich, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen würden. Vorliegend habe auch der Gesamteindruck zu der Entscheidung geführt, den Honorarbescheid insgesamt aufzuheben. Hierzu hätten die Äußerungen des AS gegenüber ihren Mitarbeiterinnen beigetragen, welche zusammengefasst dahingehend lauteten, dass einige Gebührenpositionen nicht ausreichend vergütet seien und daher kompensiert werden müssten. Aus diesen Äußerungen habe gefolgert werden können, dass möglicherweise Leistungen abgerechnet worden seien, die nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Form erbracht seien. Die Prüfung habe diesen Eindruck zunächst bereits statistisch bestätigt. Aus ihrer Sicht handele es sich trotz der Auswertung der Statistiken aber nicht um ein Problem der Wirtschaftlichkeit, da die Leistungen nach dem Ergebnis der Prüfungen teilweise nicht bzw. nicht richtlinienkonform erbracht worden seien. Die Durchsicht der eingereichten Behandlungskarteien habe diesen Eindruck bestätigt. Auch im digitalen Zeitalter habe der Vertragszahnarzt die Abrechnung nicht nur korrekt anhand der tatsächlich erbrachten und dokumentierten Leistungen zu erstellen und zu übermitteln. Er garantiere auch jetzt noch die Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung. Anders könne ein Abrechnungssystem, welches auf Vertrauen basiere, nicht funktionieren. Der Logik des Antragstellers folgend, könnten am vertrags-zahnärztlichen System teilnehmende Vertragszahnärzte grob fahrlässig falsch abrechnen und müssten aufgrund der praktischen Grenzen, die den sachlich-rechnerischen bzw. Plausibilitätsprüfungen naturgemäß innewohnten, nur einen marginalen Malus befürchten. Die Vertragszahnärzte bestätigten bei der Übermittlung ihrer Abrechnung weiterhin die Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung, allerdings weit überwiegend nicht mehr mittels Unterschrift, sondern elektronisch. Entsprechend sei das Herleiten der Garantiefunktion, die die Erklärung der Richtigkeit der Abrechnung seitens des Vertragszahnarztes bestätige, an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Die Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Quartalsabrechnung Erfolge elektronisch. Die Abrechnung der Vertragszahnärzte lasse sich im online-Portal nur hochladen, wenn der Haken für folgenden Text gesetzt werde:
„Bitte bestätigen Sie die nachfolgende Erklärung, bevor sie WEITER klicken.“ Dann folgten die Checkbox und ein Link namens „Erklärung“. Werde auf Erklärung geklickt, erscheine u.a. folgende Erklärung:
„Erklärung zur Abrechnung
Primärkassen, Bundesknappschaft und Sozialhilfeträger
Ich erkläre hiermit, die beiliegende Abrechnung nach den Bestimmungen des BMV-Z, insbesondere § 4 Abs. 1-4 BMV-Z, erbracht zu haben.
Ersatzkassen (VdAK- und AEV-Kassen)
Ich erkläre hiermit, die beiliegende Abrechnung nach den Bestimmungen des zwischen dem VdAK/AEV und der KZBV gültigen Vertrages, insbesondere §§ 8,16 VdAK/AEV-Vertrag, erstellt zu haben.“
Der Nutzer müsse die Erklärung abgeben, andernfalls könne er seine Abrechnung nicht übermitteln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der AG Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen.
Ein solcher Fall liegt hier vor, da nach § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung haben. Die streitbefangene sachlich-rechnerische Richtigstellung des Honorars des AS für die Quartale I bis IV/2012 fällt hierunter.
Bei der Entscheidung, ob und inwieweit die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, sind die öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse. Andererseits liegt ein überwiegendes öffentliches Interesse dann vor, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ersichtlich rechtmäßig ist. Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage auch im Fall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung grundsätzlich nicht vorsieht und diese eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben muss (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG iVm § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V; Keller in Meyer-Ladewig ua, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 12c; vgl. speziell zur Honorarrückforderung: LSG Nordrhein-Westfalen v. 17.07.2013 – L 11 KA 101/12 B – juris Rn. 60).
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung unterbleibt im vorliegenden Fall, weil der angefochtene Richtigstellungsbescheid nicht offenbar rechtswidrig ist und die Klage kaum Erfolgsaussichten hat (1.). Den Interessen des AS am Erhalt seiner Zahnarztpraxis kann im Rahmen des Pfändungsschutzes Rechnung getragen werden (2.).
1. Die Beklagte ist befugt, die Honorarforderungen des AS für konservierend-chirurgische Leistungen sachlich-rechnerisch richtigzustellen.
a) Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertrags(zahn)ärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V, ab 01.01.2017 § 106d, Art 2 Nr. 9 GKV-VSG v. 16.07.2015, BGBl I S. 1211).
Damit liegt – seit 01.01.2004 – eine gesetzliche Kodifizierung des Berichtigungsrechts der KZV vor. Es schadet nicht, wenn die AG im angefochtenen Bescheid zusätzlich die bundesmantelvertraglichen Bestimmungen in § 19 BMV-Z/§ 17 EKV-Z aufführt (zur Richtigstellungsbefugnis der KZV: BSG v. 19.10.2011 – B 6 KA 30/10 R -, juris Rn. 13; BSG v. 05.11.2008 – B 6 KA 1/08 R -, juris Rn. 9). Hieraus ist kein Begründungsdefizit herzuleiten. Die Voraussetzungen für eine Richtigstellung werden zutreffend genannt. Der AS ist durch die Ausführlichkeit des Bescheides im Übrigen hinreichend in die Lage versetzt, sich gegenüber dem Vorwurf der Falschabrechnung zu verteidigen. Es sind auch keine entscheidungserheblichen Abweichungen zwischen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich.
Die vom AS in diesem Zusammenhang angeführte Richtlinie nach § 106d Abs. 5 SGB V betrifft den Inhalt und die Durchführung der „Prüfungen nach den Absätzen 2 bis 4“, regelt aber selbst nicht die Abrechnung vertragszahnärztlicher Leistungen durch den Vertragszahnarzt (dazu § 295 Abs. 1, 3 SGB V). Daher verwundert es nicht, wenn die Richtlinie keine Regelungen über eine Abrechnungs-Sammelerklärung enthält.
b) In materiell-rechtlicher Hinsicht erstreckt sich die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Solche Verstöße können zum Beispiel darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (Clemens in jurisPK-SGB V, 106a Rn. 77, 97ff; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, § 106a Rn. 26).
Eine KZV darf im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vom Vertragszahnarzt in Ansatz gebrachte Leistungen in vollem Umfang streichen, wenn deren Voraussetzungen erweislich nicht vorliegen oder ihr Vorliegen sich im Einzelfall nicht nachweisen lässt. Die Regelungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung implizieren neben der Befugnis zur Änderung bereits bestandskräftiger Honorarbescheide auch die Berechtigung zur Rückforderung von Honorar. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG v. 22.03.2006 – B 6 KA 76/04 R -, juris Rn. 11).
Eine KÄV ist weitergehend nicht auf die Richtigstellung einzelner nachgewiesener Fehlansätze beschränkt, sondern berechtigt, den gesamten Honorarbescheid für ein Quartal allein wegen der Unrichtigkeit der Abrechnungssammelerklärung aufzuheben, falls unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig erfolgt sind (BSG v. 22.03.2006 – B 6 KA 76/04 R – juris Rn. 28; LSG Niedersachen-Bremen v. 28.01.2013 – L 3 KA 34/12 B ER-, juris Rn. 28; LSG D-Stadt-Brandenburg v. 25.03.2011 – L 7 KA 13/11 B ER – juris Rn. 3). Wesentliche Rechtsfolge ist, dass die KÄV in diesem Fall nicht gehalten iat, in allen Behandlungsfällen den Nachweis der Unrichtigkeit zu führen, sondern ihr steht bei der Neufestsetzung des Honorars ein Schätzungsermessen zu.
aa) Diese Rechtsprechung gilt auch für den vertragszahnärztlichen Bereich.
Die ansich für jede einzelne Leistungsabrechnung gebotene Erklärung des Arztes über die ordnungsgemäße Erbringung und Abrechnung der Leistung wird aufgrund der den Vertragszahnarzt bindenden Bestimmungen untergesetzlichen Rechts durch eine sog. Abrechnungs-Sammelerklärung ersetzt (eingehend zu § 45 Abs. 1 BMV-Ä: LSG Nordrhein-Westfalen v. 27.06.2016 – L 11 KA 7/16 B ER -, juris Rn. 29). Die Abgabe einer ordnungsgemäßen Abrechnungssammelerklärung als eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Vergütung erbrachter Leistungen ergibt sich für den Ersatzkassenbereich aus § 16 Abs. 2 EKV-Z: „Mit der Abrechnung der BEMA-Teile 1 bis 5 bestätigt der Vertragszahnarzt, dass die abgerechneten Leistungen persönlich erbracht worden sind (§ 8 dieses Vertrages) und dass die Abrechnung sachlich richtig ist“ (vgl. § 45 Abs. 1 BMV-Ä; § 42 Abs. 3 BMV-Ä 95).
Für den Primärkassenbereich hat die AG in den streitbefangenen Quartalen eine entsprechende Erklärung zur Voraussetzung der Honorarabrechnung gemacht, deren Verbindlichkeit im Nachhinein nicht angezweifelt werden kann, ohne dass sich der Vertragszahnarzt dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens aussetzen würde. Es bestehen aufgrund summarischer Prüfung auch keine Bedenken, dass die AG im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages und der Gewähr einer den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechenden Versorgung (§ 75 Abs. 1 SGB V) befugt ist, eine derartige generelle Erklärung vom Vertragsarzt zur Einhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Regelungen im Zusammenhang mit der Leistungserbringung und –abrechnung abzufordern. Die Abrechnung zahnärztlicher Leistungen durch die Vertragszahnärzte mittels EDV bedarf nach § 14 Abs. 4 BMV-Z der Genehmigung durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung nach Maßgabe der Anlage 2. Nach Ziff. 1 der „Bestimmungen über die Gestaltung und die Ausfüllung der Planungsvordrucke und die edv-mäßige Erstellung der Abrechnung“ (Anlage 2) erfolgt mit der Umsetzung des DTA-Vertrages zum 01.01.2012 die Abrechnung zahnärztlicher Leistungen grundsätzlich im Wege elektronischer Datenübermittlung oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern. Die Verwendung eines Datenverarbeitungssystems, mit dem der Vertragszahnarzt Leistungen zum Zwecke der Abrechnung erfasst, speichert und verarbeitet, bedarf der Genehmigung durch die zuständige Kassenzahnärztliche Vereinigung. Das von der AG vorgesehene (genehmigte) Abrechnungssystem hat insoweit die Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit durch den Vertragszahnarzt auf elektronischem Wege vorgesehen.
Die nach der Rechtsprechung des BSG für die besondere Funktion der Sammelerklärung bei der Überprüfung der Abrechnung von Vertragsärzten angeführten Gründe (vgl. BSG v. 17.09.1997 – 6 RKa 86/95 -, juris Rn. 19) treffen im Übrigen auch auf den Vertragszahnarzt in Bezug auf die konservierend-chirurgischen Leistungen in gleicher Weise zu und sind nicht überholt, weil der Gesetzgeber seit 2004 eine gesetzliche Konzeption der Richtigstellung in Anknüpfung an die entsprechenden bundesmantelvertraglich vereinbarten Regelungen vorsieht oder der Abrechnungsverkehr auf elektronischem Wege erfolgt. Die Garantiefunktion ist weiterhin wegen der aufgrund des Sachleistungsprinzips auseinanderfallenden Beziehungen bei der Leistungserbringung (Verhältnis Vertragszahnarzt zum Patienten) und der Vergütung (Verhältnis Vertragszahnarzt zur KZV) und den damit verbundenen Kontrolldefiziten unverzichtbar (so auch für die Angaben in den Heil- und Kostenplänen: SG Marburg 23.03.2005 – S 12 KA 15/05 ER -, juris 23; dem folgend: Hessisches LSG v. 14.07.2005 – L 4 KA 18/05 ER -, juris).
Es ist auch unwidersprochen geblieben, dass der AS entsprechende Abrechnungs-Sammelerklärungen für die streitbefangenen Quartale abgegeben hat. Insoweit hat die AG insbesondere darauf hingewiesen, dass der AS im Wege der elektronischen Abrechnung in Bezug auf die Primärkassen/Bundesknappschaft und Sozialhilfeträger erklärt habe, die „beiliegende Abrechnung nach den Bestimmungen des BMV-Z, insbesondere § 4 Abs. 1-4 BMV-Z, erbracht zu haben“ und in Bezug auf die Ersatzkassen „die beiliegende Abrechnung nach den Bestimmungen des zwischen dem VdAK/AEV und der KZBV gültigen Vertrages, insbesondere §§ 8, 16 VdAK/AEV-Vertrag, erstellt zu haben“.
bb) Die AG hat (zumindest) einen fehlerhaften Honoraransatz in jedem Quartal – nach der im Eilverfahren gebotenen Prüfungstiefe - ausreichend dargelegt und begründet.
Das Sozialgericht Marburg hat sich in zahlreichen Entscheidungen mit der Nachweispflicht hinsichtlich der vollständigen Leistungserbringung im Rahmen sachlich-rechnerischer Richtigstellungsverfahren auseinandergesetzt. Die Kammer macht sich zur weiteren Begründung die Ausführungen des SG Marburg (v. 07.07.2010 – S 12 KA 325/09, juris Rn. 34ff.; v. 07.07.2010 – S 12 KA 633/09, juris; v. 03.06.2009 – S 12 KA 520/08, juris; v. 25.09.2013 _ S 12 KA 106/13 -, juris; Hessisches LSG v. 20.03.2013 – L 4 KA 60/10 -, juris Rn. 34) zu eigen, die sie für zutreffend hält: Grundsätzlich ist für die Erbringung einer zahnärztlichen Leistung der Vertragszahnarzt als Leistungserbringer nachweispflichtig. Im vertragszahnärztlichen Leistungssystem reicht hierfür im Regelfall der Nachweis durch die Angaben des Vertragszahnarztes auf dem Behandlungsausweis aus. Bestehen allerdings Zweifel an der ordnungsgemäßen und/oder vollständigen Erbringung der Leistung, so ist der Vertragszahnarzt wiederum nachweispflichtig. Ein Mittel für den Nachweis der Leistungserbringung sind seine Aufzeichnungen in der Karteikarte, die auch elektronisch geführt werden kann, oder die angefertigten technischen Aufzeichnungen wie z. B. Röntgenbilder.
(a) Zunächst werden 27 vom AS abgerechnete Leistungen in Anlage 1 zum Ausgangsbescheid aufgelistet, in denen für den abgerechneten Behandlungstag sich kein Eintrag über Leistungen in der Patientendokumentation findet. Dies sind zB:
Name Datum Abgerechnete GOP Zahn
A. D. 17.03.2011 8, 12, 13b, 25, 41a 47
L. D. 25.02.2011 01
P. Sch. 09.06.2011 10
D. Sch. 04.07.2011 106
I.P. 18.10.2010 12
25
2 x 13d
25 12
12
21, 12
21
T. Sch. 07.07.2011
11.07.2011 Ä1
Ä1
(b) Weitere Fälle betreffen Abrechnungspositionen, für die sich eine passende Leistungsbeschreibung in der Behandlungsdokumentation des entsprechenden Tages nicht findet, bzw. Abrechnungen ohne konkrete Abdeckung durch Karteikarteneintragungen. In Einzelfällen sind in der Dokumentation des AS die GOP sogar durchgestrichen.
Name Datum Abgerechnete GOP Zahn
G G. G 11.10.2010 5 x 25 51, 61, 62, 75, 85 „keine Cp´s!“
P Sch 07.04.2011 5 x 40,
2 x 12 16, 13, 11, 22, 40
16, 24
S Sch 28.02.2011 2 x 25
15, 14 gestrichen
F M 15.02.2011 4 x 25 13, 11, 23, 24 gestrichen
S M 18.01.2011 3 x 25 13, 33, 44 gestrichen
M Sch 01.04.2011 4 x 25 21, 22, 23, 25 gestrichen
A D 21.12.2010 13c, 12, 25, 41a 34
K St 12.11.2010 7 x Ä161 24, 37, 36, 35, 34, 33
(c) Bei der Versicherten P Sch wurde für den 07.04.2011 an Zahn 12 die GOP 25 und 13b abgerechnet, obgleich der Zahn nach der Dokumentation bereits am 10.03.2011 extrahiert worden war.
cc) Das von der AG zusammengetragene Ermittlungsergebnis reicht nach einer im Eilverfahren gebotenen summarischer Prüfung auch für die Annahme, der AS habe zumindest grob fahrlässig gehandelt, d.h. nicht erbrachte Leistungen zur Abrechnung gebracht.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Hs. 2 SGB X vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist. Schlichtes Versehen etwa würde nur zur Richtigstellung hinsichtlich der einzelnen, konkret nachgewiesenen Abrechnungsfehler berechtigen.
Die Abrechnung nicht dokumentierter Leistungen, ohne dass der AS einzelfallbezogene Erklärungen hierfür liefert, lässt derzeit unter Berücksichtigung der Vielzahl der Fälle aber nur den Schluss auf zumindest grob fahrlässige Falschabrechnungen vor. Der AS hätte anhand der von der AG konkret benannten Fälle ggf. darlegen müssen, inwieweit hier Schreibfehler vorgelegen haben oder aber sich die Leistungserbringung wie selbstverständlich aus der Dokumentation ergebe. Ohne dies fehlen schlichtweg stichhaltige Anhaltspunkte für ein noch entschuldbares Handeln des AS.
dd) Die Aufhebung der Honorarbescheide und eine Neufeststellung des Honoraranspruches aufgrund einer Schätzung, wobei die AG dem AS (nur) den durchschnittlichen Fallwert nach dem Landesgruppendurchschnitt zugebilligt hat, ist ebenfalls aufgrund einer summarischen Prüfung nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung kommt der KZV hierbei ein „weites Schätzungsermessen“ zu, ein Honorar nur in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zuzuerkennen. In aller Regel sei es nicht zu beanstanden, wenn die KÄV in den Fällen, in denen die vom Arzt geltend gemachte Quartalsvergütung bezogen auf den Fallwert wesentlich über dem Durchschnitt seiner Fachgruppe liegt, deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornimmt und sich im Wege pauschalierender Schätzung damit begnügt, ihm ein Honorar zB in Höhe des Fachgruppendurchschnitts - oder in KV-Bezirken mit hohen Fallwerten evtl. niedriger - zuzuerkennen (BSG v. 17.09.1997 – 6 RKa 86/95 -, juris Rn. 23, 28). Der AS hat bislang keine triftigen Gründe vorgetragen, warum die Orientierung am Fachgruppendurchschnitt, etwa im Hinblick auf anzuerkennende Praxisbesonderheiten, ermessensfehlerhaft sein sollte bzw. warum das Gericht sich die Ausführungen der AG nicht zu eigen machen sollte. Die für die AG tragenden Gründe sind im Widerspruchsbescheid (Seite 8) aufgeführt. Sachliche Gründe für die erheblichen Überschreitungen des Landesdurchschnitts bei einer Vielzahl von Gebührenpositionen sind derzeit nicht erkennbar.
2. Gerade die ganz erhebliche Höhe der Rückforderung gebietet es im Sinne der Realisierbarkeit der Rückforderung vor einer Bestandskraft des angefochtenen Bescheides zu beginnen. Bei einer Aufrechnung der Rückforderung gegenüber aktuellen Honorarforderungen wären die in den Pfändungsfreigrenzen liegenden Beschränkungen zu beachten, die sich aus der Anwendung der §§ 394 S. 1 BGB, 850c ZPO ergeben (dazu: LSG Niedersachsen-Bremen v. 08.10.2009 – L 3 KA 60/09 B ER-, juris, ggfs. auch aus § 850f Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert wird auf 5.145,00 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 GKG). Das zu berücksichtigende Interesse des AS ist allein darauf gerichtet, zumindest für die Dauer des Hauptsacheverfahrens das rückgeforderte Honorar behalten zu dürfen. Das wirtschaftliche Interesse wird mithin durch den Zeitfaktor "Länge des Verfahrens" und durch das Zinsinteresse bestimmt (vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen v. 24.02.2016 – L 11 KA 58/15 B ER -, juris Rn. 84). Die Dauer des Hauptsacheverfahrens wird mit 2 Jahren angenommen und ein Zinssatz von 5 % zugrunde gelegt (5 % von 51.454,06 € x 2 = 5.145,41 €).
Rechtsmittelbelehrung
I.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das E. statthaft. Diese ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht C-Stadt, Wismarsche Straße 323 a , C-Stadt schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem E., E-Straße, E-Stadt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
II.
Gegen den Beschluss über die Höhe des Streitwertes kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Sozialgericht C-Stadt, Wismarsche Straße 323 a, C-Stadt Beschwerde eingelegt werden.
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von 6 Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Die Beschwerde ist nicht zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.