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20.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193401

Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 08.02.2017 – 5 U 1669/16

Die Möglichkeit der außerordentlichen und fristlosen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, auch eines Mietvertrages, wegen nicht durch Vertragsanpassung korrigierbarer Störungen der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3 Satz 2 BGB) hat neben der Möglichkeit, das Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich und fristlos kündigen zu können (§§ 314, 543, 569 BGB), einen abgrenzbaren Anwendungsbereich, weswegen der erste nicht vom zweiten Kündigungstatbestand verdrängt wird.


Oberlandesgericht Dresden

Beschl. v. 08.02.2017

Az.: 5 U 1669/16

In dem Rechtsstreit
xxx
wegen Feststellung

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Dr. K.,
Richter am Oberlandesgericht A. und
Richterin am Oberlandesgericht K.

ohne mündliche Verhandlung am 08.02.2017 beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz, 1. Zivilkammer, vom 21.10.2016 (1 O 75/16) nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses. Sie sollte zur Vermeidung weiterer Kosten die Möglichkeit einer Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über eine Verkaufsfläche im Objekt N... in C... durch Kündigung der Klägerin zum 27.11.2015 hilfsweise zum 31.12.2015 bzw. zum 31.03.2016 beendet wurde.

Der Mietvertrag über die streitgegenständliche Verkaufsfläche mit einer Größe von ca. 24 qm wurde am 08.03.2007 von der Klägerin als Mieterin und der H... GbR als Vermieterin geschlossen (Anlage K 1). Das Mietverhältnis begann am 15.05.2007 und war ursprünglich bis zum 31.08.2010 befristet. Es verlängerte sich nach § 2 Abs. 2 des Mietvertrages jeweils um fünf Jahre, wenn nicht eine der Parteien spätestens 12 Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widersprach. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befand sich im Objekt eine Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes "XXX". Der Mietzweck der Klägerin lautete gemäß § 1 Nr. 1 des Mietvertrages: "Bäcker in der Vorkassenzone des XXX-Marktes". Wegen der näheren Beschreibung der örtlichen Verhältnisse wird auf die als Anlage K 2 vorgelegte Skizze Bezug genommen.

Die Beklagte wurde zum 01.03.2014 Eigentümerin des Grundstückes und trat auf Vermieterseite in den Mietvertrag mit der Klägerin ein. Der Betreiber des Lebensmittelmarktes wechselte von "XXX" auf "YYY". Weder die Klägerin noch die Beklagte erklärten den Widerspruch gegen die Verlängerung des Mietvertrages bis zum 31.08.2020. Auf Einladung der Hausverwaltung der Beklagten vom 22.05.2015 (Anlage B 1) fand am 04.06.2015 ein Gespräch der Parteien statt, in welchem es um die Beendigung des Mietverhältnisses mit "YYY" im November 2015 und die Fortführung der Mietverträge mit der Klägerin und der im Objekt befindlichen Fleischerei sowie die weitere Nutzung der von diesen angemieteten Verkaufsflächen ging. Der Inhalt des Gespräches im Einzelnen ist zwischen den Parteien strittig. Ein weiteres Gespräch der Parteien, dessen Inhalt im Einzelnen strittig ist, fand am 16.07.2015 statt. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom selben Tage (Anlage K 5) die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages aus wichtigem Grunde zum Zeitpunkt der Beendigung der Geschäftstätigkeit des YYY-Marktes im Objekt, spätestens zum 31.12.2015. Die Beklagte widersprach der Kündigung. Nachdem das genaue Datum der Schließung des Lebensmittelmarktes von "YYY" am 21.11.2015 bekanntgeworden war, erklärte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 29.10.2015 (Anlage K 6), sie werde die von ihr genutzte Verkaufsfläche zum 27.11.2015 räumen. Die Klägerin räumte die Verkaufsfläche zum 27.11.2015 und zahlte bis zu diesem Zeitpunkt (für November 2015 anteilig) die vertraglich vereinbarte Miete. Wegen des aus ihrer Sicht bestehenden Mietrückstandes aus der anteiligen Miete für November 2015 sowie der vollständigen Miete für die Monate Dezember 2015 bis März 2016 erklärte die Beklagte auf S. 8 der Klageerwiderung vom 30.03.2016 (Bl. 23 dA), welche der Klägerin am 01.04.2016 zugestellt wurde, die außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzuges.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei erst im Gespräch am 04.06.2015 von der Beklagten darüber informiert worden, dass der Lebensmittelmarkt von "YYY" im November 2015 schließen werde. Zugleich sei ihr mitgeteilt worden, dass sich die Beklagte um einen Anschlussmieter bemühe. Am 16.07.2015 habe die Klägerin dann erfahren, dass kein Nachmieter gefunden worden sei, der im November 2015 nach Auszug von "YYY" einen neuen Lebensmittelmarkt im Objekt eröffnen werde. Aus diesem Grunde habe sie am selben Tage die Kündigung ausgesprochen, denn der Betrieb eines Supermarktes im Objekt sei Geschäftsgrundlage für ihren Mietvertrag gewesen. Seit dem 28.11.2015 habe die Klägerin die Verkaufsfläche nicht mehr erreichen können, weil der gemeinsame Eingang für die Verkaufsfläche des Lebensmittelmarktes und des Bäckers geschlossen gewesen sei.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin sei bereits im Jahre 2013, jedenfalls aber seit August 2014, bekannt gewesen, dass der Mieter "YYY" wegen Beendigung des Mietvertrages spätestens zum Ende des Jahres 2015 das Objekt räumen werde. Im Juni 2015 habe es Gespräche der Parteien über eine Erweiterung der Verkaufsfläche der Klägerin gegeben, welche die Klägerin nicht von einer Anschlussvermietung in Bezug auf die Fläche des Lebensmittelmarktes abhängig gemacht habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, als Nutzer der Fläche für den Lebensmittelmarkt einen sog. C...-Markt in das Objekt zu nehmen. Letztlich sei die Wiedervermietung zum 01.11.2016 erfolgt. Der Zugang zur Verkaufsfläche der Klägerin sei über den Haupteingang auch nach der Schließung des YYY-Marktes am 21.11.2015 gewährleistet gewesen.

Wegen des Sachvortrages im Übrigen und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Vorstandsvorsitzenden der Klägerin und den Geschäftsführer der Beklagten angehört. Mit dem Urteil vom 21.10.2016 hat es festgestellt, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Mietvertrag vom 08.03.2007 durch Kündigung der Klägerin wirksam zum 27.11.2015 beendet worden sei. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die klägerseits ausgesprochene Kündigung aus wichtigem Grund wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage habe das Mietverhältnis zum 27.11.2015 beendet.

Mit der Beendigung des Geschäftsbetriebes des Lebensmittelmarktes sei die Geschäftsgrundlage für den Mietvertrag der Klägerin entfallen, weil beide Verkaufseinrichtungen als Einheit erschienen und es - für die Beklagte erkennbar - der Klägerin darum gegangen sei, mit ihrem Bäckereiladen vom Kundenzustrom des Lebensmittelmarktes zu partizipieren. Eine Vertragsanpassung sei der Klägerin nicht zumutbar gewesen, weil zum Zeitpunkt der Schließung des YYY-Marktes nicht festgestanden habe, dass zeitnah ein vergleichbarer Anschlussmieter einziehen werde.

Gegen das ihr am 26.10.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25.11.2016 Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Fristverlängerung - am 26.01.2017 begründet. Sie trägt vor, das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis sei nicht zum 27.11.2015 beendet worden. Mangels Widerspruches einer der Parteien bis zum 31.08.2014 habe sich das Mietverhältnis gemäß § 2 Nr. 1 des Mietvertrages bis zum 31.08.2020 verlängert. Die ordentliche Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt sei damit ausgeschlossen. Die Klägerin habe ferner keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung zum 27.11.2015 gehabt. Soweit es um die Erwartung der Klägerin gehe, in dem Mietobjekt Gewinne und nicht Verluste zu erwirtschaften, falle diese ausschließlich in den Risikobereich der Klägerin als Mieterin. Der Betrieb eines Lebensmittelsupermarktes im Objekt sei nicht Geschäftsgrundlage des Mietvertrages zwischen den Parteien gewesen. Die an die Klägerin überlassene Verkaufsfläche habe auch nach Auszug des Lebensmittelsupermarktes zum vereinbarten Mietzweck, dem Betrieb eines Bäckerladens, genutzt werden können. Dies zeige sich auch daran, dass die Klägerin im Juni/Juli 2015 Gespräche über eine mögliche Erweiterung ihrer Verkaufsfläche mit der Beklagten geführt habe. Schließlich sei es der Klägerin auch für den Fall, dass man von einer Störung der Geschäftsgrundlage ausgehe, zumutbar, den Mietvertrag anzupassen, nicht aber ihn außerordentlich durch eine Kündigung zu beenden. So habe das Mietverhältnis für den Zeitraum ruhen können, in welchem der Vermieter einen Anschlussmieter sucht. Das Mietverhältnis hätte dann immer noch beendet werden können, wenn die Suche nach einem Anschlussmieter erfolglos gewesen wäre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 21.10.2016, Az. 1 O 75/16, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

II.

Der Berufung fehlt zur einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich die Erfolgsaussicht und es sind auch die weiteren Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO erfüllt, so dass der Senat beabsichtigt, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

Das Landgericht hat in der Sache zutreffend festgestellt, dass das zwischen den Parteien ursprünglich bestehende Mietverhältnis durch die Kündigung der Klägerin zum 27.11.2015 beendet worden ist. Zwar verlängerte sich das befristete Mietverhältnis mangels Widerspruches einer der Parteien bis zum 31.08.2014 gemäß § 2 Nr. 1 des Mietvertrages bis zum 31.08.2020. Die Klägerin konnte das Mietverhältnis aber mit ihrem Schreiben vom 16.07.2015 gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB außerordentlich zu dem Zeitpunkt kündigen, in welchem der Lebensmittelsupermarkt seinen Geschäftsbetrieb einstellte. Es lagen zwar nicht die Voraussetzungen einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB vor (dazu 1.). Die Klägerin konnte ihre Kündigung aber auf § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB stützen, weil diese Vorschriften neben § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB Anwendung findet (dazu 2.), mit der Schließung des Lebensmittelsupermarktes im Objekt im November 2015 eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB eintrat (dazu 3.) und der Klägerin eine Anpassung des Mietvertrages i.S. der Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar war (dazu 4.). Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob das Mietverhältnis als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt, weil der Mietvertrag vom 08.03.2007 nicht die gesetzliche Schriftform aus §§ 550 Satz 1, 578 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB einhält, kommt es danach nicht an.

1. Die Klägerin kann die außerordentliche Kündigung vom 16.07.2015 nicht auf einen wichtigen Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB stützen. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden benannten Regelbeispiels aus § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB liegen nicht vor, weil die Schließung des Lebensmittelsupermarktes im November 2015 der Klägerin nicht den vertragsgemäßen Gebrauch der Verkaufsfläche, also die Nutzung als Bäckereiladen, entzogen hat. Die Verkaufsfläche konnte auch ohne den Betrieb des Lebensmittelsupermarktes von der Klägerin für den Verkauf von Backwaren genutzt werden.

Auch die Voraussetzungen der Generalklausel des § 543 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB lagen nicht vor. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Mietvertrages setzt danach voraus, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann, was regelmäßig nur dann angenommen werden kann, wenn die Gründe, auf welche die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.1995, XII ZR 185/93, ZMR 1996, 309; Urteil vom 07.03.2013, III ZR 231/12, NJW 2013, 2021; Senatsurteil vom 03.12.2002, 5 U 1270/02, NJW 2003, 1819; vgl. auch Hirsch WuM 2006, 418, 424). Daran aber fehlt es, denn es ergibt sich weder aus dem Inhalt des Mietvertrages vom 08.03.2007 noch aus dem Sachvortrag der Parteien ein Anhaltspunkt dafür, dass die Vermieterseite das Risiko übernommen hätte, dass der Lebensmittelsupermarkt seinen Geschäftsbetrieb beendet, während der befristete Mietvertrag mit der Klägerin als Bäckerin andauert.

2. Nach Auffassung des Senats hat die Möglichkeit der außerordentlichen und fristlosen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses, auch eines Mietvertrages, wegen nicht durch Vertragsanpassung korrigierbarer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3 Satz 2 BGB) neben der Möglichkeit, das Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich und fristlos kündigen zu können (§§ 314, 543, 569 BGB), einen abgrenzbaren Anwendungsbereich, weswegen der erste nicht vom zweiten Kündigungstatbestand verdrängt wird. Dies war im Mietrecht schon vor Inkrafttreten der Mietrechtsreform 2001 anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.1995, XII ZR 230/94, NJW 1996, 714; OLG München, Urteil vom 23.06.1999, 3 U 6412/98, NZM 2000, 89). Durch das Inkrafttreten der Mietrechtsreform 2001 und der Schuldrechtsreform 2002 hat sich daran nichts geändert. Während die außerordentliche Kündigung des Dauerschuldverhältnisses ein vertragsimmanentes Mittel zur Auflösung der Vertragsbeziehung ist, begründet die Auflösung eines Vertrages wegen Wegfalles bzw. Störung der Geschäftsgrundlage eine außerhalb des Vertrages liegende von vornherein auf besondere Ausnahmefälle beschränkte rechtliche Möglichkeit, sich von den vertraglich übernommenen Pflichten zu lösen (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.1996, I ZR 265/95, NJW 1997, 1702; Urteil vom 09.03.2010, VI ZR 52/09, NJW 2010, 1874; speziell zur Anwendbarkeit des § 313 Abs. 3 Satz 2 im Mietrecht: Senatsurteil vom 16.08.2012, 5 U 1350/11, ZMR 2013, 429; OLG Saarbrücken, Urteil vom 04.10.2012, 8 U 391/11, NJW 2012, 3731 [OLG Saarbrücken 04.10.2012 - 8 U 391/11-106]; OLG Hamm, Urteil vom 28.06.2011, 7 U 54/10, DStR 2011, 2314; KG, Urteil vom 14.07.2014, 8 U 140/13, ZMR 2014, 876; vgl. auch Alberts in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, 1. Aufl., § 543 Rn. 6).

3. Die Einstellung des Geschäftsbetriebes des YYY-Marktes im November 2015 hat eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB bewirkt, denn die Auslegung des Mietvertrages vom 08.03.2007 gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien ergibt, dass dem Mietvertragsabschluss die gemeinsame Vorstellung der vertragsschließenden Parteien zugrunde lag, dass im Mietobjekt gleichzeitig auf der großen Fläche ein Lebensmittelsupermarkt und auf der kleinen an die Klägerin vermieteten Verkaufsfläche ein Bäckereigeschäft betrieben werden sollte. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass im Mietvertrag die Bedeutung gerade der Kombination zwischen Lebensmittelsupermarkt und Bäcker nicht ausdrücklich geregelt ist. Schon die aus der beigefügten Skizze ersichtlichen baulichen Gegebenheiten sprechen aber dafür, dass die erheblich kleinere Verkaufsfläche für den Bäckerladen kombiniert werden sollte mit der erheblich größeren Fläche für den Lebensmittelsupermarkt. Dazu passt die Bezeichnung der Verkaufsstelle in § 1 Nr. 1 des Mietvertrages, wonach es sich um den "Bäcker in der Vorkassenzone des XXX-Marktes" handelt. Auch wenn mit dieser Formulierung in erster Linie eine örtliche Bezeichnung des Mietgegenstandes vorgenommen wird, zeigt sie, dass das Gesamtobjekt insgesamt vom XXX-Markt dominiert wird und die Verkaufsstelle für den Bäckereiladen in dessen Vorkassenzone platziert werden soll. Die Kombination zwischen dem Lebensmittelsupermarkt einerseits und der Verkaufsfläche für den Bäckerladen andererseits wird danach von der Bezeichnung in § 1 Nr. 1 des Mietvertrages vorausgesetzt.

Es entspricht zudem der Erfahrung des Senates als dem speziell für Mietsachen beim Oberlandesgericht zuständigen Spruchkörper, dass gerade in Sachsen regelmäßig Lebensmittelsupermärkte in einer Kombination mit einer Verkaufsstelle für Backwaren sowie eventuell auch für Fleischwaren in denselben oder unmittelbar angrenzenden Räumlichkeiten platziert werden. Auch dies spricht dafür, dass bei entsprechenden baulichen Gegebenheiten - wie auch im vorliegend zu beurteilenden Fall - die Parteien des Mietvertrages übereinstimmend davon ausgehen, dass Grundlage des Mietvertrages eine Kombination des Lebensmittelsupermarktes einerseits und des Bäckereiladens andererseits ist.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten wird damit nicht das unternehmerische Risiko des Mieters dem Vermieter aufgebürdet. Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass in einem Gewerberaummietvertrag grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt, wozu vor allem das Risiko gehört, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2010, XII ZR 108/08, NZM 2010, 364). In Bezug auf dieses Risiko kann sich der Mieter demzufolge nicht auf eine Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen (vgl. BGH, Urteil vom 21.09.2005, XII ZR 66/03, NJW 2006, 899; Urteil vom 17.03.2010, aaO.). Um dieses Risiko des wirtschaftlichen Erfolges der angemieteten Verkaufsfläche geht es aber im vorliegend zu beurteilenden Fall nicht, sondern vielmehr darum, dass bei Abschluss des Vertrages die Vertragsparteien die beiderseitige Vorstellung vom Verwendungszweck der Gesamträumlichkeiten als einer Kombination zwischen einem Lebensmittelsupermarkt und einer Verkaufsstelle für Bäckereiwaren hatten (ähnlich OLG München, Urteil vom 23.06.1999, aaO.; vgl. auch zur Kombination zwischen Bäcker und Fleischer: Senatsurteil vom 10.04.2001, 23 U 3114/00, NZM 2002, 292).

4. Der Klägerin stand zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung am 16.07.2015 gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB das Recht zur Kündigung des Mietvertrages zu dem Zeitpunkt zu, in welchem der Lebensmittelsupermarkt seinen Geschäftsbetrieb aufgeben würde, denn in diesem Moment entfiel die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages, die Kombination eines Lebensmittelsupermarktes einerseits und eines Bäckereigeschäftes andererseits.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Klägerin nicht zuzumuten, über den Zeitpunkt der Schließung des Lebensmittelsupermarktes hinaus am Mietvertrag für die Verkaufsstelle des Bäckerladens festzuhalten, denn zum Zeitpunkt der Kündigung am 16.07.2015 war nach übereinstimmendem Vortrag offen, zu welchem Zeitpunkt ein Anschlussmieter im Objekt einen Lebensmittelsupermarkt auf der großen Verkaufsfläche betreiben würde. Es kann deshalb offenbleiben, welche Übergangsfrist bis zur Eröffnung eines Lebensmittelsupermarktes durch einen Anschlussmieter der Klägerin zumutbar gewesen wäre. Jedenfalls ist es für sie nicht zumutbar gewesen, ihr Mietverhältnis im Hinblick auf die unbestimmte Möglichkeit fortzusetzen, dass ein Anschlussmieter die Räume anmieten werde. Eine konkrete zeitliche Perspektive für die Aufnahme des Betriebes eines neuen Lebensmittelsupermarktes bestand aber zum Zeitpunkt der Kündigung am 16.07.2015 nicht. Angesichts dieser fehlenden konkreten Perspektive kann auch offenbleiben, in welcher Form es für den Mieter in einem vergleichbaren Fall zumutbar sein könnte, das Mietverhältnis "ruhend zu stellen", wie dies von Seiten der Beklagten im Rahmen der Berufungsbegründung geltend gemacht wird. Unabhängig von der Frage, wie dies in der Praxis geregelt werden könnte, ist zudem für den vorliegenden Fall festzuhalten, dass die Beklagte eine solche Lösung gerade nicht angeboten, sondern vielmehr auf der Bezahlung der vollständigen Miete nach dem Auszug am 27.11.2015 bestanden hat.

Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, der Klägerin sei bereits im Jahre 2013 bekannt gewesen, dass spätestens zum Ende des Jahres 2015 der YYY-Markt im Objekt schließen werde. Auch wenn man die Richtigkeit dieser Behauptung der Beklagten unterstellt, führt sie nicht zum Entfallen des Kündigungsrechts zugunsten der Klägerin aus § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB. Geschäftsgrundlage des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages war nicht der Fortbestand des Lebensmittelsupermarktes von YYY im Mietobjekt, sondern vielmehr der Fortbestand irgendeines Lebensmittelsupermarktes im angemieteten Objekt. Erst in dem Moment, in welchem klar wurde, dass es nicht zu einer zeitnahen Anschlussvermietung der Verkaufsfläche für den Lebensmittelsupermarkt kommen würde, konnte die Klägerin den Wegfall der Geschäftsgrundlage erkennen und darauf mit einer außerordentlichen Kündigung nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB reagieren, was sie getan hat, nachdem die Beklagte ihr die Unsicherheit bei der Anschlussvermietung im Sommer 2015 mitgeteilt hat.

Im Ergebnis teilt deshalb der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass im hier zu beurteilenden Falle die Klägerin das streitgegenständliche Mietverhältnis durch die Kündigung vom 16.07.2015 zum 27.11.2015 beenden konnte.

RechtsgebietGeschäftsraummieteVorschriften§ 313 Abs. 3 S. 2 BGB; § 314 BGB; § 543 BGB; § 569 BGB

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