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03.05.2017 · IWW-Abrufnummer 193644

Landesarbeitsgericht Bremen: Urteil vom 13.04.2016 – 3 Sa 60/14


In dem Rechtsstreit

Kläger und Berufungsbeklagter,

Proz.-Bev.:

gegen

Beklagte und Berufungsklägerin,

Proz.-Bev.:

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2016

durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht

den ehrenamtlichen Richter

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 03.04.2014 - 5 Ca 5061/13 - wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Vergütung von Umkleidezeit als Überstunden.



Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 14.04.1986 als Mechaniker beschäftigt. Er arbeitet im Tag-Schichtmodell 2, d.h. an Werktagen montags bis donnerstags in der Zeit von 6:00 Uhr bis 14:30 Uhr und freitags in der Zeit von 6:00 Uhr bis 12:00 Uhr im Rahmen einer 37,5-Stunden-Woche. Für den Kläger besteht die Pflicht, im Betrieb der Beklagten, einem Unternehmen der Lebensmittelindustrie, Arbeitsschutzkleidung zu tragen und besondere Hygienevorschriften zu beachten. Es ist ihm untersagt, die ihm zur Verfügung gestellte Arbeitsschutzkleidung mit nach Hause zu nehmen, sie dort anzulegen und bereits auf dem Weg zur Arbeit zu tragen. Vielmehr ist der Kläger verpflichtet, die von ihm getragene und verschmutzte Arbeitskleidung in von der Beklagten zur Verfügung gestellte Sammelbehälter zu legen. Die Arbeitskleidung wird von der Beklagten gewaschen. Der Kläger hat zu Schichtbeginn bereits die Hygienemaßnahmen durchgeführt und die vorgeschriebene Arbeitskleidung in den dafür vorgesehenen Umkleideräumen angezogen. Zu Schichtende verlässt der Kläger jeweils seinen Arbeitsplatz, begibt sich zu den Umkleideräumen und zieht sich dort um. Für den Betrieb der Beklagten wurde durch Spruch der Einigungsstelle vom 28.08.2012 eine Ergänzungsvereinbarung über Umkleidezeiten zur Rahmen-Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit und Personalwirtschaft zur Produktivitätsentwicklung/ Beteiligung bei der K. GmbH & Co. KG vom 24.06.2010 festgelegt (vgl. Bl. 7-9 der Akte). Auf ein sog. "Umkleidezeitkonto", das aufgrund des Spruchs der Einigungsstelle (zunächst) errichtet worden war, wurden Zeiten gutgeschrieben, doch lehnte die Beklagte die Entnahme von Stunden hieraus und die Gewährung von Freizeit ab (vgl. beispielhaft Antrag des Klägers nebst Ablehnung vom 12.02.2013, Bl. 11 der Akte). Die Beklagte hat den Spruch der Einigungsstelle vom 28.08.2012 angefochten.



Die Rahmen-Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit und Personalwirtschaft zur Produktivitätsentwicklung/ Beteiligung bei der K. GmbH & Co. KG vom 24.06.2010 (im Folgenden: Rahmen-BV) enthält Regelungen bezüglich Arbeitszeitkonten und einem so genannten Ampelmodell, nicht jedoch Regelungen bezüglich des Umgangs mit Umkleidezeiten (vgl. hinsichtlich der Einzelheiten Bl. 32-42 der Akte). Auf das Arbeitsverhältnis finden zudem der Lohntarifvertrag für die K. GmbH & Co. KG vom 04.04.2013 sowie der Manteltarifvertrag der Firma K. GmbH & Co. KG vom 05.12.2011 Anwendung. Ausweislich des Lohntarifvertrages betrug der Stundenlohn für den Kläger bis zum 30.06.2013 EUR 21,61 und ab dem 01.07.2013 EUR 22,24.



Der Manteltarifvertrag lautet auszugsweise wie folgt:



"§ 3 Arbeitszeit



1. Die durchschnittliche regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 37,5 Stunden.



[...]



5. Wird eine wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden über- oder unterschritten (Arbeitszeitguthaben/ Arbeitszeitschuld), so ist die sich daraus ergebende Zeitdifferenz für jeden betroffenen Arbeitnehmer einem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben bzw. zu belasten. [...] Auf dem Arbeitszeitkonto werden außerdem alle Zuschläge gemäß § 4 Abs. 2 MTV (mit Ausnahme der Schichtzuschläge gemäß lit. g) und j) gutgeschrieben, soweit der Arbeitnehmer nicht die Auszahlung in Geld ausdrücklich beantragt. [...]



§ 4 Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit



[...]



II. Vergütung



1. für Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sind folgende Zuschläge zu zahlen:



a) für Mehrarbeit 25 v. H.



[...]"



Hinsichtlich der Einzelheiten des Manteltarifvertrages wird auf Bl. 96-105 der Akte verwiesen.



Der Kläger erfasste arbeitstäglich mit der Stoppuhrfunktion seines Mobiltelefons seine individuelle Umkleidezeit sowie die innerbetriebliche Wegezeit, wobei der Umfang der von ihm erfassten Zeiten streitig ist. Nachdem der Kläger zunächst unter Berufung auf den (angefochtenen) Einigungsstellenspruch mit seiner Klageschrift vom 01.03.2013 die Gewährung von Freizeit für aufgewandte Umkleidezeiten verlangte, änderte er seine Klage mit Schriftsatz vom 07.11.2013 und erweiterte diese mit Schriftsatz vom 06.03.2014 und machte zuletzt für die Monate September 2012 bis Februar 2014 die Zahlung von Überstunden einschließlich der tariflichen Mehrarbeitszuschläge geltend.



Der Kläger hat vorgetragen, dass es sich bei der erbrachten Umkleidezeit um eine Arbeitsleistung handele und diese entsprechend zu vergüten sei. Wenn sich der Anspruch nicht aus dem im Rahmen des Spruchs der Einigungsstelle eingerichteten Umkleidezeitkontos ergebe, so handele es sich jedenfalls um Überstunden, die auch entsprechend mit den tarifvertraglichen Mehrarbeitszuschlägen zu vergüten seien. Die von ihm individuell für jeden Tag erfassten Wege-, Hygiene- und Umkleidezeiten habe er stets vor Schichtbeginn um 6:00 Uhr bzw. nach Schichtende um 14:30 Uhr erfasst. Ein Duschvorgang sei in diesen Zeiten nicht erfasst. Hinsichtlich der detaillierten Auflistung des Klägers bezüglich der von ihm erfassten Umkleidezeiten wird auf Bl. 57-68, 111 und 166-169 der Akte verwiesen.



Der Kläger hat beantragt:



1. Die Beklagte wird verurteilt, EUR 2.249,07 brutto für geleistete Mehrarbeit nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf



EUR 44,48 brutto für den Monat September 2012 seit dem 01.10.2012,



EUR 133,02 brutto für den Monat Oktober 2012 seit dem 01.11.2012,



EUR 81,74 brutto für den Monat November 2012 seit dem 01.12.2012,



EUR 140,47 brutto für den Monat Dezember 2012 seit dem 01.01.2013,



EUR 184,87 brutto für den Monat Januar 2013 seit dem 01.02.2013,



EUR 159,66 brutto für den Monat Februar 2013 seit dem 01.03.2013,



EUR 208,41 brutto für den Monat März 2013 seit dem 01.04.2013,



EUR 199,95 brutto für den Monat April 2013 seit dem 01.05.2013,



EUR 126,08 brutto für den Monat Mai 2013 seit dem 01.06.2013,



EUR 140,68 brutto für den Monat Juni 2013 seit dem 01.07.2013,



EUR 137,17 brutto für den Monat Juli 2013 seit dem 01.08.2013,



EUR 121,89 brutto für den Monat August 2013 seit dem 01.09.2013,



EUR 180,85 brutto für den Monat Oktober 2013 seit dem 01.11.2013,



EUR 117,73 brutto für den Monat November 2013 seit dem 01.12.2013,



EUR 110,46 brutto für den Monat Dezember 2013 seit dem 01.01.2014,



EUR 29,72 brutto für den Monat Januar 2014 seit dem 01.02.2014 und



EUR 176,39 brutto für den Monat Februar 2014 seit dem 01.03.2014,



zu zahlen.



hilfsweise,



festzustellen, dass die bisher unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlich Umkleidezeit (von der Beklagten gestellte Arbeitskleidung) einschließlich der innerbetrieblichen Wegezeit von der Umkleidestelle bis zum betrieblichen Bereich "Zentralwerkstatt" vergütungspflichtige Arbeitsstunden sind.



2. Festzustellen, dass alle in der Zukunft auflaufenden Stunden für erforderliche Umkleidezeit einschließlich der innerbetrieblichen Wegezeit von der Umkleidestelle bis zum betrieblichen Bereich "Zentralwerkstatt" vergütungspflichtige Arbeitszeit sind.



Die Beklagte beantragt,



die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger könne sich nicht auf die Ergänzungsvereinbarung "Umkleidezeiten" berufen, da diese von der Beklagten wirksam angefochten worden sei. Bei einer Überschreitung der tariflichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden würden die Zeitdifferenzen dem Arbeitszeitkonto gemäß der Regelung unter § 3 Ziff. 5 des Manteltarifvertrages gutgeschrieben. Allerdings handele es sich bei den vom Kläger erfassten Arbeitszeiten nicht um Arbeitszeit in diesem Sinne. Auch unabhängig von dem Spruch der Einigungsstelle bzw. der Ergänzungsvereinbarung habe der Kläger keinen Anspruch auf Vergütung der von ihm behaupteten Umkleidezeiten. Es obliege nicht dem Arbeitnehmer, willkürlich die Dauer der Umkleide- und Wegezeiten festzulegen, vielmehr unterfielen diese Zeiten dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, inwiefern die von dem Kläger geltend gemachten Zeiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit zu Stande gekommen seien. Sofern sich der Kläger darauf berufe, dass es sich bei den von ihm geltend gemachten Umkleidezeiten um Mehrarbeit gehandelt habe, so sei diese weder von der Beklagten angeordnet worden, noch handele es sich aufgrund des bloßen Anziehens von Arbeitskleidung um vergütungspflichtige Mehrarbeit. Zudem sei nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger seine wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden überschritten habe. Zudem beinhalte die Schichtzeit eine 30-minütige unbezahlte Pause sowie eine 15-minütige bezahlte Pause. Jedenfalls die 15-minütige bezahlte Pause sei von den geltend gemachten Umkleide- und Wegezeiten in Abzug zu bringen. Vor dem Hintergrund, dass der Einigungsstellenspruch zunächst von der Beklagten umgesetzt worden sei und die Zeiten auf dem so genannten "Umkleidezeitkonto" erfasst worden seien, könne der Kläger nicht für dieselben Zeiten Mehrarbeitsvergütung verlangen. Die Beklagte habe zudem die innerbetriebliche Wegezeit sowie den Umkleidevorgang mit einem Zeugen nachgestellt und sei insoweit auf eine Zeit von vier Minuten 25 Sekunden gekommen (insoweit wird auf das Vorbringen der Beklagten auf Bl. 140-142 der Akte verwiesen). Es steht zu vermuten, dass die darüber hinausgehenden vom Kläger angegebenen Umkleide- und Wegezeiten durch Gespräche mit Kollegen verursacht worden seien.



Mit Urteil vom 03.04.2014 hat das Arbeitsgericht der Klage entsprochen.



Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Umkleidezeiten und innerbetrieblichen Wegezeiten Teil der geschuldeten tariflichen Arbeitszeit des Klägers seien. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger seine wöchentliche geschuldete Arbeitszeit im Umfang von 37,5 Stunden erbracht und die Umkleide- und Wegezeiten darüber hinaus geleistet habe. Die entsprechende Darlegung des Klägers, wonach er für das Umkleiden jeweils ca. 8 Minuten benötige, sei plausibel. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei aus prozess- und kostenökonomischen Gründen nicht angezeigt. Soweit die Beklagte dem Kläger unter Verweis auf § 3 Ziff. 5 Abs. 1 MTV die Gewährung von Freizeit verweigere und gleichzeitig die Auszahlung der Mehrarbeit, die durch Umkleide- und Wegezeiten entstanden sei, verweigere, handele sie rechtsmissbräuchlich.



Gegen das ihr am 25.04.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.04.2014 Berufung eingelegt, und diese nach Verlängerung vom 18.06.2014 bis zum 25.07.2014 am 25.07.2014 begründet.



Die Beklagte vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Das Umkleiden erfolge auf Basis des Einigungsstellenspruches, nicht aber auf Anweisung der Beklagten. Mehrarbeit und Mehrarbeitszuschläge fielen nach dem Manteltarifvertrag nur an, wenn die Mehrarbeit durch den Arbeitgeber angeordnet worden sei; eine Duldung reiche nicht aus. Es liege kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten vor. Der Arbeitnehmer habe allenfalls Anspruch auf eine Zeitgutschrift. Dem sei die Beklagte mit dem "Umkleidezeitkonto" auch nachgekommen. Auf Leistungen aus einer Betriebsvereinbarung könne nur mit Zustimmung der Betriebsparteien verzichtet werden, so dass die Beklagte nicht - wie vom Arbeitsgericht ausgeführt - ein Guthaben abziehen könne. Auch liege keine Mehrarbeit im Sinne des Manteltarifvertrages vor. Zudem habe die Beklagte mit der zuständigen Gewerkschaft NGG über dieses Thema verhandelt, so dass schon deshalb kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliege. Der Kläger habe der ihm obliegenden Darlegungslast nicht genügt, da er nicht im Einzelnen und konkret dargelegt habe, wann er welche genauen Tätigkeiten beim Umkleiden verrichtet haben will. Insbesondere fehle es insoweit z.B. an der Mitteilung der jahrestypischen Privatkleidung. Auch habe die Beklagte die vom Kläger ermittelten Zeiten nicht nur pauschal sondern substantiiert bestritten. Eine Erklärung mit Nichtwissen sei zulässig. Die von der Beklagten eingesetzte Testperson habe nur 50 % der vom Kläger behaupteten Zeit benötigt. Insoweit hätte das Gericht von einem non liquet ausgehen müssen. In einem solchen Fall sei die Schätzung der tatsächlich erfolgten Zeit nicht zulässig. Das Gericht hätte ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Auch werde bestritten, dass der Kläger seine persönliche Leistungsfähigkeit ausgenutzt habe. Für den Feststellungsantrag fehle es schon an einem Rechtsschutzbedürfnis.



Hinsichtlich des vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Feststellungsantrags haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte und die zuständige Gewerkschaft unter dem 10.09.2015/21.09.2015 einen neuen Tarifvertrag über Arbeitszeiten geschlossen haben.



Die Beklagte beantragt,



die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 03.04.2014, Az.: 5 Ca 5061/13, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.



Der Kläger beantragt,



die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 03.04.2014 - 5 Ca 5061/13 - zurückzuweisen.



Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Es sei Aufgabe der Beklagten die Fremdnützigkeit der Zeiten darzulegen. Der Kläger weist darauf hin, dass die Arbeitskleidung gem. Ziff. 5.1 der Betriebsvereinbarung auf dem Firmengelände verbleiben müsse und das Umziehen der Outdoor-Kleidung auf dem Firmengelände erfolgen müsse. Auch zu den Hygienemaßnahmen trägt der Kläger im Einzelnen vor (Bl. 228 d.A.). Soweit sich die Beklagte darauf berufe, die Testperson B. habe exemplarisch nur eine Umkleidezeit von 4 Minuten und 25 Sekunden benötigt, sei der von der Beklagten durchgeführte Umkleidevorgang fehlerhaft. In diesem Umkleidevorgang werde die Tragepflicht der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) nicht berücksichtigt. Diese bestehe aus Sicherheitsschuhen, Haarnetz, Kopfschutz, Ohrenstopfen und Sicherheitsbrille. Auch der Hygienevorgang, bestehend aus Händewaschen, Desinfizieren, Trocknen und Eincremen sei von der Beklagten nicht berücksichtigt worden. Auch sei zu berücksichtigen, dass der vom Kläger durchzuführende Desinfektionsvorgang im Treppenhaus B erfolgen müsse und er dafür zunächst von dem Umkleideraum diesen Weg zu beschreiten habe und danach der Weg zur Werkstatt vom Treppenhaus B und nicht, wie von der Beklagten dargestellt, vom Umkleideraum zu erfolgen habe. Er müsse 10 Minuten vor Schichtbeginn in Arbeitskleidung seine Tätigkeit in der Zentralwerkstatt aufnehmen, wie sich aus der Anlage 1 der Rahmen-BV ergebe. Dies alles spreche für die Fremdnützigkeit im Sinne der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.09.2012. Danach seien die Umkleide-, Hygiene- und Wegezeiten vergütungspflichtig. Auch sei schon deshalb von Mehrarbeit auszugehen, da diese von der Beklagten zumindest konkludent angeordnet worden sei. Dies sei auch nicht durch die Regelungen des Manteltarifvertrages ausgeschlossen. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn die Beklagte sowohl die Freizeitnahme nicht ermögliche als auch Mehrarbeit nicht vergüte. Der Kläger schöpfe seine persönliche Leistungsfähigkeit aus. Bei der Darstellung der Beklagten werde die PSA (persönliche Schutzausrüstung) komplett außen vor gelassen. Die Umkleide- und Wegezeiten seien nach § 611 Abs. 1 BGB vergütungspflichtig. Pausenzeiten dienten der Erholung und könnten schon deshalb nicht gegengerechnet werden. Das Umkleiden sei auf Weisung der Beklagten erfolgt und beruhe nicht auf der Grundlage des Einigungsstellenspruchs. Die Ausschlussfrist sei gem. § 13 MTV gewahrt. Denn eine erstmalige Ausweisung sei in der Abrechnung für Januar 2013 erfolgt. Das Geltungsmachungsschreiben des Klägers stamme vom 10.02.2013.



Mit Beschluss vom 26.01.2016 hat das Landesarbeitsgericht Bremen (1 TaBV 9/14) den von der Beklagten gestellten Feststellungsantrag der Beklagten, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 28.08.2012 als Ergänzungsvereinbarung zur früheren Rahmenbetriebsvereinbarung über die Arbeitszeit unwirksam ist, für unzulässig erklärt, da die Beklagte und die zuständige Gewerkschaft unter dem 10.09.2015/21.09.2015 einen neuen Tarifvertrag über Arbeitszeiten geschlossen haben, wodurch es im Anfechtungsverfahren zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat an einem Rechtsschutzinteresse für die Feststellung fehle.



Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften sowie den gesamten Akteninhalt verwiesen.



Entscheidungsgründe



A.



Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie gem. § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Sie ist im Sinne der §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig.



B.



I. Die Berufung ist unbegründet.



1. Der Zahlungsantrag ist zulässig.



a) Das Arbeitsgericht hat die Klageänderung als sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO beurteilt. Entscheidend komme es darauf an, ob ein weiterer Prozess der Parteien durch die Zulassung der Klageänderung vermieden werden könne. Ein völlig neuer Streitstoff werde durch die Klagänderung nicht in den Rechtsstreit eingeführt. Vorliegend handele es sich um einen weitestgehend identischen Sachverhalt. Der Kläger begehre nunmehr lediglich nicht länger die Gewährung von Freizeit, sondern verlange demgegenüber die Vergütung von geleisteter Mehrarbeit. Eine Verwertung des bisherigen Prozessstoffes sei daher ohne weiteres möglich.



b) An eine von der I. Instanz zugelassene Klagänderung ist die Berufungsinstanz gebunden (s. § 268 ZPO).



2. Der Zahlungsantrag ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung von € 2.249,07 brutto nebst Zinsen in dem ausgeurteilten Umfang.



2.1 Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Auszahlung der von ihm geltend gemachten Mehrarbeitsvergütung.



2.1.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist Arbeit jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 19.09.2012 -5 AZR 678/11 -BAGE 143, 107-118; 20.04.2011, 5 AZR 200/10). Zur Arbeit gehört auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss (BAG 19.09.2012, a.a.O.). Die Fremdnützigkeit des Umkleidens ergibt sich vorliegend bereits aus der Weisung des Arbeitgebers, die ein Anlegen der Arbeitskleidung zu Hause und ein Tragen auf dem Weg zur Arbeitsstätte ausschließt. Hinzukommt, dass das Tragen der Berufungskleidung, wenn es primär hygienischen Zwecken dient, damit auch den betrieblichen Belangen des Arbeitgebers dienlich ist (vgl. BAG 10.11.2009, 1 ABR 54/08; BAG 19.09.2012, a.a.O.). Nach diesen Grundsätzen ist das Anlegen vorgeschriebener Hygienekleidung, etwa Hose, Oberteil oder Kittel, als ausschließlich fremdnützig anzusehen, weil der Arbeitnehmer mit diesem Anlegen keine weiteren eigenen Zwecke verfolgt. Setzt das Anlegen der entsprechenden Arbeitskleidung notwendig voraus, dass der Arbeitnehmer Privatkleidung ablegt, ist auch das Ablegen der Privatkleidung von der Vergütungspflicht umfasst. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn es sich um Oberkleidung handelt, die aus Gründen des Schutzes des Arbeitnehmers vor besonderen Witterungsbedingungen (etwa Winterkleidung, Regenkleidung) oder Gefahren (Fahrrad- oder Motorhelm) getragen wird. In solchen Fällen fehlt nämlich der Zurechnungszusammenhang zwischen der Fremdnützigkeit des Umkleidens und dem Ablegen dieser Kleidungsstücke. Der Arbeitnehmer hätte diese Kleidungsstücke genauso ablegen müssen, wenn er nicht zum Tragen von Dienstkleidung im Betrieb verpflichtet wäre. Ebenso wenig entsteht eine Vergütungspflicht, wenn die Privatkleidung überhaupt nicht abgelegt werden muss, weil die vorgeschriebene Arbeitskleidung als Oberkleidung getragen werden kann (Franzen NZA 2016, 136).



2.1.2 Da die Arbeit in diesem Fall mit dem Umkleiden beginnt, zählen auch die innerbetrieblichen Wege zur Arbeitszeit, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss (BAG 19.09.2012 - 5 AZR 678/11; 28.07.1994 -6 AZR 220/94). Umkleidezeiten gehören somit dann zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt (BAG 10.11.2009 -1 ABR 54/08). Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit Nichtarbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und z. B. ohne besonders auffällig zu sein, auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. Letztes ist jedoch vorliegend auf Grund der Regelungen durch die Beklagte nicht möglich. Da nicht nur das Tragen der von der Arbeitgeberin gestellten Firmenkleidung, sondern auch das An- und Ablegen in den vorgenannten Fällen fremdnützig ist, zählt auch die Zeit des Umkleidevorgangs selbst im Betrieb zur Arbeitszeit.



2.1.3 Die Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten sind Teil der vom Kläger geschuldeten tariflichen Arbeitszeit. Eine Bestimmung, ob es sich bei den vorgenannten Zeiten um Arbeitszeit handelt, ergab sich für den streitgegenständlichen Zeitraum zwar weder aus dem Manteltarifvertrag noch aus der Rahmen-BV ausdrücklich. Doch sind hier die eingangs dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Umkleide- und Wegezeiten als Arbeitszeit heranzuziehen. Vorliegend schreibt der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung und das Umkleiden im Betrieb vor. Die Fremdnützigkeit des Umkleidens ergibt sich vorliegend schon aus der Weisung des Arbeitgebers, die ein Anlegen der Arbeitskleidung zu Hause und ein Tragen auf dem Weg zur Arbeitsstätte ausschließt. Insoweit kann auf die Betriebsvereinbarung über die Einführung und Nutzung der K. Arbeitskleidung (insbesondere Ziff. 5.) vom 23.09.2013 und die Aushänge der Beklagten vom 17.09.2010 und vom 09.03.2011 verwiesen werden. Zudem dient im Betrieb der Beklagten das Tragen der Arbeitskleidung primär hygienischen Zwecken und damit betrieblichen Belangen der Beklagten. Da die Arbeit in diesem Falle mit dem Umkleiden beginnt, zählen auch die innerbetrieblichen Wege zur Arbeitszeit, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle eingerichtet hat, die der Arbeitnehmer benutzen muss.



2.1.4 Die Regelungen der Rahmen-Betriebsvereinbarung vom 24.06.2010 (Anlage A 1, Bl. 31 ff. d. A.) stehen der vom Kläger geltend gemachten Mehrarbeitsvergütung nicht entgegen (vgl. LAG Bremen 12.01.2016 -1 Sa 59/14). Die vorgenannte Rahmen-BV sieht keine Regelungen bezüglich des Umgangs mit Umkleidezeiten vor. Geregelt ist vielmehr nur die Führung eines allgemeinen Arbeitszeitkontos mit Ampelmodell. Auf dieses Arbeitszeitkonto wurden die hier streitgegenständlichen Zeiten jedoch unstreitig nicht eingestellt.



2.1.5 Auch der für den Streiteitraum maßgebliche Manteltarifvertrag der Beklagten steht den klägerischen Ansprüchen nicht entgegen. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass § 3 Ziff. 5 Abs. 1 des MTV die Gutschrift von Zeitdifferenzen auf einem Arbeitszeitkonto, soweit die wöchentliche Arbeitszeit von 37,5-Stunden überschritten wird, vorsieht. Damit wird dem jeweiligen Arbeitnehmer zunächst nur ein Anspruch auf Zeitgutschrift auf einem zu führenden Arbeitszeitkonto eingeräumt. Allerdings ist die Beklagte dem nur insoweit nachgekommen, als sie zwar Zeitguthaben teilweise auf dem Konto "Umkleidezeiten" erfasst hat, eine Anerkennung dieser Zeiten ist damit jedoch nicht einhergegangen. Denn die Beklagte hat die durch den Spruch der Einigungsstelle vom 28.08.2012 (Anlage K 1, Bl. 6 ff. d. A.) getroffene Regelung angefochten und zum Ausdruck gebracht, die erfassten Zeiten nicht anerkennen zu wollen. Auch dem ursprünglichen Klägerbegehren, ihm für das auf diese Art und Weise erfasste Zeitguthaben Freizeit zu gewähren, hat die Beklagte nicht entsprochen. Die Beklagte handelte daher rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB, da sie dem Kläger einerseits die Gewährung von Freizeit für das vorhandene Zeitguthaben verwehrte, andererseits jedoch unter Verweis auf die einschlägige manteltarifvertragliche Vorschrift eine Auszahlung von Überstunden verweigerte (vgl. LAG Bremen 12.01.2016 -1 Sa 59/14). Denn dadurch konnten die Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Vergütung von Mehrarbeit durch Umkleidezeiten nicht realisieren. Dass die Beklagte mit der zuständigen Gewerkschaft NGG über das Thema im Rahmen neuer Verhandlungen über den Manteltarifvertrag verhandelt hat, gibt zu keiner anderen Sichtweise Anlass, da die Tarifparteien über die Vergangenheit keine Regelung hinsichtlich der Umkleide- und Wegezeiten getroffen haben, sondern sich nur für die Zukunft ab Oktober 2015 verständigt haben (LAG Bremen 12.01.2016 -1 Sa 59/14). Allerdings haben die Tarifvertragsparteien unter § 3 Ziff. 5 Abs. 2 MTV vom 05.12.2011 jedenfalls im Hinblick auf die Zuschläge für Mehrarbeit einen Auszahlungsanspruch der Arbeitnehmer vorgesehen. Wenn der Arbeitgeber dann für die angefallene Mehrarbeit die Gutschrift und damit in Konsequenz auch die Gewährung von Freizeit aus einem entsprechenden Zeitguthaben verweigert, müssten die betroffenen Arbeitnehmer nach Sinn und Zweck des Tarifvertrages jedenfalls Anspruch auf entsprechende Auszahlung in Geld haben. Jedenfalls lässt sich mit Sinn und Zweck der Vorschrift und der Systematik des Tarifvertrages nicht vereinbaren, dass die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer bei der Leistung von Mehrarbeit etwa so hätten stellen wollen, dass sie weder die Gewährung von Freizeit noch eine Auszahlung des Zeitguthabens in Geld verlangen können (LAG Bremen 12. Januar 2016 -1 Sa 59/14).



2.2 Die von dem Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche bestehen auch der Höhe nach.



2.2.1 In welchem zeitlichen Umfang Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten zur Arbeitszeit rechnen, ergibt sich -soweit eine anderweitige Regelungen nicht besteht - nach der Rechtsprechung des BAG nach allgemeinen Grundsätzen. Der Arbeitnehmer darf dabei seine Leistungspflicht nicht willkürlich bestimmen, sondern muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten (BAG 19.09.2012, a.a.O.; BAG 11.12.2003 -2 AZR 667/02). Dieser modifizierte subjektive Maßstab gilt auch für das Umkleiden und das Zurücklegen des Weges von der Umkleide-zur Arbeitsstätte. Nur die Zeitspanne, die dazu für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, zählt zur Arbeitszeit (BAG 12.11.2013 -1 ABR 59/12; BAG 19.09.2012, a.a.O.). Die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erforderlichen Umkleidezeiten einschließlich der innerbetrieblichen Wegezeiten von der Umkleide-bis zur Arbeitsstelle sind vergütungspflichtig (BAG 19.09.2012, a.a.O.). Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs.1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an. Dazu zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Zu den im Sinne von § 611 Abs. 1 BGB versprochenen Diensten gehört auch das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb. In einem solchen Fall macht der Arbeitgeber selbst mit seiner Weisung das Umkleiden und das Zurücklegen des Weges von der Umkleide-zur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung (BAG 19.09.2012, a.a.O.).



2.2.2 Der Arbeitnehmer muss daher vortragen, wie viel Zeit er für den einzelnen Umkleidevorgang benötigt. Erfolgt dies detailliert genug, kann der Arbeitgeber diesen Vortrag nicht lediglich bestreiten, sondern muss nach § 138 II ZPO substanziiert ausführen, warum die vom Arbeitnehmer genannte Dauer der jeweiligen Umkleidezeit nicht zutreffen kann. Hierbei kann der Arbeitgeber zunächst Durchschnitts- und Erfahrungswerte anderer Arbeitnehmer im Hinblick auf die für das Umkleiden notwendige Zeit benennen (vgl. Franzen NZA 2016, 136).



2.2.3 Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger seine wöchentliche Arbeitszeit im Umfang von 37,5 Stunden erbracht hatte und die geltend gemachten Umkleide- und Wegezeiten jeweils hierüber hinausgingen. Soweit die Beklagte dies lediglich mit Nichtwissen bestritten habe, sei dies nicht ausreichend. Insoweit hätte die Beklagte konkreten Sachvortrag dartun müssen, inwiefern der Kläger an welchen Tagen bzw. Wochen seine wöchentliche Arbeitszeit nicht in vollem Umfang erbracht hat. Da im Betrieb der Beklagten Arbeitszeitkonten geführt werden, wäre dies der Beklagten auch ohne weiteres möglich gewesen. Dieser Würdigung ist die Beklagte auch zweitinstanzlich nicht substantiiert entgegengetreten.



2.2.4 Dem Kläger kann hinsichtlich der von ihm geltend gemachten Zeiten auch nicht wirksam entgegengehalten werden, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht angemessen ausgeschöpft habe.



a) Im Streitfall hat der Kläger seine Zeiten, die er für die jeweiligen Umkleidevorgänge und innerbetrieblichen Wegezeiten erbracht hat, jeweils konkret angegeben und damit nicht willkürlich selbst bestimmt. Denn er hat die Zeiten selbst mit der Stoppuhrfunktion gestoppt und im Einzelnen dargetan. Damit hat der Kläger sich nicht bloß auf eine pauschale Dauer der täglichen Umkleide- und Wegezeiten gestützt.



b) Der Kläger hat auch detailliert und nachvollziehbar dargelegt, welche Kleidungsstücke er im Rahmen der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) anlegen muss. Darüber hinaus hat er die erforderlichen Hygienemaßnahmen und die von ihm zu verrichtenden Wegezeiten dargelegt. Dem ist die Beklagte entgegengetreten mit der Darlegung, dass die Testperson B. anders als der Kläger lediglich eine Umkleide- und Wegezeit von 4 Minuten und 25 Sekunden benötigt habe. Im Rahmen der abgestuften Darlegungslast genügt dieser Vortrag der Beklagten grundsätzlich nach den oben genannten Grundsätzen, sofern die Testperson bei der Ermittlung der Vergleichszeit vergleichbare Umkleidetätigkeiten und Hygienemaßnahmen absolviert und die gleichen Wege wie der zu vergleichende Arbeitnehmer zurückgelegt hat. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Bei der Ermittlung der Umkleidezeiten durch die Testperson B. blieben die Hygienemaßnahmen gänzlich unberücksichtigt. Des Weiteren hat die Testperson auch andere Wege zurückgelegt als der Kläger. Der Kläger hat diesbezüglich konkret ausgeführt, dass der für ihn vorgeschriebene Hygienevorgang von ihm nicht im Umkleideraum sondern im Treppenhaus B zu absolvieren ist. Dementsprechend hat er den Weg zum Arbeitsplatz nicht vom Umkleideraum sondern vom Treppenhaus B aus angetreten. Damit ist die von der Beklagten durch die Testperson B. ermittelte Umkleide- und Wegezeit nicht mit der vom Kläger tatsächlich absolvierten Umkleide- und Wegezeit vergleichbar. Damit ist die Beklagte im Ergebnis dem Vortrag des Klägers nicht hinreichend erheblich entgegengetreten. Da der Umkleidevorgang des Klägers einschließlich der Wegezeiten und der Hygienemaßnahmen von diesem hinreichend plausibel und nachvollziehbar geschildert wurden, bestehen daher für die Kammer keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger tatsächlich gestoppten Umkleide- und Wegezeiten nicht den tatsächlich vom Kläger aufgewandten Zeiten entsprechen.



2.2.5 Bei den vom Kläger geltend gemachten Zeiten handelt es sich auch um Mehrarbeit, die von der Beklagten jedenfalls konkludent angeordnet worden ist. Der Kläger war auf Anweisung der Beklagten gehalten, sich außerhalb der dienstplanmäßig festgesetzten Arbeitsstunden umzukleiden und die Wege von der Umkleide- zur Arbeitsstelle zurückzulegen. Dies ergibt sich auch aus den vorgenannten Aushängen der Beklagten. Damit hat die Beklagte im Sinne der tariflichen Vorschriften Überstunden konkludent angeordnet (vgl. BAG 10.04.2013, 5 AZR 122/12). Soweit die Beklagte sich auf § 4 Abs. I Ziff. 1 des MTV vom 05.12.2011 beruft, wonach Mehrarbeit die Arbeitszeit ist, die über die wöchentlich festgelegte Arbeitszeit hinausgeht, soweit sie angeordnet ist, schließt diese Formulierung nicht aus, dass damit auch eine konkludente Anordnung erfasst ist.



2.2.6 Die gewährte tägliche 15-minütige bezahlte Pause steht den vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegen. Bezahlte Pause ist die Zeit, die dem jeweiligen Arbeitnehmer zur freien Gestaltung zur Verfügung gestellt wird. Diese Zeiten sind als eigennützig zu charakterisieren und eben nicht wie Umkleidezeiten fremdnützig. Schon von daher können solche Zeiten weder in Abzug gebracht werden noch sonst gegengerechnet werden (LAG Bremen 12.01.2016 -1 Sa 59/14).



2.3 Da das Geltendmachungsschreiben des Klägers vom 12.02.2013 stammt und die Zeiten erstmalig in der Abrechnung für Januar 2013 ausgewiesen sind, hat der Kläger auch die dreimonatige Ausschlussfrist gem. § 13 MTV eingehalten. Nach allem ist der klägerische Zahlungsantrag begründet, der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.



3. Über den vom Kläger gestellten Feststellungsantrag war nach Erledigungserklärung im Termin vor dem Landesarbeitsgericht am 24.02.2016 nicht mehr zu entscheiden.



II. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91a, 97 ZPO. Die Kosten der Berufung waren der Beklagten insgesamt aufzuerlegen, da zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung der Feststellungsantrag des Klägers zulässig und begründet war.



III. Gegen dieses Urteil war die Revision nicht zuzulassen, weil kein Grund hierfür im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG gegeben war.



Wegen der Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil zu erheben, wird auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

Vorschriften§ 4 Abs. 2 MTV, § 3 Ziff. 5 Abs. 1 MTV, § 611 Abs. 1 BGB, § 13 MTV, § 64 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, § 263 ZPO, § 268 ZPO, § 3 Ziff. 5 Abs. 1 des MTV, § 242 BGB, § 3 Ziff. 5 Abs. 2 MTV, § 611 Abs.1 BGB, § 138 II ZPO, § 4 Abs. I Ziff. 1 des MTV, §§ 286, 288 BGB, §§ 91a, 97 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG, § 72 a ArbGG

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