27.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193517
Landesarbeitsgericht Hamburg: Urteil vom 07.12.2016 – 6 Sa 59/16
1. Regelungen in einer Betriebsvereinbarung, wonach zukünftige Tariferhöhungen des einschlägigen Branchentarifvertrags zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehalts der Arbeitnehmer führen, verstoßen gegen § 77 Abs. 3 BetrVG . Auch wenn sich eine solche Zusage in der Präambel der Betriebsvereinbarung befindet, kann sie im Regelfall nicht als Gesamtzusage ausgelegt werden. Eine Umdeutung in eine Gesamtzusage kommt nicht Betracht, wenn es an besonderen Umständen fehlt, die die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung zu der zugesagten Leistung verpflichten wollen.
2. Betriebliche Regelungen zu Weihnachts- und Urlaubsgeld unterfallen dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG . Abweichende Regelungen im einschlägigen Tarifvertrag stehen der Wirksamkeit von Betriebsvereinbarungsregelungen zu Weihnachts- und Urlaubsgeld nur so lange entgegen, wie der Arbeitgeber tarifgebunden ist ( § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ). Tritt der Arbeitgeber aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband aus, entfalten die Betriebsvereinbarungsregelungen nach dem Ende der Nachbindung aus § 3 Abs. 3 TVG Wirkung.
3. Die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung hat nur dann die Unwirksamkeit auch ihrer übrigen Bestimmungen zur Folge, wenn diese ohne die unwirksamen Teile keine sinnvolle, in sich geschlossene Regelung mehr darstellen (nach BAG 05.05.2015 - 1 AZR 435/13 - juris Rn 20).
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. Juni 2016 - Az. 12 Ca 15/16 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.644,24 brutto (Weihnachtsgeld 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2015.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.644,24 brutto (Urlaubsgeld 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz ab dem 1. Juni 2016.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat 82%, der Kläger hat 18% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer monatlichen Entgelterhöhung seit August 2015 sowie des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2015 und des Urlaubsgeldes für das Jahr 2016.
Der Kläger steht seit März 2007 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 1. März 2007 zugrunde (Anlage A2, Bl. 11 ff. d.A.). Er ist als Lagerist in der Logistik tätig und bezog zuletzt ein regelmäßiges Bruttomonatseinkommen in Höhe von € 2.630,78. Dieses bestand aus einem Grundgehalt von € 2.521,70 und einer Zulage in Höhe von € 109,08 und wurde auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1997 gezahlt.
Diese Betriebsvereinbarung vom 1. August 1997 (im Folgenden: BV 97) beinhaltet unter anderem Regelungen zur Mindestgehaltshöhe, zur Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, zu den bei der Beklagten bestehenden Gehaltsgruppen und zur Zuordnung der Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer zu diesen Gehaltsgruppen.
Auszugsweise lautet die BV 97 wie folgt:
"Präambel:
Ziel der Konzeption einer Betriebsvereinbarung war die Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems, das für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar, einsehbar und leistungsgerecht ist.
Ferner sollen die gesetzlichen Ladenschlußzeiten des Einzelhandel in gerechte Rahmenbedingungen gefügt werden.
Als Grundlage wurden größtenteils bestehende Vereinbarungen genommen. Der Tarif berücksichtigt die Mindestforderungen des Einzelhandelstarifes in Hamburg soweit nicht andere Vereinbarungen getroffen werden und diese einen individuellen Leistungsausgleich berücksichtigen (Arbeitsvertrag). Eine Überarbeitung findet mindestens zum Zeitpunkt gültiger Tarifverhandlung des Einzelhandels statt.
Die nachstehenden Paragraphen ergänzen die Regelungen des Arbeitsrechtes und gelten als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung).
Jedem G. wird eine Ausfertigung der Vereinbarung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben.
...
Inhaltsverzeichnis
...
§ 9 Urlaubs- und Weihnachtsgeld
G. zahlt für jedes Beschäftigungsjahr ein Urlaubsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist spätestens der 31. Mai eines jeden Jahres. ...
G. zahlt in jedem Beschäftigungsjahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist spätestens der 30. November eines jeden Jahres. ...
...
§ 17 Gehaltstarif
Die G.-Gehälter garantieren eine Mindesthöhe über den jeweiligen Hamburger Tarifen
In den Tarifen G0, G1, G2 sind das DM 200,00
In den Tarif G3 sind das DM 300,00
In den Tarifen G4a G4b sind das DM 500,00
...
Gehaltserhöhungen:
Zukünftige Tariferhöhungen führen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes.
In den Tarifen G0, G1, G2 sind das DM 200,00
In den Tarif G3 sind das DM 300,00
In den Tarifen G4a G4b sind das DM 500,00
Gehaltsgruppen:
Die Tätigkeitsbereiche der G. werden verschiedenen Gehaltsgruppen zugeordnet. Für die Eingruppierung des G.s kommt es auf die gemäß Arbeitsvertrag vereinbarte und zu verrichtende Tätigkeit an. ...
...
§ 22 Schlußbestimmung
Diese Betriebsvereinbarung tritt ab 1.8.97 in Kraft. Sie ist mit einer Frist von 6 Monaten zum Kalenderjahres, erstmals zum 28.2.98 kündbar."
Die Beklagte war bei Abschluss der BV 97 kraft Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels gebunden. Die tarifgebundene Mitgliedschaft der Beklagten im Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. endete im April 2008.
Die Beklagte kündigte die BV 97 zum 31. Dezember 2014. Mit Schreiben vom 31. Juli 2015 teilte die Beklagte dem bei ihr bestehenden Betriebsrat mit, dass die Tarifvertragsparteien eine tarifliche Entgelterhöhung zum 1. August 2015 vereinbart hätten, die Beklagte diese Erhöhung aber nicht weitergeben könne. Aufgrund der äußerst negativen Personalkostensituation und angespannten Finanzlage des Unternehmens könne sie zudem künftig die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht mehr fortsetzen. In ähnlicher Weise unterrichtete die Beklagte die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer. Für das Unterrichtungsschreiben an die Arbeitnehmer vom 31. Juli 2015 wird auf die Anlage A4, Bl. 27 f. d.A. verwiesen. Die Beklagte bot den Arbeitnehmern individuelle Ablösevereinbarungen an, die eine Zahlung von 30 % eines Gehalts als Einmalzahlung sowie ab 2016 40 % eines Gehalts gezwölftelt zusätzlich zum Monatsgehalt vorsahen. 70 % der Arbeitnehmer der Beklagten haben dieses Angebot angenommen.
Der Kläger machte mit Schreiben vom 21. September 2015 einen Anspruch auf eine Gehaltserhöhung ab 1. August 2015 um € 63,04 sowie auf ein Weihnachtsgeld für 2015 in Höhe von 62,5 % seines Gehalts geltend. Mit seiner am 7. Januar 206 erhobenen und mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger diese Ansprüche weiterverfolgt und ergänzend eine weitere Entgelterhöhung in Höhe von € 51,69 für Mai 2016 und die Zahlung des Urlaubsgeldes 2016 verlangt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm die geltend gemachten Ansprüche auf der Basis zweier Rechtsgrundlagen zustünden.
Zum einen sei dem Kläger in der BV 97 ein arbeitsvertraglicher individueller Leistungsanspruch zugesprochen worden. Mit der Formulierung in der Präambel der BV 97, dass die nachstehenden Paragraphen die Regelungen des Arbeitsrechtes ergänzten und als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung) gälten, hätten die Betriebsparteien geregelt, dass unabhängig von der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung die Inhalte der Betriebsvereinbarung Bestandteil des jeweiligen Arbeitsvertrages würden. Selbst bei Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung handele es sich um ein gebündeltes Vertragsangebot an die Arbeitnehmer, welches diese nachfolgend stillschweigend durch die Entgegennahme der Leistungen angenommen hätten. Diese Auffassung werde auch dadurch bestärkt, dass jedem Arbeitnehmer nach der Präambel der Betriebsvereinbarung eine Ausfertigung der Vereinbarung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben werden sollte. Aufgrund dieses bestehenden individualrechtlichen Anspruchs könne die Beklagte nur versuchen, diesen auf individualrechtlichem Wege zu verändern. Die ausgesprochene Kündigung der Betriebsvereinbarung sei dazu jedoch untauglich, weil sie nicht die einzelvertraglich entstandenen Ansprüche berühren könne. Aufgrund der individualrechtlichen Geltung der BV 97 könne der Kläger die für die Monate August 2015 bis April 2016 und Mai 2016 geltend gemachte Entgelterhöhung sowie das Weihnachtsgeld für 2015 und das Urlaubsgeld für 2016 verlangen.
Zum anderen bestehe für den Kläger aufgrund jahrelanger Zahlung des Tarifentgelts in der jeweiligen Fassung des Tarifvertrages zuzüglich eines Festbetrages ein individueller Anspruch aus einer erteilten Gesamtzusage in Verbindung mit einer betrieblichen Übung. Dabei sei zunächst zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich auf die Unwirksamkeit der BV 97 wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG berufe. Insoweit sei zu konzedieren, dass für den Fall, in welchem ein Arbeitgeber in Anwendung einer vermeintlich wirksamen Betriebsvereinbarung Leistungen an die Arbeitnehmer erbringe, allein dies regelmäßig keine betriebliche Übung begründe. Allerdings komme eine Umdeutung in eine vertragliche Einheitsregelung als Gesamtzusage in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigten, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, den Beschäftigten die in einer unwirksamen Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Dies müsse hier angenommen werden, weil die Beklagte die Unwirksamkeit der BV 97 schon bei Abschluss gekannt, gleichwohl die in der BV 97 vorgesehenen Leistungen - dies ist unstreitig - über 13 Jahre hinweg gewährt und auch nach Kündigung der Betriebsvereinbarung das Urlaubsgeld im Mai 2015 gezahlt und Anhebungen des Entgelts nach der Staffel der Betriebszugehörigkeitsjahre vorgenommen habe.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 315,20 brutto (Entgelterhöhung ab 1. August 2015 für die Monate August bis Dezember 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von jeweils € 63,04 ab dem 1. September 2015, 1. Oktober 2015, 1. November 2015, 1. Dezember 2015 und 1. Januar 2016;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.683,64 brutto (Weihnachtsgeld 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2015;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 252,16 brutto (Entgelterhöhung ab dem 1. Januar 2016 bis 30. April 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von jeweils € 63,04 ab dem 1. Februar 2016, 1. März 2016, 1. April 2016 und 1. Mai 2016;
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 51,69 brutto (Entgelterhöhung ab 1. Mai 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Juni 2016;
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.715,94 brutto (Urlaubsgeld 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Juni 2016.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass sich unmittelbar aus der BV 97 kein Anspruch ergebe, weil die Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Regelungstatbestände der Vergütung sowie des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG nichtig sei. In § 17 der Betriebsvereinbarung hätten die Betriebsparteien abschließende Gehaltsregelungen für die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer treffen wollen. Diese Regelung sei aber gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG insgesamt unwirksam, weil der Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Hamburg umfassende Gehaltsregelungen enthalten habe und enthalte. Entsprechende Regelungen für den Einzelhandel in Hamburg seien seit 1949 regelmäßig ohne Unterbrechungen bis in die Gegenwart durch die Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden. Die Regelungen der BV 97 in Bezug auf die Tariferhöhungen sowie das Weihnachts- und Urlaubsgeld wiederholten den Tarifvertrag auch nicht nur inhaltlich, sondern ersetzten ihn durch spezifische Regelungen zur Höhe des Gehaltes, zu Tätigkeitsjahren und anderem.
Die Herleitung einer Individualvereinbarung aus der Präambel der BV 97 sei nicht möglich. Soweit der Kläger diesbezüglich auf den dritten Absatz der Präambel rekurriere, stellte diese Passage lediglich eine Wiederholung des Rechtsgrundsatzes nach § 77 Abs. 4 BetrVG dar. Die Betriebsparteien hätten auch weiterhin die Regelungsbefugnis über die Bestandteile der Betriebsvereinbarung behalten wollen. Dies ergebe sich auch aus der vereinbarten Kündigungsmöglichkeit. Die Betriebsparteien hätten mit dem Mittel der Betriebsvereinbarung ein nachvollziehbares Gehalts- und Arbeitszeitsystem schaffen wollen. Um deutlich zu machen, dass dieses System durch Abschluss der Betriebsvereinbarung für jeden Arbeitnehmer gelten würde, sei dies in der Präambel klargestellt worden.
Die Präambel stelle auch kein Angebot zum Abschluss einer gleichlautenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung dar. Präambeln enthielten in aller Regel die Absichten, welche zu dem Entschluss geführt hätten, eine nachfolgende Vereinbarung zu treffen. Hätten die Betriebsparteien vereinbaren wollen, die Mitarbeiter neben der Betriebsvereinbarung zusätzlich durch arbeitsvertragliche Vereinbarungen an die Inhalte der Betriebsvereinbarung binden zu wollen, wäre dies nicht Gegenstand einer Präambel, sondern einer eigenständigen Regelung der Betriebsparteien geworden.
Die nichtige Betriebsvereinbarung könne auch nicht in eine Gesamtzusage umgedeutet werden. Auch wenn es rechtlich möglich sei, eine unwirksame Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage umzudeuten, übersehe der Kläger, dass eine Umdeutung nicht die Regel, sondern die Ausnahme sei. Daher seien besondere Umstände erforderlich, welche die Annahme rechtfertigten, der Arbeitgeber habe sich auf jeden Fall verpflichten wollen, den Arbeitnehmern die in einer unwirksamen Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen zukommen zu lassen. Die Beklagte sei aber im Jahre 1997 ebenso wie der Betriebsrat davon ausgegangen, dass die Betriebsvereinbarung wirksam sei. Erst im Rahmen einer anwaltlichen Beratung Mitte 2015 sei die Beklagte darauf hingewiesen worden, dass die Betriebsvereinbarung zumindest hinsichtlich der Regelungsgegenstände der Vergütung sowie des Weihnachts- und Urlaubsgeldes aufgrund des Verstoßes gegen den Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam sei. Die Zeitdauer der Anwendung der Betriebsvereinbarung stelle keinen Ausnahmetatbestand dar, welcher eine Umdeutung in eine Gesamtzusage rechtfertige. Die Betriebsparteien hätten nämlich die Betriebsvereinbarung nicht stets und ständig wieder neu abgeschlossen, sondern sie lediglich in Annahme ihrer Rechtswirksamkeit durchgehend angewendet.
Ein Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses bis zur Tariferhöhung zum 1. August 2015 sein Gehalt entsprechend der Vereinbarungen des Landesverbandes des Hamburger Einzelhandels angepasst worden sei. Die Beklagte habe allein aufgrund der vermeintlichen Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung heraus die Tariferhöhungen in der Vergangenheit weitergegeben. Folglich scheide eine Umdeutung des tatsächlichen Verhaltens der Beklagten in eine betriebliche Übung oder eine Gesamtzusage aus.
Die Bezifferung der beanspruchten Gehaltssteigerung sei unschlüssig und unbegründet. Wenn die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels anzuwenden wären, wäre der Kläger als Lagerist in die Lohngruppe A2 einzugruppieren. Das für diese Tätigkeit vorgesehene Tarifgehalt liege unter der dem Kläger gewährten Vergütung.
Das Arbeitsgericht Hamburg hat die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2016 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihm am 4. Juli 2016 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 27. Juli 2016 bei Gericht eingegangenen und am 5. September 2016 begründeten Berufung.
Der Kläger rügt, das arbeitsgerichtliche Urteil sei unzutreffend. Aus der BV 97 ergebe sich ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf die eingeklagten Leistungen. Das Arbeitsgericht habe den dritten Absatz der Präambel der BV 97 nicht ausreichend gewürdigt. In Verbindung mit dem Arbeitsvertrag der Parteien ergäben sich die Ansprüche des Klägers unmittelbar als vertragliche Ansprüche.
Der Kläger trägt vor, es habe sich herausgestellt, dass es vor der BV 97 bereits eine entsprechende Betriebsvereinbarung vom 1. Juli 1991 gegeben habe. Während in der Betriebsvereinbarung von 1991 für das Weihnachts- und Urlaubsgeld die damals geltende tarifliche Höhe von 50 % des Grundgehaltes übernommen worden sei, seien in der BV 97 das Weihnachts- und Urlaubsgeld günstiger als im 1991 geltenden Tarifvertrag geregelt worden.
Es sei deutlich der Wille der "Urheber" der BV 97 erkennbar, neben dem (vermeintlichen) Geltungsanspruch der BV 97 vorsorglich zusätzlich eine vertragliche Anspruchsgrundlage zu schaffen ("Bestandteil des Arbeitsvertrags"; "Individualvereinbarung"). Hieraus könne der Kläger die Abstandsregelung des § 17 der BV 97 (Entgelterhöhung) und die Zahlung des Weihnachtsgeldes 2015 und Urlaubsgeldes 2016 in Höhe von jeweils 62,5 % eines Gehalts (§ 9 der BV 97) geltend machen.
Unabhängig hiervon sei eine direkte Gesamtzusage gegeben. Diese sei aus der Präambel der BV 97 abzuleiten. Damit sei ebenfalls ein individualrechtlicher Anspruch geschaffen. Auf eine Umdeutung einer nichtigen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage komme es nicht an. Das habe das Arbeitsgericht ebenso verkannt wie den Umstand, dass hier eine Erklärung der Beklagten in der Präambel und nicht eine Vereinbarung der Betriebsparteien auszulegen sei. Von Bedeutung sei auch der Umstand, dass jedem Mitarbeiter eine Ausfertigung der BV 97 mit dem Arbeitsvertrag habe übergeben werden sollen. Damit habe die Beklagte die Bedeutung der Regelungen als individuelle Vertragsbestandteile unterstrichen. Von einer bloß deklaratorischen Wiederholung des § 77 Abs. 4 BetrVG könne aus diesem Grund nicht ausgegangen werden.
Soweit das Arbeitsgericht ausführe, die Regelung der BV 97 ziele auf die Schaffung eines kollektivrechtlichen Systems ab, finde sich hierfür in der Präambel kein Anhalt. Vor allem der Bezug zum Arbeitsvertrag in der Präambel spreche dagegen. Der Wille der Betriebsparteien spiele zudem letztlich keine Rolle, da es auf den objektiven Empfängerhorizont ankomme. Der Umstand, dass sich einzelne Inhalte der BV 97 auf Ausbildungsverhältnisse oder kollektivrechtliche Inhalte bezögen, stehe der Auslegung als Individualanspruch nicht entgegen. Die jeweiligen Geltungsbereiche ließen sich klar trennen.
Jedenfalls aber sei die unwirksame BV 97 in eine Gesamtzusage umzudeuten. Die Beklagte habe sich auf jeden Fall, also unabhängig von der Wirksamkeit der BV 97, rechtlich binden wollen. Das folge aus der Präambel. Die Kündigungsmöglichkeit in der BV 97 bezöge sich nur auf die kollektivrechtlichen mitbestimmungspflichtigen Teile der Betriebsvereinbarung. Ferner bewirke die Kündigungsmöglichkeit, dass die Beklagte mit neuen Arbeitnehmern andere Vertragsinhalte regeln könne. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Betriebsparteien von der Unwirksamkeit der BV 97 gewusst hätten. Deshalb hätten sie in der Präambel von den Regelungen der Betriebsvereinbarung als einer Ergänzung des Arbeitsrechts und als Bestandteil der Individualvereinbarung gesprochen.
Schließlich seien die Ansprüche des Klägers auch deswegen begründet, weil die Beklagte das Entgeltsystem und die Entgeltgrundsätze ohne Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates geändert habe.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 30. Juni 2016 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg im Verfahren 12 Ca 15/16 die Beklagte zu verurteilen,
1. an den Kläger € 567,36 brutto (Entgelterhöhung ab 1. August 2015 für die Monate August 2015 bis einschließlich April 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von jeweils € 63,04 ab dem 1. September 2015, 1. Oktober 2015, 1. November 2015, 1. Dezember 2015, 1. Januar 20161, 1. Februar 2016, 1. März 2016, 1. April 2016, 1. Mai 2016 und 1. Juni 2016;
2. an den Kläger € 1.683,64 brutto (Weihnachtsgeld 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2015;
3. an den Kläger i€ 51,69 brutto (Entgelterhöhung ab 1. Mai 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Juni 2016;
4. an den Kläger € 1.715,94 brutto (Urlaubsgeld 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz ab dem 1. Juni 2016.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie trägt vor, eine Betriebsvereinbarung vom 1. Juli 1991 sei den inzwischen bei der Beklagten handelnden Verantwortlichen nicht bekannt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
I.
Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie ist zudem gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit auch im Übrigen zulässig.
II.
Die Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg, soweit der Kläger die Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2015 und Urlaubsgeld für das Jahr 2016 begehrt. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Die Kammer schließt sich nach eigener Prüfung im Wesentlichen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Hamburg im Urteil vom 7. Dezember 2016 zum Az. 3 Ca 39/16 in einem Parallelverfahren an, das seinerseits wiederum teilweise Bezug nimmt auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 6. Oktober 2016 - Az. 7 Sa 43/16 - in einem weiteren Parallelverfahren.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Entgelterhöhung von jeweils € 63,04 brutto für die Monate August 2015 bis April 2016 sowie von € 51,69 für Mai 2016.
a. Der Anspruch folgt nicht aus der BV 97.
Die Regelung in § 17 der BV 97, wonach zukünftige Tariferhöhungen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes führen, ist gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam.
Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Eine gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam (BAG, Beschluss vom 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - juris).
Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Die Vorschrift soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisten. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang bei der Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Zum Schutz der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie ist jede Normsetzung durch die Betriebsparteien ausgeschlossen, die inhaltlich zu derjenigen der Tarifvertragsparteien in Konkurrenz treten würde. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen weder abweichende noch auch nur ergänzende Betriebsvereinbarungen mit normativer Wirkung abschließen können. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wird auch dann gestört, wenn nicht tarifgebundene Arbeitgeber kollektivrechtliche Konkurrenzregelungen in Form von Betriebsvereinbarungen treffen können (BAG vom 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - juris).
Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG tritt in den Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers nur insoweit ein, wie der betreffende Regelungsgegenstand nicht der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG unterliegt. Andernfalls würde in den fraglichen Betrieben weder eine tarifliche Regelung gelten noch könnte es eine betrieblich mitbestimmte Regelung geben. Dies liefe dem Schutzzweck des § 87 Abs. 1 BetrVG zuwider. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können deshalb Angelegenheiten, die der zwingenden Mitbestimmung unterliegen, auch dann durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden, wenn einschlägige tarifliche Regelungen bestehen, die beim Arbeitgeber mangels Tarifbindung nicht normativ gelten (BAG, Beschluss vom 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - juris).
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich Folgendes:
Da die Löhne der gewerblich Beschäftigten im Hamburger Einzelhandel zum Zeitpunkt des Abschlusses der BV 97 durch Lohntarifverträge geregelt wurden und bis heute tariflich geregelt sind, ergreift die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Betriebsvereinbarungsregelungen zur Entgelthöhe. Dies betrifft insbesondere die Regelung in § 17 der BV 97, die vorsieht, dass zukünftige Tariferhöhungen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes für die Arbeitnehmer der Beklagten führen. Da damit eine Regelung zur Entgelthöhe getroffen wird, steht § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entgegen.
Daraus, dass die tarifgebundene Mitgliedschaft der Beklagten im Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. im April 2008 geendet hat, ergibt sich nichts Abweichendes. Die Bestimmung der konkreten Höhe des Arbeitsentgelts wird vom Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht umfasst. Für Regelungen in Betriebsvereinbarungen zur Höhe der konkreten Arbeitsentgelte gilt vor diesem Hintergrund nicht die Wirksamkeitsschranke des § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, sondern die Regelungssperre nach § 77 Abs. 3 BetrVG (vgl. BAG, Urteil vom 18. Februar 2015 - 4 AZR 778/13 - juris; BAG Urteil vom 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - juris).
Der Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG führt zur Unwirksamkeit der Regelungen zur Entgelthöhe in der BV 97. Die BV 97 kann insoweit nicht in eine Regelungsabrede umgedeutet werden mit dem Ziel, die Rechtsfolge des § 77 Abs. 3 BetrVG zu vermeiden.
Auch wenn davon ausgegangen wird, dass Regelungsabreden von der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht erfasst werden (zum Streitstand siehe Fitting, BetrVG 28. Aufl. § 77 BetrVG Rn 102), können Betriebsvereinbarungen, die gegen diese Vorschrift verstoßen, im Regelfall nicht in zulässige Regelungsabreden umgedeutet werden (so auch Fitting § 77 BetrVG Rn 104). Zum einen sind beide Regelungsinstrumente unterschiedlich ausgestaltet - aus der Betriebsvereinbarung entstehen unmittelbare Ansprüche der Arbeitnehmer, bei der Regelungsabrede besteht ein Anspruch des Betriebsrats auf ein bestimmtes Verhalten des Arbeitsgebers (Fitting § 77 BetrVG Rn 104). Zum anderen lässt der Schutzzweck des § 77 Abs. 3 BetrVG eine Umdeutung mit dem Ziel, die Rechtsfolge des § 77 Abs. 3 BetrVG zu umgehen, nicht zu. § 77 Abs. 3 BetrVG soll wie dargestellt die Tarifautonomie sichern. Dieser Schutzzweck kann nur dann erreicht werden, wenn Betriebsvereinbarungen im Bereich des § 77 Abs. 3 BetrVG keinerlei Rechtwirkungen erzeugen. Könnten sie als Regelungsabreden aufrechterhalten werden, würde die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG im Ergebnis weitgehend leerlaufen. Verstöße gegen § 77 Abs. 3 BetrVG hätten dann faktisch lediglich die Rechtsfolge, dass den entsprechenden Betriebsvereinbarungsbestimmungen der Normcharakter, also die unmittelbare und zwingende Wirkung, abgesprochen würde. Dies wäre nicht ausreichend, um die Betriebsparteien zur Achtung der Tarifautonomie zu veranlassen.
Besonderheiten des vorliegenden Falls, die es rechtfertigen könnten, abweichend vom Regelfall eine Umdeutung der BV 97 in eine Regelungsabrede vorzunehmen, sind nicht ersichtlich.
b. Der Anspruch des Klägers auf eine monatliche Entgeltsteigerung folgt auch nicht als individualvertraglicher Anspruch aus einer Gesamtzusage der Beklagten.
Eine individuelle vertragliche Vereinbarung dazu, wie sich künftig das Gehalt des Klägers entwickeln soll, haben die Parteien nicht getroffen. Aus der Präambel der BV 97 ergibt sich kein Anspruch auf Entgelterhöhung aufgrund einer Gesamtzusage.
aa. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags i.S.v. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet. Ihrer bedarf es nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen (BAG, Urteil vom 13. November 2013 - 10 AZR 848/12 - juris Rn. 16). Von der seitens der Arbeitnehmer angenommenen, vorbehaltlosen Zusage kann sich der Arbeitgeber individualrechtlich nur durch Änderungsvertrag oder wirksame Änderungskündigung lösen (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - 1 AZR 869/06 - juris Rn. 13).
Eine Gesamtzusage ist typischerweise nicht auf die im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Erklärung beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt. Sie wird regelmäßig auch gegenüber nachträglich in den Betrieb eintretenden Mitarbeitern abgegeben und diesen bekannt. Auch sie können deshalb das in ihr liegende Vertragsangebot gemäß § 151 BGB annehmen. Gemäß § 151 Satz 2 BGB bestimmt sich der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden. Geht es nicht um eine einmalige Leistung an bestimmte Arbeitnehmer, sondern erklärt sich der Arbeitgeber zu einer Regelung im Sinne einer auf Dauer angelegten Handhabung bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen bereit, spricht das für die Fortgeltung des Antrags bis zu einer gegenteiligen Erklärung. Wegen der Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber jedem Arbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ist auf die Erteilung der Gesamtzusage und nicht auf den Beginn des einzelnen Arbeitsverhältnisses abzustellen. Die Zusage hat für alle Arbeitnehmer den gleichen Inhalt und die gleiche Bedeutung, sofern es nicht zwischenzeitlich zu einer Veränderung des Inhalts der Zusage durch den Arbeitgeber gekommen oder diese für die Zukunft aufgehoben worden ist (BAG, Urteil vom 20. August 2014 - 10 AZR 453/13 - juris).
bb. Bei der gebotenen Auslegung der BV 97 ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers kein Anspruch aus einer Gesamtzusage. Die Absätze 3 und 4 der Präambel stellen kein (gebündeltes) Vertragsangebot der Beklagten mit dem Inhalt dar, dass die Regelungen der BV 97 in Form einer Gesamtzusage individuelle Ansprüche begründen sollen. Ein dementsprechender Bindungswille der Beklagten ist nicht gegeben.
(1) Der Auslegung als Gesamtzusage steht schon der Umstand entgegen, dass es sich bei der BV 97 um eine Vereinbarung der Betriebsparteien handelt, für die sich beide ausdrücklich der Rechtsform der Betriebsvereinbarung bedient haben. Das zeigt, dass sie sich im Rahmen dieser kollektivrechtlichen Rechtsform bewegen wollten. Es wurden Bedingungen verschiedenster Art zwischen der Beklagten als Arbeitgeberin und dem Betriebsrat verhandelt und in Form einer Betriebsvereinbarung geregelt. Der Betriebsrat hat als betriebsverfassungsrechtliches Organ gegenüber der Arbeitgeberin agiert, die Beklagte hat als Gegenpart in ihrer Funktion als Arbeitgeberin gehandelt. Dass die Beklagte in der Präambel der Betriebsvereinbarung auf individualvertraglicher Ebene - also ohne Mitwirkung des Betriebsrats und unabhängig von der mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarung in der Rechtsform aus § 77 Abs. 3 BetrVG - ein gebündeltes Vertragsangebot im Sinne einer Gesamtzusage an ihre Arbeitnehmer abgeben wollen, erscheint fernliegend. Hiergegen sprechen die unterschiedlichen Erklärungs- und Wirkungsebenen von Gesamtzusagen und Regelungen einer Betriebsvereinbarung.
(2) Wortlaut und Regelungszusammenhang lassen im Ergebnis eine Auslegung der Präambel in Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 als Gesamtzusage nicht zu.
Eine Betriebsvereinbarung ist nach den für Tarifverträge und für Gesetze geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG, Urteil vom 09. Oktober 2012 - 3 AZR 539/10 - juris).
Zwar könnte der Wortlaut der Präambel in Abs. 3 (Geltung der nachstehenden Paragraphen als Bestandteil des Arbeitsvertrages [Individualvereinbarung]) i.V.m. der Regelung in Abs. 4 (Aushändigung einer Ausfertigung der BV 97 bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag) ein Verständnis dahingehend tragen, dass ein Vertragsangebot - in Form einer Gesamtzusage - an die Arbeitnehmer vorläge, das die Zusage beinhaltete, die Paragraphen der Betriebsvereinbarung anzuwenden. Für einen Rechtsbindungswillen der Beklagten dahingehend, die Regelungen der BV 97 den Arbeitnehmern zusätzlich als Vertragsanspruch zuzugestehen, gibt es jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Der Wortlaut von Abs. 3 der Präambel ist nicht eindeutig. Der erste Halbsatz bestimmt, dass die nachstehenden Paragraphen die Regelungen des Arbeitsrechtes ergänzen sollen. Was mit diesem Satz gemeint sein könnte, ist unklar, denn Regelungen einer Betriebsvereinbarung sind ohnehin Teil des Arbeitsrechts und gestalten den Inhalt von Arbeitsverhältnissen. Der zweite Halbsatz, wonach die Paragraphen der BV 97 als "Bestandteil des Arbeitsvertrags (Individualvereinbarung)" gelten, lässt bei isolierter Betrachtung dieser Formulierung zwar eine Interpretation im Sinne des Klägers zu. Doch erscheint auch möglich, dass die Betriebsparteien mit der vorgenannten Formulierung nur die in § 77 Abs. 4 BetrVG statuierte Wirkung einer Betriebsvereinbarung wiedergeben und damit verdeutlichen wollten, dass sich individuelle Ansprüche der Arbeitnehmer aus der BV 97 ergeben können, da diese unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse einwirkt. Für dieses Verständnis spricht, dass in § 77 Abs. 4 BetrVG ebenfalls der Begriff "gelten" verwendet wird.
Entscheidend gegen eine Auslegung als Gesamtzusage spricht, dass sich der Formulierung keine Zusage der Beklagten entnehmen lässt, wonach die Vereinbarungen der BV 97 unabhängig von ihrem kollektivrechtlichen Fortbestand und allein mit dem seinerzeitigen Inhalt als vertraglich vereinbart gelten sollten. Hätte die Beklagte eine solche individualrechtliche Wirkung unabhängig von der Zeitkollisionsregel gewollt, der Regelungen einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich unterfallen, hätte sie dies eindeutig zum Ausdruck bringen müssen.
Auch der Regelungszusammenhang spricht nicht für, sondern gegen das Vorliegen einer direkten Gesamtzusage. Dabei ist zunächst festzustellen, dass sich die Erklärung der Beklagten, auf die sich der Kläger stützt, in der Präambel einer Betriebsvereinbarung befindet. Systematisch steht die Präambel vor den eigentlichen Regelungen der BV 97. Der Präambel folgt das Inhaltsverzeichnis der Betriebsvereinbarung. Dies stützt die Annahme, dass es sich - wie üblicherweise - bei der Präambel nur um die Beschreibung der Absichten der Betriebsparteien handelt, welche zu dem Entschluss geführt haben, die nachfolgende Vereinbarung zu schließen. Ein besonderer Regelungsinhalt ist vor Beschreibung des Geltungsbereiches nicht zu erwarten. Auch aufgrund der Verwendung des Begriffs "Präambel" ist davon auszugehen, dass diese die Motive der Betriebsparteien wiedergibt und allgemeine Zielsetzungen der Betriebsvereinbarung beschreibt, selbst aber keine unmittelbar anspruchsbegründenden Regelungen, insbesondere keine individualvertraglichen Zusagen, enthält (vgl. BAG, Urteil vom 30. September 2015 - 4 AZR 563/13 - juris).
Dass nur die Absichten und Ziele der Betriebsparteien in der Präambel festgehalten werden sollten, ergibt sich zudem aus dem ersten Absatz der Präambel, wonach ein für jeden Mitarbeiter nachvollziehbares, einsehbares und leistungsgerechtes Gehalts- und Arbeitszeitsystem geschaffen sowie die gesetzlichen Ladenschlusszeiten des Einzelhandels in gerechte Rahmenbedingungen gefügt werden sollten.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung durch deren Kündigung lösen kann, ohne dass die Arbeitsverträge berührt werden, während eine Kündigung der Arbeitsverträge - sei es auch nur hinsichtlich einzelner Regelungen - nur unter erschwerten Umständen möglich ist. Dass die Beklagte durch eine Gesamtzusage auf die Möglichkeit der Lösung von den nachfolgenden Regelungen der BV 97 hat verzichten wollen, ist nicht anzunehmen. Hiergegen sprechen zum einen die in der BV 97 vorgesehene Kündigungsmöglichkeit (§ 22) und zum anderen der Hinweis in Abs. 2 der Präambel, dass eine Überarbeitung der BV 97 mindestens zum Zeitpunkt gültiger Tarifverhandlungen des Einzelhandels stattfinden werde. Diese Inhalte der BV 97 zeigen, dass es der Beklagten gerade auf Kündigungs- und Abänderungsmöglichkeiten durch Verhandlungen mit dem Betriebsrat ankam.
Zu beachten ist auch, dass die BV 97 ihrerseits eine im Vergleich zur Vorgängerregelung aus 1991 abgeänderte Betriebsvereinbarung darstellt. Bei Abschluss der BV 97 muss den Betriebsparteien die Möglichkeit, auch diese Betriebsvereinbarung zu einem späteren Zeitpunkt abändern zu können, deshalb präsent gewesen sein. Dass im Betrieb der Beklagten zunächst eine inhaltlich vergleichbare Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1991 (BV 91) galt, konnte die Beklagte nicht wirksam mit Nichtwissen bestreiten, sodass der Vortrag des Klägers, es habe zunächst die BV 91 gegolten, als unstreitig zu unterstellen ist. Dass die Beklagte die Abänderung der BV 91 gemeinsam mit dem Betriebsrat vorgenommen und nicht zum Instrument von Änderungskündigungen oder Absprachen mit den einzelnen Arbeitnehmern gegriffen hat, zeigt, dass es der Beklagten - und dem Betriebsrat - darauf ankam, die Inhalte der BV 91 bzw. der BV 97 durch kollektivrechtliche Bestimmungen zu regeln und diese Regelungen abändern oder sich ggf. durch eine Kündigung von ihnen lösen zu können.
Aus systematischer Sicht spricht gegen die Auslegung von Abs. 3 der Präambel als Gesamtzusage des Weiteren der Umstand, dass die BV 97 unterschiedliche Inhalte aufweist, von denen ein Teil die einzelnen Arbeitnehmer gar nicht betraf und auch nicht betreffen konnte. Damit ist unklar, auf welche Teile der BV 97 sich eine Gesamtzusage hätte beziehen können und welche Bestimmungen nicht hierunter fallen würden. So trifft z.B. § 6 der BV 97 Regelungen zur Ausbildung. Solche Regelungen wären für Arbeitsverträge nicht sinnvoll, ebenso nicht die Regelung in § 7 der BV 97. Dort werden sowohl die Verpflichtung zur innerbetrieblichen Ausschreibung von mit dem Betriebsrat vereinbarten Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen statuiert als auch die Konsequenzen beschrieben, welche sich daraus ergeben sollen, dass sich zu viele Interessenten für eine Fortbildungsveranstaltung melden. Diese Regelungen machen als individualrechtliche Vereinbarungen keinen Sinn.
Letztlich spricht auch der Umstand, dass nach der Präambel völlig unklar wäre, welche "nachstehenden Paragraphen" der BV 97 Teil des individuellen Arbeitsvertrages geworden wären und somit Inhalt einer Gesamtzusage der Beklagten gegenüber den Arbeitnehmern gewesen sein sollten und welche Bestimmungen der BV 97 nur in Form einer Betriebsvereinbarung gelten sollten, gegen die Annahme eines gebündelten Vertragsangebots. Dieses wäre nämlich nicht hinreichend bestimmt. Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag und solche, die aufgrund einer Betriebsvereinbarung bestehen, unterscheiden sich erheblich. Erstere können nur einvernehmlich oder per wirksamer Änderungskündigung abgeändert, insbesondere verschlechtert werden. Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung sind jedoch durch eine neue nachfolgende Betriebsvereinbarung, durch Kündigung der Betriebsvereinbarung oder auch durch einen Tarifvertrag - je nach Regelungsgegenständen - (verschlechternd) abänderbar. Wegen dieser erheblichen Unterschiede muss klar sein, was Teil des Arbeitsvertrags sein soll und was lediglich Teil einer Betriebsvereinbarung. Das ist vorliegend jedoch mangels Konkretisierung der Gegenstände in der Präambel nicht der Fall. Aus der BV 97 wird - entgegen der Ansicht des Klägers - gerade nicht deutlich, welche Inhalte konkret individuell wirksam sein sollten im Sinne einer arbeitsvertraglichen Regelung aufgrund einer - vom Kläger angenommenen - direkten Gesamtzusage. Die vom Kläger vorgenommene Abgrenzung, wonach alle kollektivrechtlichen, der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegenden Bereiche von der Gesamtzusage ausgenommen sein sollen, führt nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Denn auch Regelungen, die der Kläger als "ausschließlich individuell wirksam" bezeichnet, unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats - beispielsweise § 13 Personaleinkauf und § 11 Sonderzuwendungen/Sozialleistungen. Der Kläger aber führt beide Punkte unter "individuell wirksam" an. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung unterfallen jedoch nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung, soweit keine abschließende tarifliche Regelung gegeben ist. Da alle Mitarbeiter der Beklagten betroffen sind und eine gemeinsame, transparente Regelung getroffen werden sollte (so Abs. 1 der Präambel), ist ein kollektivrechtlich bezogener und der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegender Bereich betroffen. Die Argumentation des Klägers, es könne genau differenziert werden, was individuell arbeitsvertraglich durch die - vermeintliche - Direktzusage und was kollektivrechtlich durch die BV 97 vereinbart werden sollte, greift somit nicht. Eine klare Differenzierung ist gerade nicht, jedenfalls nicht bezüglich aller Regelungsgegenstände der BV 97, möglich. Es ist auch nicht erkennbar, welche Inhalte sodann individualvertraglich - per Gesamtzusage - und dem kollektiven Abänderungsrecht entzogen vereinbart und welche Bestimmungen weiterhin durch eine Kündigung der BV 97 (§ 22 der BV 97) oder eine neue ablösende Betriebsvereinbarung kollektivrechtlich abänderbar sein sollten. Dass die gesamte Betriebsvereinbarung zum Inhalt des Arbeitsvertrags werden sollte, ist nicht anzunehmen, da zum einen nicht erkennbar ist, dass dadurch alle Regelungsbereiche der Mitbestimmung - soweit keine günstigeren Inhalte vereinbart werden würden - entzogen sein sollten. Zum anderen behauptet dies selbst der Kläger nicht.
(3) Schließlich führt auch eine am Zweck der Regelung orientierte Auslegung nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis.
Ausweislich der Präambel war Ziel der Betriebsvereinbarung die Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems, welches für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar, einsehbar und leistungsgerecht sein sollte. Ziel der Vereinbarung war folglich die Schaffung eines kollektivrechtlichen Systems, welches eine Einheitlichkeit zwischen den Beschäftigten - vermeintlich wirksam - herstellen sollte. Es ging also gerade nicht um die Begründung oder Veränderung individualrechtlicher Regelungen; vielmehr hatte die Betriebsvereinbarung einen kollektivrechtlichen Fokus.
cc. Die in Bezug auf die Regelungen zur Entgelthöhe wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksame BV 97 kann nicht in eine Gesamtzusage umgedeutet werden.
Grundsätzlich kann eine nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksame Betriebsvereinbarung entsprechend § 140 BGB in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage oder gebündelte Vertragsangebote) umgedeutet werden. An eine solche Umdeutung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Sie kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die in ihr vorgesehenen Leistungen zukommen zu lassen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung durch Kündigung jederzeit lösen kann, während eine Änderung der Arbeitsverträge, zu deren Inhalt eine Gesamtzusage wird, nur einvernehmlich oder durch gerichtlich überprüfbare Änderungskündigung möglich ist. Ein hypothetischer Wille des Arbeitgebers, sich unabhängig von der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auf Dauer zu binden, kann daher nur in Ausnahmefällen angenommen werden (BAG, Urteil vom 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - juris Rn 34; BAG Urteil vom 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - juris Rn 21). Eine wirksame Verpflichtungserklärung setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung kannte und dennoch die darin festgelegten Leistungen gewähren wollte. Will der Arbeitgeber nämlich mit den Leistungen lediglich eine vermeintliche kollektivrechtliche Verpflichtung aus einer Betriebsvereinbarung erfüllen, fehlt es an einem darüber hinausgehenden Bindungswillen. Bei einer irrtümlich fehlerhaften Normanwendung ist daher nicht ohne weiteres von einem Verpflichtungswillen auszugehen. Es müssen vielmehr Tatumstände hinzukommen, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitgeber über die betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung hinaus eine zusätzliche Leistung erbringen wollte (BAG, Urteil vom 05. Dezember 1984 - 5 AZR 531/83 - juris).
An solchen Umständen mangelt es vorliegend. Zunächst ist - entgegen der Behauptung des Klägers - nicht erkennbar, dass der Beklagten die Unwirksamkeit der BV 97 bewusst war und sie dennoch die darin festgelegten Leistungen hat gewähren wollen. Der Hinweis des Klägers, die Unwirksamkeit der BV 97 sei evident, genügte nicht. Dies mag auf arbeitsrechtlich geschulte Juristen zutreffen, nicht jedoch auf Laien. Dass vorliegend jedoch juristische Laien am Werk waren, denen nicht unterstellt werden kann, sie seien von der (Teil-) Unwirksamkeit der BV 97 ausgegangen, folgt aus den unjuristischen und unklaren Formulierungen in der Präambel, vor allem in Abs. 3 der BV 97.
Ebenso spricht der Umstand, dass die BV 97 im Jahr 2014 gekündigt und dem Betriebsrat gegenüber zugleich unbeschränkt neue Verhandlungen angeboten wurden, dagegen, dass der Beklagten die Unwirksamkeit der BV 97 bewusst war. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Beklagte bis zur Mitteilung an den Betriebsrat vom 31. Juli 2015 die BV 97 unverändert angewandt hat, obwohl sie sich - nach unbestrittenem Sachvortrag der Beklagten - seit längerem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, so in den letzten fünf Jahren durchgehen keine Gewinne, sondern erhebliche Verluste erwirtschaftet hatte. Hätte sie von der Nichtigkeit bzw. zumindest Teilnichtigkeit der BV 97 gewusst, hätte sie den Betriebsrat schlicht hierauf hinweisen und die BV 97 in den ihrer Meinung nach unwirksamen Teilen nicht mehr anwenden können.
Zudem deutet der Hinweis der Beklagten in dem Schreiben an den Betriebsrat vom 31. Juli 2015, die Mitarbeiter würden durch die übertariflichen Leistungen auch bei einem Aussetzen der Tarifanpassungen weiterhin übertariflich entlohnt, darauf hin, dass die Betriebsparteien annahmen, zum Aussetzen der Tarifanpassungen aufgrund der "Übertariflichkeit" befugt gewesen zu sein. Ferner ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich die Betriebsparteien rechtskonform verhalten wollen und nicht Regelungen in eine Betriebsvereinbarung aufnehmen, die ihnen aufgrund mangelnder Zuständigkeit verwehrt sind.
Weitere Anhaltspunkte tatsächlicher Art, dass der Beklagten vor der anwaltlichen Beratung Mitte 2015 die Unwirksamkeit der Regelungen zur Entgelthöhe bekannt gewesen wäre, benennt der Kläger nicht. Mangels substantiiertem Sachvortrags des Klägers kann hiervon nicht ausgegangen werden.
War der Beklagten somit die Unwirksamkeit der BV 97 in Bezug auf die Regelungen zur Entgelthöhe nicht bekannt, so ist anzunehmen, dass sie mit den Leistungen gemäß den Regelungen in der BV 97 nur eine vermeintlich kollektivrechtliche Verpflichtung aus der BV 97 erfüllen wollte. An einem darüberhinausgehenden Bindungswillen fehlt es in einem solchen Fall regelmäßig. Dass sich die Beklagte über die vermeintliche betriebsverfassungsrechtliche Pflicht hinaus hat binden wollen, ist nicht ersichtlich. Der Kläger führt auch insoweit lediglich den Wortlaut der Präambel in Abs. 3 (und Abs. 4) an. Die Argumente des Klägers genügten jedoch bereits nicht, um eine direkte Gesamtzusage annehmen zu können. Das gilt erst Recht für die Umdeutung in eine Gesamtzusage. Insofern kann auf die vorstehenden Ausführungen unter II.1.b.bb. der Entscheidungsgründe verwiesen werden.
c. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die geltend gemachte Entgelterhöhung nach den Grundsätzen einer betrieblichen Übung.
Die betriebliche Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung oder sonstige Vergünstigung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung oder Vergünstigung auch künftig gewährt. Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Vergünstigungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (BAG, Urteil vom 15. Mai 2012 - 3 AZR 610/11 - juris). Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann nur entstehen, wenn keine andere kollektiv- oder individualrechtliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung besteht. Eine betriebliche Übung entsteht demnach nicht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war. Sie entsteht auch nicht, wenn sich der Arbeitgeber irrtümlich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte. Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden. Die Darlegungslast dafür, dass der Arbeitgeber aus Sicht des Empfängers Leistungen oder Vergünstigungen gewähren wollte, zu denen er nicht aus einem anderem Rechtsgrund verpflichtet war oder sich verpflichtet glaubte, trägt der Kläger als Anspruchssteller (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2013 - 3 AZR 832/11 - juris).
Danach lagen die Voraussetzungen für eine betriebliche Übung nicht vor. Die Beklagte nahm die Weitergabe der Tariferhöhungen auch für den Kläger erkennbar in Erfüllung ihrer - vermeintlichen - Verpflichtung aus der BV 97 vor. Der Kläger konnte nicht berechtigterweise annehmen, dass sich die Beklagte zu einem entsprechenden Verhalten unabhängig vom Schicksal der Betriebsvereinbarung auf unbegrenzte Zeit verpflichten wollte.
2. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2015 und eines Urlaubsgeldes für das Jahr 2016 jeweils in Höhe von 62,5 % seines Gehalts (€ 1.644,24 brutto).
Dieser Anspruch folgt aus § 9 Abs. 1 und 2 der insoweit nachwirkenden BV 97. Jedenfalls aber ist die Beklagte nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung i.V.m. den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen verpflichtet, ein Weihnachts- und Urlaubsgeld in Höhe von jeweils € 1.644,24 brutto an den Kläger zu zahlen.
a. Der Kläger kann sich für seinen Urlaubs- und Weihnachtsgeldanspruch auf § 9 Abs. 1 und 2 der BV 97 stützten.
Die Regelungen der BV 97 zum Vergütungssystem bei der Beklagten und zu den Strukturformen des Entgelts sind wirksam und wirken nach Kündigung der Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG bis zur Vereinbarung einer abweichenden Regelung nach. Zu den von der Nachwirkung erfassten Regelungen gehören die das Urlaubs- und Weihnachtsgeld betreffenden Regelungen in § 9 Abs. 1 und 2 der BV 97.
aa. Die Regelungen der BV 97 zum Vergütungssystem und den Strukturformen des Entgelts sind wirksam. Insoweit liegt kein Verstoß der Betriebsvereinbarung gegen § 77 Abs. 3 BetrVG vor. Seitdem die Beklagte nicht mehr an die Lohntarifverträge und den Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel gebunden ist, steht auch § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Geltung der Betriebsvereinbarung insoweit nicht entgegen.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Die betriebliche Lohngestaltung betrifft die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt. Mitbestimmungspflichtig sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen. Entlohnungsgrundsätze i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Entlohnungsgrundsätzen sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt. Zu ihnen zählen neben der Grundentscheidung für eine Vergütung nach Zeit oder nach Leistung die daraus folgenden Entscheidungen über die Ausgestaltung des jeweiligen Systems. Der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung. Dabei kommt es für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätzen erfolgt ist, ob etwa auf der Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung. Denn nach der Konzeption des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hängt das Mitbestimmungsrecht nicht vom Geltungsgrund der Entgeltleistung, sondern nur vom Vorliegen eines kollektiven Tatbestands ab. Nur die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts wird - wie bereits dargelegt - nicht vom Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfasst (BAG Urteil vom 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - juris Rn. 15).
Hier enthält die BV 97 unter § 17 Regelungen zu einem eigenständigen Entgeltsystem für den Betrieb der Beklagten. Geregelt sind spezifische Gehaltsgruppen und die Voraussetzungen für die Eingruppierung in diese Gehaltsgruppen. Aus den in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Vergütungshöhen in DM, wie sie zum Zeitpunkt des Abschlusses der BV 97 galten, ergibt sich das Verhältnis der Entgelte der einzelnen Gehaltsgruppen zueinander. In der Zusammenschau von § 17 und § 9 der BV 97 zeigt sich, auf welche Strukturform des Entgelts sich die Betriebsparteien verständigt haben: Den Arbeitnehmern sollte neben einem regelmäßigen monatlichen Entgelt zum 31. Mai eines Jahres ein Urlaubsentgelt und zum 30. November eines Jahres ein Weihnachtsgeld jeweils in Höhe von 62,5 % des Gehalts gezahlt werden.
Zum Zeitpunkt der Vereinbarung der BV 97 stand den dargestellten Regelungen - jedenfalls, soweit das Entgeltsystem und die Zahlung von Urlaubsgeld betroffen sind - § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG entgegen. Denn zum damaligen Zeitpunkt war die Beklagte tarifgebunden. Die Lohntarifverträge für die gewerblich Beschäftigten im Hamburger Einzelhandel enthalten und enthielten jeweils Regelungen zu den Gehaltsgruppen und zu den Eingruppierungsvoraussetzungen. Der Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel regelt - aktuell unter § 12 - die Zahlung von Urlaubsgeld und dessen Höhe. In § 13 ist eine Regelung zur Leistung von Sonderzuwendungen enthalten. Ob diese Regelung betriebsvereinbarungsoffen gestaltet ist, weil sie die Anrechnung von im Kalenderjahr aufgrund von Betriebsvereinbarungen erbrachten Sonderleistungen des Arbeitgebers zulässt, kann dahingestellt bleiben.
Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass in Betrieben, in denen die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel gelten, nicht nur solche Betriebsvereinbarungen unwirksam sind, in denen ein Entgeltsystem und die Zahlung von Urlaubsgeld, sondern auch solche, in denen ein Weihnachtsgeld geregelt wird, steht die Schranke des § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufgrund des Austritts der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband mit Tarifbindung der Wirksamkeit der Regelungen in der BV 97 zum Entgeltsystem und zur Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld nicht länger entgegen. Dies gilt, weil die Nachbindung der Beklagten an die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel aus § 3 Abs. 3 TVG zwischenzeitlich geendet hat. Die Nachbindung endet nämlich mit jeder Tarifvertragsänderung (BAG, Urteil vom 25. Februar 2009 - 4 AZR 986/07 - juris Rn. 39). Damit können nicht nur der zum Zeitpunkt des Verbandsaustritts geltende Lohntarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten, sondern auch der Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel in der damals geltenden Fassung keine Bindungswirkung für die Beklagte mehr entfalten. Denn es sind nicht nur mehrfach neue Lohntarifverträge vereinbart worden. Auch der Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel ist durch Änderungstarifvertrag zum 1. Juli 2011 geändert worden. Seit dem 1. Januar 2012 gelten zudem neue im Manteltarifvertrag geregelte Urlaubsregelungen.
Während der sich an die Nachbindung anschließende Nachwirkung der Tarifverträge aus § 4 Abs. 5 TVG (siehe hierzu Erfurter Kommentar/Franzen 17. Aufl., § 4 TVG Rn. 60 m.w.N.) lebt die Regelungskompetenz der Betriebsparteien aus § 87 Abs. 1 BetrVG wieder auf. Die Regelungen aus den Tarifverträgen stehen Betriebsvereinbarungen nur noch insoweit entgegen, wie die Schranke des § 77 Abs. 3 BetrVG betroffen ist (Erfurter Kommentar/Franzen 17. Aufl., § 4 TVG Rn. 62 m.w.N.).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass mit dem Ende der Nachbindung der Beklagten an die Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel den Regelungen in der BV 97 zum Entgeltsystem und zu den Strukturformen des Entgelts - also insbesondere zur Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld zusätzlich zu den 12 regelmäßig zu leistenden Monatsvergütungen - Rechtswirkung zukommt. Denn diese Regelungen betreffen mitbestimmungspflichtige Gegenstände i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG steht der Wirksamkeit dieser Regelungen nicht entgegen. Zwar sind die Regelungen zur Entgelthöhe in der BV 97 wie oben dargelegt wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Dies betrifft insbesondere die Regelung in § 17 unter dem Unterpunkt "Gehaltserhöhungen", die vorsieht, dass ein neuer Tarifabschluss zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehalts führt.
Doch führt die Teilunwirksamkeit der BV 97 in Bezug auf die Regelungen zur Entgelthöhe nicht zur Unwirksamkeit der Bestimmungen zum Entgeltsystem und zum Weihnachts- und Urlaubsgeld. Die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung hat nur dann die Unwirksamkeit auch ihrer übrigen Bestimmungen zur Folge, wenn diese ohne die unwirksamen Teile keine sinnvolle, in sich geschlossene Regelung mehr darstellen (BAG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - juris Rn. 20). Danach sind Regelungen zur Vergütung in der BV 97 nicht insgesamt unwirksam. Die Regelungen zum Entgeltsystem und zu den Strukturformen des Entgelts (Zahlung von 12 Gehältern zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld) bilden eine in sich geschlossene und praktikable Regelung. Hierbei sind die den einzelnen Gehaltsgruppen des Entgeltsystems zugeordneten Entgelthöhen in DM als Platzhalter zu verstehen, durch die die Entgelte der einzelnen Gehaltsgruppen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden.
bb. Seit der Kündigung der BV 97 befinden sich die Regelungen zum Entgeltsystem und zu den Strukturformen des Entgelts, also insbesondere die Regelungen zur Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld, in der Nachwirkung (§ 77 Abs. 6 BetrVG).
Zwar kann der Arbeitgeber die Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung über finanzielle Leistungen, die er ohne eine vertragliche oder sonstige rechtliche Verpflichtung erbringt (sogenannte teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung, vgl. BAG Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/10 - juris Rn. 19) grundsätzlich dadurch beseitigen, dass er die finanziellen Leistungen vollständig und ersatzlos einstellt (BAG Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/10 - juris Rn. 20). Dieser Weg ist allerdings nur dann eröffnet, wenn der Vergütungsbestandteil, der nicht auf einer vertraglichen oder gesetzlichen Grundlage erbracht wird, alleiniger Gegenstand der gekündigten Betriebsvereinbarung ist. Werden in einer Betriebsvereinbarung auch andere Vergütungsbestandteile geregelt, sind sämtliche Vergütungskomponenten Teil der Gesamtvergütung, bei deren Ausgestaltung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat. Bei einer umfassenden Regelung eines solchen Entgeltsystems wirkt die gekündigte Betriebsvereinbarung insgesamt, also auch insoweit, wie zusätzliche Leistungen betroffen sind, gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach (BAG Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/10 - juris Rn. 25). Da sich hier die Regelungen zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld in § 9 der BV 97 als Teil des insgesamt geregelten Entgeltsystems darstellen, wirken die entsprechenden Regelungen nach der Kündigung der BV 97 zusammen mit den übrigen Bestimmungen zum Entgeltsystem nach § 77 Abs. 6 BetrVG nach.
Im Übrigen wirken die Regelungen zum Weihnachts- und Urlaubsgeld auch deshalb nach, weil die Beklagte sich nicht zur vollständigen und ersatzlosen Streichung entschieden hat, sondern bereit ist, einen Teil der für diese Vergütungsbestandteile in der Vergangenheit aufgebrachten Summe auch zukünftig zur Verfügung zu stellen; insoweit hat die Beklagte den Arbeitnehmern auf individualvertraglicher Ebene für das Jahr 2015 eine Einmalzahlung in Höhe von 30 % eines Gehalts und für das Jahr 2016 die Zahlung von 40 % eines Gehalts gezwölftelt zusätzlich zum Monatsgehalt angeboten.
cc. Da zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits keine andere Abmachung zur Anwendung kommt, kann sich der Kläger zur Begründung seines Anspruchs auf die nachwirkenden Regelungen aus § 9 Abs. 1 und 2 der BV 97 berufen und die Zahlung von 62,5 % eines Gehalts als Weihnachts- und Urlaubsgeld verlangen.
Hierbei ist das Gehalt in der von der Beklagten im Jahr 2015 geleisteten Höhe, also in Höhe von 2.630,78 € als Berechnungsgrundlage zu Grunde zu legen. Zwar haben die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung über die Höhe der monatlichen Bruttovergütung getroffen. Doch hat der Kläger die Höhe der von der Beklagten gewährten Vergütung durch die widerspruchslose Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses akzeptiert. Damit hat er konkludent die Annahme des Angebots der Beklagten erklärt, sein Gehalt in dieser Höhe festzusetzen (vgl. BAG, Urteil vom 19. Dezember 2007 - 5 AZR 1008/06 - juris Rn 13). 62,5 % dieses Gehalts ergeben den Betrag von 1.644,24 brutto als Weihnachtsgeld für das Jahr 2015 und Urlaubsgeld 2016.
Soweit der Kläger Weihnachts- und Urlaubsgeld in darüber hinausgehender Höhe verlangt, ist die Klage unbegründet, denn eine Anspruchsgrundlage dafür ist nicht gegeben.
b. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst dann, wenn entgegen der obigen Ausführungen von einer Unwirksamkeit der Regelungen zum Weihnachts- und Urlaubsgeld in § 9 Abs. 1 und 2 der BV 97 ausgegangen wird, der Kläger ein Weihnachts- und Urlaubsgeld in Höhe des Betrags von € 1.644,24 brutto verlangen kann. Dies folgt aus der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung i.V.m. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
aa. Bis zur Kündigung der BV 97 hat die Beklagte die in der BV 97 enthaltenen Entlohnungsgrundsätze angewandt und ihren Arbeitnehmer neben dem festen monatlichen Gehalt Sonderzuwendungen in Form eines Urlaubsgeldes und eines Weihnachtsgeldes gewährt. Damit stellte die BV 97 die von der Beklagten im Einvernehmen mit dem Betriebsrat angewandte Vergütungsordnung im Betrieb dar. Die Beklagte hat die in dieser Vergütungsordnung enthaltenen Entlohnungsgrundsätze im Jahr 2015 ohne Zustimmung des Betriebsrats geändert. Sie hat sich entschieden, die bisher gezahlten Sonderzuwendungen (Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld) nicht weiter zu gewähren und stattdessen den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer angeboten, ab 2016 einen Teil der bislang gewährten Sonderzuwendungen in einen Bestandteil des festen monatlichen Gehalts umzuwandeln. Durch die Streichung der Sonderzuwendungen, die in Höhe eines für alle Beschäftigten gleichen Teils einer Monatsvergütung gewährt wurden, ändert sich zwar nicht der relative Abstand der jeweiligen Gesamtvergütungen zueinander. Die Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze liegt aber darin, dass künftig Teile der Gesamtvergütung nicht mehr als zusätzliche Einmalzahlung zu einem bestimmten Datum geleistet werden, sondern die Gesamtvergütung auf monatlich gleich bleibende Beträge verteilt werden soll (vgl. BAG, Beschluss vom 28. Februar 2006 - 1 ABR 4/05 -, juris).
bb. Wegen der Verletzung von Mitbestimmungsrechten kann der Arbeitnehmer (nur) solche Ansprüche geltend machen, die ihm zum Zeitpunkt des mitbestimmungswidrigen Verhaltens zustanden.
Das mitbestimmungswidrige Verhalten führt nicht dazu, dass sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergäben, die zuvor noch nicht bestanden haben. Zwar ist eine individualrechtliche Maßnahme des Arbeitgebers, die der notwendigen Mitbestimmung entbehrt, im Verhältnis zum Arbeitnehmer rechtswidrig und unwirksam. Dies gilt sowohl für einseitige Maßnahmen als auch für zweiseitig getroffene Vereinbarungen. Die tatsächlich durchgeführte Mitbestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers. Benachteiligende Maßnahmen sind aber nur solche, die bereits bestehende Rechtspositionen des Arbeitnehmers schmälern. Auch bei Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechts der Arbeitnehmervertretung durch den Arbeitgeber erhält der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Leistungen, die die bestehende Vertragsgrundlage übersteigen.
Dieser Grundsatz lässt die kollektivrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers unberührt, die vertraglich vereinbarten Leistungen unter Beachtung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze zu gewähren. Diese Verpflichtung besteht unabhängig von den Vertragsabsprachen der Parteien. Sie kann bei Neueinstellungen dazu führen, dass für den Arbeitnehmer Ansprüche auf Leistungen entstehen, die als solche vertraglich nicht vorgesehen sind. Auf diese Weise werden nicht "Ansprüche ohne Anspruchsgrundlage" oder eine "fiktive Anspruchsgrundlage" geschaffen. Es treten nicht an die Stelle der vertraglich getroffenen Abreden der Parteien fingierte andere Absprachen. Es werden auch nicht weitergehende Ansprüche aus einem nicht existierenden Vertragszustand vor (unwirksamer) Änderung der Entlohnungsgrundsätze hergeleitet. Es verbleibt ohne Einschränkung bei den tatsächlich getroffenen Absprachen. Es werden lediglich die im Betrieb gültigen Entlohnungsgrundsätze, soweit das möglich ist, auf diese angewendet (BAG, Urteil vom 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - juris Rn 37f.).
cc. Auch nach diesen Grundsätzen ist der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für 2015 in Höhe von 62,5 % seines Bruttomonatsgehalts begründet, da die von der Beklagten einseitig vorgenommene Änderung der Entlohnungsgrundsätze unwirksam ist. Der Kläger kann auch nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung 62,5 % seines Bruttomonatsgehalts in Höhe von € 2.630,78, mithin € 1.644,24 brutto als Weihnachtsgeld verlangen.
c. Der dem Kläger zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach § 9 Abs. 1 und 2 der BV 97 bzw. der im Betrieb angewandten Vergütungsordnung war das Weihnachtsgeld am 30. November 2015 und das Urlaubsgeld am 31. Mai 2016 zu zahlen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
IV.
Die Revision war für beide Parteien gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Hinweise
Rechtsmittel wurde eingelegt - Az. beim BAG: 1 AZR 65/17