05.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193057
Landesarbeitsgericht Sachsen: Beschluss vom 27.07.2016 – 8 TaBV 1/16
Tenor:
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom 23.11.2015 - 8 BV 61/15 - wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Spruchs der Einigungsstelle vom 27.07.2015, insbesondere im Hinblick auf den Auszahlungszeitpunkt von Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Die Beteiligten zu 1. und 2. betrieben einen Gemeinschaftsbetrieb zur Herstellung von Laminatparkett und Paneelen. An ihrem Standort in ... werden ca. 600 Arbeitnehmer beschäftigt, wobei zum 01.01.2016 sämtliche Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2. zur Beteiligten zu 1. gewechselt sind. Der Beteiligte zu 3. ist der bei den Beteiligten zu 1. und 2. gebildete Gesamtbetriebsrat.
Die Beteiligten zu 1. und 2. zahlten in der Vergangenheit Weihnachts- und Urlaubsgeld zu bestimmten Fälligkeitsterminen - so das Weihnachtsgeld mit den Lohnabrechnungen für den Monat November eines jeden Jahres, und zwar in einer Summe.
Ohne Zustimmung des Beteiligten zu 3. gingen die Beteiligten zu 1. und 2. dazu über, die Beträge in monatlichen Raten auszuzahlen und die Zahlung auf den Mindestlohnanspruch der Arbeitnehmer anzurechnen. Nachdem der Beteiligte zu 3. sein Mitbestimmungsrecht geltend gemacht hatte, wurde ein Einigungsstellenverfahren durchgeführt, welches mit Spruch vom 27.07.2015 endete. Der Spruch lautet, soweit hier von Bedeutung, wie folgt:
"§ 4 Auszahlung der Arbeitsvergütung
...
(3) Beschäftigte, bei denen einzelvertraglich die Zahlung eines Urlaubs- und/oder Weihnachtsgelds vereinbart ist, erhalten dieses wie folgt ausgezahlt:
a) Urlaubsgeld
- Urlaubsgeld wird in Höhe von 50 % des jährlichen Urlaubsentgeltes gewährt.
- Das Urlaubsgeld für die gewerblichen Arbeitnehmer wird in dem auf den Monat, in dem der Urlaub gewährt worden ist, folgenden Monat mit der Lohnabrechnung im Sinn von § 4 Abs. 1 bezahlt.
- Das Urlaubsgeld für die Angestellten wird in zwei gleichen Teilen mit den Gehaltsabrechnungen für Juni und September abgerechnet.
b) Weihnachtsgeld
- Weihnachtsgeld wird in Höhe von 50 % des durchschnittlichen Bruttomonatsentgelts ohne Einmalbezüge von Januar bis September eines Jahres gewährt.
- Soweit ein Anspruch auf Weihnachtsgeld besteht, ist dieser zu gleichen Teilen mit den Lohnabrechnungen für November und für Dezember eines jeden Jahres fällig.
§ 5 Inkrafttreten, Laufzeit
Diese Betriebsvereinbarung tritt zum 01.10.2015 in Kraft. Sie kann mit einer Frist von drei Monaten bis zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.
§ 6 Ergänzungen, Änderungen, Salvatorische Klausel
...
(2) Sollten einzelne Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung unwirksam sein oder werden oder in Widerspruch zu tariflichen oder gesetzlichen Bestimmungen stehen, so bleiben die übrigen Regelungen bestehen. Die unwirksame oder in Widerspruch stehende Regelung ist durch eine Regelung zu ersetzen, die den von den Betriebsparteien mit der ersetzten Regelung gewollten möglichst nahe kommt. Gleiches gilt für eine eventuelle Regelungslücke."
Hiergegen richtet sich das vorliegende Beschlussverfahren. Die Beteiligten zu 1. und 2. machen mit den Anträgen geltend, dass die Regelung der Höhe von Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht in die Zuständigkeit der Einigungsstelle fiel. Die Beteiligten zu 1. und 2. haben vertreten, dass der Spruch auch hinsichtlich der Fälligkeit über den Regelungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG hinausgehe. Diese Fälligkeit sei in den Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer abweichend geregelt. Nach den Alt-Arbeitsverträgen ist das Weihnachtsgeld fällig mit dem Lohn November und nach den neuen Arbeitsverträgen für die Arbeitnehmer, die ab dem 01.01.2015 bei den Beteiligten zu 1. und 2. eingestellt wurden, ist eine ratierliche Auszahlung in Höhe von 1/12 vorgesehen. Da § 4 des Einigungsstellenspruchs insgesamt unwirksam sei, ergebe sich daraus auch die Unwirksamkeit des gesamten Spruchs der Einigungsstelle, weil der verbleibende Teil keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr darstelle.
Die Beteiligten zu 1. und 2. haben erstinstanzlich beantragt,
1. festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle über eine Regelung zur "Auszahlung Arbeitsentgelt" vom 27.07.2015 unwirksam ist;
2. hilfsweise: Es wird festgestellt, dass § 4 Abs. 3 des Spruchs der Einigungsstelle über eine Regelung zur "Auszahlung Arbeitsentgelt" vom 27.07.2015 unwirksam ist;
3. äußerst hilfsweise: Es wird festgestellt, dass § 4 Abs. 3 b des Spruchs der Einigungsstelle über eine Regelung zur "Auszahlung Arbeitsentgelt" vom 27.07.2015 unwirksam ist.
Der Beteiligte zu 3. hat beantragt,
die Anträge der Arbeitgeberinnen zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 3. hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Regelung der Fälligkeit der Vergütung sehr wohl unter den Zuständigkeitsbereich nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG falle. Er hat vorgetragen, dass Anlass der Einigungsstelle gewesen sei, dass die Arbeitgeberinnen ohne Beteiligung des Gesamtbetriebsrats die Auszahlungspraxis ab dem 01.01.2015 einseitig geändert und Urlaubs- und Weihnachtsgeld monatlich anteilig ausgezahlt hätten, um sich die Anrechnungsmöglichkeit auf die Mindestlohnansprüche einzelner Arbeitnehmer vorbehalten zu können.
Der Spruch sei eine angemessene Regelung, weil er sicherstelle, dass die Jahressonderzahlung auch eine solche bleibe und nicht einfach auf den Mindestlohn angerechnet werden könne. Der Spruch bewirke daher keine für die Arbeitnehmer negative Auswirkung. Selbst wenn man davon ausgehen wolle, so würde jedenfalls zugunsten einzelner Arbeitnehmer, in deren Arbeitsvertrag die Fälligkeit anderweitig geregelt ist, das Günstigkeitsprinzip eingreifen. Der Beteiligte zu 3. hat darüber hinaus die Auffassung vertreten, dass selbst bei Unwirksamkeit der Regelung in § 4 des Einigungsstellenspruchs nicht der gesamte Spruch unwirksam sei. Dagegen spreche auch die salvatorische Klausel in § 6 des Einigungsstellenspruchs. Nach dieser müsse die Fälligkeit hilfsweise wieder für November festgelegt werden.
Das Arbeitsgericht Dresden hat mit Beschluss vom 23.11.2015 festgestellt, dass § 4 Abs. 3 des Spruchs der Einigungsstelle über eine Regelung zur "Auszahlung Arbeitsentgelt" vom 27.07.2015 unwirksam ist, soweit der Spruch die Zahlung von Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des jährlichen Urlaubsentgelts und die Zahlung von Weihnachtsgeld in Höhe von 50 % des durchschnittlichen Bruttomonatsentgelts regelt.
Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Anträge der Beteiligten zu 1. und 2. abgewiesen.
Der Beschluss wurde den Arbeitgeberinnen zugestellt am 29.12.2015. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist eingegangen am 04.01.2016 und wurde nach Fristverlängerungsantrag vom 23.02.2016 mit am 29.04.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Beteiligten zu 1. und 2. machen ihrer Beschwerde weiterhin die Feststellung geltend, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 27.07.2015 insgesamt unwirksam ist. Soweit die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle durch das Arbeitsgericht festgestellt wurde, wendet sich der Beteiligte zu 3. hiergegen nicht.
Die Arbeitgeberinnen sind der Auffassung, dass die Fälligkeit von Urlaubs- und Weihnachtsgeld durch den Spruch der Einigungsstelle zum Nachteil einiger, nämlich der nach dem 01.01.2015 eingestellten Arbeitnehmer nach hinten verschoben werde. Zudem werde die Beteiligte zu 1. gezwungen, entweder gegen die Betriebsvereinbarung oder gegen die Arbeitsverträge zu verstoßen. Daher helfe auch der Verweis auf das Günstigkeitsprinzip nicht, da die Beteiligte zu 1. Gefahr laufe, im Rahmen der vom Beteiligten zu 3. bereits eingeleiteten Beschlussverfahren zur Einhaltung des Einigungsstellenspruchs zur Zahlung von Ordnungsgeld verurteilt zu werden. Der Einigungsstellenspruch könne daher keine angemessene Regelung darstellen.
Darüber hinaus entgingen den Arbeitgeberinnen mit der Möglichkeit zur anteiligen Auszahlung auch die Möglichkeit zur Anrechnung des gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgelds auf den Mindestlohnanspruch einzelner Arbeitgeber. Hieraus wiederum ergebe sich eine indirekte Lohnerhöhung für neu eingestellte Arbeitnehmer.
Da der Spruch zudem in die in den neuen Arbeitsverträgen vereinbarte Anrechenbarkeit eingreife, stelle er letztlich eine Entscheidung über die Lohnhöhe bei den Arbeitgeberinnen dar, was allerdings nicht der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliege. Zudem sei der Einigungsstellenvorsitzende fälschlicherweise von der fehlenden Anrechnungsmöglichkeit des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes ausgegangen. Diese nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2016 zum Az. 5 AZR 135/16 falsche Rechtsauffassung habe sich auf den Inhalt des Spruchs der Einigungsstelle ausgewirkt.
Die Beteiligten zu 1. und 2. beantragen,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Dresden vom 23.11.2015 (8 BV 61/15)
1. festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle über eine Regelung zur "Auszahlung Arbeitsentgelt" vom 27.07.2015 unwirksam ist;
2. hilfsweise: Es wird festgestellt, dass § 4 Abs. 3 des Spruchs der Einigungsstelle über eine Regelung zur "Auszahlung Arbeitsentgelt" vom 27.07.2015 unwirksam ist;
3. äußerst hilfsweise: Es wird festgestellt, dass § 4 Abs. 3 b des Spruchs der Einigungsstelle über eine Regelung zur "Auszahlung Arbeitsentgelt" vom 27.07.2015 unwirksam ist.
Der Beteiligte zu 3. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beteilige zu 3. ist der Auffassung, dass sich die Arbeitgeberinnen nicht darauf berufen könnten, dass sie gezwungen seien, entweder gegen Arbeitsverträge oder gegen den Einigungsstellenspruch zu verstoßen. Bei den vor dem 01.01.2015 geschlossenen (Alt-)Verträgen verstoße die Handhabung der Arbeitgeberinnen ja bereits bewusst gegen den Vertrag, wenn sie monatlich anteilig das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld auszahlten. Zudem werde mit Sicherheit kein Ordnungsgeld beantragt werden, wenn sich die Beteiligte zu 1. bei den Altverträgen genau an diese hielte. Die Aufspaltung der Zahlung in jeweils zwei Teilbeträge sei letztlich ein Zugeständnis an die Arbeitgeberinnen gewesen. Auf einen Verstoß gegen die neuen Arbeitsverträge könnten sich die Arbeitgeberinnen auch deswegen nicht berufen, weil sie die Arbeitsvertragsformulare in diesem Punkt mitbestimmungswidrig ohne den Beteiligten zu 3. geändert hätten. Insoweit seien die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung wegen eines Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unwirksam.
Auch nach dem Zweck der Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld scheide die Anrechenbarkeit dieser Zahlungen auf die Mindestlohnansprüche bestimmter Arbeitnehmer aus, da diese jedenfalls vor dem Jahr 2015 bei den Beteiligten zu 1. und 2. nicht im Synallagma gestanden hätten. Der Spruch verstoße auch weder gegen § 87 BetrVG oder gegen verfassungsrechtliche Vorgaben (Art. 14 GG), weil die mittelbare Folge der Unmöglichkeit der Anrechnung ihre Ursache nicht im Spruch der Einigungsstelle habe, sondern in § 2 MiLoG. Die Hebung des gesamten betrieblichen Lohnaufkommens sei nicht durch den Einigungsstellenspruch veranlasst, sondern durch die Geltung des MiLoG. Der Beteiligte zu 3. bestreitet, dass der Einigungsstellenvorsitzende von einer generell fehlenden Anrechnungsmöglichkeit der Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen auf den Mindestlohnanspruch ausgegangen sei. Zudem läge der BAG-Entscheidung vom 25.05.2016 ein anderer Sachverhalt zugrunde, so dass diese Entscheidung - deren Gründe im Übrigen noch nicht veröffentlicht seien - der vorliegenden Entscheidung über den Einigungsstellenspruch nicht zugrunde gelegt werden könnten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze sowie das Vorbringen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung und den Inhalt der Akte im Übrigen Bezug genommen, der sämtlich Gegenstand der Erörterung durch die Kammer war.
II.
A.
Die Beschwerde ist zulässig. Gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG findet gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse der Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt. Auch wurde die Beschwerde form- und fristgerecht gemäß §§ 87 Abs. 1, 89, 66 ArbGG eingelegt.
B.
1. Die Anträge der Beteiligten zu 1. und 2. sind zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist sowohl hinsichtlich des Hauptals auch der Hilfsanträge vorhanden.
Die Anträge der Arbeitgeberinnen sind auf das Nichtbestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten gerichtet, da sie festgestellt haben möchten, dass für sie durch den Spruch der Einigungsstelle vom 27.07.2015 keine Rechte und Pflichten begründet wurden. Das Feststellungsbegehren ist insoweit auch die richtige Antragsart, denn eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung, so dass richtigerweise die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs zu beantragen ist und nicht seine Aufhebung (BAG vom 08.06.2004 - 1 ABR 4/03 - NZA 2005, 227; BAG vom 28.05.2002 - 1 ABR 37/01 - BAGE 101, 203).
Auch das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO ist gegeben. Im Verfahren nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG geht es um eine Rechtskontrolle, bei der darüber zu befinden ist, ob der Spruch der Einigungsstelle eine wirksame betriebliche Regelung darstellt. An der Klärung dieser Frage haben Arbeitgeber und Betriebsrat ein rechtliches Interesse und zwar unabhängig davon, ob sie selbst durch die betreffende Regelung beschwert sind oder nicht (BAG vom 08.06.2004 a. a. O.; BAG vom 20.07.1999 - 1 ABR 66/98 - AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 8). Auch hinsichtlich der Beteiligten zu 2. besteht das Rechtsschutzbedürfnis aus diesem Grunde trotz des Übergangs aller Arbeitnehmer auf die Beteiligte zu 1. ab dem 01.01.2016 fort. Hinzu kommt, dass der Einigungsstellenspruch zum 01.10.2015 in Kraft getreten ist und zumindest für die Monate Oktober bis Dezember 2015 direkt auch noch die Beteiligte zu 2. betrifft.
2. Soweit noch streitgegenständlich, sind die Anträge der Beteiligten zu 1. und 2. unbegründet. Der Spruch der Einigungsstelle ist lediglich unwirksam, soweit er die Zahlung von Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des jährlichen Urlaubsentgelts und die Zahlung von Weihnachtsgeld in Höhe von 50 % des durchschnittlichen Bruttomonatsentgelts ohne Einmalbezüge von Januar bis September eines Jahres regelt (siehe insoweit rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom 23.11.2015), darüber hinaus jedoch wirksam.
Die arbeitsgerichtliche Rechtskontrolle nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG erstreckt sich auf die Prüfung der Zuständigkeit der Einigungsstelle, auf die Einhaltung der von der Einigungsstelle zu beachtenden Verfahrensgrundsätze sowie die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Spruchs. Hinsichtlich der inhaltlichen Rechtmäßigkeit des Spruchs ist zum einen zu prüfen, ob der Spruch gegen höherrangiges Recht verstößt und zum anderen, ob die Einigungsstelle ihren Ermessensspielraum überschritten hat. Dabei stellt die Überprüfung des Ermessensspielraums keine allgemeine Zweckmäßigkeitskontrolle dar. Unerheblich ist auch, ob die Einigungsstelle fehlerhafte Erwägungen angestellt hat und daher ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt.
Der Überprüfung durch das Gericht unterliegt nur das Ergebnis, also der Einigungsstellenspruch.
In diesem Zusammenhang ist es daher entscheidungsunerheblich, ob der Vorsitzende der Einigungsstelle - rechtlich möglicherweise unrichtig - davon ausgegangen ist, dass das Urlaubs- und Weihnachtsgeld generell nicht nach dem Mindestlohngesetz anrechenbar ist (BAG v. 22.01.2013 - 1 ABR 85/11 - DB 2013, 1182). Darüber hinaus spricht jedenfalls das Protokoll der Sitzung der Einigungsstelle (überreicht als Anlagenkonvolut B 1, Bl. 45 d. A.) gegen die Annahme, dass sich der Vorsitzende der Einigungsstelle Herr ... so eindeutig zu dem Problem geäußert hat, denn im Protokoll heißt es, dass der Vorsitzende darauf hinweist, dass die Einigungsstelle für eine Klärung dieser Rechtsfrage nicht zuständig sein dürfte.
Eine vom Gericht festzustellende unzulässige Ermessensüberschreitung i. S. d. § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG kann z. B. dann vorliegen, wenn die Einigungsstelle ihren Spruch außerhalb des ihr eingeräumten Gestaltungs- und Ermessensspielraums gefällt hat. Ein solcher Fall liegt dann vor, wenn die Entscheidung eindeutig erkennbar keine sachgerechte Interessenabwägung enthält oder beispielsweise die Belange der betroffenen Arbeitnehmer oder des Betriebs überhaupt nicht berücksichtigt (BAG vom 22.01.2013 - 1 ABR 85/11 - NZA-RR 2013, 409; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG 15. Auflage, § 76 Rn. 144; Fitting u. a. BetrVG 28. Auflage, § 76 Rn. 155 ff.).
Nach Maßgabe dieses Prüfungsmaßstabes sind vorliegend die Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle gegeben.
a) Die Einigungsstelle war gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG zuständig für die Regelung der Fälligkeit von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Soweit sich die Beteiligten zu 1. und 2. auf die Kommentierung bei Richardi berufen, wonach die streitgegenständliche Fälligkeit nicht unter das Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG fallen soll, berührt dies nicht den vorliegend geregelten Streit der Beteiligten im Spruch der Einigungsstelle. Bei Richardi (BetrVG, 15. Auflage, § 87 Rn. 415) wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats lediglich insoweit verneint, als es Vorleistungspflichten des Arbeitgebers betrifft, zu denen der Arbeitgeber vertraglich nicht verpflichtet ist (in diesem Sinne auch Hess/Worzalla/Klopp u. a., BetrVG 9. Auflage, § 87 Rn. 296). Diese Ansicht betrifft jedoch nicht das hier streitgegenständliche Mitbestimmungsrecht für Zahlungen nach Erbringung der Arbeitsleistung (in diesem Sinne auch Däubler/Kittner u. a., BetrVG 15. Auflage, § 87 Rn. 136).
b) Dass die von der Einigungsstelle zu beachtenden Verfahrensgrundsätze eingehalten wurden, ist zwischen den Parteien unstreitig.
c) Der Spruch der Einigungsstelle vom 27.07.2015 stellt sich als Regelungsfrage dar und verstößt nach Auffassung des Gerichts nicht gegen höherrangiges Recht.
In Betracht kommt hier Art. 14 GG, wenn man davon ausginge, dass der Spruch zu einer indirekten Lohnerhöhung führe. Würde der Spruch in die Lohnhöhe eingreifen, so würde er gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen, und insoweit wäre durch den Spruch der Einigungsstelle auch Art. 14 GG, der das Eigentum der Arbeitgeberinnen schützt, betroffen. Ob das vertraglich zugesicherte Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf die Mindestlohnansprüche der Arbeitnehmer nach § 1 MiLoG anrechenbar ist, hängt zum einen vom Charakter der Sonderzahlungen ab und zum anderen wegen § 2 MiLoG von deren Fälligkeit.
Soweit es den Charakter der Sonderzahlungen betrifft, war dieser nicht Gegenstand des Einigungsstellenspruchs, sondern wurde einseitig durch den Arbeitgeber bestimmt und darüber hinaus zum 01.01.2015 auch geändert und zwar dahingehend, als dass diese Zahlungen zukünftig leistungsabhängig sein sollen. Hierzu haben die Arbeitgeberinnen umfangreich die Zahlungsvoraussetzungen geändert, und zwar u.a. in der Weise, als dass die Betriebszugehörigkeit nicht mehr an die Zahlung dem Grunde und der Höhe nach gebunden ist. Das Gericht verkennt allerdings nicht, dass die Änderung des Zahlungscharakters des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes nicht dem Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 3 unterfällt.
Die möglicherweise fehlende Anrechenbarkeit der Zahlungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf die Mindestlohnansprüche der Arbeitnehmer ergibt sich damit auch aus der Regelung der Fälligkeit dieser Zahlungen im angegriffenen Spruch.
§ 4 Abs. 3 des Spruchs der Einigungsstelle sichert allerdings nur die vorherigen, vertraglich festgelegten Zahlungszeitpunkte - mit einer kleinen Änderung zugunsten des Arbeitgebers. Dass sich mittelbar der Lohn der Arbeitnehmer erhöht, beruht nach Auffassung des Gerichts allerdings nicht direkt auf dem Spruch der Einigungsstelle, sondern auf § 1 MiLoG, mit welchem der Gesetzgeber den Arbeitnehmern ein Lohnniveau sichern wollte, welches geeignet ist, mit der Arbeitsleistung auch den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Obwohl die Änderung des Zwecks der Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlung nicht mitbestimmungspflichtig ist, kommt aber die Anrechenbarkeit der beiden Zahlungen auf den Mindestlohnanspruch neben deren Fälligkeit erst mit der Zweckänderung in Betracht. Auch insofern führt der Einigungsstellenspruch nicht zu einem direkten Eingriff in die Lohnhöhe. Im Ergebnis ist die fehlende Anrechenbarkeit der Zahlungen auf den Mindestlohnanspruch und die daraus resultierende Lohnerhöhung nur eine indirekte Folge des Spruchs wegen der Fälligkeit, beruht aber nicht unmittelbar auf dem Spruch selbst, sondern auf dem Mindestlohngesetz und den von den Arbeitgeberinnen selbst vorgenommenen Maßnahmen.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2016 zum Az. 5 AZR 135/16, deren Gründe zum Zeitpunkt der Anhörung der Beteiligten und der Beratung der Kammer nicht vorlagen, ist daher für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich.
Hinzu käme aber bei einer Berücksichtigung dieser Entscheidung, dass dem dort entschiedenen Fall insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde lag, als dass die dortigen Sonderzahlungen von vornherein einen anderen Zahlungszweck hatten als die von den hiesigen Arbeitgeberinnen gezahlten und der dortige Betriebsrat - im Gegensatz zum vorliegenden Sachverhalt - ausdrücklich einer ratierlichen Zahlung im Wege einer Betriebsvereinbarung zugestimmt hat.
Der Spruch der Einigungsstelle zur Fälligkeit von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist auch nicht sachfremd, denn er trägt dem Charakter der Zahlungen, so wie sie ihn vor der einseitigen Änderung durch die Arbeitgeberinnen hatten, Rechnung.
Die Arbeitgeberinnen können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie sich entweder arbeitsvertrags- oder betriebsverfassungswidrig verhalten müssen, wenn sie den Einigungsstellenspruch beachten, denn sie haben die Auszahlungszeitpunkte hinsichtlich sämtlicher Arbeitnehmer einseitig und ohne Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Gesamtbetriebsrats wie auch ohne Zustimmung der betroffenen "Alt"-Arbeitnehmer geändert. Wegen des Verstoßes der Arbeitgeberinnen gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats können sich die Arbeitnehmer nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung auch auf die für sie jeweils günstigere Regelung berufen (ständ. Rechtsprechung seit BAG GS vom 03.12.1991 AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Fitting u. a., BetrVG 28. Auflage, § 87 Rn. 599 m. w. N.). Zudem hat der Beteiligte zu 3. ausdrücklich erklärt, kein Ordnungsgeld zu beantragen, wenn die Arbeitgeberinnen die ratierliche Zahlung wieder einstellen und entweder zu der alten Zahlungsweise zurückkehren oder sich an den Spruch der Einigungsstelle halten. Nach allem kann das Gericht daher nicht feststellen, dass die Einigungsstelle in der Frage der Fälligkeit des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes ihren Ermessensspielraum überschritten hat.
Wie schon das Arbeitsgericht ist auch die Berufungskammer der Auffassung, dass die teilweise Unwirksamkeit des Spruchs vom 27.07.2015 hinsichtlich der Höhe des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes nicht dazu führt, dass der Spruch insgesamt unwirksam ist. Die verbleibenden Regelungen sind noch sinnvoll. Dies gilt nicht nur für die hier insbesondere streitgegenständliche Fälligkeitsregelung zur Auszahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sondern auch für § 3 über die Regelung zur bargeldlosen Auszahlung des Arbeitsentgeltes sowie für die Fälligkeit des regulären Arbeitsentgeltes, differenziert nach gewerblichen Arbeitnehmern und kaufmännischen Angestellten. Darüber hinaus sieht die salvatorische Klausel in § 6 des Einigungsstellenspruchs ausdrücklich vor, dass unter allen Umständen möglichst eine geltungserhaltende Reduktion vorgenommen werden soll.
Nach allem war die Beschwerde daher zurückzuweisen.
Da es sich um einen Streit der Parteien i. V. m. d. Mindestlohngesetz handelt, geht das Landesarbeitsgericht von der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage aus und lässt die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu.