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20.03.2017 · IWW-Abrufnummer 192613

Landesarbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 18.11.2015 – 6 Sa 311/14


In dem Rechtsstreit

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte/r:

Rechtsanwälte

gegen

- Kläger und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt

hat das Landesarbeitsgericht in Erfurt auf die mündliche Verhandlung vom 18.11.2015

durch den Richter am Arbeitsgericht Holthaus als Vorsitzenden und die Ehrenamtlichen Richter Klar und Parkan als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 5.08.2014, 1 Ca 1425/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird der Tenor der Entscheidung in Ziffer 4 und 5 wie folgt neu gefasst:

4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Abrechnungen zu erteilen in der Art und Weise, dass ihm für den Zeitraum 01.01.2011 bis 15.04.2014 schriftlich mitgeteilt wird, ob die von ihm vermittelten Geschäfte auf Vermietung oder Verkauf zurückgehen und jeweils mitgeteilt wird: Art, Name und Menge der verkauften oder vermieteten Maschinen bzw. den Mietzeitraum und Mietpreis, den Rechnungswert und den Zeitpunkt des Zahlungseinganges zum vermittelten Geschäft sowie die Namen der Kunden und die Provision.

5. Die Beklagte wird verurteilt für den Zeitraum 1.1.2011 bis 15.4.2014 einen Buchauszug über die vom Kläger verdienten Provisionen zu erteilen, welcher inhaltlich den Angaben wie zu Ziffer 4 des Urteils entspricht.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug über Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate März und April 2014, über Ansprüche auf Erstattung von Spesen und Übernachtungskosten, Ansprüche auf Abrechnung von Provisionen für den Zeitraum 1.1.2011 bis 15.4.2014 sowie einen entsprechenden Buchauszug hierüber und über Ansprüche der Beklagten gegenüber dem Kläger auf Schadenersatz.



Der Kläger war im Zeitraum vom 1.9.2007 bis 15.4.2014 bei der Beklagten als Mitarbeiter im Verkaufsaußendienst tätig. Die Parteien vereinbarten im Arbeitsvertrag vom 27.8.2007 unter anderem ein Grundgehalt in Höhe von 3.050,00 € brutto sowie die Zahlung einer Provision in Höhe von 1 % pro verkaufter Maschine, 0,5 % für den Verkauf von Maschinen, welche über durch den Kläger betreute Händler bzw. Agenten verkauft wurden, 1,5 % Provision bei Verkauf an Neukunden, 3,0 % Provision bei Verkauf von sog. 450er Maschinen zum Listenpreis. Die Auszahlung der Provision sollte nach vollständigem Zahlungseingang des Rechnungsbetrages bzw. des Komplettpreises der Maschine/Anlage mit der nächsten Lohnabrechnung erfolgen. Die Provision sollte sich aus der tatsächlich eingegangenen Zahlung berechnen. Eine Teilauszahlung war nicht möglich.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhaltes des Arbeitsvertrages wird auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Blatt 6-8 d. A.) verwiesen.



Von Anfang an zahlte die Beklagte dem Kläger über die im Vertrag ausdrücklich geregelten Verkaufsprovisionen hinaus auch Provisionen bei Vermietung von Maschinen.



Am 27.2.2008 schlossen die Parteien eine Vereinbarung in der sie u. a. eine Verfallfrist regelten. Diese lautet:



"Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht und im Falle der Ablehnung durch die Gegenseite nicht innerhalb von drei Monaten eingeklagt werden."



Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Blatt 80 d. A.) verwiesen.



Am 15.3.2013 verursachte der Kläger einen Schaden an einem so genannten Vorbrecher. Er meldete diesen Schaden der Beklagten umgehend. Die ..... GmbH stellte der Beklagten für eine Reparatur zwischen dem 15.7. und 5.8.2013 einen Bruttobetrag in Höhe von 3.557,01 € in Rechnung, welchen die Beklagte beglich. Am 9.9.2013 schrieben sich der Kläger und eine Mitarbeiterin der Beklagten E-Mails darüber, wie der Schaden beglichen werden solle.



Mit Schreiben vom 14.3.2014 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 15.4.2014. Mit Schreiben vom selben Tage bestätigte die Beklagte den Erhalt der Kündigung und stellte den Kläger ausdrücklich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens und des Freistellungsschreibens wird auf die zu den Akten gereichten Kopien hiervon (Bl. 10-12 d. A.) verwiesen.



Die Beklagte zahlte dem Kläger für März 2014 und den Zeitraum 1. bis 15. April 2014 kein Gehalt aus. Sie zahlte Übernachtungskosten und Spesen für Februar 2014 in Höhe von 241,00 € und März 2014 in Höhe von 62,40 € nicht aus. Bis einschließlich Februar 2014 zahlte die Beklagte dem Kläger Provisionen, deren Höhe in den jeweiligen Gehaltsabrechnungen schlicht als Gesamtbetrag unter der Bezeichnung Mietprovision und Verkaufsprovision auftauchte.



Mit dem am 15.7.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz erklärte die Beklagte gegenüber den Vergütungsforderungen für März und April 2014 und dem Spesenanspruch die Aufrechnung mit Schadenersatzforderungen aus dem Schadenereignis vom 15. März 2013. Ferner erklärte sie die Aufrechnung mit dieser Schadensersatzforderung gegenüber möglichen sich nach Rechnungslegung ergebenden Provisionsansprüchen des Klägers. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Aufrechnungserklärungen wird auf diese selbst (Blatt 57 und 58 d. A.) verwiesen.



Wegen der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Seite 4 und 5 (Blatt 115 und 116 d. A.) verwiesen.



Die Beklagte hat Sachvortrag zum Schadenereignis vom 15.3.2013 gehalten, wegen dessen Einzelheiten verwiesen wird auf den Schriftsatz vom 15.7.2014 nebst Anlagen (Bl. 60, 61, 68-72 d. A.). Sie ist der Ansicht gewesen, der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt.



Mit Teilurteil vom 5.8.2014 verurteilte das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung der Vergütung für März 2014 sowie 1. bis 15. April 2014 und Zahlung von Spesen und Übernachtungskosten nebst Zinsen in dem aus dem Tenor der Entscheidung ersichtlichen Umfang. Ferner verurteilte es die Beklagte zur Erteilung von Abrechnungen über verdiente Provisionen für den Zeitraum 1.1.2011 bis 15.4.2014 und Erteilung eines entsprechenden Buchauszugs, wies einen Antrag des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung sowie die Widerklage der Beklagten ab.



Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass sowohl Klage als auch Widerklage zulässig seien. Die Klage sei hinsichtlich der Zahlungsansprüche mit Ausnahme der Entschädigung begründet, denn der Kläger habe bis Mitte März seine Arbeitsleistung erbracht und sei danach von der Beklagten ausdrücklich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung freigestellt gewesen, so dass die Vergütungsansprüche begründet seien. Die Aufrechnung greife nicht durch, weil der Schadensersatzanspruch gemäß der Zusatzvereinbarung vom 27.2.2008 verfallen sei. Im Übrigen sei weder der Schaden dem Grunde noch der Höhe nach ausreichend substantiiert dargelegt. Außerdem lasse sich aufgrund des Vortrages der Beklagten und deren Antragstellung nicht der Umfang der Rechtskraft im Hinblick auf die Aufrechnungsforderung feststellen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Erteilung der Abrechnungen und Buchauszug über die Provisionen für den benannten Zeitraum. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 87 c Abs. 1 und 2 HGB und sei nicht aufgrund der in der Zusatzvereinbarung vom 27. Februar 2008 vereinbarten Verfallsregelung verfallen, weil die Rechte des 87 c HGB gemäß Abs. 5 der Vorschrift nicht durch einzelvertragliche Regelung eingeschränkt werden könnten. Die Widerklage sei unbegründet, weil Schadensersatzansprüche aufgrund des Unfallereignisses vom 15.3.2013 nach der Zusatzvereinbarung vom 27. Februar 2008 verfallen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Seiten 6-12 (Blatt 117-123 d. A.) verwiesen.



Gegen das ihr am 7.10.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 6.11.2014 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Nachdem das Gericht mit Beschluss vom 1.12.2014 auf den am 28.11.2014 eingegangenen Antrag hin die Berufungsbegründungsfrist bis zum 6.1.2015 verlängert hat, ist an diesem Tag die Berufungsbegründung beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen.



Die Beklagte ist der Rechtsansicht, es sei ungerecht, dass sich der Kläger auf Verfallsfristen berufen dürfe und sie, die Beklagte, nicht. Die Ansprüche des Klägers auf Abrechnung von Provisionen und auf einen Buchauszug seien verfallen. Sie, die Beklagte, habe Provisionen abgerechnet. Außerdem stehe § 87 c Abs. 5 HGB nicht tariflichen Verfallfristen entgegen. Es sei nicht erkennbar, weshalb nicht einzelvertragliche Verfallfristen genauso Geltung sollen beanspruchen können. Die Zielsetzung sei dieselbe.



Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht den Sachvortrag zu den Schadenersatzansprüchen als unsubstantiiert bezeichnet. Sie habe mit den Ansprüchen aufrechnen dürfen. Sie, die Beklagte, mache nunmehr ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber den Ansprüchen des Klägers geltend.



Sie beantragt,



das erstinstanzliche Urteil wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 3.557,01 € brutto abzüglich bereits durch Aufrechnung und hilfsweise Widerklage verbrauchter Forderungen in eben jener Höhe nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit 21.7.2014 zu zahlen.



Der Kläger beantragt,



die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass seine Anträge zu Ziffer 4 und 5 aus der Klageschrift dahingehend präzisiert werden sollen,



die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Abrechnungen zu erteilen in der Art und Weise, das ihm schriftlich mitgeteilt wird für den Zeitraum 1.1.2011 bis 15.4.2014, ob die vom Kläger vermittelten Geschäfte auf Vermietung oder Verkauf zurückgehen und jeweils Art, Name und Menge der verkauften oder vermieteten Maschinen, bzw. den Mietzeitraum und Mietpreis, den Rechnungswert und den Zeitpunkt des Zahlungseingangs zum vermittelten Geschäft sowie die Namen der Kunden und die Provisionshöhe.



Die Beklagte zu verurteilen, für den Zeitraum 1.1. 2011 bis 15.4.2014 einen Auszug über die vom Kläger verdienten Provisionen zu erteilen, welche inhaltlich den Angaben wie zu Ziffer 4 seines Antrages entspricht.



Der Kläger verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil als zutreffend.



Entscheidungsgründe



Die Berufung ist unbegründet.



Die Klage ist, soweit sie Gegenstand des Berufungsrechtszuges geworden ist, begründet.



Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Vergütung in Höhe von 1.525,00 € brutto für den Zeitraum 1. bis 15.3.2014. Anspruchsgrundlage ist § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Der Kläger hat seine Arbeitsleistung erbracht. Ihm steht hierfür die vertraglich vereinbarte Vergütung zu.



Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsentgelt in Höhe von weiteren 1.016,67 € brutto für den Zeitraum 16. des 27. März 2014. Anspruchsgrundlage ist § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag i.V.m. §§ 1, 11 BUrlG. Der Kläger hat im Kündigungsschreiben Urlaub in entsprechender Höhe beantragt (6,5 Arbeitstage). Die Beklagte hat diesen durch die Freistellung unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche erteilt. Rechnerisch erfasst der Urlaubsanspruch 10 Kalendertage, weshalb der Einfachheit halber gerechnet werden kann 1525:15X10. Bei gleich bleibenden Monatsgehalt steht diese Berechnung im Einklang mit § 11 BUrlG. Ob der Kläger danach unter Einbeziehung seiner Provisionen im Zeitraum 16.12.2013 bis 16.3.2014 mehr Urlaubsentgelt hätte beanspruchen können, muss nicht entschieden werden, denn er hat nicht mehr beantragt (§ 308 ZPO).



Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von weiterer Vergütung in Höhe von 508,33 € brutto für den Zeitraum 27. bis 31. März 2014 und von Vergütung in Höhe von weiteren 1.525,00 € brutto für den Zeitraum 1. bis 15. April 2014. Der Anspruch ergibt sich aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit der Freistellungsvereinbarung vom 14.3.2014. Der Kläger hat zwar keine Arbeitsleistung erbracht, war aber aufgrund des Schreibens vom 14.3.2014 von der Arbeitsleistung freigestellt. Er war mit der Freistellung auch einverstanden; dies hat er durch konkludentes Handeln zum Ausdruck gebracht. Er hat am 14.3.2014 sein Büro übergeben, wie sich aus seiner Spesenabrechnung ergibt (Bl. 22 d.A.). In den Abrechnungen hat er ab dem 27.3.2014 auch die Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge vermerkt (Bl. 22-24 d.A.). Die widerspruchslose Büroübergabe und die entsprechenden Eintragungen in den Spesenabrechnungen lassen sich aus der maßgeblichen Sicht der beklagten als Erklärungsempfänger als Einverständnis mit der Freistellungserklärung verstehen. Die Beklagte schuldet deshalb im Ergebnis auch für den Freistellungszeitraum die vertragsgemäße Vergütung.



Selbst wenn der Kläger mit der Freistellung nicht einverstanden gewesen wäre stünde ihm der Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu (§ 615 BGB), denn die Beklagte hat mit dem Schreiben ernsthaft und endgültig klargemacht, ihm keinen eingerichteten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen zu wollen, weshalb ein gesondertes Angebot der Arbeitskraft des Klägers entbehrlich gewesen wäre.



Insgesamt ergeben diese Ansprüche die vom Arbeitsgericht zugesprochenen 3.050 € brutto für März 2014 und 1.525 € brutto für 1. bis 15.4.2014.



Die Ansprüche sind nicht verfallen. Laut vertraglicher Vereinbarung war der zeitlich erste Vergütungsanspruch für März 2014 fällig am 15. April 2014. Der Anspruch auf Urlaubsentgelt war gem. § 11 Abs. 2 BUrlG am 17.3.2014 fällig. Die Klage ist noch vor Ablauf der Verfallsfrist am 17.6.2014 (Urlaubsentgelt)/15.7.2014 (Vergütung) der Beklagten zugestellt worden, nämlich am 16.6.2014 (Blatt 28 Rückseite d. A.). Die Klage wahrt damit erst recht die Verfallfrist für die Ansprüche aus April 2014.



Der Anspruch ist nicht durch wirksame Aufrechnungserklärung mit einer Gegenforderung untergegangen, denn die erstmals im Prozess erfolgte Aufrechnungserklärung entfaltet keine Wirksamkeit, weil sie nicht hinreichend bestimmt ist. Eine Aufrechnungserklärung im Prozess muss dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechen (BGH 07.11.2001, VIII ZR 263/00). Ist die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, nicht in voller Höhe aufrechenbar, so hat der Aufrechnende in der Aufrechnungserklärung selbst konkret auszurechnen und anzugeben, in welcher Höhe überhaupt die Aufrechnung zulässig ist, damit klar ist, wie weit die Aufrechnungsforderung durch die Aufrechnung verbraucht ist. Anderenfalls ließe sich z.B. die Reichweite der Entscheidung im Hinblick auf § 322 Abs. 2 ZPO nicht feststellen. Hier macht der Kläger Vergütungsforderungen brutto geltend. Diese sind hinsichtlich der Abgaben und des Pfändungsfreibetrages der Aufrechnung entzogen (§§ 394 BGB i.V.m. 850 Abs. 1, 850 c, 850 e Nr. 1 ZPO). Die reichlich verschachtelte und verworrene sowie ohnehin aus sich heraus kaum verständliche Aufrechnungserklärung lässt weder ausdrücklich eine Bestimmtheit im o.g. Sinne erkennen, noch lässt sich dem Sachvortrag der Beklagten etwas entnehmen, was die Erklärung durch Auslegung bestimmbar macht. Hierauf hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen schon hingewiesen und auch das Gericht in seiner Verfügung vom 10.9.2015.



Selbst wenn man die Aufrechnungserklärung für hinreichend bestimmt hielte, ginge sie ins Leere. Die Aufrechnungsforderung ist verfallen. Sie resultiert aus einem Schadenereignis von März 2013. Spätestens mit der unstreitigen Korrespondenz per E-Mail über die Frage, wie der Schaden beglichen werden solle, im September 2013 wäre die Beklagte in der Lage gewesen, diese Forderung entsprechend geltend zu machen. Sie hat nicht dargelegt, dass sie innerhalb der dreimonatigen Verfallfrist aus der Zusatzvereinbarung vom 27. Februar 2008 diese Forderung geltend gemacht hätte.



Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1 i.V.m. 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag. Danach ist während des Verzuges die Forderung in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Verzug tritt ohne Mahnung ein, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Hier war vertraglich vereinbart, dass die Vergütungszahlung bis zum 15. des Folgemonats zu erfolgen hat. Damit befand sich die Beklagte mit der Zahlung für März spätestens ab dem 16.4.2014 und für April spätestens ab dem 16.5.2014 in Verzug. Zinsen ab einem früheren Zeitpunkt für das Urlaubsentgelt waren nicht beantragt (§ 308 ZPO).



Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch in Höhe von 241,00 € Spesen und Übernachtungskosten für Februar 2014 (Berechnung Blatt 14 - 17 d. A.) und 62,40 € für März 2014 (Berechnung Bl. 20 und 21 d. A.), von denen er allerdings nur 62,00 € eingeklagt hat, so dass ihm nicht mehr zugesprochen werden kann (§ 308 ZPO). Anspruchsgrundlage ist § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Der Kläger hat unwidersprochen Grund und Höhe seines entsprechenden Auslagenanspruchs und die rechtzeitige Abrechnung gemäß § 14 des Arbeitsvertrages dargelegt.



Die Forderung ist nicht verfallen; sie bezieht sich auf Auslagen für den Zeitraum Februar und März 2014. Früheste Fälligkeit für die 241 € für Februar 2014 war daher der 15.3.2014. Die Klage ist innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist beim Arbeitsgericht eingegangen (2.6.2014) und ohne vom Kläger zu vertretende Verzögerung, also demnächst im Sinne des § 167 ZPO, am 16.6.2014 zugestellt worden. Dass die richterliche Zustellungsverfügung vom 3.6.2014 (Bl. 27 - das dort angegebene Datum 3.7.2014 ist ein offensichtlicher Schreibfehler, denn es liegt nach dem Zustellungsdatum), erst am 11.6.2014 ausgeführt worden ist, liegt nicht im Verantwortungsbereich des Klägers. In Ansehung der zu wahrenden Verfallfrist gilt deshalb die Klage mit Eingang am 2.6.2014 als erhoben (§ 167 ZPO). Die Vorschrift ist auch auf die erste Stufe einer Verfallfrist für die außergerichtliche Geltendmachung anzuwenden. § 167 BGB ist grundsätzlich auch auf Fälle anwendbar, in denen die zu wahrende Frist auch einfach schriftlich außergerichtlich geltend gemacht werden kann (BAG 22.05.2014, 8 AZR 662/13). Nach § 132 Abs. 1 S. 1 BGB kann eine einfache Willenserklärung auch durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers zugestellt werden. Dafür gilt dann gem. § 132 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. §§ 191, 192 Abs. 2 S. 1, 167 ZPO in Ansehung einer zu wahrenden Frist der Zeitpunkt der Übergabe an den Gerichtsvollzieher, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Das soll auch für materiell rechtliche Ausschlussfristen wie der nach § 15 Abs. 4 S. 1 AGG gelten (BAG aaO.). Für tarifliche Verfallfristen galt bisher, dass das zeitliche Risiko einer Klagezustellung zu Lasten des Anspruchstellers ging, wenn er den Weg übers Gericht gewählt hat, obschon eine außergerichtliche Geltendmachung ausgereicht hätte (BAG 25. September 1996 - 10 AZR 678/95).



Hieran hält die Kammer für einzelvertragliche Ausschlussfristen nicht fest. Das BAG (aaO.) will § 167 ZPO auch auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen zur Geltendmachung einer Forderung anwenden (BAG aaO. Rn 17 mwN, Rn 18). Hierunter fallen grundsätzlich auch Ausschlussfristen zur Geltendmachung von Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis. Es wäre in der Tat ein Wertungswiderspruch, wenn die außergerichtliche Geltendmachung auf dem Weg des § 132 Abs. 1 S. 1 BGB zu einem anderen Ergebnis führte als auf dem Wege der stärksten Form der Geltendmachung, der Klage. In Sonderfällen, in denen der besondere Sinn und Zweck der einzuhaltenden Frist dies erfordert, kann von der Rückwirkung des § 167 ZPO abgesehen werden (BAG aaO. Rn 22 mwN). Einen solchen Sonderfall stellen einzelvertragliche Ausschlussfristen nicht dar. Zwar haben sie den Sinn besonders schnell Klarheit zu schaffen, ob und welche Ansprüche den Anspruchsgegner noch erwarten. Diesem Schnelligkeitsbedürfnis ist aber mit dem Erfordernis, dass die Rückwirkung nur stattfindet, wenn "demnächst" zugestellt wird, Rechnung getragen. Andererseits besteht auch wegen der gravierenden Folgen der Fristversäumnis ein großes Bedürfnis nach einem möglichst sicheren Weg der Übermittlung gerade einer außergerichtlichen Geltendmachung. Nicht selten sehen sich Anspruchsteller der Behauptung ausgesetzt, Geltendmachungsschreiben seien nicht angekommen und befinden sich dann in Beweisnöten. Hier schüfe § 132 Abs. 1 S. 1 BGB die entsprechende Abhilfe. Wählt ein Anspruchsteller stattdessen den ebenfalls sicheren Weg über die Klageerhebung, darf ihm das nicht zum Nachteil gereichen.



Hinsichtlich der Forderung für März 2014, die frühestens am 15.4.2014 fällig gewesen ist, bestehen keinerlei Bedenken, weil die Klage innerhalb der dreimonatigen Verfallfrist aus der Zusatzvereinbarung vom 27.2.2008, am 16.6.2014, zugestellt worden ist.



Auch diesbezüglich greift die Aufrechnung nicht durch. Wegen der Begründung kann auf die oben genannten Ausführungen verwiesen werden.



Den Zahlungsansprüchen insgesamt steht nicht die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts im Berufungsbegründungsschriftsatz entgegen. Soweit die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts zu dem Ergebnis führen würde, was mit dem Aufrechnungsverbot des § 394 BGB verhindert werden soll, ist sie unzulässig. So ist es hier, denn mit der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts verlöre der Kläger- zumindest zeitweise - die zur Sicherung des Existenzminimums unpfändbaren Bezüge. Sinn der Unpfändbarkeit ist, den Schuldner genug zum Leben zu belassen, damit nicht die Solidargemeinschaft für den Lebensunterhalt einspringen muss. Das ist der Grund, weshalb die Gläubigerinteressen zurückzutreten haben (uralter Rechtsgrundsatz schon seit 5. Buch Mose, Deuteronomium, Kapitel 24, Verse 6 und 10 bis 13: "Man darf nicht die Handmühle oder den oberen Mühlstein als Pfand nehmen; denn dann nimmt man das Leben selbst als Pfand. (...) Wenn du einem andern irgendein Darlehen gibst, sollst du, um das Pfand zu holen, nicht sein Haus betreten. Du sollst draußen stehen bleiben und der Mann, dem du das Darlehen gibst, soll dir ein Pfand nach draußen bringen. Wenn er in Not ist, sollst du sein Pfand nicht über Nacht behalten. Bei Sonnenuntergang sollst du ihm sein Pfand zurückgeben. Dann kann er in seinem Mantel schlafen, er wird dich segnen und du wirst vor dem Herrn, deinem Gott, im Recht sein."). Damit steht auch nicht die nur zeitweise Zurückhaltung des Lebensnotwendigen im Einklang.



Im Übrigen besteht auch keine Forderung, wegen der ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden könnte, denn die möglichen Forderungen aus dem Schadenereignis vom 15.3.2013 sind verfallen (s. o.).



Der Antrag des Klägers auf Erteilung von Provisionsabrechnungen und eines entsprechenden Buchauszuges ist zulässig.



Der Antrag auf Abrechnung einer Provision und des entsprechenden Buchauszuges muss den Anforderungen von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügen. Das ist hier der Fall. Der ursprüngliche Wortlaut der Anträge allein allerdings ließ offen, wie die begehrte Abrechnung inhaltlich aussehen sollte und hätte dazu geführt, dass ein Streit über die inhaltliche Ordnungsgemäßheit der Abrechnung ins Vollstreckungsverfahren verlagert worden wäre. Allerdings sind Anträge der Auslegung fähig. Der Kläger hat schon im Schriftsatz vom 31.7.2014 auf Seite 5 im 2. Druckabschnitt (Bl. 85 d. A.) klargemacht, wie die begehrten Abrechnungen inhaltlich aussehen sollten. In diesem Sinne hat die Kammer die Anträge von vornherein verstanden. Dieser Auslegung entspricht die vom Klägervertreter auf Wunsch der Kammer im Termin vom 18.11.2015 vorgenommene Klarstellung seiner Anträge. Die so verstandenen Anträge sind, so wie sie jetzt präzisiert wurden, zulässig.



Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung von Provisionsabrechnungen gegen die Beklagte für den Zeitraum 1.1.2011 bis 15.4.2014 mit dem beantragten Inhalt. Anspruchsgrundlage ist § 87 c Abs. 1 i.V.m. § 65 i.V.m. § 59 HGB. Nach § 87 c Abs. 1 HGB hat ein Handelsvertreter Anspruch auf Abrechnungen über die verdiente Provision. Der Kläger ist Handlungsgehilfe im Sinne von § 59 HGB, weshalb die Vorschrift gemäß § 65 HGB hier anzuwenden ist.



Inhaltlich ist der Anspruch auf Abrechnung auf die nunmehr im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.11.2015 präzisierten Informationen gerichtet. Die Abrechnung ist so zu gestalten, dass der Handelsvertreter die einzelnen Geschäfte identifizieren und die Provisionsberechnung nach der Bemessungsgrundlage und den zugrundegelegten Provisionssatz überprüfen kann (vergleiche statt vieler Oetker/Busche HGB § 87 c Rz. 5). Nach der Provisionsabrede in § 4 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 27. August 2007 benötigt der Kläger zur Berechnung seiner Verkaufsprovisionen Angaben über den Kunden, die verkaufte Maschine, den Rechnungswert sowie den kompletten Zahlungseingang des Rechnungsbetrages. Nach dem unstreitigen Vortrag zahlte die Beklagte dem Kläger von Anfang an auch Provision für eingenommene Miete bei Vermietung von Maschinen. Deshalb braucht der Kläger zur Berechnung seiner Provision die Angabe über die Vermietungsgeschäfte und auch über Zeitraum und Mietzins sowie Zahlungseingang.



Die Ansprüche sind nicht durch Erfüllung untergegangen (§ 362 BGB). Die Beklagte hat zwar im Schriftsatz vom 17.11.2015 behauptet, die Provision abgerechnet zu haben. Sie hat allerdings nur auf den Entgeltabrechnungen Zahlbeträge aufgeführt, die mit Mietprovision oder schlicht Provision gekennzeichnet waren. Das ist keine Erfüllung des Anspruchs aus § 87 c Abs. 1 HGB, denn sie genügt nicht den inhaltlichen Anforderungen (s.o. dazu Ortker/Busche HGB § 87 c Rn 5).



Die Ansprüche auf Abrechnung für den geltend gemachten Zeitraum sind nicht aufgrund der nachträglich am 27. Februar 2008 zwischen den Parteien vereinbarten Verfallfrist verfallen. Soweit sich die Verfallfrist auch auf Ansprüche nach § 87 c HGB beziehen soll, ist sie unwirksam, weil sie gegen § 87 c Abs. 5 HGB verstößt.



Nach § 87 c Abs. 5 HGB können die Rechte des Handelsvertreters nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Danach sind einzelvertragliche Abmachungen, die zu einer Beschränkung der Rechte aus der Vorschrift führen unwirksam. Hierzu zählen auch einzelvertragliche Ausschlussfristen wie die streitgegenständliche. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift nach genauer Analyse des Wortlautes unter Berücksichtigung der Gesetzesgeschichte und der Vorgaben aus der Richtlinie des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter (86/653/EWG).



§ 87 c Abs. 5 HGB steht jedenfalls einzelvertraglichen Verfallfristen, die dazu führen, dass durch schlichten Zeitablauf und Untätigbleiben des Handlungsgehilfin die Rechte aus § 87 c Abs. 1 und 2 HGB untergehen, entgegen.



Nach der Vorschrift können die Rechte des Handelsvertreters aus § 87 c HGB nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Bei dem Ausdruck "diese" Rechte sind nur die aus § 87 c HGB gemeint. Das ergibt sich aus der Verwendung des Demonstrativpronomens. Die Verwendung eines Demonstrativpronomens bedeutet die Anknüpfung an ein bestimmtes Subjekt. Das können nach dem Wortlaut und Sachzusammenhang nur die Rechte auf Abrechnung, Buchauszug usw. aus § 87 c HGB sein.



Der Wortlaut legt nahe, dass diese Rechte überhaupt nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden können. Ein solches Verständnis der Norm wäre zu weit gehend. So ist sie auch nicht gemeint. Die gesetzesimmanenten Schranken, wie allgemeine Verjährungsfristen sowie die Möglichkeit einer Verwirkung der Rechte, die letztlich eine konkretisierende Anwendung von § 242 BGB darstellt, sind ohne weiteres möglich. Deshalb ist zu ermitteln, welche Art der Beschränkung durch die Vorschrift gehindert wird.



Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehen tarifvertragliche Ausschlussfristen mit der Norm im Einklang. Diese Ansicht übernimmt die Literatur weit gehend unhinterfragt (Oetker/Busche HGB § 87 c Rn. 36 mit weiteren Nachweisen). Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Auffassung damit, dass die von ihm geprüften tariflichen Verfallfristen keine Einschränkung des Rechtes, sondern lediglich eine Modifizierung für die Art und Weise der Geltendmachung darstellten (BAG 23.3.1982, 3 AZR 637/79; 6.5.2009, 10 AZR 390/08). Vordergründig betrachtet könnte dies auch auf einzelvertragliche Verfallfristen zutreffen. Jedoch klingt in der Begründung des BAG eine Differenzierung zwischen tariflichen Verfallfristen und einer einzelvertraglichen Einschränkung an, so dass nicht eindeutig ist, ob nach Auffassung des BAG einzelvertragliche Verfallfristen ebenso lediglich eine nach § 87 c Abs. 5 HGB zulässige Modifikation der Rechte aus der Vorschrift wäre.



Die Kammer ist der Überzeugung, dass jedenfalls eine einzelvertragliche Verfallfrist eine Beschränkung des Rechts aus § 87 c HGB darstellt und dass diese nach der Vorschrift unzulässig ist.



In der Norm findet sich nicht der Ausdruck "einschränken" sondern "beschränken". Der Unterschied ist hier nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Das Wort "beschränken" bedeutet soviel wie "einschränken, begrenzen, einengen". In diesem Sinne sind Regelungen, die den Bestand eines Rechtes in zeitlicher Hinsicht begrenzen auch Beschränkungen. Wie etwas räumlich beschränkt sein kann, kann es auch zeitlich beschränkt sein. Indem die Verfallfrist eine Geltendmachung innerhalb einer bestimmten Frist vorschreibt und bei ergebnislosem Ablauf der Frist das Recht untergehen soll, führt dies im Ergebnis dazu, den zeitlichen Bestand des Rechtes zu begrenzen. Darin liegt nicht nur eine Modifikation der Geltendmachung, sondern eine über die Verjährungsfristen hinausgehende, nämlich verkürzende Beschränkung des Rechts, so dass der Wortlaut diese Situation erfasst. Schließlich misst auch das BAG Ausschlussfristen im Rahmen einer Klauselkontrolle am gesetzlichen Leitbild der Verjährung, sieht dies als Einschränkung gegenüber dem gesetzlichen Leitbild der Verjährung und stellt fest: "erfasst sie [die Ausschlussfrist, Anm. Verfasser] alle Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, schränkt sie wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrags ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist" (BAG 28.09.2005, 5 AZR 52/05 unter II. 5. der Gründe).



In der Entscheidung jedenfalls verwendet das BAG den Ausdruck "schränkt ... ein".



Das Auslegungsergebnis wird gestützt durch die Gesetzesgeschichte. Die Norm ist mit der Novelle des HGB im Jahre 1953 in das Gesetz aufgenommen worden. Zielsetzung war es, den Grundsatz der Vertragsfreiheit durch gesetzliche Regelungen einzuschränken, die der im Allgemeinen schwächeren Stellung des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer Rechnung trägt (BTDrs. 1/3856 Seite 10 f.). Die neu eingeführten Normen sollten "zwingende gesetzliche Vorschriften" sein, welche den Handelsvertreter "in wesentlichen Punkten des Vertragsverhältnisses vor Vereinbarungen schützen, die ihn benachteiligen." (BTDrs. 1/3856 Seite 11).



Das zeigt zweierlei. Die Absicht des Gesetzgebers war es, für den Handelsvertreter nachteilige vertragliche Vereinbarungen zu untersagen und insoweit die Vertragsfreiheit einzuschränken. Jede vertragliche Vereinbarung zum Nachteil des Handelsvertreters sollte unzulässig sein (BTDrs. 1/3856 Seite 10,11 und Seite 30). Insofern ist unter Beschränkung im Sinne des Gesetzes nach dem Willen des historischen Gesetzgebers jede nachteilhafte Vereinbarung zu verstehen. Die Vereinbarung einer Verfallfrist, welche auch die Rechte aus § 87 c Abs. 1 und 2 HGB erfassen soll, ist eine für den Handelsvertreter nachteilige, weil sie ihm eine zeitliche Schranke zur Geltendmachung des Rechtes setzt und die übliche gesetzliche zeitliche Schranke der Verjährung für ihn verkürzt. Das BAG hat schon in anderem Zusammenhang entschieden, dass die Vereinbarung einer Verfallfrist sich in ihrer Wirksamkeit am gesetzlichen Leitbild der Verjährung zu orientieren hat und dass die Verkürzung der Verjährungsfrist durch Verfallfristen ein Nachteil für den Arbeitnehmer ist (BAG 28.9.2005, 5 AZR 52/05).



Die Gesetzesgeschichte macht darüber hinaus weiter deutlich, dass der Gesetzgeber vor allem eine Einschränkung der Vertragsfreiheit und damit individuelle Abmachungen im Auge hatte. So ist die Rede davon, dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit sich zum Nachteil des Handelsvertreters auswirkt und deshalb "anstelle" Vertragsfreiheit eine gesetzliche Regelung angestrebt wird. Dies ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dass der Gesetzgeber seinerzeit den selbstständigen Handelsvertreter vor Augen hatte und nicht so sehr den Handlungsgehilfen und dass er den Handelsvertreter zum Teil schlechter gestellt sah als einen Angestellten (BTDrs 1/3856 Seite 11).



Da Zielrichtung des Gesetzgebers die Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit war, bezieht sich § 87 c Abs. 5 HGB jedenfalls auf einzelvertragliche Vereinbarungen und zwar auf alle, die sich zum Nachteil des Anspruchsberechtigten auswirken und somit auf die hier streitgegenständliche Verfallfrist.



Damit stünde im Einklang, zwischen tariflichen und einzelvertraglichen Verfallfristen zu differenzieren. Der Gesetzgeber hatte die Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit im Blick, nicht die der Tarifautonomie.



Da nach § 65 HGB § 87 c HGB Anwendung auch für Handlungsgehilfen findet und nicht nur "entsprechende" Anwendung, ist die Norm auch mit diesem Inhalt auf Handlungsgehilfen anwendbar.



Zum gleichen Ergebnis kommt man aufgrund europarechtskonformer Auslegung der Norm. Zu den Rechtsverhältnissen der selbstständigen Handelsvertreter gibt es (noch) die Richtlinie 86/653/EWG. Nach deren Art. 12 hat der Unternehmer dem Handelsvertreter eine Abrechnung über die geschuldeten Provisionen zu geben und nach Art. 12 Abs. 3 darf hiervon nicht durch Vereinbarung zum Nachteil des Handelsvertreters abgewichen werden. Die nationale Norm des § 87 c Abs. 5 HGB kann und muss in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie der Richtlinie entspricht. Die Richtlinie selbst spricht in Art. 12 Abs. 3 nicht nur vom Ausschluss oder Beschränkung der Rechte, sondern wörtlich vom Verbot jeder Vereinbarung zum Nachteil des Handelsvertreters. Das entspricht dem oben gefundenen Auslegungsergebnis. Dass die Vereinbarung einer Verfallfrist eine Vereinbarung zum Nachteil des Handelsvertreters ist, ist bereits oben begründet, worauf verwiesen werden kann.



Auch diesbezüglich gilt, dass der Vorschrift kein anderer Inhalt beigelegt werden kann, wenn sie gem. § 65 HGB auf Handlungsgehilfen Anwendung findet. Sie hat im Ergebnis auch in Bezug auf Handlungsgehilfen dieselbe Bedeutung und denselben Inhalt. Nur das entspricht auch dem Zweck der Norm, nämlich den provisionsberechtigten Mitarbeiter davor zu schützen, seine wichtigen Rechte aus § 87 c HGB zu verlieren.



Die Widerklage begegnet Zulässigkeitsbedenken im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist aber jedenfalls unbegründet.



Gegenstand der Widerklage sind Schadensersatzansprüche der Beklagten aus dem Unfallereignis vom 15.3.2013. Diese sind gemäß der Zusatzvereinbarung vom 27. Februar 2008 verfallen. Zur Begründung im Einzelnen kann auf die Ausführungen oben verwiesen werden. Das von der Beklagten hierin erkannte Gerechtigkeitsdefizit sieht die Kammer nicht.



Die Besonderheit, dass die Ansprüche des Klägers auf Erteilung von Abrechnung und eines Buchauszuges gemäß § 87 c Abs. 1 und Abs. 2 HGB nach Rechtsauffassung der Kammer nicht verfallen sind ergibt sich nicht daraus, dass sich der Kläger auf Verfallfristen berufen darf und die Beklagte nicht, sondern aus dem Verständnis der Kammer vom § 87 c Abs. 5 HGB.



Die Beklagte trägt die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels.



Die Kammer sah Veranlassung die Revision zuzulassen, um die Möglichkeit zu eröffnen, die Rechtsauffassung der Kammer zum Verständnis von § 87 c Abs. 5 HGB im Bezug auf einzelvertragliche Verfallfristen und die Auffassung zur Anwendung von § 167 ZPO hinsichtlich der ersten Stufe einer Verfallfrist überprüfen zu lassen.

HolthausKlarParkan

Vorschriften§ 87 c Abs. 1, 2 HGB, § 87 c Abs. 5 HGB, § 611 BGB, §§ 1, 11 BUrlG, § 11 BUrlG, § 308 ZPO, § 615 BGB, § 11 Abs. 2 BUrlG, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 322 Abs. 2 ZPO, §§ 394 BGB, 850 Abs. 1, 850 c, 850 e Nr. 1 ZPO, §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO, § 167 BGB, § 132 Abs. 1 S. 1 BGB, § 132 Abs. 1 S. 2 BGB, §§ 191, 192 Abs. 2 S. 1, 167 ZPO, § 15 Abs. 4 S. 1 AGG, § 394 BGB, § 59 HGB, § 87 c Abs. 1 HGB, § 65 HGB, § 362 BGB, § 87 c HGB, § 242 BGB, Richtlinie 86/653/EWG, Abs. 2 HGB

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