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05.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193056

Landesarbeitsgericht Sachsen: Beschluss vom 27.05.2016 – 4 Ta 28/16 (3)


Tenor:

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom 29.10.2015 - 10 Ca 902/15 - in Gestalt des Teilabhilfebeschlusses vom 04.12.2015 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Der Beschwerdewert wird auf 711,62 € festgesetzt.



Gründe



I.



Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.



Der Streit der Parteien im Ausgangsverfahren betraf eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Umschulungsverhältnisses der Beklagten zur Rechtsanwaltsfachangestellten vom 16.03.2015, die dem Kläger, der in ... als selbständiger Rechtsanwalt eine Anwaltskanzlei betreibt, am 17.03.2015 zugegangen ist.



Hiergegen hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Dresen Klage erhoben und beantragt:



1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungsverhältnis nicht durch außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 16.03.2015, dem Kläger zugestellt am 23.03.2015, aufgelöst wird.



2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungsverhältnis auch nicht durch hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 16.03.2015, dem Kläger zugestellt am 17.03.2015, zum 14.04.2015 aufgelöst wird, sondern darüber hinaus unverändert fortbsteht.



3. Die Beklagte wird verurteilt, die sich aus dem mit ihr geschlossenen Ausbildungsvertrag vom 30.07.2014 ergebende Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistungen im Umfang von 40 Stunden pro Woche im Rahmen der praktischen Ausbildung uneingeschränkt über den 16.03.2015 hinaus bis zum 17.06.2016 zu erbringen.



4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine vom Gereicht festzusetzende Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG zu zahlen, wenn diese die geschuldete Arbeitsleistung nicht innerhalb einer ebenfalls vom Gericht festzusetzenden Frist vornimmt.



Der Rechtsstreit endete im Ergebnis durch teilweise den Klageanträgen zu Ziffern 1 und 2 stattgebendes Urteil dergestalt, dass das für die Zeit vom 11.08.2014 bis 17.06.2016 begründete Vertragsverhältnis der Parteien über den 17.03.2015 hinaus ungekündigt fortbesteht.



Das Urteil ist rechtskräftig.



Nach Anhörung der Beteiligten hat das Arbeitsgericht mit Teilabhilfebeschluss vom 04.12.2015 den Gerichtsgebührenstreitwert, der auch gemäß § 32 Abs. 1 RVG für die Anwaltsgebühren maßgeblich ist, auf 5.556,00 € festgesetzt und hierzu u. a. ausgeführt, dass der Entschädigungsantrag zu Ziffer 4 mit dem Wert des Schadens streitwertmäßig zu berücksichtigen sei.



Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer/Beteiligte zu 1. Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, den Entschädigungsanspruch zu Ziffer 4 nicht gesondert zu bewerten, da der Weiterbeschäftigungsantrag zu Ziffer 2 mit dem Antrag zu Ziffer 4 nach überwiegender Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte nicht nebeneinander bestehen könnte.



Eine Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts erfolgte vorliegend nicht.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.



II.



Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1./Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.



Zu Recht hat das Arbeitsgericht vorliegend auch den Entschädigungsantrag zu Ziffer 4 mit dem Nennbetrag bewertet.



Für den Entschädigungsanspruch gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 ArbGG - die Regelung entspricht der in § 510 b ZPO - wird ganz überwiegend die Ansicht vertreten, dass der Entschädigungsanspruch den Gesamtstreitwert nicht erhöht (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 8. Auflage, § 61 Rz. 33 m. w. N.; LAG Hessen vom 11.01.2008 - 8 Ta 13/07 -; LAG Köln vom 14.05.2010 - 5 Ta 52/12 - beide zitiert in Juris; Sächs. LAG vom 11.01.2008 - 8 Ta 13/07 -; LAG Baden-Württemberg vom 14.05.2012 - 5 Ta 52/12 - zitiert in Juris; Musielak/Wittschier, ZPO, 4. Auflage, § 510 b Rz. 3; hingegen für Erhöhung um einen Bruchteil des Entschädigungsbetrages LG Karlsruhe MDR 1987, 60 mit ablehnender Anm. Schneider, Sächs. LAG vom 26.11.2004 - 15 Ta 453/04 -). Damit würde es in jedem Fall bei dem Wert der Feststellungsklage und des Weiterbeschäftigungsantrags bleiben.



So führt das Landesarbeitsgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 11.01.2008 - 8 Ta 12/07 - zitiert in Juris aus:



"Soll der Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits verurteilt werden, kann der Arbeitnehmer in dem gleichen Rechtsstreit einen Antrag auf Zahlung einer Entschädigung im Falle der Nichtbeschäftigung geltend machen (GMPGermelmann, ArbGG, 8. Auflage 2013, § 61 Rz. 29). Materiell kommt ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitnehmer durch die Nichtbeschäftigung psychische Schäden erlitten hat oder konkrete Nachteile durch Qualifikationsverluste dargestellt werden können. Das bloße Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung ist regelmäßig durch den fortbestehenden Entgeltsanspruch gemäß § 615 I BGB abgegolten (LAG Hamburg vom 12.10.2006 - 8 Sa 46/06 - n. v., zu II. 2. d. Gr.). Unstreitig erhöht sich selbst in einem solchen Fall der Gegenstandswert nicht (Thomas/Putzo 35. Auflage 2014, § 510 b Rz. 5; Zöller, ZPO 31. Auflage 2016, § 510 b Rz. 9, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 62. Auflage 2004, § 510 b Rz. 4, 10; Grunsky, ArbGG 7. Auflage 1995, § 61 Rz. 13; GMP-Germelmann, ArbGG 8. Auflage 2013, § 61 Rz. 33; GK-ArbGG-Schleusener, § 12 Rz. 265), da der Antrag nach § 61 II ArbGG nur neben einen Hauptantrag tritt.



Eine Addition des Werts mehrerer Anträge kommt nach § 5 ZPO nur in Betracht, wenn die Anträge einen eigenständigen Wert haben, weil sie verschiedene Tatbestände erfassen. Das Arbeitsgericht hat jedoch richtigerweise festgestellt, dass sich ein Entschädigungsanspruch im vorliegenden Fall unmittelbar aus der Umwandlung des Beschäftigungsanspruchs ergeben würde. Er käme nur dann zum Tragen, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht erfüllen würde. Der zugrunde liegende Tatbestand, nämlich die Beschäftigung des Arbeitnehmers, ist somit identisch. Dieser führt lediglich in einem Fall zur Vornahme einer Handlung, nämlich der tatsächlichen Beschäftigung, im anderen Fall zu einer Entschädigung in Geld."



Demgegenüber sprechen sich die von dem Beschwerdeführer/Beteiligten zu 1. angeführten Entscheidungen (LAG Hessen vom 26.11.2004 - 15 Ta 453/04 - Juris und vom 19.07.2002 - 16 Sa 1816/01 - AR-Blattei ES 160.13 Nr. 260; LAG Köln vom 20.12.1983 - 13 Ta 82/83 - MDR 1984, 501) zwar für eine Berücksichtigung des Entschädigungsanspruchs bei der Festsetzung des Streitwerts aus. Anders als von dem Beschwerdeführer dargestellt, befürworten sie jedoch keine Addition der Werte des Beschäftigungs- und des Entschädigungsanspruchs. Maßgeblich soll vielmehr allein der im Einzelfall höhere Wert sein. Dies liefe im Ergebnis auf eine Anwendung des § 45 I 2, 3 GKG hinaus. Diese Ansicht ist jedoch aus den vom LG Köln im Beschluss vom 20.02.2013 a. a. O. angeführten Gründen abzulehnen. Üblicherweise wird über einen Hilfsanspruch wie z. B. eine Hilfsaufrechnung nur dann entschieden, wenn er tatsächlich zum Tragen kommt. Bei dem Entschädigungsanspruch gemäß § 61 II ArbGG erfolgt die Entscheidung jedoch vorsorglich für den Fall, dass er mangels Vornahme der verlangten Handlung zum Tragen kommen sollte. Anders als bei der Hilfsaufrechnung steht somit im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht fest, ob der Hilfsanspruch zum Tragen kommen wird.



Die Beschwerdekammer lässt vorliegend offen, welcher Ansicht hier zu folgen ist.



Denn im vorliegenden Fall ist aufgrund der hier gegebenen besonderen Umstände hinsichtlich des Entschädigungsantrags der bezifferte Antrag bei der Festsetzung des Gesamtstreitwerts zu berücksichtigen.



Denn dem Kläger ist es vorliegend - wie seinem Klageschriftsatz zu entnehmen ist - ersichtlich um den Erhalt von 5.556,00 € für den Fall gegangen, dass die Beklagte die von ihr angeblich geschuldete Arbeitsleistung nicht innerhalb einer festgesetzten Frist vornehmen würde. Diesen Antrag durchzusetzen, war das eigentliche Ziel des Klägers, zumal der Klageantrag zu Ziffer 3 nicht vollstreckbar gewesen wäre.



Dabei bestand die Besonderheit in der Berechnung der Schadenshöhe darin, dass die Beklagte mit dem Jobcenter Dresden am 07./08.10.2014 eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II geschlossen hatte; ein Umstand, den der Kläger in die Berechnung seines Schadensersatzes einbezogen hat. Die Höhe des Entschädigungsbetrags resultiert also wesentlich aus dem Umstand, dass dem Kläger die auf die persönliche Situation der Beklagten zugeschnittenen Eingliederungszuschüsse nicht mehr zugute kamen.



Nach dem unstreitigen Vorbringen der Beschwerdegegnerin hat die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erstinstanzlich wesentlich zu einer Drucksituation bei der Beklagten geführt.



Es ist somit - wie der Beklagtenvertreter in seinem Schriftsatz vom 21.03.2016 zutreffend ausführt - nicht sachgerecht, den vorgenannten, für beide Parteien wesentlichen Umstand bei der Berechnung des für die Anwaltsgebühren maßgeblichen Streitwerts unberücksichtigt zu lassen. Dies hat auch das Arbeitsgericht Dresden so gesehen.



Dem Kläger, hier dem Arbeitgeber und nicht dem Arbeitnehmer, wie in den oben zitierten Entscheidungen, ging es hier ersichtlich um die Zusprechung eines Schadensersatzanspruchs in Höhe von 5.556,00 € für den Fall, dass die Beklagte in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht wieder für ihn tätig werden sollte.



Dem Entschädigungsantrag kam daher anders als in den oben zitierten gegenteiligen Entscheidungen ein eigener wirtschaftlicher Wert zu, der hier zu einer Erhöhung des Gesamtstreitwerts führt.



Ebenso hat auch das Sächsische Landesarbeitsgericht im Rahmen der Kostenentscheidung im Urteil vom 26.01.2016 den Entschädigungsantrag mit dem Nennbetrag bewertet.



Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass lediglich der Entschädigungsantrag zu Ziffer 4 mit dem Nennbetrag von 5.556,00 € zu bewerten ist. Der Klageantrag zu Ziffer 2 war nicht gesondert zu bewerten, da er nicht vollstreckbar gewesen wäre.



Nach alledem war daher die Beschwerde zurückzuweisen.



Der Wert des Beschwerdeverfahrens errechnet sich aus der Differenz des festgesetzten zu dem von dem Beteiligten zu 1. begehrten wesentlich höheren Gegenstandwert im Hinblick auf die angefallenen Anwaltsgebühren.



Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§ 568 Satz 1 ZPO i. V. m. §§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 S. 1 ArbGG).



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorschriften§ 63 Abs. 2 GKG, § 61 Abs. 2 ArbGG, § 32 Abs. 1 RVG, § 61 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 510 b ZPO, § 615 I BGB, § 61 II ArbGG, § 5 ZPO, § 45 I 2, 3 GKG, § 15 SGB II, § 568 Satz 1 ZPO, §§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 S. 1 ArbGG

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