Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

12.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193252

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 14.02.2017 – 12 Sa 1003/16

Auslegung einer Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung hinsichtlich des Eintrittszeitpunkts einer auflösenden Bedingung bei Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband


Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.10.2016 - 19 Ca 1905/16 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:


a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.531,46 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 271,91 Euro brutto seit dem 01.11.2015, 01.12.2015 und 01.01.2016 zu zahlen.


b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.


2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.


3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 60 Prozent und die Beklagte zu 40 Prozent.


4. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über das zutreffende Beendigungsdatum einer tarifliche Ansprüche einschränkenden Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung und etwaige aus einem früheren Beendigungsdatum resultierende klägerische Differenzlohnansprüche.



Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die Chemische Industrie Nordrhein Anwendung.



§ 2 Abs. 1 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages des Arbeitgeberverbandes Chemie Rheinland e. V. mit der IG Bergbau, Chemie, Energie vom 24.06.1992 in der hier anwendbaren Fassung vom 17.10.2013 enthält folgende Regelung:

"Für einzelne Arbeitnehmergruppen oder mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für größere Betriebsteile oder ganze Betriebe kann im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit eine bis zu zweieinhalb Stunden längere oder kürzere regelmäßige Arbeitszeit festgelegt werden. Die Arbeitnehmer haben Anspruch auf eine der vereinbarten Arbeitszeit entsprechende Bezahlung..."



§ 2 I Ziffer 1 MTV Chemie bestimmt die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit wie folgt:

"Die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit an Werktagen beträgt ausschließlich der Pausen 37,5 Stunden ..."



Alsdann enthält § 3 I MTV Chemie Regelungen zur Mehrarbeit. Hiernach ist Mehrarbeit grundsätzlich in Freizeit auszugleichen.Ist jedoch jedenfalls binnen zwei Monaten kein Ausgleich erfolgt, hat mit Ablauf von zwei weiteren Monaten ein Ausgleich zuzüglich eines Mehrarbeitszuschlages von 25 Prozent zu erfolgen.



Der ebenfalls anwendbare Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18.07.1987 in der Fassung vom 30.09.2004 enthält nachfolgende Regelung:

"V. Entgeltkorridor § 10 Tariföffnungsklausel Zur Sicherung der Beschäftigung und/oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit am Standort D , insbesondere auch bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, können Arbeitgeber und Betriebsrat mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für Unternehmen und für Betriebe durch befristete Betriebsvereinbarungen bis zu 10 % von den bezirklichen Tarifentgeltsätzen abweichende niedrigere Entgeltsätze unter Beachtung des§ 76 Absatz 6 BetrVG vereinbaren. Diese mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien betrieblich abweichend festgelegten Entgeltsätze gelten als Tarifentgeltsätze. Sie verändern sich - sowie die Betriebsvereinbarung nichts anderes regelt - bei einer Veränderung der in den bezirklichen Entgelttarifverträgen geregelten Tarifentgelte um den gleichen Prozentsatz wie diese. Die Anwendung dieser Tariföffnungsklausel schließt eine Kombination mit anderen tariflichen Öffnungsklauseln nicht aus."



Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten schloss die Beklagte bereits am 05.11.2008 mit ihrem örtlichen Betriebsrat unter Zustimmung der Tarifvertragsparteien eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung. Eine erneute Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung schlossen die Betriebsparteien unter dem 26.02.2013. Diese Betriebsvereinbarung sieht unter anderem eine Arbeitszeitverlängerung von 37,50 auf 39,50 Stunden/Woche ohne Lohnausgleich vor. Darüber hinaus ist die Nutzung des Entgeltkorridors gemäß § 10 BETV Chemie in Verbindung mit dem Arbeitszeitkorridor nach § 2 Abschnitt 1 Ziffer 3 MTV Chemie ausdrücklich vorgehen. Weiter ist bestimmt, dass Tariflohnerhöhungen teilweise ausgesetzt werden.



Im Einzelnen regelt die Betriebsvereinbarung hierzu:

" Präambel Geschäftsführung und Betriebsrat haben das gemeinsame Ziel, die langfristige Zukunft der R W GmbH zu sichern. Insbesondere gilt es, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens im Hinblick auf die fortschreitende Globalisierung und Sicherung des bestehenden Kundenstamms bzw. Ausweitung neuer Märkte zu erhalten und zu steigern. Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle tariflichen Mitarbeiter/innen der R W GmbH. 1. Arbeitszeitverlängerung Die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit wird gemäß § 2 I Ziffer 3 MTV Chemie auf 39,50 Stunden/Woche - exklusive Pausen - festgelegt. (...)Auf Wunsch der Mitarbeiter/innen kann die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit bei entsprechender Reduzierung des Entgeltes beibehalten werden. (...) 2. Entgeltkorridor Zur Vermeidung von Entgeltkürzungen vereinbaren die Betriebsparteien die Nutzung des Entgeltkorridors gemäߧ 10 BETV Chemie in Verbindung mit dem Arbeitszeitkorridor nach § 2 Abschnitt 1 Ziffer 3 MTV Chemie. 3. Regelung leitende und außertarifliche Mitarbeiter/innen (...) 4. Tarifanpassungen Zukünftige tabellenwirksame Tariferhöhungen ab 2014 werden bis 2,5% unter Anwendung des Entgeltkorridors nicht weitergegeben. Diese Anrechnung ist bis zur einem Gesamtvolumen von 4,7% möglich. Ausgenommen von dieser Anrechnung sind mögliche tarifliche Einmalzahlungen. Die Anrechnungsmöglichkeit besteht für die Laufzeit dieser Vereinbarung. Tariferhöhungen über 2,5% werden weiter gegeben. 5. Arbeitsplatzsicherung Die Geschäftsführung verpflichtet sich während der Laufzeit dieser Vereinbarung einen Betrieb mit mindestens 235 Vollzeitarbeitsplätzen (ohne ATZ und Azubis) aufrecht zu erhalten. Frei werdende unbefristete Arbeitsplätze werden vorrangig durch ehemalige Mitarbeiter/innen wiederbesetzt. 6. Auszahlung geleisteter Arbeitszeit Sollten betriebsbedingte Kündigungen oberhalb der Arbeitsplatzsicherung nach Ziffer 5 dieser Vereinbarung ausgesprochen werden, wird für die Mitarbeiter/innen (...) das Entgelt auf das Niveau der 39,50 Stunden Woche angehoben und die so ermittelte Differenzvergütung rückwirkend ab Beginn dieser Vereinbarung, jedoch maximal für 12 Monate nachgezahlt. (...) 7. Gewinnbeteiligung (...)"



Alsdann enthält hinsichtlich der Frage der Laufzeit der Betriebsvereinbarung diese in Ziffer 8) nachfolgende Regelung, welche hinsichtlich ihrer Formulierung aus der Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung 2008 übernommen wurde:

"8. Inkrafttreten, Laufzeit, Beendigung Diese Betriebsvereinbarung tritt am 01.04.2013 in Kraft und hat eine Laufzeit bis zum 31.03.2017. Sie endet ohne Nachwirkung. Die Vertragsparteien treten 6 Monate vor Ablauf der Vereinbarung in Verhandlung darüber ein, ob ggf. und in welcher Form diese Vereinbarung fortgeführt wird. Im Falle des Verkaufs des Betriebs bzw. einer Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband Chemie Rheinland e. V., endet diese Vereinbarung fristlos mit sofortiger Wirkung. Bei Durchführung Kurzarbeit werden für die Dauer der Kurzarbeit 37,50 Stunden/Woche zu Grunde gelegt".



Mit Schreiben vom 05.03.2013 erteilte der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. zu der Erhöhung der Arbeitszeit und der Anwendung des Entgeltkorridors seine Zustimmung. Die Zustimmungserklärung des Arbeitgeberverbandes enthält nachfolgenden Schlussabsatz:

"Wir weisen darauf hin, dass die Mitgliedschaft des Unternehmens im Arbeitgeberverband wesentliche Voraussetzung für die Zustimmung ist".



Die Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie erklärte ihr Einverständnis unter den 12.03.2013.



Mit Schreiben vom 30.06.2015, zugegangen ebenfalls am 30.06.2015, erklärte die Beklagte gegenüber dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland e.V. die Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband mit Wirkung zum 31.12.2015, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Die vom Geschäftsführer der Beklagten F Fa unterzeichnete Kündigungserklärung enthält weiter den Satz: "Die Kündigung erfolgt rein vorsorglich. Derzeit wird seitens der R G P eingehend die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der R W GmbH geprüft."



Auch nach der Kündigungserklärung zahlte die Beklagte an ihre Arbeitnehmer Vergütungsansprüche weiterhin lediglich auf Basis der durch die Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 gekürzten Anspruchshöhe aus und stellte Arbeitszeiten in die Arbeitszeitkonten weiterhin unter der Annahme einer 39,5-Stunden-Woche ein.



Die Mitgliedschaft der Beklagten im Arbeitgeberverband wurde zum 31.12.2015 beendet. Im Jahr 2016 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste sowie einen Sozialplan zur Standortschließung und sprach betriebsbedingte Kündigungen aus.



Mit der hiesigen am 15.03.2016 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage hat der Kläger zum einen die Feststellung des Bestehens einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden sowie zum anderen Differenzlohnansprüche für die Monate Oktober, November und Dezember 2015 begehrt



Für die streitgegenständlichen Zeiträume Oktober bis Dezember 2015 hätte der Klägerseite ohne die Regelungen der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 eine der Höhe nach unstreitig um den mit dem Zahlungsantrag geltend gemachten Differenzbetrag von 510,63 Euro brutto monatlich höhere Vergütung zugestanden, die sich zusammensetzt aus einer monatlichen Lohndifferenz sowie dem Gegenwert der zwei Mehrarbeitsstunden pro Monat sowie hierauf weitere 25 Prozent Überstundenzuschlag.



Die Klägerseite hat die Ansicht vertreten, dass die Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung vom 26.02.2013 bereits mit der Erklärung der Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband - d. h. schon zum 30.06.2015 - ihr Ende gefunden und nicht erst zum 31.12.2015. Mithin könnten die Arbeitnehmer nach Ansicht der Klägerseite bereits ab dem 01.07.2015 wiederum die ungekürzten tariflichen Ansprüche ohne die Einschränkungen der Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung vom 26.02.2013 beanspruchen. Für diese Auslegung der Ziffer 8 der Betriebsvereinbarung spreche insbesondere der Wortlaut und vor allem der ausdrückliche Zusatz "fristlos mit sofortiger Wirkung".



Die klagende Partei hat beantragt,

1) festzustellen, dass die tarifgemäße regelmäßige Arbeitszeit des Klägers bei der Beklagten seit dem 30.06.2015 wieder 37,5 h/Woche beträgt, 2) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.531,89 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 510,63 Euro seit dem 01.11.2015, 01.12.2015 und 01.01.2016 zu zahlen.



Die Beklage hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie ist hat die Ansicht vertreten, die Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 sei rechtswirksam und habe noch bis einschließlich 31.12.2015 weiter gegolten, so dass die Entgeltsätze aus dem Entgelttarifvertrag der Chemischen Industrie sowie die vollständige regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit erst ab dem 01.01.2016 wieder auf das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis Anwendung gefunden hätten. Für das zweite Halbjahr 2015 könne die Klägerseite weiterhin lediglich die gemäß der Betriebsvereinbarung gekürzten Entgeltansprüche beanspruchen und habe weiterhin ohne Lohnausgleich eine Wochenarbeitszeit von 39,5 Stunden leisten müssen. Es sei insofern bezüglich der Frage der Beendigung der Betriebsvereinbarung nicht auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband, sondern erst auf den Zeitpunkt des Eintritts ihrer Wirkung - mithin das Kündigungsenddatum - abzustellen. Eine vorzeitige Außerkraftsetzung der Betriebsvereinbarung inklusive der dortigen Beschäftigungssicherung entspräche nicht dem Zweck der Betriebsvereinbarung und sei insbesondere nicht im Interesse der Arbeitnehmer, da dann ja auch die Beschäftigungssicherung mit sofortiger Wirkung entfalle.Die Beklagte hat behauptet, die Betriebsparteien hätten die Formulierung aus Ziffer 8 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung - die unstreitig mit den Fassungen der Vorgängerbetriebsvereinbarung übereinstimmt - kommentarlos erneut vereinbart. Die Reglung sei weder hinterfragt, noch diskutiert worden. Für eine Abgeltung der Mehrarbeit fehle es darüber hinaus an einer Rechtsgrundlage.



Das Arbeitsgericht hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Es hat zur Begründung angeführt, dass die Abweichungen in der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 von den tarifvertraglichen Regelungen aufgrund der Tariföffnungsklauseln zulässig und wirksam gewesen seien. Nach der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Auslegung der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 sei diese erst zum 31.12.2015 und nicht bereits zum 30.06.2015 ausgelaufen. Zwar lasse der Wortlaut beide Auslegungen zu. Der Sinn und Zweck der Regelung spreche jedoch für die von der Beklagten vorgenommene Auslegung. Gewollte Rechtsfolge sei, dass die Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung zum selben Termin endet wie die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband. Die Beklagte hätte es ansonsten in der Hand, den Schutz der Betriebsvereinbarung "von heute auf morgen" einseitig durch Austritt aus dem Arbeitgeberverband zu beseitigen. Dies könne nicht dem Willen der Betriebsparteien entsprechen. Ein etwaiger Wunsch des Betriebsrats, den Arbeitgeber bei einem Austritt aus dem Arbeitgeberverband sanktionieren zu wollen, habe jedenfalls in der Betriebsvereinbarung keinen erkennbaren Niederschlag gefunden. Dem geltend gemachten Anspruch auf Vergütung von Mehrarbeit und Zuschlag stehe im übrigen entgegen, dass der Tarifvertrag insofern Freizeitausgleich vorsehe.



Den Feststellungsantrag zu 1) hat das Arbeitsgericht bereits als unzulässig abgewiesen. Es fehle das gemäß § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse. Für den abgeschlossenen Zeitraum Juni bis Dezember 2015 sei insofern die Leistungsklage vorrangig.



Gegen das ihm am 25.10.2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts vom 12.10.2016 hat der Kläger am 24.11.2016 Berufung eingelegt und diese am 12.12.2016 begründet. Seinerzeit waren bei der hiesigen Berufungskammer zahlreiche weitere Parallelrechtsstreite hinsichtlich der Auslegung der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung bezüglich ihres Beendigungszeitpunktes anhängig, die teilweise im Kammertermin am 06.12.2016 erledigt wurden (z. B. 12 Sa 528/16) und teilweise darüber hinaus anhängig blieben(z. B. 12 Sa 898/16).



Der Kläger und Berufungskläger rügt, die Auslegung der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 sei dahingehend vorzunehmen, dass diese bereits zeitgleich mit der Erklärung der Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband beendet wurde. Der Begriff "Kündigung" sei im allgemeinen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit der Kündigungserklärung. Auch der ausdrückliche Wille der Betriebsparteien sowohl bei Abschluss der Betriebsvereinbarung 2008 als auch bei Abschluss der Betriebsvereinbarung 2013 sei gewesen, im Fall der Kündigung durch den Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung enden zu lassen.



Das erstinstanzliche Unterliegen des Klägers mit dem Feststellungsantrag wird mit der Berufung nicht angegriffen.



Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.10.2016, Az. 13 Ca 1905/16, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.531,46 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 271,91 Euro seit dem 01.08.2015, 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015, 01.12.2015 und 01.01.2016 zu zahlen.



Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.



Sie rügt zunächst die Zulässigkeit der Berufung im Hinblick darauf, dass die Berufung durch das Arbeitsgericht nicht zugelassen wurde. Darüber hinaus äußert sie Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit der erkennenden 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts nach dem Geschäftsverteilungsplan.



Die Beklagte verteidigt darüber hinaus das erstinstanzliche Urteil.Der Begriff "Kündigung" sei gleichzusetzen mit dem Beendigungszeitpunkt, zu dem die Rechtswirkungen der Kündigung eintreten. Insbesondere der Sinn und Zweck der Regelung spreche dafür, dass dann, wenn der Arbeitgeber noch bis 31.12.2015 an die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband gebunden ist, bis dahin auch die Betriebsvereinbarung gilt. Erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber nicht mehr tarifgebunden ist, trete die Äquivalenzstörung ein. Auch beim parallel geregelten Fall der Äquivalenzstörung durch den Verkauf trete diese erst zu dem Zeitpunkt ein, in dem die Leitungsmacht auf einen liquiden Erwerber übergehe, nicht bereits mit Abschluss des Kaufvertrages. Ab dem Zeitpunkt, zu dem der liquide Erwerber die Leitungsmacht innehabe, bestehe für die Arbeitnehmer keine Veranlassung mehr, für die dann ohnehin gegebene Arbeitsplatzsicherheit weiter "zahlen" zu müssen. Eine Möglichkeit, eine Beschäftigungssicherungsvereinbarung "von heute auf morgen" arbeitgeberseitig beenden zu können, sei zweckwidrig. Die getroffene Regelung in Ziffer 8 der Betriebsvereinbarung sei eine in sich schlüssige Abweichung von § 77 Abs. 5 BetrVG, die Betriebsvereinbarung solle zeitgleich mit der Beendigung der Mitgliedschaft enden, ohne dass es einer zusätzlichen Kündigung der Betriebsvereinbarung bedarf.



Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere das erstinstanzliche Urteil, die Sitzungsprotokolle sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung hatte ganz überwiegend Erfolg. Sie ist mit dem in der Berufungsinstanz allein noch streitgegenständlichen Zahlungsantrag - bis auf einen Teil der Zinsforderung - zulässig und begründet.



I. Zunächst war entgegen der Rüge der Beklagten der erkennende Spruchkörper (12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln) zur Entscheidung berufen.



Ziffer VII. 1. des richterlichen Geschäftsverteilungsplans des Landesarbeitsgerichts Köln enthält unter der Überschrift "Parallelität" nachfolgende Regelung: "Mehrere gleichzeitig anhängige Rechtsstreite und Verfahren mit im Wesentlichem gleichem Sachverhalt gleich welcher Verfahrensart, die denselben Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Konzern oder Beteiligten treffen, gehen nach übereinstimmender Feststellung der Parallelität durch die betreffenden Vorsitzenden in diejenige Kammer über, die für die zuerst eingetragene Sache zuständig ist."



Hiervon ausgehend war die 12. Kammer für sämtliche anhängigen Parallelverfahren betreffend die Auslegungsfrage, ob die streitgegenständliche Betriebsvereinbarung der Beklagten aufgrund der Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband schon zum 30.06.2015 oder erst zum 31.12.2015 ihr Ende gefunden hat, zuständig. Denn das älteste, zuerst beim Landesarbeitsgericht eingegangene Verfahren betreffend diesen Streitgegenstand war der Rechtsstreit 12 Sa 528/16, für den die 12. Kammer unzweifelhaft zuständig war. Parallelität in Form eines im wesentlichen gleichen Sachverhalts liegt auch unstreitig und von der Beklagten nicht in Abrede gestellt vor. Diese wurde auch übereinstimmend festgestellt.



Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten kommt es dadurch, dass der ursprünglich älteste Rechtsstreit 12 Sa 528/16 am 06.12.2016 erledigt wurde, auch nicht zu einer "Rückübertragung" der dann noch bei der 12. Kammer anhängigen weiteren Parallel-Rechtsstreite an Kammern, bei denen diese Rechtsstreite jeweils zu einem früheren Zeitpunkt einmal anhängig gewesen waren. Derartiges sieht der Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts Köln nicht vor und würde auch dem Zweck der Parallelitäts-Regelung im Geschäftsverteilungsplan, der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, entgegen stehen.



Da zum Zeitpunkt des Eingangs des hiesigen Rechtsstreits beim Landesarbeitsgerichts als auch zum Zeitpunkt der Feststellung der Parallelität noch weitere ältere parallele Rechtsstreite bei der 12. Kammer anhängig waren, u. a. der Rechtsstreit 12 Sa 898/16, war die erkennende 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auch zur Entscheidung des hiesigen Rechtsstreits zuständig.



II. Die Berufung ist zulässig.



Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft, da der Beschwerdewert ausweislich des durch das Arbeitsgericht gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festgesetzten Urteilsstreitwertes 600,00 Euro übersteigt. Dass das Arbeitsgericht die Berufung nicht auch noch zusätzlich gesondert zugelassen hat, ist insofern ohne Belang. § 64 Abs. 2 ArbGG sieht vier alternative Möglichkeiten vor, in denen eine Berufung statthaft ist. Die Zulassung der Berufung durch das Arbeitsgericht ist hierbei nur eine von vier Möglichkeiten. Auch ohne Zulassung der Berufung durch das Arbeitsgericht ist die Berufung dennoch statthaft, wenn eine der drei weiteren Tatbestandsvarianten erfüllt ist. Dass die Voraussetzungen für eine Statthaftigkeit der Berufung nach § 64 Abs. 2 ArbGG nur alternativ und nicht kummulativ erfüllt sein müssen, ergibt sich unzweifelhaft aus dem Wortlaut der Vorschrift, in der die Formulierung "oder" und gerade nicht "und" vom Gesetzgeber gewählt wurde. Insofern ist vorliegend ausreichend, dass die Voraussetzungen der zweiten Alternative für eine Statthaftigkeit der Berufung(§ 64 Abs. 2 lit. b ArbGG) gegeben sind. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt unzweifelhaft 600 Euro.



Die Berufung wurde darüber hinaus auch frist- und formgerecht gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO eingelegt und begründet.



III. Die Berufung ist hinsichtlich des in der Berufungsinstanz allein noch streitgegenständlichen Zahlungsantrages auch ganz überwiegend - bis auf einen Teil der Zinsforderung - begründet, da die Klage hinsichtlich dieses Antrages zulässig und hinsichtlich des Hauptantrages vollumfänglich und hinsichtlich des Zinsantrages teilweise begründet ist.



1.) Der Zahlungsantrag ist als Leistungsantrag zulässig.



2.) Der Hauptantrag ist auch begründet.



Die Klägerseite hat Anspruch auf die ungekürzte tarifliche Vergütung und die Wiederherstellung der tariflichen Wochenarbeitszeit bereits ab dem 01.07.2015. Denn die Betriebsvereinbarung zur Standortsicherung vom 26.02.2013, welche die streitgegenständlichen tariflichen Regelungen zum Nachteil der Klägerseite einschränkte, endete bereits zum 30.06.2015 und nicht erst zum 31.12.2015. Dies ergibt die von der Berufungskammer vorgenommene Auslegung der Beendigungsregelung in Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung.



Hiernach endet die Betriebsvereinbarung im hier eingetretenen Fall des Austritts aus dem Arbeitgeberverband bereits mit dem Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband und nicht erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Wirkung der Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband. Die auflösende Bedingung ist mithin vorliegend bereits zum 30.06.2015 und nicht erst zum 31.12.2015 eingetreten.



Hierbei ist festzuhalten, dass die Betriebsvereinbarung die streitgegenständliche Frage, ob die Beendigung der Geltungsdauer im Falle des Austritts aus dem Arbeitgeberverband bereits mit der Kündigungserklärung oder - bei zeitlichem Auseinanderfallen - erst mit dem Ende der Mitgliedschaft enden soll, nicht ausdrücklich und nicht eindeutig regelt. Es bedurfte mithin der Auslegung der streitgegenständlichen Regelung in der Betriebsvereinbarung. Hierbei ist weiter festzuhalten, dass grundsätzlich beide Auslegungsergebnisse vertretbar sind. Zur Überzeugung der Berufungskammer sprechen jedoch letztlich die überzeugenderen Gesichtspunkte für die klägerische Auslegung mit dem Ergebnis der Beendigung der Geltung der Betriebsvereinbarung bereits mit dem Zeitpunkt der Kündigungserklärung.



Die Auslegung einer Betriebsvereinbarung richtet sich wegen des normativen Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Auszugehen ist vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei nicht eindeutigem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Beteiligten und der von ihnen beabsichtigte Zweck der Regelungen zu berücksichtigen, allerdings nur soweit sie im Regelungswerk ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Beteiligten liefern kann. Bei fortbestehenden Zweifeln kann auf weitere Kriterien zurückgegriffen werden (vgl. u. a. BAG vom 14.11.2006, 1 ABR 05/06).



Hiervon ausgehend spricht zur Überzeugung der Berufungskammer nach den zu berücksichtigten Auslegungskriterien mehr für die Auslegung, dass im Fall der beklagtenseitigen Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitsgeberverband die Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 bereits mit dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung beim Arbeitgeberverband endet und nicht erst mit dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung erklärt wurde.



a) Hierfür spricht zunächst insbesondere der Wortlaut der Vorschrift in Ziffer 8 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013.



Anknüpfungspunkt des Wortlauts ist die "Kündigung" der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband.



Die Wortwahl ist insofern nicht vollkommen eindeutig. Grundsätzlich ist denkbar, dass mit dem Begriff der "Kündigung" sowohl die Erklärung der Kündigung als auch die Rechtswirkung der Kündigung gemeint sein kann.



Der Duden definiert den Begriff der "Kündigung" als "Lösung eines Vertrages, eines Miet- oder besonders Arbeitsverhältnisses" (www.duden.de/rechtschreibung/kuendigung). Diese Definition ist im Hinblick auf die hiesige Problematik nicht weiterführend. Auch mit der "Lösung" kann sowohl die Erklärung der Lösung als auch die Rechtswirkung der Lösung gemeint sein.



Im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in der Wortwahl des Gesetzgebers weitgehend üblich ist jedoch, dass bei isolierter Verwendung des Begriffs "Kündigung" - ohne klarstellenden näheren Zusatz zur "Kündigungserklärung" bzw. zum "Kündigungsenddatum" - damit üblicherweise die Kündigungserklärung und nur ausnahmsweise das Kündigungsenddatum gemeint ist.



Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der "Kündigung" etwa in § 102 BetrVG. Hier bestimmt § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, dass der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören ist. Diese Vorschrift stand den Betriebsparteien als äußerst praxisrelevante Norm der alltäglichen betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenarbeit vor Augen, als sie die Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 formuliert haben. Hierbei war den Betriebsparteien aufgrund ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Praxis selbstredend bewusst, dass der Betriebsrat im Rahmen des § 102 BetrVG bereits vor Ausspruch der Kündigung und nicht etwa erst vor Wirksamwerden der Kündigung anzuhören ist. Es ist in keiner Weise ersichtlich, weshalb sie bei der Verwendung des Begriffs der "Kündigung" inZiffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 von der gegenteiligen Wortbedeutung ausgegangen sein sollten.



Auch im allgemeinen Sprachgebrauch ist des üblicher, unter dem Begriff "Kündigung" die Kündigungserklärung als das Kündigungsenddatum zu verstehen. So entspricht es der üblichen, an § 4 KSchG angelehnten Antragstellung und Tenorierung im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren, die Feststellung zu beantragen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der "Kündigung vom (...)" beendet wird. Auch insofern ist mit der "Kündigung" die Kündigungserklärung gemeint. Ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt die Kündigung Rechtswirkungen entfacht, ist ja gerade Gegenstand des Kündigungsschutzverfahrens.



Entscheidend hinsichtlich der Auslegung des Wortlauts der Ziffer 8Absatz 3 der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 ist weiter, dass dem Wortlaut neben der Verwendung des Begriffs der "Kündigung" ausdrücklich hinzugefügt wurde, dass im Falle der Kündigung diese Betriebsvereinbarung "fristlos mit sofortiger Wirkung" enden soll. Diese Begrifflichkeit lässt sich nur schwerlich damit in Einklang bringen, dass eine ggf. noch mehrmonatige Frist einzuhalten sein soll, bis die Betriebsvereinbarung endet. Die Begrifflichkeiten "fristlos" und "unter Einhaltung einer Frist" stehen sich vielmehr diametral entgegen. Wenn der Wortlaut in Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung ausdrücklich regelt, dass "im Falle (...) einer Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband" die Betriebsvereinbarung "fristlos mit sofortiger Wirkung" enden soll, spricht der Wortlaut dafür, dass dies ernst zu nehmen ist und die Betriebsvereinbarung dann auch entsprechend "mit sofortiger Wirkung" enden soll und nicht erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt.



b) Die historisch-subjektive Auslegung der Betriebsvereinbarung führt hinsichtlich des Auslegungsergebnisses vorliegend nicht entscheidend weiter.



Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Wortlaut der Formulierung inZiffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 wortgleich aus der Vorgänger-Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2008 übernommen wurde. Es ist insofern nicht ersichtlich, dass die Betriebsparteien sich im Jahr 2013 überhaupt irgendwelche Gedanken über diese Formulierung gemacht haben und dass diesbezüglich Erörterungen stattgefunden hätten. Vielmehr spricht insofern bereits einiges dafür, dass die Regelung lediglich kommentarlos und ohne weitere Erörterung aus der Vorgänger-Betriebsvereinbarung übernommen wurde.



Auch dass bei den Verhandlungen 2008 nähere Erörterungen zu diesem Punkt stattgefunden hätten, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht konkret vorgetragen. Der Betriebsratsvorsitzende A O S , der unstreitig an den Verhandlungen sowohl bezüglich der Betriebsvereinbarung 2008 als auch 2013 teilgenommen hat, hat gerichtsbekannt und insofern protokolliert in Anwesenheit der beiden hiesigen Prozessbevollmächtigten in seiner Einlassung bei der gemeinsamen Erörterung der terminierten Parallel-Rechtsstreite im Kammertermin am 06.12.2016 ausdrücklich erklärt, es sei über die Einhaltung von Fristen beim Verbandsaustritt nie diskutiert worden. Dies belegt gerade, dass die historisch-subjektive Auslegung für die hier allein streitgegenständliche Auslegungsfrage unergiebig ist. Die konkret hier streitgegenständliche Frage, ob beim Verbandsaustritt der Zeitpunkt der Erklärung des Verbandsaustritts oder der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Verbandsaustritts maßgeblich ist, wenn diese Zeitpunkte auseinander fallen, ist offenbar bei den Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien gerade nicht diskutiert worden. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass die Betriebsparteien überhaupt die Möglichkeit in Betracht gezogen haben, dass es sich hierbei um zwei unterschiedliche, auseinander fallende Zeitpunkte handeln kann.



Letztlich ist zu berücksichtigen, dass eine Betriebsvereinbarung, ebenso wie ein Gesetz oder ein Tarifvertrag, primär nach objektiven und nicht nach subjektiven Kriterien auszulegen ist und insofern der historisch-subjektiven Auslegung ohnehin nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen kann, wenn der Wille der vertragschließenden Betriebsparteien im Text der Vereinbarung keinen hinreichenden Anklang gefunden hat.



c) Die systematische Auslegung der Betriebsvereinbarung spricht wiederum für die durch die Klägerseite vorgenommene Auslegung.



aa) Im Ausgangspunkt spricht für die klägerische Auslegung, dass eine Ausnahmeregelung grundsätzlich eher restriktiv auszulegen ist. Der Regelfall ist in einem Arbeitsverhältnis mit Tarifbindung die Geltung der tariflichen Vorschriften, die Einschränkung der tariflichen Vorschriften durch die Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung stellt demgegenüber die Ausnahme dar.Es spricht damit in Zweifelsfällen mehr dafür, den zeitlichen Geltungsbereich der Ausnahmeregelung einzuschränken als ihn auszuweiten.



bb) Weiter ist in der systematischen Auslegung zu berücksichtigen, dass die auflösende Bedingung in Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung neben dem Austritt aus dem Arbeitgeberverband noch einen weiteren zweiten Anwendungsfall regelt, nämlich den "Verkauf des Betriebes". Auch insofern wird jedenfalls nach dem Wortlaut der Parallelregelung nicht erst auf den Zeitpunkt des Übergangs der operativen Leitungsmacht ("Veräußerung des Betriebes"), sondern bereits auf das vorgelagerte Verpflichtungsgeschäft abgestellt. Allerdings kann diesem Gesichtspunkt insgesamt auch nur untergeordnete Bedeutung beigemessen werden, da nicht zwingend unterstellt werden kann, dass bei der Formulierung des Wortlauts den Betriebsparteien das Abstraktionsprinzip und die damit verbundene juristische Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft im Detail bewusst gewesen ist.



cc) Weiter ist in der systematischen Auslegung die Regelung des § 77Absatz 5 BetrVG zu berücksichtigen. Nach dieser gesetzlichen Grundkonzeption können Betriebsvereinbarungen, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.



Die Beklagte zieht hieraus den Schluss, Ziffer 8 Abs. 3 der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung stelle eine in sich schlüssige Abweichung von § 77 Abs. 5 BetrVG dar. Mit dem Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband solle zeitgleich auch die Betriebsvereinbarung enden, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf.



Insofern ist allerdings zu berücksichtigen, dass vorliegend die Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband mit einer Frist von sechs Monaten erklärt wurde, während die Regel-Kündigungsfrist für eine Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 5 BetrVG lediglich drei Monate beträgt. Hätte man also in der Betriebsvereinbarung mit dem Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zumindest eine Kündigungsmöglichkeit der Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 5 BetrVG eröffnet, hätte die Betriebsvereinbarung bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt beendet werden können als erst nach sechs Monaten, wenn man der arbeitgeberseitigen Auslegung der Ziffer 8 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung folgt. Die auflösende Bedingung der Ziffer 8 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung würde hiernach keine Verkürzung der Beendigungsmöglichkeit der Betriebsvereinbarung im Vergleich zur gesetzlichen Regelung des § 77 Abs. 5 BetrVG darstellen, sondern eine Verlängerung.Es bestehen daher erhebliche Bedenken, es als eine systematisch schlüssige Regelung anzusehen, zwar einerseits den Austritt aus dem Arbeitgeberverband als Grund für eine vorzeitige Beendigung der Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung anzusehen, andererseits aber dem Betriebsrat nach Erklärung des Austritts kein Kündigungsrecht mit etwa der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 77 Abs. 5 BetrVG einzuräumen, sondern die Betriebsparteien noch über die Drei-Monats-Frist des § 77 Abs. 5 BetrVG hinausgehend an die Betriebsvereinbarung zu binden, bis zum Ablauf einer sich aus dem Verbandsrecht des Arbeitgeberverbandes ergebenden und damit nicht dem Einflussbereich der Betriebsparteien unterfallenden Kündigungsfrist. Gerade im Zusammenhang mit der Verwendung der Wortwahl "fristlos mit sofortiger Wirkung" in Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung kann die Berufungskammer die beklagtenseitige Argumentation einer systematisch schlüssigen Abweichung von § 77 Abs. 5 BetrVG nicht nachvollziehen.



dd) Bei der systematischen Auslegung hat die Berufungskammer weiter berücksichtigt, dass eine vergleichbare Interessenlage ausdrücklich gesetzlich geregelt ist in § 98 SGB III entsprechend der klägerischen Auslegung.§ 98 Abs. 1 Ziffer 2 SGB III bestimmt ausdrücklich, dass die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld nur dann erfüllt sind, wenn das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist. Insofern endet der Bezug von Kurzarbeitergeld bereits mit dem Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung und nicht erst mit dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird. In der sozialrechtlichen Kommentarliteratur wird hierzu ausgeführt, dass die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld bereits dann nicht mehr erfüllt sind, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Arbeitsausfalls zwar noch besteht, aber bereits absehbar enden wird. Ein bereits gekündigtes Arbeitsverhältnis schließe den Bezug von Kurzarbeitergeld für den betroffenen Arbeitnehmer aus. Denn die weitergehende Gewährung von Kurzarbeitergeld widerspreche der arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung des Kurzarbeitergeldes, der Erhaltung des Beschäftigungsverhältnisses (Müller-Grune, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 1. Auflage 2014, Stand 05.08.2015, § 98 SGB III, Rn 40 f.).



Diese Überlegungen lassen sich durchaus auch auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen. Ebenso wie bei der Gewährung von Kurzarbeitergeld kommt es auch bei der vorliegenden Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung zu einer Interessenlage, in der Arbeitnehmer vorübergehend Entgelteinbußen verzeichnen, um langfristig die Beschäftigung zu sichern und Beendigungskündigungen zu vermeiden. Der Arbeitgeber erspart vorübergehend Vergütungszahlungen, soll dafür aber langfristig die Beschäftigung sichern. Insofern stellt der Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine Äquivalenzstörung für den Bezug von Kurzarbeitergeld dar. Der Gesetzgeber hat insofern in § 98 SGB III geregelt, dass die Äquivalenzstörung bereits im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung und nicht erst im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirkungen der Kündigung eintritt. Vorliegend geht es inZiffer 8 Absatz 3 der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung ebenfalls um eine Äquivalenzstörung für eine dauerhafte Beschäftigungssicherung. Die auflösende Bedingung in Ziffer 8 Absatz 3 regelt ausdrücklich, dass der Austritt aus dem Arbeitgeberverband ebenfalls als Äquivalenzstörung für das betriebliche Bündnis zur Beschäftigungssicherung anzusehen ist. Insofern lässt sich zur Überzeugung der Berufungskammer aus § 98 Abs. 1 Ziffer 2) SGB III durchaus der allgemeine Rechtsgedanke ableiten, dass dann, wenn es bei einer Maßnahme mit vorübergehenden Entgelteinschränkungen auf Arbeitnehmerseite zum Zwecke dauerhafter Beschäftigungssicherung zu einer Äquivalenzstörung dahingehend kommt, dass die Zweckerreichung gefährdet ist, bereits mit dem Zeitpunkt der arbeitgeberseitigen rechtsverbindlichen Erklärung der Äquivalenzstörung der Arbeitgeber dann auch umgekehrt nicht mehr in den Genuss der Entgeltvorteile zur Beschäftigungssicherung kommen soll.



d) Auch die telelogische Auslegung spricht letztlich leicht überwiegend für die durch die Klägerseite vorgenommene Auslegung.



aa) Zwar stellt es zunächst ein gewichtiges Argument für die durch die Beklagte vorgenommene Auslegung dar, dass ein betriebliches Bündnis zur Beschäftigungssicherung, bei dem Arbeitnehmer auf Gehaltsbestandteile verzichten und unbezahlt länger Arbeiten und der Arbeitgeber im Gegenzug befristet für die Dauer der Betriebsvereinbarung eine Beschäftigsicherung zusichert, geneigt ist, seinen Zweck zu verfehlen, wenn der Arbeitgeber durch einseitige Erklärung die Möglichkeit hat, sich von einem auf den anderen Tag von der Betriebsvereinbarung und damit auch von der zugesagten Beschäftigungssicherung zu lösen. Diese Möglichkeit hat die Beklagte zweifellos, wenn man zu der Auslegung gelangt, dass sich aus Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung ergibt, dass im Fall des - einseitig durch die beklagte Arbeitgeberseiteerklärten - Verbandsaustritts aus dem Arbeitgeberverband die Betriebsvereinbarung bereits mit dem Zeitpunkt der Erklärung fristlos mit sofortiger Wirkung enden soll.



Allerdings ist zweifelhaft, ob dieses zweckwidrige Ergebnis, auf das die Beklagte mit ihrer Auslegungsvariante maßgeblich abstellt, durch die gegenteilige Auslegung überhaupt vermieden werden kann. Die Regelung in Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung differenziert nicht zwischen verschiedenen Möglichkeiten, durch die ein Arbeitgeber seine Mitgliedschaft im Arbeitsgeberverband beenden kann. Genannt ist nur die "Kündigung". Hierbei wird nicht differenziert zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Da jedes Dauerschuldverhältnis aus der Wertung des § 626 BGB jedenfalls im Grundsatz auch außerordentlich kündbar ist, ist grundsätzlich denkbar, dass der Arbeitgeber auch außerordentlich seine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband kündigen könnte. Jedenfalls bei einer wirksamen außerordentlichen Kündigung hätte sich mithin die Beklagte auch dann ohnehin "von heute auf morgen" von der Betriebsvereinbarung lösen können, wenn man als Beendigungszeitpunkt der auflösenden Bedingung nach Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung erst den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung ansehen würde.



Sollte es in diesem Fall Zweifel hinsichtlich der Rechtswirksamkeit der Kündigung geben, würde die beklagtenseitige Auslegung von Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen.Ob und ggf. wann die auflösende Bedingung eingetreten wäre und damit ob und ggf. wann die Betriebsvereinbarung beendet worden wäre, wäre für alle Beteiligten vollkommen ungewiss. Dies muss umso mehr gelten, als die Frage der Möglichkeiten der Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband durch internes Verbandsrecht / Vereinsrecht geregelt ist, auf das die Arbeitnehmerseite keinerlei Einfluss und von dem sie in der Praxis regelmäßig auch keine genaue Kenntnis haben wird.



Auch dass die Beklagte vorliegend mit ihrer Kündigungserklärung vom 30.06.2015 gar nicht zwingend zum 31.12.2015 die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband gekündigt hat, sondern "hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt", spricht dafür, dass Eintritt der auflösenden Bedingung der Ziffer 8 Absatz 3 nicht der - ungewisse - Zeitpunkt des etwaigen Eintritts der Rechtsfolgen der Kündigung sein soll, sondern bereits der - in der Praxis regelmäßig deutlich einfacher feststellbare - Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigungserklärung.



Der Gesichtspunkt der Rechtsklarheit spricht insofern für die klägerische und gegen die beklagtenseitige Auslegung.



Nicht geregelt haben die Betriebsparteien etwa auch, dass die Mitgliedschaft der Beklagten im Arbeitgeberverband ggf. durch einen Aufhebungsvertrag der Beklagten mit dem Arbeitgeberverband zu einem beliebigen Zeitpunkt unabhängig von etwaigen Kündigungsfristen beendet werden könnte.



bb) Letztlich ist bei der telelogischen Auslegung entscheidend, dass weder der "Verkauf" des Betriebes noch die "Kündigung" der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband konkrete rechtliche Auswirkungen auf das hier streitgegenständliche betriebliche Bündnis zur Beschäftigungssicherung haben, die es rechtfertigen könnten, erst auf den Zeitpunkt des Eintritts derartiger Rechtsfolgen für die Beendigung der Betriebsvereinbarung abzustellen. Eine konkret nachvollziehbare Begründung dafür, warum der von der Beklagten geforderte zeitliche "Gleichlauf" zwischen Beendigung der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung und Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband geboten sein sollte, ist nicht ersichtlich.



Wenn die Rechtsfolgen eines "Verkaufs des Betriebes" bzw. einer Kündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband entscheidende Auswirkungen auf das durch die Betriebsvereinbarung geregelte betriebliche Bündnis zur Beschäftigungssicherung hätten, wäre es hierdurch sachgerecht, die Betriebsvereinbarung erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts dieser Rechtsfolgen zu beenden und nicht bereits zum Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung bzw. des Abschluss des Kaufvertrages. Derartige wesentliche Rechtsfolgen können jedoch nicht gesehen werden und konnten auch von der Beklagten nicht dargelegt werden.



Beim "Verkauf" eines Unternehmens mit der Folge des Übergangs eines Betriebes auf einen Erwerber tritt regelmäßig die Rechtsfolge des § 613a BGB ein. Der Erwerber tritt gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB besteht für einen Zeitraum eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs eine Veränderungssperre zum Nachteil der Arbeitnehmer bezüglich der durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung geregelten Rechte und Pflichten. Unmittelbare nachteilige rechtliche Auswirkungen eines Betriebsübergangs zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsfolgen auf ein betriebliches Bündnis zur Beschäftigungssicherung können insofern nicht gesehen werden.



Vergleichbares gilt für den Austritt aus dem Arbeitgeberverband. Für bestehende Arbeitsverhältnisse tritt insofern gemäß § 4 Abs. 5 TVG Nachwirkung ein. Die Rechtsnormen des Tarifvertrages gelten zunächst weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Insofern ändert sich für bestehende Arbeitsverhältnisse zum Zeitpunkt, zu dem der Austritt aus dem Arbeitgeberverband rechtswirksam wird, erst einmal regelmäßig nichts.



Da mithin weder der Betriebsübergang noch der Austritt aus dem Arbeitgeberverband unmittelbare rechtliche Auswirkungen auf die Regelungsgegenstände der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 haben, fehlt es auch an einem konkreten rechtlichen Zusammenhang, welcher den beklagtenseitig in den hiesigen Verfahren geforderten rechtlichen und zeitlichen Gleichlauf zwischen der Geltungsdauer der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 und der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband rechtfertigen könnte. Daher ist im Ergebnis zur Überzeugung der Berufungskammer die Regelung der auflösenden Bedingung in Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 gerade nicht als rationale, auf konkrete rechtliche Auswirkungen des Verkaufs bzw. des Austritts aus dem Arbeitgeberverband auf den Regelungsinhalt der Betriebsvereinbarung abstellende Norm zu verstehen, sondern vielmehr als emotionale Regelung. Das betriebliche Bündnis zur Beschäftigungssicherung ist als Ausfluss eines gegenseitigen Vertrauens abgeschlossen worden. Beide Betriebsparteien wollten damit ihren Beitrag leisten, den Standort der Beklagten in Pulheim langfristig zu sichern, wie bereits die Präambel aussagt. Die Arbeitnehmer leisten unbezahlte Mehrarbeit und verzichten auf Gehaltsbestandteile, um hierdurch langfristig ihre Beschäftigung und den Standort der Beklagten in Pulheim zu sichern. Wenn es jedoch zu erheblichen personellen Veränderungen auf Arbeitgeberseite kommt ("Verkauf") oder der Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband austritt, ist dies als Störfall anzusehen, der langfristige Planungssicherheit nicht mehr garantiert.Es spricht insofern zur Überzeugung der Berufungskammer entgegen der Rechtsansicht der Beklagten mehr dafür, auch den geregelten Störfall des "Verkaufs" als negative und nicht als positive Störung des durch die Betriebsvereinbarung geregelten Bündnisses zur Beschäftigungssicherung anzusehen. Soweit die Beklagte argumentiert, dass dann, wenn ein liquider Erwerber die operative Leitungsmacht übernimmt, es des Bündnisses zur Beschäftigungssicherung gar nicht mehr bedarf, weil die Beschäftigung dann ohnehin gesichert sei, auch ohne dass die Arbeitnehmer dafür "zahlen" müssten, übersieht dieser Ansatz, dass ein Erwerber nicht zwingend liquide sein muss. Die Planungssicherheit für die Zukunft, die ein maßgeblicher Gesichtspunkt für ein betriebliches Bündnis für Arbeit ist, ist gestört, wenn diejenigen Entscheidungsträger auf Arbeitgeberseite, mit denen das betriebliche Bündnis für Arbeit ausgehandelt wurde, nach einem Unternehmensverkauf gar nicht mehr vorhanden sind.



Die Berufungskammer versteht Ziffer 8 Absatz 3 der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung als einen ausdrücklich geregelten Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Sowohl der "Verkauf des Betriebes" als auch der Austritt aus dem Arbeitgeberverband sind aufgrund ausdrücklicher Regelung als eine derart wesentliche Äquivalenzstörung anzusehen, dass dann die Betriebsvereinbarung mit sofortiger Wirkung enden soll. Es steht den Betriebsparteien dann frei, über eine Nachfolgeregelung zu verhandeln; die bisherige Regelung der Betriebsvereinbarung sollte jedoch bereits mit dem Zeitpunkt, zu dem der Verkauf bzw. der Austritt aus dem Arbeitgeberverband feststeht, nicht mehr gelten. Denn aufgrund der emotionalen und nicht rationalen Zweckrichtung der Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung tritt die Äquivalenzstörung der "Illoyalität" der Arbeitgeberseite bereits mit dem Zeitpunkt ein, zu dem der Verkauf bzw. der Austritt aus dem Arbeitgeberverband feststeht. Es ist bereits ab diesem Zeitpunkt der Arbeitnehmerseite nicht mehr zuzumuten, weiterhin unentgeltliche Mehrarbeit zu leisten und auf tarifliche Entgeltbestandteile zu verzichten auf Basis der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013, wenn bereits feststeht, dass die Beklagte aus dem Arbeitgeberverband austritt.



Hieran ändert auch nichts, dass die Beklagte ihr Kündigungsschreiben bezüglich der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband dahingehend formuliert hat, dass die Kündigung "rein vorsorglich" erfolge und die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten noch konzernintern geprüft werde. Eine Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach Zugang beim Empfänger nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann. Insofern ist richtigerweise der Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 durch die auflösende Bedingung in Ziffer 8 Abs. 3 auf denjenigen Zeitpunkt festzulegen, in dem rechtsverbindlich durch Abschluss des Kaufvertrages bzw. durch Zugang der Kündigungserklärung feststeht, dass der Betrieb veräußert bzw. die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband beendet wird.



Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten lässt sich das gegenteilige Auslegungsergebnis auch nicht mit dem Zusatz in der Zustimmungserklärung des Arbeitgeberverbandes, dass die Mitgliedschaft des Unternehmens im Arbeitgeberverband wesentliche Voraussetzung für die Zustimmung ist, begründen. Der Zusatz bekundet lediglich, dass auch auf Seiten des Arbeitgeberverbandes offenbar Bedenken bestanden, dass die Beklagte aus dem Verband austreten könnte. Zur hier streitgegenständlichen Frage, ob im Falle eines solchen Austritts die Betriebsvereinbarung bereits mit dem Zeitpunkt der Erklärung oder erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirkungen des Austritts enden soll, ist der Zusatz nicht weiterführend. Im übrigen ist der Arbeitgeberverband ein am Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht beteiligter Dritter, dessen Erklärungen insofern ohnehin nur sehr eingeschränkt zur Auslegung der Betriebsvereinbarung herangezogen werden können.



e) Da die Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 mithin zum 30.06.2015 mit Zugang der Kündigungserklärung der Mitgliedschaft beim Arbeitgeberverband Chemie Rheinland e. V. durch Eintritt der auflösenden Bedingung der Ziffer 8 Absatz 3 der Betriebsvereinbarung ihr Ende gefunden hat, stehen den klagenden Arbeitnehmern jedenfalls für den hier allein streitgegenständlichen Zeitraum ab Juli 2015 bzw. Oktober 2015 wiederum alle tariflichen Ansprüche ungekürzt zu. Ebenso findet die tarifliche Arbeitszeit von 37,5 Wochenstunden jedenfalls ab einschließlich Juli 2015 wieder Anwendung. Auf die Frage, ob die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 39,5 Stunden ohne entsprechende Mehrvergütung vor dem Hintergrund, dass § 2 Ziffer I. 3. Satz 2 des Manteltarifvertrages ausdrücklich für die Verlängerung der der Arbeitszeit regelt, dass die Arbeitnehmer Anspruch auf eine der vereinbarten Arbeitszeit entsprechende Bezahlung haben, überhaupt zulässig war, kam es mithin nicht mehr entscheidungserheblich an.



Da der tarifvertraglich vorgesehene Ausgleichszeitraum von zwei Monaten zuzüglich ggf. weiterer zwei Monate (§ 3 I MTV Chemie) seit Ablauf des letzten streitgegenständlichen Monats Dezember 2015 inzwischen abgelaufen ist, konnte die Klägerseite nunmehr auch Abgeltung der Mehrarbeit beanspruchen. Der Anspruch auf den Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent ergibt sich aus § 3 I Abs. 6 MTV Chemie.



Mithin war der Zahlungsantrag hinsichtlich der der Höhe nach unstreitigen Differenzlohnansprüche aus § 611 BGB i. V. m. den auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anwendbaren arbeits- und tarifvertraglichen Vergütungsvereinbarungen vollumfänglich begründet.



3.) Der Zinsantrag war teilweise begründet. Insofern war die Berufung teilweise zurückzuweisen und die Klage auch über das erstinstanzliche teilweise Unterliegen des Klägers hinausgehend teilweise abzuweisen.



Die Begründetheit des geltend gemachten Zinsanspruchs folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 288 Abs. 1 BGB. Aufgrund der kalendermäßigen Bestimmtheit der Leistung jeweils zum Monatsende befand sich die Beklagte ab dem folgenden Monatsersten im Zahlungsverzug und hat ab diesem Zeitpunkt Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes zu zahlen.



Begründet ist allerdings lediglich der Zinsanspruch für die drei im vorliegenden Rechtsstreit allein streitgegenständlichen Monate Oktober, November und Dezember 2015. Soweit der Kläger darüber hinaus auch für die drei vorangegangenen Monate Juli, August und September 2015 einen Zinsanspruch geltend macht, trägt der Kläger in keiner Weise zur Begründung vor, aufgrund welchen Sachverhalts die Beklagte ihm auch für diese Monate (Verzugs?) Zinsen schulden soll.



Da der Kläger für die drei streitgegenständlichen Monate Oktober, November und Dezember 2015 lediglich Zinsen in Höhe von monatlich 271,91 Euro beantragt hat, konnte das Gericht keine höheren Zinsen zusprechen, auch wenn der Klageantrag für die streitgegenständlichen Monate einen jeweils höheren Betrag zum Gegenstand hat. Ein Gericht ist im Zivilprozess nicht befugt einer Partei mehr zuzusprechen, als von ihr beantragt wurde.



3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG. Hiernach waren die Kosten des Rechtsstreits auf die Parteien nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen in Bezug zum Gesamtstreitgegenstand aufzuteilen, wobei die Kammer den Wert des Feststellungsantrags, mit dem die Klägerseite erstinstanzlich unterlegen war und entsprechend an den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu beteiligen ist, gemäß der Festsetzung des Urteilsstreitwerts durch das Arbeitsgericht angesetzt hat. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte vollständig zu tragen, da sie mit dem Streitgegenstand des Berufungsverfahrens im Hauptantrag vollumfänglich unterlegen war und sich das geringfügige Unterliegen des Klägers mit Teilen des Zinsantrags insofern bei der Kostenentscheidung nicht auswirkt, § 92 Abs. 2Nr. 1 ZPO.



Gründe, die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, waren nicht gegeben. Die Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und insbesondere der Auslegung einer Betriebsvereinbarung, deren Geltungsbereich auf den hier streitgegenständlichen Betrieb im Bezirk des hiesigen Landesarbeitsgerichts beschränkt ist. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung wird nicht berührt. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.09.2000, 3 AZN 181/00, die Rechtsauffassung vertritt, allein die Betroffenheit von mehr als 20 parallelen Sachverhalten müsse zwingend zur Zulassung der Revision führen, kann dem nicht gefolgt werden. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BAG vom 26.09.2000 basiert noch auf der damaligen - inzwischen geänderten - Fassung des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG sowie des § 72a Abs. 1 Satz 2 ArbGG. In dem Sachverhalt, der Gegenstand der zitierten Entscheidung des BAG vom 26.09.2000 - 3 AZN 181/00 - war, wurde zusätzlich festgestellt, dass sich der Geltungsbereich des dort streitgegenständlichen Firmentarifvertrags über den Bezirk eines Landesarbeitsgerichts hinaus erstreckt (§ 72a Abs. 1 Satz 2 ArbGG in der seinerzeit - bis 31.12.2004 - geltenden Fassung). Nachdem in der gesetzlichen Neufassung des § 72a ArbGG seit dem 01.01.2005 das Erstrecken auf mehr als einen LAG-Bezirk nicht mehr ausdrücklich im Gesetzestext erwähnt wird, kann jedenfalls allein der Umstand, dass mehrere Parallelsachverhalte betroffen sind, nicht mehr allein zur Zulassung der Revision führen. Denn ansonsten müsste sich das Bundesarbeitsgericht zwingend mit jeder "Massensache" beschäftigen, auch wenn diese - wie der hier vorliegende Sachverhalt - gerade keine grundsätzliche Bedeutung hat und damit nicht zur Rechtsfortbildung geeignet ist. Denn parallel zur Änderung des § 72a ArbGG zum 01.01.2015 wurde auch der Wortlaut in § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG geändert. Während zuvor für die Revisionszulassung ausreichte, dass "die Rechtssache" grundsätzliche Bedeutung hatte, muss nunmehr "eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage" grundsätzliche Bedeutung haben. Allein aus den Auswirkungen für mehrere parallele Sachverhalte kann eine grundsätzliche Bedeutung für eine "entscheidungserhebliche Rechtsfrage" nicht abgeleitet werden.

Vorschriften§ 2 I Ziffer 1 MTV, § 3 I MTV, Abschnitt 1 Ziffer 3 MTV, § 256 ZPO, § 77 Abs. 5 BetrVG, § 61 Abs. 1 ArbGG, § 64 Abs. 2 ArbGG, § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 102 BetrVG, § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 4 KSchG, § 77Absatz 5 BetrVG, § 98 SGB III, § 98 Abs. 1 Ziffer 2 SGB III, § 626 BGB, § 613a BGB, § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, § 4 Abs. 5 TVG, § 3 I Abs. 6 MTV, § 611 BGB, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 288 Abs. 1 BGB, § 92 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 92 Abs. 2Nr. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, § 72a Abs. 1 Satz 2 ArbGG, § 72a ArbGG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr