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07.03.2017 · IWW-Abrufnummer 192325

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 02.11.2016 – 4 K 90/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Hessen

Urt. v. 02.11.2016

Az.: 4 K 90/16

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die bis zum 02.09.2016 entstandenen Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 54,38 % und der Beklagte zu 45,62 % zu tragen. Die übrigen Kosten des Verfahrens hat die Klägerin allein zu tragen.
  3. Diese Entscheidung ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die sogenannte 1 ‰Regelung auch für diejenigen Sonderausstattungen gilt, für die der Kraftfahrzeughersteller einen Listenpreis angibt.

Die Klägerin ist eine beim Amtsgericht xxx unter HRB xxx im Handelsregister eingetragene GmbH. Alleiniger Geschäftsführer war und ist Herr
A.

Für die Klägerin (als Arbeitgeberin) war in den Streitjahren 2005 bis 2008 ein Herrn Jürgen B als Arbeitnehmer tätig. Die Klägerin hatte ihm ab März 2005 ein Fahrzeug der Marke und des Modells BMW X3 zur Verfügung gestellt, das B. sowohl für betriebliche Fahrten als auch für private Zwecke und für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen durfte. Die Entfernung zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte des B. betrug 11 km. Im Einzelnen wird zur Ausstattung des Fahrzeugs auf Bl. 70 des Fallhefts der Lohnsteueraußenprüfung verwiesen. Der vom Hersteller angegebene Listenpreis dieses Fahrzeugs betrug - einschließlich der vom Herstellen angegebenen Listenpreise der in dem Fahrzeug bei der Herstellung eingebauten sogenannten Sonderausstattungen - 44.641,00 EUR.

B. führte für das Fahrzeug kein Fahrtenbuch. Die Klägerin berücksichtigte in ihren jeweils im Folgemonat abgegebenen Lohnsteueranmeldungen für März 2005 bis Dezember 2008 den dem Grunde nach unstreitigen geldwerten Vorteil für die private Nutzung des Fahrzeugs durch B. deshalb mit der so genannten 1 % Regelung und für die Fahrten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte mit der sog. 0,03 ‰Regelung. Bei der Berechnung des geldwerten Vorteils berücksichtigte die Klägerin jedoch nicht den auf 100 Euro abgerundeten auch die Sonderausstattung umfassenden Listenpreis des von B. genutzten BMX X3 (44.600 Euro), sondern einen Betrag i.H.v. 41.400,00 EUR. Hieraus ergab sich einschließlich der übrigen Lohnbestandteile hinsichtlich des B. ein (unstreitiger) Bruttolohn für 2005 i.H.v. 89.107,00 EUR, für 2006 i.H.v. 97.579,00 EUR, für 2007 i.H.v. 105.955,00 EUR und für 2008 i.H.v. 110.963,00 EUR. Die Klägerin berücksichtigte ferner die folgenden (unstreitigen) Abzugsmerkmale:

- 2005: Steuerklasse I, 0,5 Kinder, keine Konfessionszugehörigkeit
- 2006: Steuerklasse IV, 2,0 Kinder, keine Konfessionszugehörigkeit
- 2007: Steuerklasse IV, 3,0 Kinder, keine Konfessionszugehörigkeit
- 2008: Steuerklasse IV, 3,0 Kinder, keine Konfessionszugehörigkeit

Der von der Klägerin angesetzte geldwerte Vorteil wurde deshalb mit dem Grenzsteuersatz i.H.v. 42 % der Lohnsteuer unterworfen.

Aufgrund einer nur der Klägerin und nicht dem B. bekannt gegebenen Prüfungsanordnung vom 02.11.2009 (siehe im Einzelnen Bl. 12 der Lohnsteuer-Arbeitgeberakten) führte der Beklagte bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2008 durch. Hierbei gelangte der Prüfer zu der Ansicht, dass hinsichtlich der Nutzung des BMW X3 durch B. für Privatfahrten und für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein Listenpreis i.H.v. 44.600,00 EUR zugrunde zu legen sei. Im Einzelnen wird zu dieser Prüfungsfeststellung sowie zu den weiteren unstreitigen Prüfungsfeststellungen auf den Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 17.10.2011 (Bl. 20 ff. der Lohnsteuer-Arbeitgeberakten) verwiesen. Der Prüfer berücksichtigte ferner, dass die Klägerin im Zuge der Außenprüfung mit Schreiben vom 01.09.2011 erklärte hatte, dass sie hinsichtlich der PKW-Nutzung mit ihrer vorrangigen Inanspruchnahme einer durch Haftungsbescheid nachzufordernden Lohnsteuer einverstanden sei und dass sie für B. die sich daraus ergebenden Steuern übernehme (siehe im Einzelnen Bl. 15 der Lohnsteuer-Arbeitgeberakten). Die Beteiligten sind sich darin insoweit einig, dass die Übernahme der Lohnsteuer im Zeitraum März 2005 bis Dezember 2008 eine weitere dem B. im Jahr 2011 zufließende Einnahme sei. B. hatte im Jahr 2011 weitere Einnahmen in Höhe von 115.000 Euro erzielt. Die Abzugsmerkmale im Jahr 2011 waren ebenfalls Steuerklasse 4, 3,0 Kinder und keine Konfessionszugehörigkeit. Auch insoweit ging der Prüfer von einer Haftung der Klägerin aus. Zu den vom Prüfer insoweit angesetzten Beträgen wird im Einzelnen auf die Akten verwiesen.

Der Beklagte schloss sich der Ansicht des Lohnsteuer-Außenprüfers an und erließ am 31.10.2011 gegenüber der Klägerin einen Haftungsbescheid und einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Bergmannsprämien, die in einem zusammengefassten Bescheid enthalten sind. Auf Grund der die nicht PKW-Nutzung des B. betreffenden (unstreitigen) Prüfungsfeststellungen setzte der Beklagte mit dem Nachforderungsbescheid Lohnsteuer i.H.v. 12.904,91 EUR zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer fest (siehe im Bescheid die Spalte S). Die nach Ansicht des Beklagten hinsichtlich der Privatnutzung des BMW X3 durch B. und hinsichtlich der Steuerübernahme nicht angemeldeten Teile der Lohnsteuer i.H.v. insgesamt 1.471,00 EUR nebst Solidaritätszuschlag i.H.v. 80,90 EUR setzte der Beklagte in Form eines Haftungsbescheids fest (siehe die Spalte H). Dabei ging der Beklagte von einem Steuersatz i.H.v. 42 % aus. Im Einzelnen wird zum Inhalt des Haftungs- und Nachforderungsbescheids vom 31.10.2011 auf die Akten verwiesen (Bl. 9 f. FG-Akten).

Gegen den Haftungsbescheid richtete sich der am 16.11.2011 eingelegte Einspruch. Die Klägerin begründete den Einspruch damit, dass der BMX X3 mit einer als Business-Paket bezeichneten Sonderausstattung geliefert worden sei und der BMW-Vertragshändler auf dieses Business-Paket einen Rabatt gewährte habe. Aufgrund des Wortlauts des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wonach die "Kosten der Sonderausstattung" anzusetzen seien, dürfe deshalb für die Sonderausstattung (insbesondere also für das Business-Paket) nicht der Listenpreis des Herstellers, sondern nur die tatsächlichen (Mehr-) Kosten dieser Sonderausstattung angesetzt werden.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11.12.2015 als unbegründet zurück. Unter dem inländischen Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung sei die an diesem Stichtag maßgebliche Preisempfehlung des Herstellers zu verstehen, die für den Endverkauf des tatsächlich genutzten Fahrzeugmodells auf dem inländischen Neuwagenmarkt gelte. Dies gelte auch für die werkseitig gegen Aufpreis eingebaute Sonderausstattung, soweit sich hierfür ein Preis aus der Preisliste des Herstellers ergebe. Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG folge nichts anderes.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin hält an ihrer Ansicht fest, dass aufgrund des Wortlauts des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG hinsichtlich der Sonderausstattung nicht der Listenpreis, sondern die tatsächlichen Mehrkosten anzusetzen seien. Deshalb reduziere der hinsichtlich des BMW X3 vom Händler auf das Business-Paket gewährte Preisnachlass die Bemessungsgrundlage der 1 ‰Regelung.

Die Klägerin hatte deswegen ursprünglich sinngemäß beantragt,

den Haftungsbescheid vom 31.10.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 15.12.2015 aufzuheben.

Nachdem das Gericht den Beklagten auf die Regelung des § 191 Abs. 5 der Abgabenordnung und das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17.03.2016 VI R 3/15, BFH/NV 2016, 994 hingewiesen hatte, erließ der Beklagte am 18.07.2016 einen geänderten Haftungs- und Nachforderungsbescheid, in dem er die Haftung für Lohnsteuer für den Zeitraum März 2005 bis November 2006 aufhob. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte wiederholte in dem Bescheid vom 18.07.2016 zudem die der Höhe nach unveränderte Haftungsinanspruchnahme der Klägerin für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag für den Zeitraum Dezember 2006 bis Dezember 2008 i.H.v. insgesamt 470,45 Euro (davon für Dezember 2006: 17,92 Euro zzgl. 0,99 Euro Solidaritätszuschlag, für 2007 und 2008 jeweils 214,00 Euro zzgl. 11,77 Euro Solidaritätszuschlag). Für 2011 setzte der Beklagte die Haftung für Lohnsteuer auf 354,00 Euro zzgl. Solidaritätszuschlag i.H.v. 19,47 Euro herab, weil er nur noch die Übernahme des Haftungsbetrags für den Zeitraum Dezember 2006 bis Dezember 2008 als weiteren dem B. im Jahr 2011 zugeflossenen geldwerten Vorteil ansetzte. Im Umfang der Herabsetzung haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

den Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 18.07.2016 hinsichtlich der Haftung für Lohnsteuer i.H.v. 799,92 EUR und Solidaritätszuschlag i.H.v. 44,00 EUR aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält auch im Klageverfahren an seiner Ansicht fest, dass auch die Sonderausstattung mit dem Listenpreis des Herstellers zu berücksichtigen sei. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG enthalte eine Vereinfachungsregelung. Diese Vereinfachung werde nur erreicht, wenn nicht nur für die Grundausstattung, sondern auch für die sogenannte Sonderausstattung auf die veröffentlichten Listenpreise zurückgegriffen werde.

Mit Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 12.09.2016 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (Bl. 56 FG-Akten).

Dem Gericht lagen ein Band Lohnsteuer-Arbeitgeberakten und ein Band Fallheft der Lohnsteuer-Außenprüfung vor. Diese waren Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Die Klage richtet sich aufgrund der Erledigungserklärungen der Beteiligten für den Zeitraum März 2005 bis November 2006 in der Hauptsache nur noch gegen die Haftung der Klägerin für Lohnsteuer im Zeitraum Dezember 2006 bis Dezember 2008 und für 2011 und den hierfür ergangenen und gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid vom 18.07.2016.

2. Die so verstandene Klage ist unbegründet. Denn der Bescheid vom 18.07.2016 ist hinsichtlich der Haftung der Klägerin für Lohnsteuer i.H.v. 799,92 EUR und Solidaritätszuschlag i.H.v. 44,00 EUR rechtmäßig ist und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

a) Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für Lohnsteuer, die er gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn, auch soweit er durch einen Dritten gewährt wird, für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.

Zu dem insoweit der Lohnsteuer und auch der Arbeitgeberhaftung für Lohnsteuer unterliegenden Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehört auch der Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers, der sich daraus ergibt, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlässt. Die Überlassung des Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers. Der geldwerte Vorteil fließt dem Arbeitnehmer bereits mit der Inbesitznahme des Dienstwagens zu (vgl. BFH, Urteil vom 21.03.2013 VI R 31/10, BFHE 241, 167, BStBl. II 2013, 700).

Der als Lohnzufluss zu erfassende geldwerte Vorteil aus der unentgeltlich oder verbilligten Überlassung eines Kraftfahrzeugs (KFZ) zu privaten Zwecken ist grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu bewerten. Die sich aus diesen Vorschriften ergebende sogenannte 1 ‰ Regelung gilt nur dann nicht, wenn der Steuerpflichtige den tatsächlichen Umfang der Privatnutzung durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweist. Wenn hingegen (wie hier) kein Fahrtenbuch geführt wird, sieht § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG durch seinen Verweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG vor, dass die private Nutzung des KFZ für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen ist. Für den Fall, dass (wie hier) das Fahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte genutzt werden kann, erhöht sich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG der Wert der Einnahme für jeden Kalendermonat um 0,03 % des Listenpreises i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Unter dem Listenpreis i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG und des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ist die am Tag der Erstzulassung maßgebliche Preisempfehlung des Herstellers zu verstehen, die für den Endverkauf des tatsächlich genutzten Fahrzeugmodells auf dem inländischen Neuwagenmarkt gilt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (vgl. Urteil vom 16.02.2005 VI R 37/04, BFH E 209, 221, BStBl. II 2005, 563), der sich das Gericht anschließt. Nach dieser Rechtsprechung sind auch die Aufpreise für werkseitig zusätzlich eingebaute Ausstattungen mit den Werten anzusetzen, die sich aus der Preisliste des Herstellers ergeben. Sie erhöhen den maßgeblichen Listenpreis des konkret zur Privatnutzung zur Verfügung gestellten KFZ. Denn mit der Anknüpfung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG an den Listenpreis, d.h. an die unverbindliche Preisempfehlung des Automobilherstellers, hat der Gesetzgeber eine stark vereinfachende, typisierende und damit für alle gleichen Fahrzeuge einheitliche Grundlage für die Bewertung des Nutzungsvorteils geschaffen. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn - wie die Klägerin meint - nur die sog. Grundausstattung des jeweiligen Fahrzeugs mit dem Listenpreis zu bewerten wäre, während hingegen für die über die Grundausstattung hinausgehende Ausstattungen nicht die Preisempfehlung des Herstellers, sondern nur die - ggf. durch Aufteilung von Preisnachlässen auf den Listenpreis zu ermittelnden - tatsächlichen Kosten der über die Grundausstattung hinausgehenden Ausstattung berücksichtigt würde. Auf Grund des Vereinfachungscharakters versteht deshalb auch das erkennende Gericht die gesetzliche Anknüpfung an die "Kosten" der Sonderausstattung so, dass der Gesetzgeber damit zusätzliche Ausstattungen gemeint hat, für die es - wie etwa im Fall einer nachträglich eingebauten Anhängerkupplung eines Dritten - keinen Listenpreis des Herstellers gibt. Keine Sonderausstattung (im Sinne einer besonderen Ausstattung) i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sind die hingegen die vom Hersteller in der Preisliste als Sonderausstattung bezeichneten Ausstattungsmerkmale. Nur dieses Verständnis entspricht im Übrigen einer gleichmäßigen Besteuerung.

Denn ansonsten könnte letztlich der Hersteller mit seiner Ausstattungspolitik (nämlich ob er viele Ausstattungsmerkmale serienmäßig oder als Sonderausstattung anbietet) den geldwerten Vorteil noch stärker beeinflussen als dies ohnehin schon durch die Bindung an die Listenpreise der Fall ist.

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Klage unbegründet. Denn der Beklagte hat zutreffend den auf volle Hundert Euro abgerundeten Listenpreis des BMX X3 einschließlich des Listenpreises der Sonderausstattung berücksichtigt.

Auch sonst ist der Haftungsbescheid rechtmäßig.

aa) Die Klägerin war insbesondere ausdrücklich damit einverstanden, dass der Beklagte sein sich aus § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 5 AO ergebenden Erschließungs- und Auswahlermessen dahingehend ausübt, dass die Klägerin und nicht der B. die bisher nicht angemeldete Lohnsteuer entrichtet. Eine weitergehende Begründung des Ermessens war deshalb nicht erforderlich.

bb) Auch die Festsetzungsfrist und § 191 Abs. 5 AO stehen der Haftung nicht entgegen. Denn im Zeitpunkt des Haftungsbescheids war die Festsetzungsfrist hinsichtlich der noch streitigen Lohnsteuerschuld des B. und der Lohnsteuerentrichtungsschuld der Klägerin noch nicht abgelaufen. Dies folgt daraus, dass für die hier noch streitigen Zeiträume (Dezember 2006 und danach) die monatlichen Lohnsteueranmeldungen im Jahr 2007 (und später) abzugeben waren (§ 41a Abs. 1 EStG) und erst 2007 und später abgegeben wurden, so dass unter Berücksichtigung der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO und der vierjährigen Feststellungsfrist (§169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) die Festsetzungsfrist frühestens Ende 2011 abgelaufen wäre und somit im Zeitpunkt des Erlass des (ursprünglichen) Haftungsbescheids vom 31.10.2011 noch nicht abgelaufen war. Da seither auf Grund des Einspruchs und der Klage der Ablauf der Festsetzungsfrist zudem gemäß § 171 Abs. 3a AO gehemmt war, ist schließlich auch der hier streitgegenständliche Haftungsbescheid vom 19.07.2016 noch innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen.

cc) Weil für den BMX X3 insgesamt der Listenpreis maßgeblich ist, kann dahinstehen, ob die dem Ansatz des geringeren geldwerten Vorteils zugrunde liegende Behauptung der Klägerin, dass der Vertragshändler den Rabatt nur auf das Business-Paket gewährt worden sei, überhaupt zutrifft. Insoweit weist das Gericht lediglich ergänzend darauf hin, dass es dann, wenn der Listenpreis nur für die Serienausstattung maßgeblich wäre, den Rabatt - mangels erkennbaren Interessengegensatzes zwischen der Klägerin und dem Vertragshändler hinsichtlich der Zuordnung des Nachlasses - hätte anderweitig aufteilen müssen. Denn es ist gerichtsbekannt, dass üblicherweise auch auf die Grundausstattung ein gewisser Nachlass auf den Listenpreis gewährt wird, so dass eine vollständige Zuordnung des Nachlasses zur Sonderausstattung nicht nachvollziehbar wäre. Dieses - letztlich eine Einzelfallbetrachtung erfordernde - Aufteilungserfordernis zeigt im Übrigen, dass die vom Gesetzgeber mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG gewollte Vereinfachung nur erreicht wird, wenn der Listenpreis für alle herstellerseitigen Ausstattungsmerkmale maßgeblich ist.

dd) Da schließlich der Beklagte ausweislich seiner in den Akten enthaltenen Berechnungen die für B. maßgeblichen Lohnsteuerabzugsmerkmale und die die Anwendung des Grenzsteuersatzes gebietenden übrigen Einnahmen unstreitig fehlerfrei berücksichtigt hat, war die Klage gegen den streitgegenständlichen Teil des Haftungsbescheids vom 19.07.2016 insgesamt abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO. Die Anwendung des § 135 Abs. 1 FGO betrifft die Abweisung der Klage hinsichtlich der Haftung für die Monate Dezember 2006 bis Dezember 2008 und für die diesbezügliche Steuerübernahme im Jahr 2011. Die Anwendung des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO betrifft die vom Beklagten während des Verfahrens vorgenommene Aufhebung der Haftung für den Zeitraum bis November 2006 und die diesbezügliche Steuerübernahme und erfolgt im Rahmen einer gemischt-rechtlichen Kostenentscheidung, weil es wegen des geringen Streitwerts nicht sachgerecht gewesen wäre, den erledigten Teil der Klage von dem streitig gebliebenen Teil des Verfahren abzutrennen. Die anteilige Anwendung des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO betrifft jedoch nur die Kosten, die bis zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der übereinstimmenden (Teil-)Erledigungserklärungen entstanden sind. Für die danach entstandenen Kosten hat die Klägerin die Kosten nach § 135 Abs. 1 FGO allein zu tragen.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

5. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Wie ausgeführt hat der Bundesfinanzhof bereits geäußert, dass für Sonderausstattungen, für die ein Listenpreis angegeben wird, der geldwerte Vorteil entsprechend dieses Listenpreises anzusetzen ist.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 6 Abs.1 Nr.4 S.2

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