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23.05.2017 · IWW-Abrufnummer 194099

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 08.06.2016 – 11 Sa 16/16


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.01.2015 - 17 Ca 8190/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung und Vergütung.



Die Klägerin, Volljuristin, ist seit dem 2011 bei dem R -Kreis in Vollzeit beschäftigt. Ihre Anstellung erfolgte für Aufgaben nach dem SGB II bei dem beklagten Jobcenter, einer gemeinsamen Einrichtung nach § 44 b Abs. 1 SGB II.



Kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) mit dem Besonderen Teil Verwaltung für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) Anwendung. Wegen der weiteren Einzelheiten der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen wird auf den Arbeitsvertrag vom 15.12.2010 (Bl. 21 ff. d. A.) und den Änderungsvertrag vom 20.07.2011 (Bl. 24 d. A.) Bezug genommen. Die Klägerin wird als Sachbearbeiterin in der Widerspruchsstelle der Beklagten beschäftigt.



In der Widerspruchsstelle sind 12 Sachbearbeiter sowie eine Teamassistentin und ein Teamleiter beschäftigt. Zur Verteilung der Widerspruchsverfahren sind jedem Sachbearbeiter bestimmte Aktenzeichen/Bedarfsgemeinschaftsnummern zugewiesen, so dass er die auf diese Aktenzeichen entfallenden Widersprüche zur Bearbeitung zugewiesen erhält. Endet ein Widerspruchsverfahren ist der Vorgang abgeschlossen, der Sachbearbeiter bearbeitet dann nur einen etwaigen Kostenantrag nach§ 63 SGB X. Davon unabhängig erfolgt die Verteilung sozialgerichtlicher Verfahren. Dem jeweiligen Sachbearbeiter der Widerspruchsstelle sind näher bestimmte Kammern des Sozialgerichts zugeordnet. Es verbleibt bei der Zuständigkeit des Sachbearbeiters, wenn ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Sozialgerichts eingelegt wird. Dass derselbe Sachbearbeiter in einem Fall sowohl das Widerspruchs- als auch das Klageverfahren bearbeitet, stellt aufgrund der Zuständigkeitsregelung einen Ausnahmefall dar. Hinsichtlich der Aufgabenverteilung in der Widerspruchsstelle (Stand 21.10.2013) wird auf Bl. 100 d. A. verwiesen. Zum 01.01.2015 erfolgte eine Neuregelung der Zuteilung der Angelegenheiten auf die Sachbearbeiter unter Berücksichtigung der individuellen Arbeitszeit. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufgabenverteilung in der Widerspruchsstelle (Stand 01.04.2015, Bl. 397 d. A.) Bezug genommen.



Die Klägerin erhält eine Vergütung nach der EG 10 TVöD-VKA. Seit dem Mai 2012 ist die Klägerin als Datenschutzbeauftragte bestellt und zur Hälfte ihrer Arbeitszeit hierfür freigestellt.



Die Einzelheiten ihrer Tätigkeit für den Zeitraum September 2012 bis August 2013 sind in einer systematischen Leistungsbewertung (Bl. 26 d. A) festgehalten, wobei die Beklagte bestreitet, dass der Klägerin die Beratung der Geschäftsstellen bei Fragen zu komplexen Fallgestaltungen im Rahmen des SGB II und angrenzenden Sachgebieten übertragen wurde. Die in der Leistungsbewertung genannte Sonderaufgabe des Mitaufbaus und der Pflege einer Rechtsprechungsdatenbank ruht seit dem Frühjahr 2013. Unter dem 10.09.2013 lehnte die Bewertungskommission der Beklagten eine Anhebung der Stelle der Klägerin ab (Bl. 148 f. d. A.). Die Klägerin gab daraufhin das Privatgutachten vom 22.04.2014 (Bl. 101 ff. d. A.) in Auftrag, welches zu dem Ergebnis gelangte, dass die Tätigkeit der Klägerin die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe (VG) II Fallgruppe (Fg.) 1a BAT-VKA erfülle. Nachdem die Klägerin auf der Grundlage des Gutachtens mit Schreiben vom 22.08.2014 erfolglos die Vergütung nach der EG 13 TVöD-VKA geltend gemacht hatte, hat sie die vorliegende Klage erhoben.



Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.01.2015 (Bl. 256 ff. d. A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe nicht ausreichend dargelegt, dass sie eine Tätigkeit ausübe, die eine wissenschaftliche Hochschulausbildung voraussetze. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.



Gegen das ihr am 23.02.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.03.2015 Berufung eingelegt und diese am 19.03.2015 begründet.



Die Klägerin meint, sie übe eine "entsprechende" Tätigkeit aus, für die ein Hochschulstudium erforderlich sei. Die Beklagte habe den Abschluss einer juristischen Vollausbildung durch ihre Einstellungspraxis selbst zur Voraussetzung für die übertragenen Tätigkeiten erhoben. Auch aus den Stellenbeschreibungen der Beklagten ergebe sich, dass ein Hochschulabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation zwingend zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich sei. Nach dem Wissensstand der Klägerin seien in ihrer Abteilung nur Volljuristen tätig. Sowohl für die selbständige und abschließende Widerspruchsbearbeitung, der Bearbeitung von sozialgerichtlichen Verfahren als auch der Beratung der Geschäftsstellen bei Fragen zu komplexen Fallgestaltungen im Rahmen des SGB II und angrenzender Sachgebiete bedürfe es eines abgeschlossenen Hochschulstudiums. Aus der Anzahl der von der Klägerin verfassten Schriftstücke ab dem Jahre 2013 und bei Zugrundelegung der Parameter bei der internen Aufgabenverteilung, wonach ein Gerichtsverfahren drei Widerspruchsverfahren entspreche, ergebe sich, dass die Klägerin überwiegend mit der Bearbeitung von Gerichtsverfahren beschäftigt sei. Zudem sei von einem einheitlichen Arbeitsvorgang auszugehen, das Arbeitsergebnis bestehe sowohl bei Widerspruchsbearbeitung als auch der Bearbeitung von Gerichtsverfahren darin, auf der Grundlage juristischer Kompetenz und auf juristischem Wege von Kunden der Arbeitgeberin vorgebrachte Einwände gegen die Entscheidungen der Arbeitgeberin rechtlich zu prüfen, einzuschätzen und ggfs. abzuwehren. Die Klägerin hat die Höhergruppierungsklage zuletzt ausdrücklich auf eine Eingruppierung in die EG 13 TVöD-VKA beschränkt.



Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.01.2015 - 17 Ca 8190/14 - abzuändern; 2. festzustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.10.2013 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1a BAT/VKA mit Überleitung in die EG 13 TVöD zu zahlen und etwaige Bruttonachzahlungsbeträge, beginnend mit dem 01.10.2013 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Hochschulausbildung der Klägerin sei nützlich und hilfreich für die auszuübende Tätigkeit, jedoch keine notwendige Voraussetzung. Die von Klägerin angeführte Anzahl von Schriftstücken sei nicht aussagekräftig, denn sie sage nichts über das jeweilige Arbeitspensum aus. Zudem sei der Umrechnungsschlüssel von 1:3 nur bis zum Jahresende 2014 angewandt worden, er sei niemals empirisch evaluiert worden und habe nur Sinn gemacht, so lange den Sachbearbeitern der Widerspruchsstelle Klageverfahren zugewiesen worden seien. In der zeitlichen Gewichtung der Arbeitsvorgänge habe der Arbeitsvorgang der Widerspruchsbearbeitung stets erheblich mehr als 50 % der Arbeitszeit der Klägerin ausgemacht.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 19.03.2015, 24.04.2015, 27.04.2015, 16.06.2015, 02.09.2015, 19.10.2015, 20.10.2015, 11.11.2015, 14.12.2015, 19.05.2016 und 31.05.2016, die Sitzungsniederschriften vom 01.07.2015 und 08.06.2016 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



A. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.



B. Der Berufung blieb der Erfolg versagt. Die Klägerin ist nicht in die EG 13 TVöD-VKA eingruppiert. Sie hat daher auch keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag vom 15.12.2010 auf Zahlung einer Vergütung nach der EG 13 TVöD-VKA ab dem Oktober 2013. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen. Die Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.



I.1. Bis zum In-Kraft-Treten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD-VKA nebst Entgeltordnung galten u.a. die §§ 22, 23 BAT-VKA einschließlich der Vergütungsordnung weiter (§ 17 Abs. 1 TVÜ-VKA). Für Eingruppierungen nach dem 01.10.2005 werden die Vergütungsgruppen der Vergütungsordnung (Anlage 1a zum BAT-VKA) den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet(§ 17 Abs. 7 TVÜ-VKA i.V.m. Anlage 3 TVÜ-VKA). Der EG 13 TVöD-VKA sind u. a. Beschäftigte mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Hochschulausbildung (VG II BAT-VKA mit oder ohne Aufstieg nach VG I b BAT-VKA) voraussetzen, zugeordnet. Die VG II BAT-VKA erfasst in der im Streitfall relevanten Fg. 1.a) Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. Nach der für die VG II BAT/VKA einschlägigen Protokollnotiz Nr. 2, liegt u.a. eine abgeschlossene Hochschulbildung vor, wenn das Studium mit einer ersten Staatsprüfung beendet worden ist. Der Angestellte erhält die Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in der er eingruppiert ist (§ 22 Abs. 1 Satz 2 BAT-VKA). Er ist nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BAT-VKA in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen, § 22 Abs. 2 Satz 2 BAT-VKA.



2. Maßgebend für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist (BAG, Urteil vom 24.02.2016 - 4 AZR 485/13 - m.w.N.). Die Bearbeitung eines Widerspruchsverfahrens sowie die Betreuung der sozialgerichtlichen Verfahren können rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheiten darstellen. Diese beiden Bereiche lassen sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten und nach ihren Arbeitsergebnissen trennen (BAG, Urt. v. 16.05.2013 - 4 AZR 445/11 - m.w.N.; vgl. auch: BAG 29.01.1992 - 4 AZR 285/91 -). Einem Arbeitsvorgang sind Zusammenhangstätigkeiten zuzurechnen. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben einer Angestellten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger "Atomisierung" der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die unter Berücksichtigung der Zusammenhangstätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führende Tätigkeit muss tatsächlich von der übrigen Tätigkeit der Angestellten abgrenzbar und rechtlich selbständig bewertbar sein (BAG, Urteil vom 10.12.2014 - 4 AZR 773/12 - m.w.N.).



3. Die Tätigkeit der Klägerin besteht - bei Zugrundelegung ihres Vortrags - aus drei Arbeitsvorgängen. Zum einen handelt es sich um den Arbeitsvorgang der Bearbeitung von Widersprüchen im Bereich des SGB II. Dieser Arbeitsvorgang führt zu dem Arbeitsergebnis der förmlichen Entscheidung der Widerspruchsstelle über den eingelegten Rechtsbehelf des Widerspruchs, der ggfs. zur Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts nach den §§ 44 ff. SGB X führt. Die Bearbeitung der Kostenanträge gemäߧ 63 SGB X (Erstattung von Kosten im Vorverfahren) stellt eine Zusammenhangstätigkeit zur Widerspruchssachbearbeitung dar. Der zweite Arbeitsvorgang ist die Bearbeitung sozialgerichtlicher Verfahren im Bereich des SGB II nebst der Zusammenhangstätigkeit der Bearbeitung von Kostenanträgen nach § 193 SGG. Er führt zu dem Arbeitsergebnis einer rechtskräftigen Beendigung des jeweiligen Rechtsstreits. Die unterschiedlichen Arbeitsschritte und -ergebnisse sind auch nach der maßgebenden Organisation der Beklagten getrennt. Dies folgt schon daraus, dass eine Identität des Sachbearbeiters in der Bearbeitung einer Angelegenheit nach dem SGB II durch die Aufgabenverteilung in der Widerspruchsstelle in den Regel nicht vorliegt, d. h. im Normalfall ein Wechsel in der Sachbearbeitung nach dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens eintritt. Die Beratung der Geschäftsstellen stellt den dritten Arbeitsvorgang dar. Hier liegt das Arbeitsergebnis in dem Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten in problematischen Fallkonstellationen, die im Rahmen der Geschäftsstellentätigkeit angefallen sind. Die Sonderaufgabe des Mitaufbaus und der Pflege einer Rechtsprechungsdatenbank wäre ein weiterer Arbeitsvorgang, bleibt allerdings für den Streitfall außer Betracht, da das Sonderprojekt seit dem Frühjahr 2013 ruht.



II.1. Die Eingruppierung in die VG II Fg. 1 a) BAT-VKA setzt die Erfüllung einer subjektiven Anforderung (abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung) und einer objektiven Anforderung (entsprechende Tätigkeit) voraus. Eine entsprechende Tätigkeit liegt vor, wenn der Angestellte eine Tätigkeit auszuüben hat, die seiner konkreten wissenschaftlichen Hochschulausbildung entspricht. Die Tätigkeit muss schlechthin die Fähigkeit erfordern, als einschlägig ausgebildeter Akademiker auf dem entsprechenden akademischen Fachgebiet Zusammenhänge zu überschauen und selbständig Ergebnisse zu entwickeln. Sie muss einen sog. akademischen Zuschnitt haben. Nicht ausreichend ist es, wenn die entsprechenden Kenntnisse der Beschäftigten für ihren Aufgabenkreis lediglich nützlich oder erwünscht sind; sie müssen vielmehr im zuvor erläuterten Rechtssinne zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich, das heißt notwendig sein. Für das Vorliegen des tariflichen Merkmals "mit entsprechender Tätigkeit" ist der Angestellte darlegungs- und beweispflichtig. Er hat all diejenigen Tatsachen vorzutragen, die für den Schluss auf das Vorliegen der beanspruchten Tätigkeitsmerkmale erforderlich sind. Ob ein Angestellter eine seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit ausübt, ist nur feststellbar, wenn im Einzelnen dargelegt ist, welche Kenntnisse und Fertigkeiten ihm die Ausbildung vermittelt hat und aus welchen Gründen er seine Aufgabe ohne diese Kenntnisse und Fertigkeiten nicht ordnungsgemäß erledigen könnte. Der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage hat diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, die Fachkenntnisse eines wissenschaftlichen Hochschulabschlusses seien für die Tätigkeit erforderlich (BAG, Urt. v. 18.04.2012 - 4 AZR 441/10 - m.w.N.). Ein akademischer Zuschnitt einer Tätigkeit kann nicht angenommen werden, wenn die Tätigkeit lediglich Kenntnisse auf einem begrenzten Teilgebiet des entsprechenden akademischen Fachgebiets fordert (BAG, Urteil vom 14.12.1977 - 4 AZR 467/76 - m.w.N.). Dies gilt etwa dann, wenn lediglich Kenntnisse und Fähigkeiten auf einem eng begrenzten juristischen Teilgebiet benötigt werden (BAG, Urteil vom 10.10.1979 - 4 AZR 1029/77 -).



2. Im Rahmen der von der Klägerin auszuübenden Tätigkeit fallen nicht zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge an, die einen akademischen Zuschnitt haben. Die Klägerin ist überwiegend mit dem Arbeitsvorgang der Bearbeitung von Widersprüchen im Bereich des SGB II betraut. Die Klägerin hat nicht überzeugend darzulegen vermocht, dass es sich bei der Widerspruchssachbearbeitung um eine Tätigkeit von akademischen Zuschnitt handelt.



a) Zunächst ist festzuhalten, dass die umstrittene Beratungstätigkeit die Eingruppierungsklage nicht trägt, denn es fehlen zum einen Angaben über den zeitlichen Anteil dieser Tätigkeit. Zum anderen lässt sich, wie bereits das Arbeitsgericht moniert hat, aufgrund des Sachvortrags der Klägerin nicht ansatzweise feststellen, welchen konkreten Inhalt diese Tätigkeit hat und warum sie eine akademische Bildung voraussetzt.



b) Der Bearbeitung des Widerspruchsverfahrens erfordert nicht notwendigerweise eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt und darauf verwiesen, dass es auch Ausbildungsberufe gibt, die einen Arbeitnehmer befähigen, Angelegenheiten des SGB II im Widerspruchsverfahren zu bearbeiten, z. B. die eines Verwaltungsfachangestellten mit der Qualifikation Angestelltenlehrgang II. Bestätigt wird dies durch die von der Beklagten vorgelegten Stellenausschreibungen anderer Jobcenter aus verschiedenen Bundesländern (Bl. 173 ff. d. A.). Darüber hinaus werden im Widerspruchsverfahren nur Kenntnisse eines eng begrenzten juristischen Teilgebiets abverlangt, nämlich des SGB II, des Sozialverfahrensrechts, sowie in Einzelfällen des zivilrechtlichen Schenkungs-, Unterhalts- und Familienrechts. Warum die Klägerin ohne die durch den Hochschulabschluss vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten die Widerspruchssachbearbeitung nicht ordnungsgemäß erledigen könnte, ist ihrem Vorbringen nicht hinreichend zu entnehmen. Daher lässt auch die Einstellungspraxis der Beklagten nicht den Schluss zu, die Hochschulausbildung sei nicht nur nützlich und erwünscht, sondern notwendig zur Ausübung der Tätigkeit der Widerspruchssachbearbeitung.



c) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin - trotz der vom Arbeitsgericht im Einzelnen überzeugend ausgeführten Bedenken - unterstellt, dass es sich bei der Bearbeitung der sozialgerichtlichen Verfahren um eine Tätigkeit von akademischen Zuschnitt handelt, so vermag dies der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen, denn es handelt sich um keinen Arbeitsvorgang, der mindestens die Hälfte der Arbeitszeit ausmacht. Zutreffend verweist die Beklagte darauf, dass sich aus der bloßen Anzahl gefertigter Schriftstücke ohne Kenntnis des jeweiligen Arbeitsaufwands kein hinreichender Schluss auf den zeitlichen Anteil an der Tätigkeit ziehen lässt. Im Gegenteil sprechen die von der Klägerin eingereichten Aufstellungen (Bl. 472 ff., 479 ff. d. A.) gegen die Annahme der Klägerin einer überwiegenden Beschäftigung mit Angelegenheiten des Gerichtsverfahrens. Aus diesen Listen zur Ermittlung der Aufgabenverteilung in der Widerspruchstelle ergibt sich folgendes Bild:



Bis zum 02.08.2012 waren in der Widerspruchsstelle 2.048 Widersprüche und 417 Gerichtsverfahren "eingegangen", so dass als Jahreseingang für das Jahr 2012 3.435 Widersprüche und 700 Gerichtsverfahren prognostiziert wurden. Werden die 700 Gerichtsverfahren mit dem Faktor 3 multipliziert, so folgt daraus die rechnerische Größe von 2.100, was wiederum etwa 38 % der Gesamtbelastung der Sachbearbeiter in der Widerspruchsstelle ausmacht. Auf die Klägerin bezogen wurde der umgerechnete Klagewert mit 48 ermittelt, die Zahl der Widersprüche wurden mit 191 prognostiziert, so dass der zeitliche Anteil der Belastung der Klägerin mit Gerichtsverfahren bei 21 % lag.



Bis zum 07.03.2013 waren in der Widerspruchsstelle 758 Widersprüche und 168 Gerichtsverfahren zu verzeichnen, so dass als Jahreseingang für das Jahr 2013 3.950 Widersprüche und 873 Gerichtsverfahren prognostiziert wurden. Werden die 700 Gerichtsverfahren mit dem Faktor 3 multipliziert, so folgt daraus die rechnerische Größe von 2.620, was wiederum bedeutet, dass die Sachbearbeiter in der Widerspruchsstelle zu ca. 40 % mit Gerichtsverfahren belastet waren. Auf die Klägerin bezogen wurde der umgerechnete Klagewert mit 60 errechnet, die Zahl der Widersprüche wurden mit 215 prognostiziert, so dass der zeitliche Anteil der Belastung der Klägerin mit Gerichtsverfahren bei 21,8 % lag.



Bis zum 31.05.2013 waren in der Widerspruchsstelle 1.593 Widersprüche und 321 Gerichtsverfahren "eingegangen", so dass als Jahreseingang für das Jahr 2013 3.765 Widersprüche und 758 Gerichtsverfahren prognostiziert wurden. Werden die 758 Gerichtsverfahren mit dem Faktor 3 multipliziert, so folgt daraus die rechnerische Größe von 2.274, was wiederum ca. 37,7 % der Gesamtbelastung der Sachbearbeiter in der Widerspruchsstelle ausmacht. Auf die Klägerin bezogen wurde der umgerechnete Klagewert mit 111 ermittelt, die Zahl der Widersprüche wurden mit 165 prognostiziert, so dass der zeitliche Anteil der Belastung mit Gerichtsverfahren bei 40,2 % lag.



In der Aufstellung für die Aufgabenverteilung in der Widerspruchsstelle ab dem 01.07.2014 ist die Klägerin, wohl wegen Elternzeit, nicht berücksichtigt, jedoch ergibt sich auch hier, dass die Bearbeitung von Gerichtsverfahren nur41 % der Arbeitszeit der Mitarbeiter in der Widerspruchsstelle ausmacht.



C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



D. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Vorschriften§ 44 b Abs. 1 SGB II, § 63 SGB X, § 64 Abs. 2 b) ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 611 Abs. 1 BGB, §§ 22, 23 BAT, Anlage 1a zum BAT, § 22 Abs. 1 Satz 2 BAT, § 22 Abs. 2 Satz 1 BAT, § 22 Abs. 2 Satz 2 BAT, § 193 SGG, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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