13.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194434
Landgericht Bonn: Urteil vom 22.12.2016 – 27 Qs 23/16
Eine Durchsuchung beim Insolvenzverwalter ist nur dann verhältnismäßig, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Beweismittel ohne Durchsuchung verloren gehen könnten und dadurch die Ermittlungen beeinträchtigt werden.
Der Insolvenzverwalter ist als unabhängige Rechtsperson verpflichtet, mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren. Etwas Anderes gilt allein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein besonderes Näheverhältnis zwischen ihm und dem Beschuldigten oder dessen Umfeld besteht, das besorgen lässt, dass eine Anfrage bei dem Insolvenzverwalter dem Beschuldigten zur Kenntnis gelangt und dort oder bei einem Dritten zu einem Beweismittelverlust führen wird oder wenn bereits vor Beantragung und Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses deutlich wird, dass der Insolvenzverwalter zur Herausgabe nicht bereit ist.
Aus § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO lässt sich ein allgemeines Durchsuchungs- oder Beschlagnahmeverbot in Bezug auf den Insolvenzverwalter nicht herleiten.
27 Qs 23/16
Tenor:
Auf die Beschwerde wird festgestellt, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 12.10.2016 – Az: 51 Gs 2059/16 – rechtswidrig war.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt, die auch die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt.
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G r ü n d e :
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I.
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Dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegt eine detaillierte anonyme Anzeige gegen den Beschuldigten, wonach dieser seit vielen Jahren mit verschiedenen Firmen als faktischer Geschäftsherr, unter Inanspruchnahme von so genannten Strohgesellschaftern und –geschäftsführern Paddel- und Outdoor-Touren sowie unterschiedliche Actionevents anbiete, gleichwohl ihm die selbständige Gewerbeausübung im Anschluss an eine Steuerprüfung untersagt worden sei. Ein Wohnsitz in Österreich sei nur zum Schein genommen worden, tatsächlich habe der Beschuldigte von seinem Wohn- und Geschäftssitz in B (und Umgebung) die Unternehmungen betrieben. Vor dem Hintergrund des so gestalteten Geschäftsbetriebs soll der Beschuldigte durch Nichtabgabe von Einkommen- und Gewerbesteuerklärungen in den Jahren 2011 bis 2016 und durch Nichtabgabe von Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2015 die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen pflichtwidrig in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern in noch nicht feststellbarer Höhe hinterzogen haben. Die Nichtabgabe von Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 2014 und 2015 in 2015 und 2016 begründe zudem den Verdacht der versuchten Steuerhinterziehung.
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Eine der vorbenannten Firmen, mit welcher der Beschuldigte seine Dienstleistungen jedenfalls in den Jahren 2010 bis 2013 angeboten haben soll, ist die B2 UG, die formal durch die Tochter des Beschuldigten, Frau T, als alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin betrieben wurde. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 14.10.2013 (## IN ##/##) wurde über das Vermögen dieser Gesellschaft das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet. Mit gleichem Beschluss wurde der Beschwerdeführer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht in der Kanzlei L2 & G in B, zum Insolvenzverwalter ernannt. Dieser war bereits mit Beschluss des Amtsgerichts vom 31.05.2013 mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens zur Aufklärung des Sachverhalts beauftragt worden. Ausweislich des daraufhin am 08.10.2013 durch den Beschwerdeführer erstellten Gutachtens verfügt die Gesellschaft über keine Buchhaltung. Ein mit der Buchführung ursprünglich beauftragter Steuerberater hatte seine Arbeit zu keiner Zeit aufgenommen. Im Ergebnis gelangt der Beschwerdeführer in seinem Gutachten zu der Beurteilung, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig und überschuldet, eine Kostendeckung für das Insolvenzverfahren jedoch gewährleistet sei, weshalb die Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeregt wird.
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Das Insolvenzverfahren ist noch anhängig. Zuletzt wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 15.08.2016 die Prüfung nachträglich angemeldeter und bislang ungeprüfter Forderungen im schriftlichen Verfahren angeordnet.
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Mit Verfügung vom 30.09.2016 hat das verfahrensführende Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C2 (Steuerfahndungsstelle) den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses betreffend die Wohnräume und Nebengelasse pp. des Beschuldigten bei dem zuständigen Amtsgericht beantragt. Mit weiterer Verfügung vom selben Tage hat es zudem den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen betreffend eine Mehrzahl von Dritten im Sinne des § 103 StPO beantragt, hierunter auch gegen den Beschwerdeführer hinsichtlich dessen Geschäftsräume und Nebengelasse pp. an der L-Straße in ##### B. Hierbei wurde gebeten, von der Anhörung der Beteiligten abzusehen, weil sie den Zweck der Durchsuchung gefährden würde. Zur Begründung in Bezug auf den Beschwerdeführer enthält die „Sammelverfügung“ folgende Ausführungen: „Durch die Tatsachen, dass Herr G als Insolvenzverwalter der B2 UG bestellt war, ist davon auszugehen, dass sich in den Geschäftsräumen von L2 & G (Rechtsanwälte und Streuerberater) beweiserhebliche Unterlagen insbesondere Buchführungsunterlagen, Kontoauszüge befinden, die Aufschluss über die tatsächlichen Einnahmen des Besch. geben können“. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit enthält der Antrag gesammelt für sämtliche, insgesamt neun betroffene Drittbeteiligte die Ausführung: „Die Maßnahme ist verhältnismäßig, denn sie ist zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich, wobei der mit ihr verbundene Grundrechtseingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des Tatverdachts steht“. Ausführungen zur spezifischen Stellung des Beschwerdeführers als gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter und Rechtsanwalt enthält der Antrag nicht.
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Eine vorherige Kontaktaufnahme des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C2 (Steuerfahndungsstelle) mit dem Beschwerdeführer mit dem Ziel der Erlangung der gewünschten Unterlagen auf konsensualem Wege oder durch ein Herausgabeverlangen ist nicht erfolgt, jedenfalls ist ein solcher Versuch nicht in der Akte dokumentiert und wird auch im Folgenden weder durch den Beschwerdeführer selbst noch durch das Finanzamt erwähnt. Eine besondere Nähebeziehung des Beschwerdeführers zu dem Beschuldigten und / oder seinem Umfeld ist weder ausdrücklich niedergelegt, noch ist eine solche der Akte im Übrigen zu entnehmen.
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Mit hier angegriffenem Beschluss vom 12.10.2016 hat das Amtsgericht Bonn antragsgemäß die Durchsuchung der Geschäftsräume und Nebengelasse pp. des Beschwerdeführers als Drittbetroffenen wegen des Verdachts der Einkommens- und Gewerbesteuerverkürzung pp. gegen den Beschuldigten angeordnet, wobei zur Beschlussfassung offensichtlich ein vorformuliertes, mit dem Antrag im Wesentlichen wortgleiches Vorstück des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C2 (Steuerfahndungsstelle) verwandt wurde. Dementsprechend enthält der Beschluss zur Begründung einer Durchsuchung gerade bei dem Beschwerdeführer folgende mit dem Antrag wortgleiche Ausführungen: „Durch die Tatsachen, dass Herr G als Insolvenzverwalter der B2 UG bestellt war, ist davon auszugehen, dass sich in den Geschäftsräumen von L2 & G (Rechtsanwälte und Streuerberater) beweiserhebliche Unterlagen insbesondere Buchführungsunterlagen, Kontoauszüge befinden, die Aufschluss über die tatsächlichen Einnahmen des Besch. geben können“. Weitergehende Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme enthält der Beschluss ebenso wenig wie Erwägungen zur Rolle des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt und gerichtlich bestelltem Insolvenzverwalter. Wegen des weiteren Inhalts des Durchsuchungsbeschluss im Einzelnen wird auf diesen selbst bei der Akte verwiesen.
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Am 10.11.2016 erfolgte sodann die Vollstreckung sämtlicher wie beantragt erlassener Durchsuchungsbeschlüsse u.a. betreffend den Beschuldigten persönlich sowie diverse Drittbetroffene, hierunter den Beschwerdeführer, wobei zeitlich vorangehend zunächst bei dem Beschuldigten sowie dessen Tochter durchsucht wurde, die wiederum im Rahmen der bei ihr durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme angegeben hatte, dass sich die meisten der Geschäftsunterlagen der B2 UG bei dem Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter befinden, übergeben aus Anlass des über das Vermögen der Gesellschaft anhängigen Insolvenzverfahrens. Bei der daraufhin am Geschäftssitz der L2 & G (Rechtsanwälte und Steuerberater) eingeleiteten Durchsuchungsmaßnahme war der Beschwerdeführer selbst nicht anwesend. Im Rahmen eines mit ihm durch die vor Ort anwesenden Ermittlungsbeamten geführten Telefonats zeigte sich der Beschwerdeführer ausweislich eines hierzu gefertigten Vermerks wenig kooperationsbereit, erklärte sein Unverständnis über die Maßnahme, beurteilte den Durchsuchungsbeschluss als rechtswidrig und wies das Begehren der Beamten auf Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen bzw. die das Insolvenzverfahren der B2 UG betreffende Handakte zunächst zurück. Diese sei „beschlagnahmefrei“. Im weiteren Verlauf übergab die vor Ort anwesende Rechtsanwältin C – nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer – den Beamten jedoch zwei Aktenstücke, entsprechend der Handakte des Insolvenzverfahrens, nachdem ihr gegenüber in Aussicht gestellt worden war, man werde diese versiegelt dem Ermittlungsrichter vorlegen. Eine Einsichtnahme vor Ort wurde weiter verweigert. Die übergebenen Aktenstücke wurden durch die Ermittler beschlagnahmt, unmittelbar versiegelt und die Maßnahme daraufhin beendet.
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Mit Schriftsatz vom 14.11.2016 hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den ihn betreffenden Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 12.10.2016 eingelegt und zugleich die Herausgabe der sichergestellten Akte begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass bereits der Tenor des Beschlusses sprachlich und sachlich unklar sei, indem auf Geschäftsräume des Insolvenzverwalters an der Lstr. abgestellt werde, dieser dort jedoch über keine Räume in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter verfüge. Es handele sich allein um Geschäftsräume der Kanzlei L2 & G. Überdies seien die aufzufinden erhofften Beweismittel nicht hinreichend konkret bezeichnet bzw. die Erwartung, warum gerade solche bei dem Beschwerdeführer vorhanden seien, nicht hinreichend begründet. Jedenfalls aber erweise sich der Beschluss als ihm gegenüber unverhältnismäßig, wobei namentlich seiner besonderen Rolle als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter nicht hinreichend Rechnung getragen worden sei. Wegen der weiteren Begründung der Beschwerde wird auf den diesbezüglichen Schriftsatz vom 14.11.2016 verwiesen.
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Mit Beschluss vom 16.11.2016 hat das Amtsgericht auf entsprechenden Antrag des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C2 (Steuerfahndungsstelle) die Beschlagnahme bestätigt.
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Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schriftsatz vom 28.11.2016 den Antrag der Beschwerde vom 14.11.2016 nach Erledigung der Durchsuchungsmaßnahme umgestellt auf die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschlusses.
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Unter dem 29.11.2016 hat das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C2 (Steuerfahndungsstelle) zur Beschwerde Stellung genommen und ausgeführt, dass der Tenor eine hinreichende Bestimmtheit aufweise und lediglich die bekannte Adresse enthalte sowie zu der Frage, dass und warum die – im Ergebnis zutreffende – Erwartung bestanden habe, bei dem Beschwerdeführer beweisrelevante Unterlagen aufzufinden. Im Übrigen habe man sich zur tatsächlichen Durchführung der Durchsuchung bei dem Beschwerdeführer erst entschlossen, nachdem die Durchsuchungen an anderen Orten hinsichtlich der erhofften Unterlagen zur Geschäftstätigkeit und Geschäftsführung der B2 UG keine Ergebnisse hervorgebracht hätten. Bei einer schriftlichen Anforderung von Buchführungsunterlagen seien zudem keine Kenntnisse zur tatsächlichen Geschäftsführung zu erwarten gewesen. Im Übrigen wird auf die Stellungnahme als solche verwiesen.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Verfügung vom 30.11.2016 unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C2 (Steuerfahndungsstelle) nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt, wo sie am 02.12.2016 eingegangen ist.
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II.
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Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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1.
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Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte Beschwerde ist zulässig. Zwar ist die Durchsuchung als solche erledigt, so dass der Durchsuchungsbeschluss nicht mehr aufgehoben werden kann. Dennoch stehen die Erledigung der Durchsuchungsanordnung und der damit verbundene Grundrechtseingriff aus Art. 2, 13 GG durch Vollzug einer Überprüfung nicht wegen prozessualer Überholung entgegen. Vielmehr bedingt das Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass der Betroffene in diesen Fällen tiefgreifender Grundrechtsverletzungen die Rechtmäßigkeit eines Eingriffs auch nachträglich überprüfen lassen kann (vgl. BVerfG NJW 1997, 2163; NJW 1999, 273; Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl., Vor § 296 Rz. 18a m.w.N).
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Der Beschwerdeführer hat auch insoweit zulässig, wenn auch nicht erforderlich seinen Antrag bereits auf einen Feststellungsantrag umgestellt.
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2.
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Die Beschwerde ist begründet.
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Der Erlass des Durchsuchungsbeschlusses erweist sich gegenüber dem Beschwerdeführer als Drittbetroffenem nach § 103 StPO vor dem Hintergrund der Umstände seines Erlasses und angesichts seines konkreten Inhalts als jedenfalls unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.
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a)
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Insoweit bestehen indes – ungeachtet der Beantwortung ob und inwieweit hierdurch überhaupt die Rechtmäßigkeit des Beschlusses als solche entscheidungserheblich beeinträchtigt wäre – keine Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des Beschlusstenors unter Bezugnahme auf die Geschäftsräume pp. der Kanzlei L2 & G in Verbindung mit der Person des Beschwerdeführers als Insolvenzverwalter. Dem Beschwerdeführer ist allein zuzugeben, dass die Formulierung der diesbezüglichen Passage des Beschlusstenors sprachlich jedenfalls verbesserungswürdig sein dürfte, es kommt jedoch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass und welche dem Beschwerdeführer in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit zuzuordnenden Räume an welcher Anschrift durchsucht werden sollen, wobei es sich hierbei wiederum um die durchgehend durch den Beschwerdeführer selbst im Insolvenzverfahren verwandte Geschäftsanschrift handelt. Das Amtsgericht durfte auch davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer persönlich jedenfalls auch (neben der gleichfalls benannten Kanzlei als solcher) über das Hausrecht an dieser Anschrift verfügt, so dass dieser zutreffend als Drittbetroffener im Sinne des § 130 StPO benannt wurde.
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b)
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Es bestehen überdies keine Zweifel daran, dass die geschriebenen Voraussetzungen des § 103 StPO für eine Durchsuchung bei einem Dritten vorliegend gegeben waren.
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Gemäß § 103 Abs. 1 S. 1 StPO ist eine Durchsuchung bei anderen Personen – mithin Nicht-Beschuldigten - nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Voraussetzung ist zudem das Vorliegen eines auch für die Durchsuchung bei dem Beschuldigten nach Maßgabe des § 102 StPO erforderlichen einfachen Verdachts, der durch Tatsachen dahin konkretisiert sein muss, dass eine Straftat begangen worden ist und dass der Beschuldigte des Verfahrens als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (vgl. Karlsruher Kommentar-Bruns, StPO, 7. Aufl., § 102 Rn. m.w.N.). Das Gewicht des Eingriffs verlangt dabei Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus (vgl. BVerfG StV 2010, 665 m.w.N.).
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Prüfungsmaßstab ist hierbei auch im Beschwerdeverfahren die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses. Das Beschwerdegericht darf zur Begründung seiner Entscheidung daher keine Erkenntnisse heranziehen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren, etwa, weil sie erst durch die Durchsuchung gewonnen wurden (vgl. BVerfG NJW 2011, 291).
29
aa)
30
Der erforderliche Tatverdacht gegen den Beschuldigten lag jedenfalls zum Zeitpunkt der Anordnung des Durchsuchungsbeschlusses durch das Amtsgericht Bonn vor. Gegen den Beschuldigten M bestand angesichts der detaillierten anonymen Anzeige und der durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C2 (Steuerfahndungsstelle) daraufhin angestoßenen Ermittlungen, die bis zum Zeitpunkt der Beantragung der Durchsuchungsbeschlüsse allesamt die formalen Angaben in der Anzeige bestätigt haben, der erforderliche, als solcher für eine Durchsuchung auch beim Unverdächtigen jedoch auch ausreichende einfache Tatverdacht der Steuerhinterziehung in dem oben beschriebenen Umfang. Der Tatverdacht gegen den Beschuldigten wird auch durch den Beschwerdeführer nicht substantiiert in Abrede gestellt.
31
bb)
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Es lag auch eine ausreichende Verdachtslage dahingehend vor, dass sich Geschäftsunterlagen der B2 UG, aus denen sich möglicherweise Erkenntnisse in Bezug auf die beherrschende Stellung des Beschuldigten auch in diesem Unternehmen ergeben, in den Geschäftsräumlichkeiten des Beschwerdeführers befinden. Der Beschwerdeführer war und ist zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der B2 UG bestellt. In dieser Eigenschaft gehört es zu seinen vordersten Pflichten, sich – hier überdies bereits im Rahmen der Gutachtenerstattung vorab – einen Eindruck über die Vermögenslage und den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu verschaffen, typischerweise durch Einsichtnahme in die vorhandenen Geschäftsunterlagen und – soweit vorhanden – die Buchhaltung des Unternehmens. Hierzu werden derartige Unterlagen üblicherweise in die Kanzlei bzw. die Geschäftsräumlichkeiten des Insolvenzverwalters verbracht, so dass die Ermittlungsbehörden und auch das Amtsgericht vor dem Hintergrund kriminalistischer Erfahrung hier davon ausgehen durften, derartige, zum Beweis jedenfalls geeignete, einer Beschlagnahme unterliegender Gegenstände in den Räumen des Beschwerdeführers aufzufinden. Als unbeachtlich erweist es sich in diesem Zusammenhang, dass und inwieweit letztlich mit der übergebenen Handakte auch tatsächlich solche Unterlagen aufgefunden wurden, da es – wie ausgeführt – insoweit allein auf den Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses ankommt.
33
cc)
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Schließlich war die Durchsuchung – insoweit entgegen dem dokumentierten Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der begonnenen Durchsuchungsmaßnahme – auch nicht deshalb unzulässig, weil es sich bei den aufzufinden erhofften Unterlagen eines Insolvenzverwalters von vornherein notwendig um solche handelt, die einem Beschlagnahmeverbot unterfallen (vgl. LG Ulm NJW 2007, 2056; LG Potsdam ZInsO 2007, 1162; LG Saarbrücken ZInsO 2010, 431; LG Dresden NZI 2014, 236).
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Das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 2 StPO erstreckt sich gerade nicht auf den Insolvenzverwalter. Die Stellung des Insolvenzverwalters im Verhältnis zu der von ihm verwalteten insolventen Firma unterscheidet sich nämlich von der des Rechtsanwalts in Bezug auf seinen Mandanten (LG Potsdam, a.a.O.; LG Dresden, a.a.O.; LG Saarbrücken). Der Insolvenzverwalter ist nicht einseitig an bestimmte Personen gebunden wie zum Beispiel der Rechtsanwalt an seinen Mandanten. Er ist nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet wie ein Rechtsanwalt und Steuerberater und ein Vertrauensverhältnis zwischen ihm und den Verantwortlichen oder vormals Verantwortlichen der verwalteten Firma braucht nicht zu bestehen. Die Berufspflichten des Insolvenzverwalters und des Rechtsanwalts sind deshalb sorgfältig zu differenzieren, anders als letzterer hat der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Amtspflichten (vgl. § 261 Abs. 1 InsO) eine unabhängige Stellung inne (§ 56 Abs. 1 InsO).
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Auch aus § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO lässt sich ein allgemeines Durchsuchungs- oder Beschlagnahmeverbot nicht herleiten (LG Ulm, a.a.O). Nach dieser Vorschrift darf eine Auskunft, die der Schuldner auf Grund seiner Offenbarungspflicht nach der Insolvenzordnung dem Insolvenzverwalter erteilt hat, in einem Strafverfahren nicht zu seinen Lasten ohne seine Einwilligung verwertet werden. Die Vorschrift kann aber nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sämtliche vom Gemeinschuldner dem Insolvenzverwalter übergebenen Dokumente einem Verwertungsverbot im Strafverfahren unterliegen (LG Ulm, a.a.O.). Dies geht bereits aus dem Wortlaut der genannten Vorschrift hervor, der lediglich "Auskünfte" schützt, also Erklärungen, die erst die in § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO genannten Institutionen den Schuldner hervorzubringen veranlassten. Die Regelungen in § 97 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO wiederum wurden in Anlehnung an das früher in § 100 Konkursordnung kodifizierte Recht ausgestaltet. Hierzu hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 56, 37) ein strafprozessuales Verwertungsverbot entwickelt für diejenigen Angaben, die der Gemeinschuldner wegen des ihm gesetzlich auferlegten Zwangs zur Selbstbezichtigung zu offenbaren hatte. Die nunmehr in § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO aufgenommene Regelung lehnt sich explizit an der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der in ihr entwickelten Rechtsfortbildung an (vgl. BT-Drs. 12/2443 S. 142). In der genannten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht jedoch zwischen der rechtlich vorgeschriebene Auskunftspflicht im Kontext der verschiedenen gesetzlich geregelten Vorschriften zum Schutz gegen Selbstbezichtigung und hauptsächlich passiv ausgestalteten Duldungs- und Verhaltenspflichten unterschieden, deren Eingriffe weniger schwer wiegen. Ein umfangreiches Schweige- und Auskunftsverweigerungsrecht dem Gemeinschuldner im Insolvenzverfahren zuzubilligen, sah das Bundesverfassungsgericht aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht für geboten an. Damit der im Strafprozess verfassungsrechtlich bestehende Schutz vor erzwungener Selbstbelastung nicht unterlaufen werde, sei nur zu fordern, dass die Verwertung von im Insolvenzverfahren erzwungener Aussagen im Strafverfahren unzulässig ist. Ein generelles Verbotes für sonstige Beweismittel, die im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren erlangt oder erstellt worden seien, bestehe gerade nicht.
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c)
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Die Anordnung der Durchsuchung bei dem Beschwerdeführer mit dem hier angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts erweist sich jedoch als zur insoweit maßgeblichen Zeit der Beschlussfassung unverhältnismäßig.
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Bei der Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme beim Insolvenzverwalter ist äußerste Zurückhaltung geboten (LG Potsdam, a.a.O.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, in jedem Verfahrensstadium das jeweils schonendste Mittel anzuwenden. Eine Durchsuchung beim Insolvenzverwalter ist deshalb erst dann möglich, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Beweismittel ohne Durchsuchung verloren gehen könnten und dadurch die Ermittlungen beeinträchtigt werden (LG Potsdam, a.a.O.; LG Berlin ZInsO 2008, 865). Vorrangig vor der Durchsuchung sind vielfältige Möglichkeiten der alternativen Informationserlangung. Hierzu zählt zuvorderst die Beiziehung der Insolvenzakte. Darüber hinaus sind die Ermittlungsbehörden berechtigt und - angesichts des nicht unerheblichen Grundrechtseingriff, der mit einer Durchsuchung einhergeht – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch gehalten, vom Insolvenzverwalter Einblick in die Geschäftsunterlagen zu verlangen und entsprechende Kopien – ggf. nach Maßgabe eines Herausgabeverlangens im Sinne des § 95 StPO (vgl. LG Saarbrücke, a.a.O.) – anzufordern (LG Potsdam, a.a.O.). Der Insolvenzverwalter als unabhängige Rechtsperson, die Amtspflichten treffen, ist ohnehin verpflichtet, mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren. Hiervon kann ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein besonderes Näheverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Beschuldigten oder dessen Umfeld besteht, das besorgen lässt, dass eine Anfrage bei dem Insolvenzverwalter dem Beschuldigten zur Kenntnis gelangt und dort oder bei einem Dritten zu einem Beweismittelverlust führen wird (Verdunklungsgefahr) oder wenn bereits vor Beantragung und Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses deutlich wird, dass der Insolvenzverwalter zur Herausgabe nicht bereit ist. Jedenfalls aber sollte das Amtsgericht dem Insolvenzverwalter im Beschluss ausdrücklich die Möglichkeit eröffnen, die Durchsuchung durch die Herausgabe der Unterlagen abzuwenden (LG Ulm, a.a.O.).
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Die vorbenannten Umstände sind hier weder ersichtlich, noch waren sie zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses von den Ermittlungsbehörden vorgebracht.
41
Ein vorheriges Herausgabeverlangen bei dem Beschwerdeführer ist nicht erfolgt. Anhaltspunkte für eine besondere Nähebeziehung des Beschwerdeführers als unabhängigem, gerichtlich bestelltem Organ der Rechtspflege, zu dem Beschuldigten oder seinem Umfeld, die eine Verdunklung befürchten lassen würde, ist weder dargetan noch aus anderen Umständen ersichtlich gewesen. Auch hatte der Beschwerdeführer zur Zeit der Beantragung und des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusse seine mangelnde Kooperationsbereitschaft im Hinblick auf ein Herausgabeverlangen nicht kund getan. Dies war auch aus anderen Gründen nicht zu erwarten, zumal vor dem Hintergrund seiner gesetzlichen Pflicht zur Kooperation mit den Ermittlungsbehörden. Dass der Beschwerdeführer sodann ausweislich des hierzu gefertigten Vermerks im Rahmen der begonnen Durchsuchungsmaßnahme tatsächlich eine Mitarbeit dergestalt verweigert hat, dass er einer Einsicht in die Handakte vor Ort widersprochen hat, ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung, denn es kommt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses auf den Zeitpunkt seines Erlasses an. Im Übrigen dürfte diese Weigerung angesichts der Stellung des Beschwerdeführers zuvorderst als rechtlicher Hinweis zu verstehen gewesen sein. Die konkrete Gefahr der Verdunklung dürfte hiermit jedenfalls nicht einhergegangen sein. Zu jenem Zeitpunkt war ein solches Verhalten – ungeachtet ob berechtigt oder unberechtigt und welche Konsequenz man hieraus zieht – nicht zu erwarten. Schließlich enthält der Durchsuchungsbeschluss auch keinerlei einschränkenden Hinweis auf die Möglichkeit einer Herausgabe zur Abwendung der Maßnahme. Der offensichtlich vorformulierten und formelhaften Beschlussfassung sind mehr noch keinerlei Ausführungen zur besonderen Stellung des Insolvenzverwalters als unabhängiger Rechtsperson sowie zur Verhältnismäßigkeit im Allgemeinen zu entnehmen, was für sich genommen bereits geeignet ist, Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses bzw. der Beschlussfassung zu wecken. Es ist nämlich nicht erkennbar, ob und inwieweit das Amtsgericht die hier besonders bedeutsame Frage der Verhältnismäßigkeit überhaupt erwogen hat.
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3.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 472 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 StPO i.V.m. § 467 StPO in entsprechender Anwendung.