29.08.2000 · IWW-Abrufnummer 000396
WISO-SteuerBrief 09/2000 Seite 12
Nießbrauch an vermieteten Gebäuden
Wer Immobilienvermögen schon zu Lebzeiten auf die nächste Generation übertragen, die Immobilie aber gleichwohl nicht völlig aus der Hand geben möchte, kann einen Nießbrauch vereinbaren. Der Nießbrauch bietet dem Übergeber Sicherheit. Er bleibt entweder zivilrechtlicher Eigentümer des Grundstücks (Zuwendungsnießbrauch) oder er kann das Grundstück weiterhin nutzen (Vorbehaltsnießbrauch).
Über die zivilrechtlichen und steuerlichen Folgen von Nießbrauchsvereinbarungen bei selbstgenutzten Wohnungen haben wir Sie in der Dezember-Ausgabe informiert. Im folgenden Beitrag erfahren Sie, wie Sie durch Nießbrauchsvereinbarungen an Mietwohngrundstü-cken Ihre Steuerbelastung senken können.
Wann wird der Nießbrauch steuerlich anerkannt?
Der Nießbrauch, den Sie mit Ihrem Angehörigen vereinbaren, muss zivilrechtlich wirksam sein und tatsächlich wie vereinbart durchgeführt werden.
Zivilrechtlich wirksam ist der Nießbrauch, wenn er notariell beurkundet und in das Grundbuch eintragen wurde. Denken Sie aber auch daran, den Nießbrauch tatsächlich durchzuführen. Dazu muss der Nießbraucher die Mieterträge einnehmen und die Kosten von seinem Bankkonto zahlen (Bundesfinanzministerium [BMF], Schreiben vom 24.7.1998, Az: IV B 3 - S 2253 - 59/98, BStBl 1998 I, 914; Abruf-Nr. 99954).
Vorbehaltsnießbrauch
Für die steuerliche Behandlung eines Vorbehaltsnießbrauchs sind zwei Fälle zu unterscheiden: Der neue Eigentümer hat die Immobilie unentgeltlich (durch Schenkung) oder entgeltlich erworben, indem er zum Beispiel Gleichstellungsgelder an Geschwister zahlt.
1. Unentgeltlicher Vorbehaltsnießbrauch
Weder für den Vorbehaltsnießbraucher noch für den neuen, zivilrechtlichen Eigentümer ändert sich durch die Nießbrauchsbestellung etwas. Denn während der Dauer des Nießbrauchs erzielt der ursprüngliche Eigentümer (Nießbraucher) weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der neue Eigentümer kann mangels Einnahmen keine Aufwendungen absetzen.
Beispiel
Vater A schenkt seinem Sohn ein vermietetes Gebäude und lässt sich im Gegenzug den lebenslangen Nießbrauch einräumen. |
Folge für den Vater (Vorbehaltsnießbraucher): Er erzielt weiterhin Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und kann die Abschreibung fortführen. An der Höhe der Abschreibung ändert sich durch die Nießbrauchseinräumung nichts.
Folge für den Sohn (neuer zivilrechtlicher Eigentümer): Während der Dauer des Nießbrauchs erzielt der Sohn keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Er kann auch keine Abschreibung geltend machen. Dies geht erst, nachdem der Nießbrauch erloschen ist. In unserem Fall könnte der Sohn zudem lediglich die Abschreibung des Vaters fortführen; und auch das nur, wenn die Wohnung noch nicht abgeschrieben ist. Mehr geht nicht. Denn eigene Anschaffungskosten des Sohnes liegen im Beispiel nicht vor. Die Einräumung eines Nießbrauchs ist keine Gegenleistung und kann deshalb nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 24.4.1991, Az: XI R 5/83, BStBl 1991 II, 793; Abruf-Nr. 99955) nicht zu einer Abschreibung führen.
Beachten Sie: Schenkungsteuerlich haben Ihre Nachfolger jedoch einen erheblichen Vorteil: Übertragen Sie Vermögen bereits zu Lebzeiten auf Ihre nahen Angehörigen, leben die schenkungsteuerlichen Freibeträge alle zehn Jahre auf. Wir werden Sie in einem weiteren Beitrag über dieses "Modell" Informieren.
Unser Tipp: Häufig bewohnt der Nießbraucher selbst das Gebäude, das auf seinen nahen Angehörigen übertragen wurde. Der BFH hat für diesen Fall eine interessante Gestaltungsmöglichkeit zugelassen. Der neue Eigentümer (Sohn) vermietet das Gebäude an den Nießbraucher (Vater). Sie müssen lediglich im Übergabevertrag vereinbaren, dass der Nießbrauch nur Sicherungszwecken dienen soll und demzufolge vom Nießbraucher nicht ausgeübt wird (BFH, Urteil vom 3.2.1998, Az: IX R 38/96, BStBl 1998 II, 539; Abruf-Nr. 98378).
Beispiel
Vater A schenkt seinem Sohn das Gebäude, in dem er wohnt und behält sich den Nießbrauch zu Sicherungszwecken vor. Im Anschluss an die Eigentumsübertragung vermietet der Sohn das Gebäude an den Vater. |
Folge: Der Sohn erzielt Einnahmen aus der Vermietung an den Vater und hat den Vorteil, dass er die Abschreibung, die laufenden Kosten und die angefallenen Schuldzinsen von den Einnahmen abziehen kann.
Unser Tipp: Ein optimales Ergebnis für den Sohn wird erreicht, wenn die vereinbarte Miete knapp über 50 Prozent liegt. Denn geringere Mieteinnahmen führen beim Sohn zu einem höheren Verlust. Seine Einkommensteuerbelastung sinkt.
2. Entgeltlicher Vorbehaltsnießbrauch
Der neue Eigentümer erwirbt das Objekt entgeltlich, wenn er zum Beispiel Rentenzahlungen an den Übergeber vereinbart. Leistet er die Rentenzahlungen in gleichbleibender Höhe, liegt eine Leibrente vor. Beträge, die in der Höhe schwanken, gelten als dauernde Last. Zahlt der neue Eigentümer Gleichstellungsgelder an Geschwister, erwirbt er das Gebäude vom Übergeber ebenfalls entgeltlich.
a) Rentenzahlungen an den Übergeber
Wenn dem Übergeber neben dem Nießbrauchsrecht noch eine finanzielle Leistung zukommen soll, können Sie entweder eine Leibrente oder eine dauernde Last vereinbaren.
Beispiel
A (65 Jahre) ist Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses. Er überträgt das Grundstück auf seinen Sohn B und behält sich einen lebenslangen Nießbrauch vor. Zusätzlich verpflichtet sich B, seinem Vater eine lebenslange Rente in Höhe von 800 DM pro Monat zu zahlen. |
Folge für Vater A: Er erzielt als Vorbehaltsnießbraucher zum einen Vermietungseinkünfte. Die daneben vereinbarte Leibrente muss er als sonstige Einkünfte (§ 22 Nummer 1 Einkommensteuergesetz [EStG] mit dem Ertragsanteil versteuern. Das regelt der sogenannte "Nießbrauchs-Erlaß" aus dem BMF (Schreiben vom 23.12.1996, Az: IV B 3 - S 2257 - 54/96, BStBl 1996 I, 1508; Abruf-Nr. 99957). Da der Vater im Jahr der Übertragung 65 Jahre alt war, wird bei ihm ein Ertragsanteil von 27 Prozent angesetzt. Zu versteuern sind:
Sonstige Einkünfte
Leibrente (12 x 800 DM = 9.600 DM) x 27 Prozent | 2.592 DM |
./. Werbungskosten-Pauschale (§ 9a Nummer 2 EStG) | 200 DM |
Einkünfte (§ 22 Nummer 1 EStG) | 2.392 DM |
Beachten Sie: Wenn Sie statt einer Leibrente eine dauernde Last vereinbaren, stellt der Zinsanteil für den Empfänger Einnahmen aus Kapitalvermögen dar. Der Vorteil: Wenn der Empfänger keine weiteren Kapitalerträge erzielt, muss er diese Einnahmen unterhalb des Sparerfreibetrages nicht versteuern.
Folge für den Sohn: Beim Modell "Rente plus Nießbrauch" kann der Sohn weder Werbungskosten geltend machen (er erzielt keine Einnahmen) noch kann er die Rentenzahlungen an seinen Vater als Sonderausgaben abziehen.
Unser Tipp: Es kann sinnvoll sein, darauf zu verzichten, dem Vater den Nießbrauch einzuräumen. Anstelle der Nießbrauchseinräumung sichert der Sohn dem Vater Versorgungsleistungen zu, die er aus den Mieterträgen vornehmen kann. Dadurch ergeben sich zwei Vorteile: Der Sohn kann von den Mieteinnahmen die Werbungskosten abziehen und zusätzlich die Versorgungsleistungen (Leibrente oder dauernde Last) an den Vater als Sonderausgabe abziehen.
b) Gleichstellungsgelder an Geschwister
Auch bei Zahlung von Gleichstellungsgeldern im Rahmen des Vorbehaltsnießbrauchs sollten Sie aufpassen: Wie bei Vereinbarung einer Leibrente kann auch der neue Eigentümer das Gleichstellungsgeld an Geschwister und eventuelle Finanzierungskosten nicht geltend machen.
Beispiel
Vater A ist Eigentümer einer vermieteten Wohnung. Er überträgt das Objekt auf seinen Sohn B unter Vorbehalt des Nießbrauchs. Zusätzlich muss B seine Schwester C mit 250.000 DM auszahlen. Er nimmt für die Zahlung des Ausgleichsgeldes einen Kredit auf. |
Folge für den Vater: A erzielt aufgrund des Vorbehaltsnießbrauchs weiterhin Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und darf die Abschreibung als Werbungskosten ansetzen.
Beachten Sie: Zusätzlich wird die Zahlung des Gleichstellungsgeldes so gewertet, als habe A einen Teil des Grundstücks an B veräußert. Denken Sie an die verlängerte Spekulationsfrist. Wenn A das Grundstück innerhalb von zehn Jahren vor der Übergabe angeschafft hat, muss er einen Veräußerungsgewinn versteuern!
Folge für den Sohn B: Solange der Nießbrauch besteht, kann der Sohn weder die Anschaffungskosten (Gleichstellungsgeld) noch seine Finanzierungskosten steuerlich geltend machen.
Unser Tipp: Auch in diesem Fall kann es - wie unter a) - sinnvoll sein, an Stelle des Vorbehaltsnießbrauchs Rentenzahlungen zu vereinbaren. Der Vorteil besteht darin, dass
- der Sohn die Mieteinnahmen erzielt und damit mit der Immobilie zusammenhängende Ausgaben (Abschreibung, Schuldzinsen) als Werbungskosten absetzen kann,
- die Zahlungen des Sohnes an den Vater in voller Höhe als Sonderausgaben abzugsfähig sind (Vater muss die wiederkehrenden Bezüge in voller Höhe als sonstige Einnahmen versteuern) und
- die Gleichstellungsgelder als zusätzliche Anschaffungskosten des Gebäudes das Abschreibungspotential erhöhen.
Zuwendungsnießbrauch
Auch der Zuwendungsnießbrauch kann entgeltlich oder unentgeltlich eingeräumt werden.
1. Unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch
Der unentgeltliche Zuwendungsnießbrauch ist bei vermieteten Immobilien in der Praxis häufig dann anzutreffen, wenn Vermietungseinkünfte auf Kinder verlagert werden sollen. Dennoch ist auch er steuerlich nicht die Ideallösung, wie nachfolgendes Beispiel zeigt.
Beispiel
Vater A bestellt seinem 18-jährigen Sohn unentgeltlich für zehn Jahre den Nießbrauch an einem vermieteten Grundstück. |
Folge für den Vater (zivilrechtlicher Eigentümer): Er kann keine Abschreibung mehr vornehmen, da er keine Einnahmen erzielt.
Folge für den Sohn (Nießbraucher): Er erzielt als Nießbraucher zwar Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Jedoch kann er nach der einschlägigen BFH-Rechtsprechung (zum Beispiel Urteil vom 24.4.1990, Az: IX R 9/86, BStBl 1990 II, 888; Abruf-Nr. 99954) weder auf das unentgeltlich erworbene Nutzungsrecht noch auf das Gebäude eine Abschreibung vornehmen.
Beachten Sie: Liegt der Kapitalwert des Nießbrauchs über dem persönlichen Freibetrag, fällt Schenkungsteuer an. Einzelheiten erfahren Sie in einem Beitrag in der nächsten Ausgabe.
Unser Tipp: Treffen Sie vertragliche Vereinbarungen, dass der Sohn (Nießbraucher) sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der Immobilie zu tragen hat (zum Beispiel Renovierungen). Denn nur er kann Werbungskosten geltend machen. Dazu sollten Sie bereits bei Einräumung des Nießbrauchs, also im notariellen Vertrag, detailliert regeln, welche Kosten der Eigentümer und welche Kosten der Nießbraucher zu tragen hat.
Wichtig: Befindet sich das nießbrauchsberechtigte, volljährige Kind noch in Ausbildung, riskieren Sie durch die Vereinbarung eines Zuwendungsnießbrauchs das Kindergeld und alle damit zusammenhängenden kindbedingten Steuervergünstigungen (zum Beispiel den Ausbildungsfreibetrag). Anspruch auf Kindergeld haben Sie nur dann, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht mehr als 13.500 DM im Jahr 2000 (im Jahr 1999 13.020 DM) betragen. Hier gilt es, mit spit-zem Bleistift zu rechnen.
2. Entgeltlicher Zuwendungsnießbrauch
Möchten Sie sich die Gebäudeabschreibung für den zivilrechtlichen Eigentümer (in unserem Beispiel den Vater) erhalten, müssen Sie den Zuwendungsnießbrauch entgeltlich vereinbaren.
Beispiel
Vater A bestellt seinem Sohn an einer Mietwohnung für zehn Jahre den Nießbrauch gegen Zahlung eines Einmalbetrages in Höhe von 150.000 DM. |
Folge für den Vater (zivilrechtlicher Eigentümer): Er erzielt Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 150.000 DM. Die Finanzverwaltung lässt es zu, dass die Einnahme auf zehn Jahre verteilt wird (BMF, Schreiben vom 24.7.1998, Az: IV B 3 - S 2253-59/98, DStR 1998, 1177; Abruf-Nr. 99954). Vorteil gegenüber dem unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch: In diesem Fall kann der Vater die Gebäude-Abschreibung als Werbungskosten gegenrechnen.
Folge für den Sohn (Nießbraucher): Er erzielt Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und kann alle mit der Immobilie zusammenhängenden Kosten (mit Ausnahme der Abschreibung) als Werbungskosten abziehen. Abzugsfähig ist auch die Zahlung an den Vater. Der Einmalbetrag (hier 150.000 DM) muss allerdings auf die Dauer des Nießbrauchs verteilt werden. Er kann also nicht sofort in voller Höhe von den Einnahmen abgesetzt werden.
Fazit
Wenn Sie umfangreiches Immobilienvermögen besitzen, sollten Sie überlegen, ob Sie nicht bereits zu Lebzeiten Ihren Besitz teilweise oder vollständig auf nahe Angehörige übertragen. Denn Sie haben den Vorteil, dass Sie durch Übertragung im Zehn-Jahres-Rhythmus die Schenkungsteuerbelastung senken können. Ihren Lebensabend können Sie durch Nießbrauchsvereinbarungen sicherstellen. Denkbar sind aber auch Leistungen in Form von Leibrenten, wiederkehrenden Bezügen oder Versorgungsleistungen. Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater, welche Alternative in Ihrem Fall die "Beste" ist.