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20.03.2017 · IWW-Abrufnummer 192600

Landesarbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 01.03.2016 – 1 Sa 314/14


In dem Rechtsstreit

Bundesrepublik Deutschland

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte/r:

Rechtsanwälte

- Streitverkündeter -

Prozessbevollmächtigte/r:

Rechtsanwälte

gegen

- Kläger und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigte/r:

Rechtsanwälte

hat das Thüringer Landesarbeitsgericht in Erfurt auf die mündliche Verhandlung vom 01.03.2016 durch den Präsidenten des Thüringer Landesarbeitsgericht Kotzian-Marggraf

als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herr Bienert und Herr Brico als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen - 4 Ca 128/14 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Der Kläger wehrt sich gegen die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung seines Freiwilligendienstes zum 28.2.2014.



Im November 2012 vereinbarten die Parteien, dass der 1982 geborene Kläger über die .... Thüringen bei dem vom ".... e.V." betriebenen "...." in ..... vom Dezember 2012 bis einschließlich Mai 2014 im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes eingesetzt wird. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 29 Stunden sollte ein Taschengeld von 247,50 € entrichtet werden. Die darauf entfallenden Sozialabgaben wurden zunächst mit 352,15 € berechnet, später auf 104,35 € korrigiert.



Im Januar 2014 wechselte der Kläger mit .... von der .... elektronische Botschaften, beginnend mit dem Hinweis auf eine Lungenentzündung, Querelen mit dem Vereinsvorsitzenden und Zahlungsprobleme. Ein "zweiter" Krankenschein wurde übermittelt, ein weiterer Krankenschein angekündigt. Zugleich forderte der Kläger ein Belegexemplar der Vertragsgrundlage seiner Beschäftigung, weil er infolge eines "Umzugschaos" keinen Zugriff auf Unterlagen habe (Blatt 36 R, 37 GA). Am 22.1.2014 erreichte den Kläger eine am 17.1.2014 im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit von .... verfasste ordentliche Kündigung zum Ende Februar. Es heißt dort:



"Die Einsatzstelle hat ihre Kündigung beantragt mit der Begründung, dass sie gegen den Verein und deren Vorsitzenden intrigieren würden. Ich kann nicht beurteilen, ob das zutrifft, aber eine positive Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem Verein wird nach den Vorwürfen wohl nicht mehr möglich sein. Deshalb erfolgt die ordentliche Kündigung." (Blatt 9 GA)



Der Verein rechtfertigt sein Vorgehen gegen den Kläger und die Demarche beim Bundesamt in einem Schreiben vom 22.1.2014 an den Kläger. Dort werden dem Kläger vorgeworfen:



Hohe unentschuldigte Fehlzeiten



Vereinsschädigendes Verhalten



Verleumdung und Beleidigungen von Vorstandsmitgliedern



Desinteresse an Ihrer Tätigkeit.



Der Kläger seinerseits erstattete Strafanzeige wegen Verleumdung bei der Polizeiinspektion in ..., die sich gegen den Vorsitzenden des Vereins und weitere Mitglieder des Vorstandes richten. Der Anzeige aus dem Januar folgte eine weitere von Anfang April 2014 wegen Betruges, begangen durch den Vorsitzenden und eine Frau ..., die fälschlich als weiteres Vorstandsmitglied aufgetreten sein soll.



Mit seiner am 6. Februar bei dem Arbeitsgericht Nordhausen eingegangenen Klage geht der Kläger gegen die Kündigung vor. Er bestreitet das Vorliegen irgendwelcher Gründe, die zu einer Kündigung berechtigen. Mit Schriftsatz vom 4.6.2014 trägt der Kläger weiter vor, ausweislich des ihm vorliegenden Vertragsexemplars sei die Beklagte zu einer Kündigung nicht berechtigt.



Der Kläger hat beantragt,



festzustellen, dass die Kündigung der Vereinbarung über die Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes am 17.1.2014, zugegangen am 22.1.2014, unwirksam ist.



Die Beklagte hat beantragt,



die Klage abzuweisen.



Die Beklagte geht von einer jederzeitigen, ordentlichen Kündigung einer Beschäftigung nach Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst vom 28.4.2011 aus. Im Übrigen sei eine Kündbarkeit zwischen den Parteien vereinbart.



Der Kläger hat dem .... den Streit verkündet. Der Verein ist dem Rechtsstreit auf der Seite der Beklagten beigetreten.



Der Nebenintervenient hat beantragt,



die Klage abzuweisen.



Das Arbeitsgericht Nordhausen hat mit Urteil vom 27.6.2014 - 4 Ca 128/14 - der Klage stattgegeben. Das Arbeitsgericht sieht aufgrund der Befristung der Beschäftigung die Notwendigkeit, die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung zu vereinbaren. Da der Beklagte seine Behauptung einer Kündbarkeit im Termin nicht belegt habe, sei dem Rechtsschutzbegehren stattzugeben. Hinsichtlich der Feststellungen des Arbeitsgerichts wird auf den Tatbestand, hinsichtlich der Begründung auf die Entscheidungsgründe verwiesen (Blatt 80 GA ff.). Gegen die der Beklagten am 30.10.2014 zugestellte Entscheidung hat dieser am 7.11.2014 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit am 27.12.2014 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.



Die Beklagte weist darauf hin, dass Kläger selbst ausweislich seiner Klageschrift von einer Kündbarkeit des Verhältnisses ausgegangen sei. Selbstverständlich werde nunmehr der Vertrag im Termin vorgelegt werden. Zu einer Stückelung sei es durch die notwendige Korrektur bei den Sozialversicherungsbeiträgen und die nachträgliche Übermittlung eines weiteren Exemplars an den Kläger gekommen.



In zweiter Instanz hat der Nebenintervenient ebenfalls den Standpunkt des Beklagten eingenommen.



Die Beklagte und der Nebenintervenient beantragen,



das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 27.6.2014 - 4 Ca 128/14 - abzuändern und die Klage abzuweisen.



Der Kläger beantragt,



die Berufung zurückzuweisen.



Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Es gebe anscheinend mehrere Vertragsversionen. Auffällig sei auch, dass auf den ihm übermittelten Kopien eine Paginierung nicht festzustellen sei. Im Übrigen sei die Kündigung als sittenwidrig einzustufen.



Die Kammer hat die Akte Staatsanwaltschaft Erfurt 930 Js 16109/14 zu Informationszwecken beigezogen. Im Termin am 1.3.2016 wurde das von der Beklagten vorgelegte Vertragsexemplar in Augenschein genommen.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung ist begründet. Sie führt im Ergebnis zur Abweisung der Klage.



Für den Rechtsstreit sind die Arbeitsgerichte berufen. Zwar haben die Parteien eine Beschäftigung auf der Grundlage des Bundesfreiwilligendienstgesetzes vereinbart. Insoweit sieht § 8 BFDG den Abschluss einer privatrechtlichen Vereinbarung vor, die aber keinen Arbeitsvertrag sondern ein freiwilliges soziales Engagement gegen Zahlung eines Taschengeldes begründet (Schaub/Vogelsang, ArbHB, 16. Aufl. § 177 Rn. 23; Leube AuR 2014, 7, 8; aA insoweit: LAG Chemnitz NZA-RR 2013, 556, 558). Mithin greift nicht § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Doch ist insoweit über § 2 Abs. 1 Nr. 8a ArbGG eine Sonderzuständigkeit gegeben.



Die Klage ist auch zulässig. Allerdings bedarf der Klageantrag der Auslegung. Soweit der Kläger nur eine Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung begehrt, greift der Antrag zu kurz. Der Kläger hat sich für eine Feststellungsklage entschieden. § 256 Abs. 1 ZPO erlaubt, dass Gegenstand einer Klage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein kann. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist in diesem Kontext als Vorfrage einzustufen. Entsprechend verlangt § 4 S. 1 KSchG, dass ein Arbeitnehmer, der geltend machen will, dass eine Kündigung keine Wirksamkeit entfaltet, Klage auf Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Nun ist der Kläger nicht Arbeitnehmer, § 4 KSchG ist hier nicht anwendbar (KR-Friedrich, § 4 KSchG Rn. 26). Doch gilt der im Kündigungsschutzgesetz festgehaltene Gedanke auch bei einem Dienstvertrag, wie ihn die Parteien vereinbart haben. Es ist für § 256 Abs. 1 ZPO anerkannt, dass nur das Rechtsverhältnis selbst zum Gegenstand der Klage erhoben werden kann (BGHZ 68, 332 unter II. Rn. 27 ff.). Buchstäblich genommen formuliert der Antrag kein zulässiges Rechtsschutzbegehren sondern ein Rechtsgutachten.



Klageanträge sind wie jede Prozesshandlung auslegungsfähig, die Auslegungsregeln des materiellen Rechts finden entsprechende Anwendung (BGH NJW-RR 1994, 568 [BGH 11.11.1993 - VII ZB 24/93] ). Es kommt also auf den erkennbaren, wirklichen Willen des Erklärenden aus der Sicht des Erklärungsempfängers an. Die Intentionen des Klägers sind deutlich. So ist eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung im Arbeitsrecht regelmäßig als Kündigungsschutzklage aufzufassen (KR-Friedrich, § 4 KSchG, Rn. 241a). Entsprechendes gilt auch im Bereich des § 256 Abs. 1 ZPO. Der Klageantrag ist dahin zu verstehen, dass festzustellen ist, dass der Freiwilligendienst der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17.1.2014 nicht zum 28.2.2014 beendet worden ist.



Die Zulässigkeit der Feststellungsklage wird vorliegend auch nicht durch den Vorrang einer konkreten Leistungsklage verdrängt. Zwar ist anerkannt, dass der Grundsatz der Prozessökonomie dann die Befürwortung eines Feststellungsinteresses verbietet, wenn der Prozessstoff in einer (!) Leistungsklage endgültig erledigt werden kann (BGHZ 5, 314; NJW 1993, 2993). Deshalb hatte die Kammer mit Beschluss vom 20.7.2015 (Blatt 167 unter Ziffer 1) darauf hingewiesen, dass der Kläger seine Ansprüche möglicherweise zu beziffern habe, weil die hier streitige Beschäftigung jedenfalls mit Fristablauf am 31.5.2014 ihr Ende gefunden hätte. Ein solcher Hinweis war im Rahmen der allgemeinen Prozessführung auch geboten (BGH NJW-RR 1994, 1273). Allerdings hält die Kammer an den geäußerten Bedenken nicht fest. Zum einen umfasst das Interesse des Klägers auf den ersten Blick nicht nur den Taschengeldanspruch, sondern auch damit einhergehende Leistungen an die Sozialversicherung. Zum anderen ist bei Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt, dass die Anforderungen an das Feststellungsinteresse in dieser Hinsicht abzusenken sind, weil von ihnen regelmäßig eine rechtstreue Umsetzung des Feststellungstitels erwartet werden sollte (BGH NJW 1984, 1118 [BGH 09.06.1983 - III ZR 74/82] ; BGH NVwZ 1987, 733). Zudem strahlt hier auch die sachliche Nähe zum allgemeinen Kündigungsschutzverfahren ein, bei welchem ein Feststellungsinteresse für ein Bestandsschutzverfahren regelmäßig zu befürworten ist (Zöller/Greger, ZPO, § 256 Rn. 11a). Es geht dem Kläger auch um sein durchaus anerkennenswertes Affektionsinteresse.



Die Klage ist indes unbegründet. Das Dienstverhältnis der Parteien ist kündbar und der erklärten Kündigung stehen Rechtsgründe nicht entgegen.



Das Beschäftigungsverhältnis der Parteien, nach welchem der Kläger 29 Stunden pro Woche bei einem "Taschengeld" von 264,50 € pro Monat entrichtet, ist privatrechtlicher Natur. Die gegenläufige Auffassung des LAG Chemnitz (NZA-RR 2013, 558) ist nicht näher begründet.



Der zu beurteilende Bundesfreiwilligendienst ist eine 2011 neu geregelte Form der freiwilligen sozialen Betätigung. Er eröffnet Bürgerinnen und Bürgern ein Engagement für das Allgemeinwohl im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich (§ 1 BFDG). Historisch in Verbindung stehend mit dem freiwilligen sozialen Jahr, wie es für Frauen in den 50er Jahren gefordert wurde und dem parallel zur Wehrpflicht verankerten Zivildienst ist seine Ausgestaltung sowohl als öffentlich-rechtliches Verhältnis wie auch als privatrechtliche Beschäftigung denkbar. Eine Synopse des zugrunde liegenden Gesetzes (BGBl.2011 I, S. 687) belegt nach Überzeugung der Kammer, dass Grundlage der Beschäftigung eine freiwillige Vereinbarung des Bundes mit der Interessentin, dem Interessenten sein muss. Dabei sind notwendig Bestandteil die Erfassung der Personalien, steuerrechtliche Aspekte, die Konkretisierung der Einsatzstelle, der Zeitraum und die Regelung einer vorzeitigen Beendigung, Angaben zur Höhe der Geld- und Sachleistungen wie die Konkretisierung von Urlaub und Fortbildung, § 8 BFDG. Weitere Bestimmungen flankieren diesen Kern. Dort geht es um den Urlaubsrahmen, um Einbindung in die Sozialersicherung, Mitbestimmung, Haftungsbeschränkung, Zeugnisse und pädagogische Begleitung. Die rechtlichen Bindungen sind zusätzlich kompliziert dadurch, dass keine zweipolare Beziehung vorliegt, sondern dass ein Quadrat zu konstruieren ist. Vor Ort wird der "Bufdi" bei einem konkreten Einsatzträger eingesetzt, der sich wiederum auf einen gemeinwohl-orientierten Projektträger bezieht, der wiederum mit der beklagten Bundesrepublik verbunden ist. Gleichwohl ist ein solches Konstrukt auch privatrechtlich denkbar. Die Freiwilligkeit, die Notwendigkeit einer Regelung und die fehlende Ausgestaltung eines konkreten Pflichtenkonzepts sprechen für eine privatrechtliche Dienstleistung wie sie von §§ 611 BGB allgemein erfasst werden. Dafür spricht auch, dass das Arbeitsgerichtsgesetz in § 2 Abs. 1 Nr. 8 und 8a von bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten ausgeht. Und schließlich hat sich der Gesetzgeber für eine Einbettung der Tätigkeit in die Sozialversicherung, nicht für eine Fürsorge und Versorgung entschieden. Alles spricht für eine privatrechtliche Grundlegung. Andernfalls endete die Zuständigkeit des angerufenen Rechtszweiges spätestens an dieser Stelle.



Die Parteien haben die Rechtsbeziehung auf 15 Monate erstreckt. Es handelt sich mithin um ein befristetes Dauerschuldverhältnis. Befristung und Kündbarkeit stehen in einem nicht widerspruchsfreien Beziehungszusammenhang. Während die Befristung den zeitlichen Rahmen konkret abgrenzt, bildet die Kündigung ein Gestaltungsrecht zur zeitlich variablen Beendigung. Das TzBfG verlangt daher in § 15 Abs. 3 als Voraussetzung zur Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses die ausdrückliche Vereinbarung im Arbeits- oder Tarifvertrag. § 1 TzBfG stellt indes klar, dass das Gesetz auf Arbeitsbeziehungen zugeschnitten ist, mit dem Ziel, Teilzeitbeschäftigung zu fördern und Befristung zu regeln. Nun kann die Beziehung der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis qualifiziert werden, mit der Konsequenz, dass § 15 Abs. 3 TzBfG der Kündbarkeit nicht entgegensteht.



Die Kammer hat zudem aus der Einsichtnahme in das von der Beklagten im Termin vorgelegte Vertragsexemplar die Überzeugung gewonnen, dass die Parteien eine Kündbarkeit ausdrücklich geregelt haben. Dies folgt aus der Augenscheinseinnahme wie aus dem Inhalt der Verhandlung, § 286 ZPO. Dabei ist mit einer an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Vereinbarung in der vorgelegten Form und mit dem festgestellten Inhalt getroffen worden ist. Das vorgelegte Exemplar ist in sich geschlossen und trägt alle erforderlichen Unterschriften. Die Kammer verkennt dabei nicht die zutreffende Kritik des Klägers, dass eine Paginierung erst erfolgt sein kann, nachdem für den Kläger Kopien erstellt worden sind. Sonst müssten sich die auf dem im Termin vorgelegten Zahlen auch auf den Kopien des Klägers wieder finden. Die Kammer berücksichtigt auch, dass die letzte Seite mit den Unterschriften offensichtlich ein Telefax-Gerät durchlaufen hat, eine Optik, die den anderen Seiten nicht anzuhaften scheint. Gleichwohl kann der Kläger nicht damit gehört werden, es gäbe verschiedene Vertragsexemplare. Zum einen hat der Kläger kein vollständiges Exemplar vorgelegt. Die Lücke zwischen den Regelungen Nr. 4 und 7 ist offenkundig. Und es fehlen bei dem vom Kläger vorgelegten Exemplar Unterschriften, insbesondere die der Beklagten. Schließlich wird aus dem Vortrag des Klägers deutlich, dass er nicht über ein originäres Exemplar verfügt. Denn diese Annahme steht im Widerspruch zu seiner Bitte an die .... im Januar 2014, ihm ein weiteres Exemplar zukommen zu lassen, weil seines im Umzugschaos verschwunden sei. Von einem Wiederauftauchen des Vertrages hat der Kläger nicht berichtet. Mithin kann das vom Kläger in das Verfahren eingeführte "patchwork" nicht als konkurrierender Vertrag gewertet werden. Natürlich erlaubt der Augenschein im Termin es nicht, allein aufgrund der Vorlage zwingend davon auszugehen, dass die vorgelegten fünf Blätter zusammengehören. Die vorhandenen Zweifel werden indes durch das Prozessverhalten des Klägers verdrängt. In seiner Klageschrift hat sich der Kläger gegen die Kündigung mit dem Argument gewehrt, die geltend gemachten Gründe seien nicht plausibel (Klageschrift vom 5.2.2014 Blatt 5 GA). Erst nach dem Gütetermin, in welchem vom Vorsitzenden der ersten Instanz die Relevanz der Ziffer 6 des gemeinsamen Vertrages angesprochen wurde (Protokoll 19.3.2014 Blatt 29 GA), findet sich im Schriftsatz vom 4.6.2014(Blatt 50 GA) die Argumentation, dass mehrere Verträge im "Umlauf" seien. Es lag nahe, dass der Kläger diesen Begründungsstrang aufgreift. Hinzu kommt, dass der Kläger nicht über "das" Original zu verfügen scheint, weil ihm dieses nach eigenem Bekunden abhanden gekommen ist. Es ist dem Kläger abzunehmen, dass der bei ihm vorliegende, durch den elektronischen Verkehr vermutlich verstümmelte Torso keine Kündigungsregelung enthält. Ursache ist wohl der Versuch, die zu hoch angesetzten Sozialabgaben der Ausgangsversion zu "korrigieren". Gleichviel belegt der erst nach dem Gütetermin einsetzende Angriff auf die Kündbarkeit überhaupt, dass der Kläger bis dahin - worauf auch die Beklagte hinweist - von einer Kündbarkeit ausgegangen ist. Im Schreiben vom 22.1.2014 (Blatt 127 GA) bemängelt der Kläger das Fehlen einer ordnungsgemäßen Willensbildung im Vorstand des Nebenintervenienten wie er sich auch den Kündigungsgründen entgegenstellt. Der gesamte Ablauf belegt die Position der Beklagten, dass die Kündbarkeit selbst außer Frage stand. Für die Beklagte spricht auch, dass sie eine Version vorlegt, in der sich die hohen Sozialabgaben befinden. Die Kammer vermag es nicht, eine "Rückverschönerung" zu unterlegen. Die Vereinbarung im November 2012 wurde einschließlich Kündbarkeitsregelung getroffen.



Die Regelung hält auch, insofern schließt sich die Kammer den Ausführungen des LAG Chemnitz an (NZA-RR 2013, 558) der Überprüfung anhand einer Klauselkontrolle stand. Das gesetzliche Leitbild der Dauerschuldverhältnisse schließt ihre Beendbarkeit ein.



Aber selbst wenn den Zweifeln an der Richtigkeit der Urkunde mehr Gewicht zugemessen werden könnte, änderte dies nichts am Ergebnis des Verfahrens. Denn die in § 15 Abs. 3 TzBfG Ausdruck einer Gesetz gewordenen Auslegungsregel (ErfK-Müller-Glöge, 16. Aufl., TzBfG 3 15 Rn. 10a) stellt jenseits des Arbeitsrechts nur eine Vermutung auf. Entsprechend kann allgemein begründet werden, dass, wer eine Beschäftigung für 15 Monate vereinbart, davon ausgeht, dass die Beschäftigung von außergewöhnlichen Umständen abgesehen nur mit Zeitablauf enden soll. Das trifft aber nicht den vorliegenden Fall. Dieser Vermutung steht nämlich § 8 Abs. 1 Nr. 4 BFDG entgegen, der den Parteien auferlegt, dass die zu treffende Vereinbarung unbedingt eine Regelung zur Beendigung der Beziehung treffen muss. Das gibt auch die allgemeine Interessenlage der Parteien wieder. Wer ein freiwilliges soziales "Jahr" eingeht, wer überhaupt soziale Dienste leistet, muss die Entscheidungsfreiheit gesichert wissen, bei einer Änderung der Interessen dieses soziale Opfer zu begrenzen. Neue berufliche Chancen, Aspekte der sozialen Beziehungen, ökonomische Gründe jeweils unterhalb der Schwelle einer außerordentlichen Kündigung können die freiwillige Hinwendung zu sozialen Zwecken auf den Prüfstand stellen. Die Möglichkeit einer Trennung durch eine freie Gestaltungserklärung liegt also im wohlverstandenen Interesse des Absolventen oder der Absolventin. Auch die Träger der Einrichtungen und die Beklagte haben Grund, eine Trennungsmöglichkeit einzubeziehen. Eine unverrückbare Festlegung aller Bindungen auf 12 oder mehr Monate behindert eine flexible Steuerung der multiplen Projekte, die vom Bundesfreiwilligendienst bespielt werden. Zu bedenken bleibt aber, dass das Gesetz in § 8 Abs. 1 Nr. 4 BFDG den Parteien auferlegt, eine Beendigungsregelung zu suchen. Haben die Parteien eine solche Regelung nicht getroffen, so scheint der Umkehrschluss möglich, dass die Rechtsbeziehung dann doch nicht im Wege einer ordentlichen Kündigung gelöst werden kann. Dieser Schluss ist nicht zwingend. Denn das Gesetz eröffnet einen Rahmen, der verschiedenartige Konkretisierungen erlaubt. Insofern ist die Anordnung mit Ausfüllungsspielraum nur ein Gebot, der Rechtsklarheit entsprechende Formen zu schaffen. Der Umkehrschluss, eine Kündigung sei dann nicht gewollt, greift zu weit. Auch das Informationsheft des Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (Beck-Verlag, München 2013, Seite 41) geht von der Kündbarkeit der Bindung aus. § 5 Ziff. 3 der Mustervereinbarung enthält die Regelung, dass mit einer Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines jeden Monats gekündigt werden könne. In der Konsequenz kann - entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts - nicht aus der Befristung des Dienstes über einen festen Zeitraum geschlossen werden, eine ordentliche Kündigung sei den Parteien verwehrt.



Dann wäre die Vereinbarung kündigungsoffen, und die fehlende Regelung wäre im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durch die Kündigungsregelung der Mustervereinbarung zu ersetzen.



In der Umsetzung der Kündigung hat sich die Beklagte korrekt verhalten. Sowohl der vorgelegte Vertrag als auch die Mustervereinbaren gehen von einer Kündigungsfrist von vier Wochen aus, welche entweder zum 15. oder am Ende eines Monats ausläuft. Dem entspricht die am 22.1.2014 zugegangene Kündigung zum 28.2.2014.



Die Kündigung hält auch einer Überprüfung im weiteren Sinne stand.



Zunächst kann die Gestaltungserklärung nicht am Kündigungsschutzgesetz gemessen werden. Schon das LAG Chemnitz hatte darauf hingewiesen, dass die Anwendbarkeit der Bestimmungen in § 13 BDFG nicht vorgesehen ist (NZA-RR 2013, 557 II 1 der Gründe). In der Tat verweist die Norm nur auf Teilbereiche des Arbeitsrechts, nämlich auf Arbeitsschutzbestimmungen und das Urlaubsrecht, nicht aber auf das Kündigungsschutzgesetz. Dieses ist in seiner Anwendung auf Kündigungen seitens des Arbeitgebers in einem Arbeitsverhältnis beschränkt. Der Kläger ist kein Arbeitnehmer. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 8a ArbGG. Es hätte dieser Regelung nicht bedurft, wenn der Freiwilligendienst ein Arbeitsverhältnis begründete. Wenn schon bei Personen, die überwiegend aus karitativen oder religiösen Gründen ihre Leistung erbringen, wie bei Ordenschwestern oder Entwicklungshelfern, der Kündigungsschutz aus dem KSchG nicht eröffnet ist, dann muss dies auch für Personen gelten, die freiwillig soziale Dienste auf der Grundlage des BFDG erbringen. Hinzu kommt, dass der Taschengeldanspruch, der dem Kläger eingeräumt wird, keine die Existenz sichernden Wirkungen zu entfalten vermag.



Aber auch der allgemeine Kündigungsschutz, der aus §§ 138, 242 BGB abstrahlt, steht vorliegend der Kündigung des Klägers nicht entgegen. Der Kläger ist arbeitnehmerähnlich. Er wird auf Weisung des von der Beklagten ermächtigten Projektträgers in deren Sphäre tätig, ist also organisatorisch eingebunden und abhängig, auch wenn diese Abhängigkeit, hinsichtlich der ökonomischen Ausstattung im Regelfall nicht den Grad wie bei einem Arbeitnehmer oder einem freien Mitarbeiter erreicht.



Der Kündigungssachverhalt enthält Elemente der Maßregelung. Die Beklagte hat indes zutreffend darauf verwiesen, dass § 612a BGB seinen Schutz ebenfalls nur im Hinblick auf Arbeitnehmer entfaltet. Ob bei arbeitnehmerähnlichen Personen die Norm entsprechende Anwendung findet, ist umstritten. Während Teile der Literatur sich hierfür im Hinblick auf das allgemeine Benachteiligungsverbot ausgesprochen haben (MüKoBGB/Müller-Glöge § 612a Rn. 4; ErfK-Preis § 612a BGB Rn. 4), geht das BAG davon aus, dass es dieser Analogie nicht bedarf, weil insoweit die allgemeinen Bestimmungen für einen Schutz ausreichen (BAGE 113, 129 Rn. 23 f.). Das führt zur Prüfung des § 138 BGB. Hier ist der Ansatz eng. Der Dienstgeber darf frei kündigen, wenn nicht die Kündigung auf ausschließlich sittenwidrigen Motiven beruht. Das BAG setzt hier eine Rechtsprechung des BGH fort, nach welcher insbesondere Vergeltungsmaßnahmen, die einer Wahrnehmung von - selbst vermeintlichen - Rechten folgen, dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerstreben (BGH WM 1970, 715 - Tankstellenpacht).



Die Kammer hatte mit Beschluss vom 20.7.2015 darauf hingewiesen, dass Kündigungsschreiben und Rechtfertigung der Nebenintervenientin nicht eindeutig seien. Der Umstand, dass dem Kläger Intrigen und vereinsschädigendes Verhalten vorgeworfen werden, sprächen dafür, dass der Kläger vornehmlich gekündigt werde, weil sich der Vorstand der Nebenintervenientin einem internen Diskurs im Verein zu entziehen trachte. Wäre dies der Fall, dann hätte die Kündigung keinen Bestand. Denn ein Verein muss es aushalten, dass seine Mitglieder ihre Rechte wahrnehmen, und zwar auch dann, wenn diese zugleich Mitarbeiter des Vereins sind.



Bei näherer Betrachtung relativiert die Kammer ihren Standpunkt. Der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 1.3.2016 nochmals betont, er habe in der Klageschrift nebst Anlagen hinlänglich zur Sittenwidrigkeit vorgetragen. Er hat dabei aufgegriffen, dass das Vereinsengagement ursächlich sei. Dem ist zumindest im Hinblick auf eine Mitursächlichkeit beizupflichten. Allerdings schwingen weitere Vorwürfe mit, angebliche Fehlzeiten und das Desinteresse. Der Kläger wehrt sich dagegen, aber es kommt im Ergebnis nicht darauf an, ob diese Vorwürfe zutreffen, sondern nur darauf, ob sie Teil des Motivbündels sind. Dies ist die Folge der Kündigungsfreiheit, die im Bereich des Freiwilligendienstes prägend ist. Zumal der Kläger selbst im Schriftverkehr zu erkennen gibt, dass sich Krankheit und ein Umzug überschneiden und er Probleme hat, eine pünktliche Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu organisieren. Hinzu kommt, dass - worauf die Beklagte hingewiesen hat - Verein und Beklagte nicht identisch sind. Zwar kann sich die Beklagte einer rechtlichen Verantwortung für die Einsatzstelle nicht entziehen, § 278 BGB. Aber sie hat im Kündigungsschreiben erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass sie selbst die Kündigungsgründe nicht annehme, sondern von einer Zerrüttung ausgehe. Die Zerstörung der Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist als Axiom im Kündigungsrecht durchaus bedeutsam (ErfK-Müller-Glöge, § 626 BGB Rn. 133a mwN), so dass jedenfalls die anklingende Distanzierung von einer Prüfung in Verbindung mit der Störung der persönlichen Beziehungen bei der Einsatzstelle ernsthaft Zweifel begründen, ob hier eine eindeutige Revanche gedeckt und umgesetzt wird. Im Ergebnis gehen diese Zweifel zu Lasten des Klägers. Weil mithin der ursprünglich tragende Gesichtspunkt im Rahmen der Feinanalyse sich als rissig erweist, ist der Anschein zerstört, die Beklagte habe gekündigt, weil der Kläger im Verein des Einsatzträgers seine Rechte wahrgenommen hat.



Auch eine Überprüfung im Rahmen des § 242 BGB führt dann zu keinem anderen Ergebnis, weil nicht festgestellt werden kann, dass eine Revanche und damit eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt.



Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat erwogen, ob nicht § 97 Abs. 2 ZPO zum Tragen kommen kann. Letztendlich kann aber auch nicht eindeutig festgestellt werden, durch welches Prozessverhalten der Beklagten es schon in erster Instanz zu einer endgültigen Entscheidung hätte kommen können.



Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalls. Die Probleme liegen im Tatsächlichen. Für die Zulassung der Revision besteht kein Anhalt.

Kotzian-MarggrafBienert Brico

Vorschriften§ 8 BFDG, § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG, § 2 Abs. 1 Nr. 8a ArbGG, § 256 Abs. 1 ZPO, § 4 S. 1 KSchG, § 4 KSchG, § 1 BFDG, §§ 611 BGB, § 1 TzBfG, § 15 Abs. 3 TzBfG, § 286 ZPO, § 8 Abs. 1 Nr. 4 BFDG, §§ 138, 242 BGB, § 612a BGB, § 138 BGB, § 278 BGB, § 242 BGB, § 97 Abs. 1 ZPO, § 97 Abs. 2 ZPO

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