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01.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194243

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 23.11.2016 – 11 Sa 983/15

Zur Auslegung des Begriffs Pensionierung in einer betrieblichen Versorgungsordnung


Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.08.2015 - 11 Ca 6353/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle. Der Forderung liegt ein vom Kläger geltend gemachter Anspruch auf betriebliche Zusatzrente in Höhe von monatlich 867,11 € für den Zeitraum zwischen Vollendung des 60. Lebensjahres bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres (01.05.2010 bis zum 30.04.2013) zugrunde.



Der am 1950 geborene Kläger war seit dem Juli 1980 bei der A -G A beschäftigt, zuletzt in der Funktion als Projektleiter Logistik-Organisation. Die Ziffer 10. des Anstellungsvertrages vom 05.12.1990 (Bl. 13 ff. d.A.) regelt Folgendes:

"10. Herr R hat Anspruch auf Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe der Altersversorgung von A . Mit Ablauf des Monats, in dem Herr R das 65. Lebensjahr vollendet, tritt er in den Ruhestand, ohne dass es einer besonderen Kündigung bedarf. Herr R kann jedoch bereits nach Vollendung des 60. Lebensjahres unter Inanspruchnahme der A -Altersversorgung in den Ruhestand treten. A hat von diesem Zeitpunkt ebenfalls das Recht, Herrn R in den Ruhestand zu versetzen. Herr R ist Mitglied der Pensionskasse der Mitarbeiter der B A nach Maßgabe der Satzung."



Aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung der A -G A vom 06.12.1983 galt ab dem 01.01.1984 die Gesamtbetriebsvereinbarung der B A zur betrieblichen Altersversorgung auch für die Mitarbeiter der A -G A . Nach der Gesamtbetriebsvereinbarung der B A besteht die Versorgung aus einer Grundrente, welche über die Pensionskasse der B A (P B ) abgedeckt wird, und einer betrieblichen Zusatzrente, die vom Arbeitgeber gezahlt wird.



Die Grundrente der B P kann nach § 6 Ziffer 3. der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Bayer PK (Bl. 25 ff. d.A.) vorgezogen mit Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werden. Sie wird hiernach auch im Falle der Weiterbeschäftigung gezahlt, wenn und solange die Altersrente als Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch genommen wird.



Die betriebliche Zusatzrente richtete sich zuletzt nach Maßgabe der zum 01.01.2003 in Kraft getretenen Ordnung der betrieblichen Zusatzrente (ObZ, Bl. 17 ff. d.A.). Die betriebliche Zusatzrente bemisst sich nach dem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Versorgungsaufwand und beträgt 11,25 % des beitragsfähigen Einkommens oberhalb der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellte. Die Rentenleistung beträgt nach § 7 ObZ jährlich 20 % des bis zum Eintritt des Versorgungsfalles vom Unternehmen insgesamt zur Verfügung gestellten Versorgungsaufwandes. Der Anspruch auf Rentenleistungen entsteht gemäß § 4 ObZ, wenn zwischen dem Beginn des zur Versorgung berechtigenden Arbeitsverhältnisses und dem Eintritt des Versorgungsfalles mindestens zehn Jahre liegen (Wartezeit).



Die ObZ lautet weiterhin auszugsweise wie folgt:

"(...) § 8 Altersrenten Altersrenten werden gewährt, wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter wegen Pensionierung 1. nach Vollendung des 65. Lebensjahres (Altersrenten), 2. nach Vollendung des 60. Lebensjahres (vorgezogene Altersrenten) aus den Diensten der Firma ausscheidet. Die vorgezogene Altersrente erhält auf Antrag auch eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter im Fall der Weiterbeschäftigung, wenn und solange die Altersrente als Vollrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch genommen wird." (...) § 18 Beginn, Fälligkeit, Anpassung und Ende der Rentenzahlungen (...) 2. Die Rentenleistungen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beginnen nach Eintritt des Versorgungsfalles mit dem Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. mit dem Beginn der vorübergehenden Pensionierung. (...)"



In einer konzernweit von Arbeitgeberseite herausgegebenen Informationsbroschüre mit dem Titel "Was sie über ihre Altersversorgung bei B wissen sollten" (Bl. 70 ff., 97 dA.) heißt es u.a.:

"(....) Die B -Altersversorgung - eine wichtige Säule für Ihre Sicherheit Neben der Rente, die die gesetzliche Rentenversicherung an Sie auszahlen wird, erhalten Sie zusätzlich eine Betriebsrente. Sie ist, wie Sie an den Beispielsrechnungen sehen werden, unabhängig von der gesetzlichen Rente und Ihrer Eigenvorsorge (...) eine der tragenden Säulen für Ihre finanzielle Absicherung. (...) Ihre Altersrente Eine betriebliche Altersrente erhalten Sie nach Vollendung ihres 65. Lebensjahres. Sie ergibt sich aus den Beiträgen, die Sie in die Pensionskasse eingezahlt haben, und dem von der Firma für Sie berücksichtigten Versorgungsaufwand. Sie wird nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt, unabhängig davon, ob eine gesetzliche Altersrente gezahlt wird. Ihre Betriebsrente setzt sich aus der Grundrente und für Einkommensteile oberhalb der BBG aus der Zusatzrente zusammen. (...) Ihre vorgezogene Altersrente Sie können Ihre Betriebsrente bereits ab dem vollendeten 60. Lebensjahr beziehen. Dies setzt voraus, dass Sie aus dem Unternehmen ausscheiden. Die Betriebsrente berechnet sich wie die Altersrente aus den von Ihnen eingezahlten Beiträgen bzw. dem vom Unternehmen für Sie zur Verfügung gestellten Versorgungsaufwand. Anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung wird Ihre Betriebsrente wegen des vorgezogenen Abrufs nicht durch Abschläge gekürzt. Sie erhalten die Betriebsrente ungekürzt. (...)"



Ausweislich einer Präsentation "Frühruhestand" des Personalwesens/ Abteilungsversammlung Patronenfertigung vom 04.0.02.2002 (Bl. 209 d.A.) ist der "Altersrentenbeginn i.d.R. mit vollendetem 60. Lebensjahr".



Mit Schreiben vom 25.06.2004 (Bl. 30 d.A.) teilte die Arbeitgeberin dem Kläger den Stand seiner Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen zum 31.12.2003 mit, verbunden mit dem Hinweis, dass sich Bestand und Höhe der Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen nach den Bestimmungen des BetrAVG richtet.



Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging im November 2004 im Zuge eines Betriebsübergangs auf die A G über, die das Arbeitsverhältnis am 25.05.2005 zum 31.12.2005 kündigte. Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterfiel dem Geltungsbereich des Interessenausgleichs vom 14.10.2004.



Mit Schreiben vom 20.06.2005 teilte die Insolvenzschuldnerin dem Kläger u.a. mit, dass sie für einen Zeitraum von 52 Monaten einen Ausgleichsbetrag für entgangene betriebliche Versorgungszuwächse leiste. Der Ausgleichsbetrag werde als Firmenrente bei Eintritt des Versorgungsfalles mit den übrigen betrieblichen Versorgungsbezügen gewährt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 20.06.2005 wird auf Bl. 210 ff. d.A. verwiesen.



Am 01.08.2005 wurde über das Vermögen der A G das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.



Unter dem 04.08.2005 schlossen der Kläger, die Insolvenzschuldnerin sowie die Firma C C G einen dreiseitigen Aufhebungs- und Anstellungsvertrag. Hiernach wurde das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin zum 01.08.2005 beendet und ein für die Zeit vom 01.08.2005 bis zum 31.03.2006 befristetes Arbeitsverhältnis mit der Firma C C G zum Zwecke der Beschäftigung, Qualifizierung und beruflichen Neuorientierung begründet. Die Behandlung von betrieblichen Altersversorgungsansprüchen sollte sich nach II. 5. der Vereinbarung nach den gesetzlichen Vorschriften richten. Wegen der Einzelheiten des dreiseitigen Aufhebungs- und Anstellungsvertrag vom 04.08.2005 wird auf Bl. 237 ff. d.A. verwiesen.



Der Kläger meldete unter dem 10.10.2005 entgangene Rentenansprüche "bei Firmenrente ab Alter 65 statt 60" mit einem Insolvenzschaden von 46.587,-- € zur Insolvenztabelle an. Wegen der weiteren Einzelheiten der Anmeldung zur Insolvenztabelle wird auf Bl. 28 f. d.A. Bezug genommen. Der Beklagte hat die Forderung im Prüftermin vom 10.11.2006 bestritten.



Ab dem April 2006 hat der Kläger Arbeitslosengeld bezogen. Er bezieht nach Vollendung des 60. Lebensjahres seit dem 01.05.2010 eine ungekürzte Mitgliedsrente der B P . Seit dem 01.05.2013 tritt der P -S -V a (P ) für die Leistungen auf betriebliche Zusatzrente aus der ObZ in ungekürzter Höhe ein. Wegen der Einzelheiten wird auf den Anwartschaftsausweis vom 22.09.2010 sowie den Leistungsbescheid vom 15.07.2013 verwiesen (Bl. 217 f. d.A.).



Der Kläger hat zunächst erfolglos den P auf Zahlung der betrieblichen Zusatzrente ab dem Mai 2010 in Anspruch genommen. Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 06.06.2013 - 13 Sa 675/12 - (Bl. 6 ff. d.A.) u.a. ausgeführt, bei den Zusatzleistungen ab dem 60. Lebensjahr handele es sich nicht um insolvenzgeschützte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, vielmehr sei die insolvente Arbeitgeberin verpflichtet, die geltend gemachte Zusatzrente ab dem 60. Lebensjahr zu gewähren. Nunmehr nimmt er den Beklagten auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle des Verfahrens über das Vermögen der A G - AG Köln 71 IN 285/05, Forderung Rang 0 unter der laufenden Nr. 8267 in Höhe von 25.214,61 € in Anspruch.



Das Arbeitsgericht hat den Beklagten antragsgemäß mit Urteil vom 13.08.2015 (Bl. 141 ff. d.A.) verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Tatbestandsmerkmal der Pensionierung lediglich den Zweck verfolge, Doppelzahlungen aus Einkommen und Altersrente des Arbeitgebers zu verhindern. Eine ratierliche Kürzung des Anspruchs scheitere daran, dass es sich bei den Leistungen nicht um betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 2 BetrAVG, sondern um Übergangszahlungen handele. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.



Gegen das ihm am 14.09.2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 09.10.2015 Berufung eingelegt und diese am 16.11.2015 begründet.



Der Beklagte rügt, dass das Arbeitsgericht verkannt habe, dass nach dem Wortlaut des § 8 ObZ die Pensionierung als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug der betrieblichen Zusatzrente normiert sei. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals Pensionierung im Sinne der Vermeidung von Doppelzahlungen sei nicht erforderlich, da nach § 18 ObZ die Zahlungen erst nach Eintritt des Versorgungsfalls und Beendigung des Arbeitsverhältnisses geleistet würden. Der Kläger sei auch nicht nach Vollendung des 60. Lebensjahres ausgeschieden. Jedenfalls sei die betriebliche Zusatzrente gemäß § 2 BetrAVG zu quotieren.



Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.08.2015, Az: 11 Ca 6353/14, zugestellt am 14.09.2015, abzuändern und die Klage abzuweisen.



Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Der Kläger führt aus, nach dem konzernspezifischen Sprachgebrauch setze die Zahlung der Zusatzrente aufgrund Pensionierung nicht den Bezug der gesetzlichen Rente voraus. Die Zusatzrente könne nicht isoliert betrachtet werden, sondern sei Bestandteil eines einheitlichen Versorgungssystems. Es bestehe ein Gleichlauf zwischen der PK-Rente und der betrieblichen Zusatzrente. Aus diesem Grunde diene das Tatbestandsmerkmal der Pensionierung nur dazu, Doppelzahlungen zu vermeiden. Der Bezug der Zusatzrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres sei Bestandteil der standardisierten Frühruhestandspraxis der Insolvenzschuldnerin. Die Vollendung des 60. Lebensjahres abdecken sollen. Für die Versorgung des Klägers sei - anders als für Eintritte ab dem Jahre 2005 - ein Bezug der Zusatzrente ab einem Alter von 60 Jahren ohne Abzüge nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich wie auch dem Schaubild der B -Altersversorgung vor dem Konzern-Sprecherausschuss aus dem November 2006 zu entnehmen sei (Bl. 222 d.A.). Dies habe auch dem Verständnis der Personalleitung der Insolvenzschuldnerin entsprochen. Die Regelung des § 8 ObZ sei so zu verstehen, dass lediglich das Erfüllen der Wartezeit des § 4 ObZ, das Ausscheiden aus der Firma und die Vollendung des 60. Lebensjahres Leistungsvoraussetzung sei.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 16.11.2015, 11.12.2015, 23.05.2016, 30.06.2016 und 09.11.2016, die Sitzungsniederschriften vom 20.04.2016 und 23.11.2016 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.



II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Gründen, denen sich die Berufungskammer anschließt und auf die Bezug genommen wird, den Beklagten verurteilt, die angemeldete Forderung des Klägers zur Insolvenztabelle der Insolvenzschuldnerin - Amtsgericht Köln 71 IN 285/05 - Forderung Rang 0 unter der laufenden Nr. 8267 in Höhe von 25.214,61 € festzustellen. Die Ausführungen des Beklagten in der Berufungsinstanz rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.



Der Kläger ist im Sinne des § 8 Nr. 2 ObZ aus den Diensten der Insolvenzschuldnerin ausgeschieden und hat daher einen Anspruch auf vorgezogene Altersrente, ohne dass die betriebliche Zusatzrente der Quotierung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG unterliegt.



1. Der Kläger ist wegen Pensionierung aus den Diensten der Versorgungsschuldnerin ausgeschieden.



a) Der Begriff der Pensionierung ist nicht eindeutig und bedarf der Auslegung. Er lässt sich zum einen so verstehen, dass er das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben meint. Zum anderen kommt - abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch - in Betracht, ihn in Verknüpfung mit dem Tatbestandsmerkmal der Vollendung des 60. Lebensjahres so zu verstehen, dass der mit Vollendung des 60. Lebensjahres entstandene Pensionsanspruch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Zahlungspflichten auslöst, es sich also um einen Ruhenstatbestand zur Vermeidung von Doppelzahlungen handelt. In diesem Fall ist der Bezug einer gesetzlichen Altersrente nicht erforderlich, um das Tatbestandsmerkmal der Pensionierung zu erfüllen (vgl. u.a.: BAG, Urt. v. 17.04.2012 - 3 AZR 380/10 -; BAG, Urt. v. 17.09.2008 - 3 AZR 865/06 - jew. m.w.N.).



b) Die Auslegung der ObZ als Bestandteil der Gesamtbetriebsvereinbarung der A G A vom 06.12.1983 erfolgt nach den für Betriebsvereinbarungen geltenden Regeln.



aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG, Urt. v. 05.05.2015 - 1 AZR 435/13 - m.w.N.). Dabei kann auch die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung berücksichtigt werden (BAG, Beschl. v. 18.11.2014 - 1 ABR 18/13 - m.w.N.). Das Versorgungsziel ist keine vorgegebene Größe, sondern ergibt sich erst durch Auslegung, bei der Wortlaut und Systematik im Vordergrund stehen (BAG, Urt. v. 08.12.2015 - 3 AZR 433/14 - m.w.N.).



bb) Im Rahmen der Auslegung kann auf das typische Begriffsverständnis der Beteiligten des betrieblichen Versorgungssystems zurückgegriffen werden, das zugleich Grundlage für die praktische Handhabung der Versorgungsordnung ist. Dieses erhellt sich durch Berücksichtigung der Erläuterungen der Arbeitgeberin zur Altersversorgung bei Hiernach kann die Altersrente bereits vorgezogen ab dem 60. Lebensjahr bezogen werden, wobei als einzige Voraussetzung in der Informationsbroschüre genannt wird, dass der Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausscheidet. Der Umstand, dass sich aus den detaillierten Erläuterungen mit Berechnungsbeispielen nicht andeutungsweise entnehmen lässt, dass die vorgezogene Altersrente auch den Bezug gesetzlicher Rentenleistungen voraussetzt, lässt darauf schließen, dass ausschließlich die Vollendung eines bestimmten Lebensalters sowie das Ausscheiden aus dem Unternehmen die Zahlungspflicht auslöst, der Begriff der Pensionierung mithin im Sinne der Vermeidung von Doppelzahlungen gemeint ist. Wäre die Zahlung der vorgezogenen Altersrente von Leistungen der Rentenversicherung abhängig, hätte es nahe gelegen, dies auch zum Ausdruck zu bringen, wie dies in § 8 Satz 2 ObZ für den Fall der Weiterbeschäftigung ausdrücklich normiert wurde. Die vorgezogene Altersrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres entspricht bis zum Bezug der gesetzlichen Altersrente einer Art Überbrückungsleistung. Aufgrund des Ausscheidens entsteht durch Wegfall der Aktivbezüge ein besonderer Versorgungsbedarf, der durch die Rentenzahlungen aufgefangen wird. Der Lebensstandard des Versorgungsberechtigten wird für den Überbrückungszeitraum gesichert. Die vorgezogenen Leistungen bieten auch einen Anreiz dafür, dass der Mitarbeiter das Dienstverhältnis vorzeitig beendet und entschädigen ihn für den Verlust des Arbeitsplatzes. Der Anreizcharakter wird dadurch unterstrichen, dass die Versorgungsordnung auf die Anrechnung anderweitigen Verdienstes bis zum regulären Renteneintritt verzichtet. Das vorzeitige Ausscheiden aus den Diensten der Insolvenzschuldnerin bei Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen, unabhängig vom Bezug von Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, ist - wie sich an der typisierenden Versorgungszusage des Anstellungsvertrages vom 05.12.1990 zeigt - auch kein ungewöhnlicher betrieblicher Vorgang bei Angestellten mit herausgehobener Funktion. So hatte nicht nur der Kläger, sondern auch die Beklagte sich das Recht ausbedungen, den Kläger einseitig "nach Vollendung des 60. Lebensjahres unter Inanspruchnahme der Agfa-Altersversorgung" in den Ruhestand versetzen zu können. Der Bezug einer gesetzlichen Rente ist hiernach weder erforderlich noch im Übrigen von der Arbeitgeberin steuerbar.



cc) Bei dem Versorgungsversprechen nach der ObZ handelt es sich auch nicht um einen Bestandteil einer Gesamtversorgungszusage, bei der der Arbeitgeber die Betriebsrente erst ab dem Zeitpunkt zahlen will, ab dem der Versorgungsberechtigte eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt (vgl. hierzu: BAG, Urt. v. 13.01.2015 - 3 AZR 897/12 - m.w.N.). Dies zeigt sich bereits daran, dass die ObZ weder einen Gesamtversorgungsgrad definiert noch Anrechnungsvorschriften im Hinblick auf die gesetzlichen Rentenversicherungsleistungen enthält. Vielmehr ergänzt die Zusatzrente der ObZ die Grundrente der B P der Höhe nach im Hinblick auf Entgeltbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellte. Es handelt sich um ein beitragsorientiertes Versorgungssystem aus Mitgliedsbeiträgen (Grundrente) und Versorgungsaufwand des Arbeitgebers (Zusatzrente), ohne Bezug zum Versorgungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung. Die systematische Verknüpfung von Zusatzrente und Grundrente zur Sicherung eines bestimmten Lebensstandards spricht dafür, den Beginn der Leistungen der betrieblichen Zusatzrente mit dem Beginn der Leistungen der B die nach den Versicherungsbedingungen vorgezogen mit Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werden kann, ohne dass die B P den Bezug von gesetzlichen Rentenleistungen verlangt. Unter Berücksichtigung des aufeinander abgestimmten Versorgungszwecks erscheint es nicht plausibel, das von den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung abgekoppelte Versorgungsniveau einerseits in die Phase bis und andererseits für den Zeitraum ab Bezug der gesetzlichen Renten zu staffeln.



dd) Entgegen der Ansicht des Beklagten steht diesem Verständnis nicht die Systemantik der ObZ entgegen. Soweit der Beklagte hierzu vorträgt, dass es dem dargelegten Verständnis des Begriffs der Pensionierung nicht bedürfe, weil § 18 ObZ bereits die Gefahr der Doppelzahlung ausschließe, ist zu bemerken, dass § 18 Nr. 2 ObZ eher die darlegte Auslegung bestätigt. Der Beginn der (vorgezogenen) Zusatzrente ist hiernach unabhängig vom Bezug gesetzlicher Rentenleistungen. Entscheidend für den Rentenbeginn ist nach Eintritt des Versorgungsfalls lediglich der Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der Beginn vorübergehender Pensionierung durch das Unternehmen. Der angelegte Zweck der Vermeidung von Doppelzahlungen zeigt sich auch an der Regelung des § 18 Nr. 3 ObZ, wonach der Anspruch auf Rentenzahlung nicht besteht, sofern noch die vollen Dienstbezüge bezogen werden.



2. Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht entgegen, dass er im Rahmen der Frühpensionierung vor dem 60. Lebensjahr aus den Diensten der Arbeitgeberin ausgeschieden. Zwar spricht die Vorschrift des § 8 Nr. 2 ObZ dem Wortlaut nach von einem Ausscheiden "nach Vollendung des 60. Lebensjahres". Dabei handelt es sich allerdings nur um eine Leistungsvoraussetzung in dem Sinne des Beginns der Leistungspflichten, nicht hingegen um eine Anspruchsvoraussetzung, ob überhaupt ein Anspruch auf vorgezogene Zusatzrente besteht. Das Zusammenfallen des altersbezogenen Versorgungsfalls des 60. Lebensjahrs verbunden mit dem Versorgungsbedürfnis aufgrund Ausscheidens aus den Diensten der Arbeitgeberin löst den Anspruch auf vorgezogene Altersrente aus, ohne dass eine bestimmte Abfolge der Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein muss. Eine Betriebstreue bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres ist nicht erforderlich, es genügt nach § 4 Satz 1 ObZ zur Anspruchsentstehung das Erfüllen der zehnjährigen Wartezeit. Auch die reguläre Altersrente nach § 8 Nr. 1 ObZ knüpft im Übrigen zwar dem Wortlaut an einem Ausscheiden "nach" Vollendung des 65. Lebensjahres an, beginnt aber unzweifelhaft mit Vollendung des 65. Lebensjahres, auch wenn der Mitarbeiter erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres ausgeschieden ist.



3. Die betriebliche Zusatzrente unterliegt auch nicht der Quotierung nach § 2 Abs 1 Satz 1 BetrAVG. Die ObZ enthält weder zur regulären Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres noch zur vorgezogenen Altersrente nach Vollendung des 60. Lebensjahres Regelungen zur Quotierung im Hinblick auf die erbrachte und die mögliche Betriebstreue. Auf die allgemeinen Regeln des Betriebsrentenrechts kann nicht zurückgegriffen werden, weil es sich - wie dargelegt - jedenfalls für den Zeitraum zwischen Vollendung des 60. und des 63. Lebensjahres nicht um betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG handelt, sondern um Überbrückungsleistungen. Maßgebend für den Anspruch auf betriebliche Zusatzrente ist neben dem Alter das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Der Versorgungsfall knüpft damit nicht an das sog. Langlebigkeitsrisiko des Alters im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG an, sondern an dem vorübergehenden Versorgungsbedarf einer zu erwartenden Arbeitslosigkeit. Dafür vorgesehene Leistungen sind aber keine betriebliche Altersversorgungsleistungen im Sinne des Betriebsrentenrechts (vgl. z.B.: BAG, Urt. v. 16.03.2010 - 3 AZR 594/09 - m.w.N.).



Selbst wenn jedoch mit dem Beklagten betriebliche Altersversorgungsleistungen im Sinne des BetrAVG annehmen wollte, wäre das Ergebnis kein anderes. Bei beitragsorientierten Leistungszusagen tritt an Stelle der quotiert ermittelten Anwartschaft des § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG eine volle Anwartschaft, allerdings begrenzt durch die bis zum Ausscheiden geleisteten Beiträge, § 2 Abs. 5 a BetrAVG. Zwar findet gemäß § 30 g Abs. 1 Satz 1 BetrAVG die Regelung des § 2 Abs. 5 a BetrAVG nur auf beitragsorientierte Versorgungszusagen Anwendung, die nach dem 31.12.2000 erteilt worden sind. Jedoch gelangt § 2 Abs. 5 a BetrAVG im Einvernehmen der Arbeitsvertragsparteien auch auf Anwartschaften zur Anwendung, die vor dem 01.01.2001 erteilt worden sind (§ 30 g Abs. 1 Satz 2 BetrAVG). Hiervon ist vorliegend auszugehen, denn die vom Kläger unbeanstandete betriebliche Praxis unter Zugrundelegung der Informationsbroschüre zur Altersversorgung besagt, dass sich die vorgezogene Altersrente aus den eingezahlten Beiträgen zur B P und dem vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Versorgungsaufwand berechnet, eine zeitanteilige Kürzung der Anwartschaft findet mithin nicht statt.



IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



V. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Vorschriften§ 2 BetrAVG, § 64 Abs. 2 b) ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, § 2 Abs 1 Satz 1 BetrAVG, § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, § 2 Abs. 5 a BetrAVG, § 30 g Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, § 30 g Abs. 1 Satz 2 BetrAVG, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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