02.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194279
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 12.12.2016 – 20 U 168/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe
2Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder ein sonstiger Grund eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.
3I.
4Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
51.
6Die Klägerin kann die Beklagte nicht mit Erfolg auf Zahlung in Anspruch nehmen, weil der vom Insolvenzverwalter abgetretene Versicherungsanspruch verjährt ist.
7Der Versicherungsanspruch verjährt gem. Ziffer 30.1 der dem Vertrag zugrunde liegenden AHB in drei Jahren. Die Fristberechnung richtet sich nach den Vorschriften des BGB.
8Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
9Der abgetretene Versicherungsanspruch ist bereits im Jahr 2010 entstanden.
10Maßgeblich ist nicht die Fälligkeit der gegen die Insolvenzschuldnerin geltend gemachten (Nachbesserungs- und/oder Schadenersatz-)Ansprüche, sondern der Zeitpunkt, zu dem der an die Klägerin abgetretene Anspruch auf Versicherungsschutz aus der Haftpflichtversicherung entstanden ist. Auf die Frage der Abnahme des Werks der Insolvenzschuldnerin kommt es damit nicht an.
11Abgetreten wurden der Klägerin mit der Abtretungsvereinbarung vom 19./27.11.2015 „sämtliche“ Ansprüche der Insolvenzschuldnerin aus der Betriebshaftpflichtversicherung. Nach der in Ziffer 4 Satz 1 der Abtretungsvereinbarung zum Ausdruck gebrachten Interessenlage der Parteien erfasst die Abtretung indes nicht den Abwehranspruch aus Ziffer 5.1 Abs. 1 2. Fall AHB, sondern bezieht sich auf einen möglichen Freistellungsanspruch der Insolvenzschuldnerin.
12Auch wenn dieser Freistellungsanspruch gem. Ziffer 5.1 Abs. 3 AHB, § 106 VVG erst zwei Wochen nach bindender Feststellung des Haftpflichtanspruchs fällig wird, beginnt die Verjährung bereits mit dem Entstehen des Rechtsschutzanspruchs, weil dieser mit dem Prüfungs- und Freistellungsanspruch einen einheitlichen Deckungsanspruch darstellt (Prölss/Martin/Lücke, VVG 29. Aufl. 2015, § 100, Rn. 12; mit Verweis u. a. auf BGH, Urteil vom 21. Mai 2003 – IV ZR 209/02 –, BGHZ 155, 69-75, Rn. 8). Denn der Versicherer schuldet im Versicherungsfall gem. Ziffer 5.1 Abs. 1 AHB die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadenersatzansprüche sowie die Freistellung des Versicherungsnehmers von berechtigten Schadenersatzverpflichtungen, ohne dass ihm dabei ein Wahlrecht zustünde. Der Versicherer hat vielmehr im Versicherungsfall je nach Sachlage zu prüfen, abzuwehren oder freizustellen (Prölss/Martin/Lücke, VVG 29. Aufl. 2015, § 100, Rn. 2).
13Der Deckungsanspruch aus der Haftpflichtversicherung entsteht gem. Ziffer 1.1 AHB in dem Zeitpunkt, in dem bedingungsgemäß Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer erhoben werden (Prölss/Martin/Lücke, VVG 29. Aufl. 2015, § 100, Rn. 14 m. w. N.).
14Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass sie die Insolvenzschuldnerin bereits im Jahr 2010 wegen der nach Installation der Photovoltaikanlage aufgetretenen Dachundichtigkeiten in Anspruch genommen hat, wie es sich aus dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt.
15Mit dieser Anspruchserhebung ist der abgetretene Versicherungsanspruch i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden.
16Die Insolvenzschuldnerin hat auch bereits im Jahr 2010 von den den Anspruch begründenden Umständen sowie von der Person ihres Schuldners Kenntnis gehabt. Schließlich hat sie auf die Anspruchserhebung der Klägerin mit diversen Reparaturversuchen reagiert und wusste auch vom Bestehen ihrer Betriebshaftpflichtversicherung bei der Beklagten.
17Zu Unrecht meint die Berufung, es komme allein auf die Kenntnis des Insolvenzverwalters an, der erst mit Beschluss vom 11.04.2012 bestellt worden ist. Im Falle des Gläubigerwechsels durch Abtretung (§ 398 BGB), Legalzession (§ 412 BGB) oder Gesamtrechtsnachfolge muss sich der neue Gläubiger - entsprechend § 404 BGB - die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des alten Gläubigers zurechnen lassen (BGH, Versäumnisurteil vom 30. April 2015 – IX ZR 1/13 –, Rn. 12, juris). Nichts anderes gilt im Falle der Bestellung eines Insolvenzverwalters und dem damit gem. § 80 Abs. 1 InsO einhergehenden Übergang der Verfügungsbefugnis über die zur Insolvenzmasse gehörende Versicherungsforderung auf ihn, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ansonsten zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Unterbrechung der Verjährung führen würde. Der Insolvenzverwalter hat sich deshalb die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangte Kenntnis der Insolvenzschuldnerin anrechnen zu lassen.
18Die dreijährige Verjährungsfrist für den Deckungsanspruch begann damit am 01.01.2011 und war sowohl bei Schadensmeldung als auch zu dem Zeitpunkt, zu dem die Berufung eine Hemmung durch das Beweissicherungsverfahren geltend macht, längst abgelaufen.
192.
20Die Erhebung der Verjährungseinrede ist auch nach Zusage der Beklagten, die Ergebnisse des Beweissicherungsverfahrens der Regulierung zugrunde zu legen, nicht treuwidrig.
21Ein widersprüchliches Verhalten ist nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 242, Rn. 55).
22Aus der Zusage der Beklagten konnte die Klägerin indes nicht entnehmen, dass die Beklagte ihre Deckungspflicht bejahen werde. Die Beklagte hat mit der besagten Email weder ihre Leistungspflicht anerkannt und eine Regulierung zugesagt noch auf die Einrede der Verjährung verzichtet.
23Mit der Zusage, das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens als Grundlage für die Regulierung ansehen zu wollen hat die Beklagte sich ersichtlich nur auf die tatsächlichen Feststellungen bezogen, die der Sachverständige zu treffen hatte, weil das Beweissicherungsverfahren weitere Ergebnisse nicht erbringen konnte.
24Es stand zum Zeitpunkt der Zusage weder fest, ob die sachverständigen Feststellungen einen Haftpflichtanspruch überhaupt rechtfertigen würden, noch, inwieweit die Beklagte dafür deckungspflichtig sein könnte. Die Frage der Deckungspflicht war nicht Gegenstand der Email. Die Beklagte hatte die Klägerin mangels Direktanspruchs gegen sie ausdrücklich darauf verwiesen, die tatsächlichen Grundlagen des Haftpflichtanspruchs zunächst allein im Verhältnis zur Insolvenzschuldnerin klären zu lassen. Vor diesem Hintergrund ließ sich vom Standpunkt der Klägerin aus der Email der Beklagten keine Aussage darüber ablesen, inwieweit die Beklagte sich für deckungspflichtig hielt. Dass sie die Ergebnisse der Beweissicherung gegen sich gelten lassen wollte und insofern von „unserer Regulierung“ sprach, war so allenfalls dahin zu verstehen, dass die Beklagte eine mögliche Regulierung auf Basis der tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen vornehmen würde.
25Nach alledem ist die Beklagte gem. § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Versicherungsleistung zu verweigern.
263.
27Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, inwieweit die gegen die Insolvenzschuldnerin erhobenen Ansprüche vom Versicherungsschutz umfasst sind.
28Die Berufung ist unbegründet.
29II.
30Auf die Gebührenreduktion im Falle der Berufungsrücknahme wird hingewiesen (KV-Nr. 1222).