23.02.2017 · IWW-Abrufnummer 192082
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 12.05.2016 – 5 K 11136/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FG Berlin-Brandenburg
12.05.2016
5 K 11136/13
In dem Rechtsstreit
des Herrn A...,
Kläger,
Bevollmächtigte:
gegen
das Finanzamt,
Beklagter,
wegen Einkommensteuer 2009 und 2010
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 5. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Mai 2016 durch
den Vizepräsidenten des Finanzgerichts ...,
die Richterin am Finanzgericht ... und
den Richter am Finanzgericht ...
sowie die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung der Bescheide vom 12.10.2011 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 03.05.2013 wird die Einkommensteuer 2009 und 2010 dergestalt neu festgesetzt, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unberücksichtigt bleiben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu erstattenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit als angestellter Ingenieur bei der B... GmbH in C... . Für die Zeit vom 01.09.2008 bis 30.06.2011 wurde er gemäß Anstellungsvertrag vom 01.09.2008 (Anl. 5, Bl. 115, 116 der Verfahrensakte) für das Projekt "Privatsektorförderung in der Landwirtschaft" nach Kenia entsandt. Grundlage seiner dortigen Tätigkeit war der Consulting-Vertrag zwischen der B... GmbH und der D... GmbH ( - seit dem 01.01.2011: E... GmbH) vom 28./30.10.2008 nebst Ergänzungsverträgen vom 08.07.2009 und 23.02.2011 sowie 03.02.2011 (Anl. 6-11, Bl. 117-171 der Verfahrensakte). Bei der E... handelt es sich um ein bundeseigenes, gemeinnütziges und weltweit tätiges Unternehmen der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung. Das Projekt wurde finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie aus Mitteln der Europäischen Union (sog. EU-Komponente). Auf die genannten Verträge wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Der Kläger hatte in den Jahren 2009 und 2010 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland, sondern in Kenia. Die Familienwohnung in 16359 F..., G...-straße, war in dieser Zeit vermietet. Der Kläger erklärte insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Ein Lohnsteuerabzug wurde von der B... GmbH nicht vorgenommen.
Der Beklagte setzte mit Bescheiden vom 12.10.2011 die Einkommensteuer 2009 und 2010 unter Einbeziehung des Arbeitslohns unter Hinweis darauf, dass es sich hierbei nach § 49 Absatz 1 Nr. 4b Einkommensteuergesetz (EStG) um inländische Einkünfte handele, fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger geltend, das in Rede stehende Arbeitsentgelt unterliege nicht der Besteuerung in Deutschland. Er ist der Auffassung, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kenia (DBA Kenia) weise das Besteuerungsrecht allein Kenia als Ansässigkeitsstaat zu. Aber auch aus Art. 18 DBA Kenia lasse sich keine Steuerpflicht in Deutschland herleiten. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Norm könnten Vergütungen, die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesen errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für unselbständige Arbeit gewährt würden, nur in diesem Staat besteuert werden. Dieses so genannte Kassenstaatsprinzip komme im Streitfall jedoch nicht zur Anwendung, da es an einer unmittelbaren Vergütung des Kassenstaats Deutschland an ihn - den Kläger - fehle. Unabhängig von dem Kriterium der Unmittelbarkeit gelte zudem, dass die Leistungsbeziehung zwischen ihm - dem Kläger - und der B... GmbH nicht der Aufsicht der öffentlichen Hand unterstehe. Das Kassenstaatsprinzip finde seine Grenze bei dem ersten privatwirtschaftlichen Unternehmen, welches nicht einer öffentlichen Kontrolle unterliege. Dies sei bei der B... GmbH der Fall. Die gegenteilige Auffassung führte dazu, dass eine Besteuerung in Deutschland stets eingriffe, auch wenn die eingeschalteten Subunternehmer und von diesen beauftragte Arbeitnehmer aus Drittstaaten stammten und nichts mit Deutschland zu tun hätten. Zudem sei insbesondere zu berücksichtigen, dass das Entwicklungshilfeprogramm nicht ausschließlich durch Deutschland, sondern außerdem durch die EU finanziert worden sei. Nach Ziff. 5 des Protokolls zu Art. 18 DBA Kenia könnten im Rahmen von Entwicklungshilfeprogrammen gezahlte Vergütungen aber nur dann in Deutschland besteuert werden, wenn die Mittel dafür ausschließlich aus Deutschland stammten. Da dies im Streitfall nicht zutreffe, komme Art. 18 Abs. 1 Satz 1 DBA Kenia nicht zur Anwendung.
Ferner schließe Art. 18 Abs. 2 DBA Kenia die Anwendbarkeit des Art. 18 Absatz 1 aus, wenn es sich um eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete gewerbliche Tätigkeit des Vertragsstaats handele. Dies müsse erst recht für die Vergütung gelten, die er - der Kläger - von der B... GmbH als einem auf Gewinnerzielung ausgerichteten gewerblichen Unternehmen erhalte.
Auch im Falle einer Zuweisung des Besteuerungsrechts an Deutschland sei die Voraussetzung des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG nicht erfüllt. Danach müsse die Vergütung aus einer inländischen öffentlichen Kasse gewährt werden. Die B... GmbH als rein privatwirtschaftliche Gesellschaft sei jedoch keine öffentliche Kasse in diesem Sinne, da sie keiner Aufsicht und Prüfung durch die öffentliche Hand unterliege. Sie könne daher nicht als Zahlstelle des Kassenstaats gelten. Das unter Ziff. 8.4.4 des Vertrags vom 28.10.2009 vorgesehene Prüfungsrecht der E... GmbH habe sich auf die Einhaltung der Vertragsvereinbarungen beschränkt. Die Tätigkeitsvergütung der von der B... GmbH beschäftigten Arbeitnehmer sei nicht Teil der vereinbarten Leistungserbringung und somit nicht Teil der zur Prüfung berechtigenden Unterlagen. Außerdem seien der B... GmbH die Aufwendungen für seine - des Klägers - Vergütung nicht aus öffentlichen Mitteln erstattet worden. Gegenstand der Verträge mit der E... GmbH sei eine Gesamtdienstleistung, die durch die B... GmbH zu erbringen gewesen sei. Die Verträge definierten eine Leistung, die sich nach Fachkräftemonaten berechne. Von der E... GmbH bzw. der EU sei eine Beratungsleistung eingekauft worden. Wie diese erbracht worden sei, sei allein Sache der B... GmbH gewesen.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung der Bescheide vom 12.10.2011 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 03.05.2013 die Einkommensteuer 2009 und 2010 dergestalt neu festzusetzen, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unberücksichtigt bleiben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, entscheidend für die Steuerpflicht sei die Finanzierung der Vergütung aus öffentlichen Mitteln. Es seien deshalb auch private Trägerorganisationen erfasst, soweit diese als Unternehmen privaten Rechts der Kontrolle der öffentlichen Hand unterlägen und soweit deren Aufgaben aus öffentlichen Mitteln finanziert würden. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG diene dem Zweck, Besteuerungslücken zu verhindern, soweit die Vergütung eines nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmers aus öffentlichen Mitteln finanziert werde. Ein Inlandsbezug bestehe deshalb z.B. schon dann, wenn zwar kein Dienstverhältnis zum Kassenträger bestehe, letztlich aber, wie im Fall der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.08.1997 (I R 65/95), eine öffentliche Kasse dem Steuerpflichtigen, der einen Dienstvertrag mit einem Dritten geschlossen habe, die Vergütung erstatte. Kontrolle durch die öffentliche Hand in diesem Sinne bedeute Aufsicht oder Prüfung des Finanzgebarens der für den Zahlvorgang verantwortlichen Einrichtung durch die öffentliche Hand. Ausreichend sei insoweit z.B. die Prüfungsbefugnis der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder. Ausschlaggebend sei im Streitfall die Kontrolle der B... GmbH durch die E... GmbH und damit mittelbar durch die öffentliche Hand. Diese Kontrolle der tatsächlichen Verwendung ausgegebener Fördermittel sei in den Streitjahren stets gegeben gewesen, denn der E... GmbH habe die Prüfung des sachgerechten Mitteleinsatzes gemäß Ziff. 8.8.4 der Consulting-Verträge oblegen. Diese mittelbare Kontrolle durch die E... GmbH sei ausreichend. Auch soweit für das in Rede stehende Projekt EU-Mittel geflossen seien, gelte nichts anderes. Letztlich seien auch diese Mittel in die Bundesmittel eingegangen, bevor sie an die E... GmbH ausgekehrt worden seien.
Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte ein Band Einkommensteuerakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Der Arbeitslohn des Klägers unterliegt nicht der Einkommensteuer.
Der Kläger war in den Streitjahren mangels Wohnsitzes in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig im Sinne von § 1 Abs. 1 EStG, da er seine Wohnung langfristig vermietet hatte. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Er war - entgegen der Auffassung des Beklagten - mangels inländischer Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG auch nicht beschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG. Danach unterliegen der beschränkten Steuerpflicht "Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19), die aus inländischen öffentlichen Kassen ... mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden, ohne dass ein Zahlungsanspruch gegenüber der inländischen öffentlichen Kasse bestehen muss." Das Dienstverhältnis muss nicht zwingend zu einem inländischen öffentlichen Arbeitgeber bestehen oder bestanden haben, so dass auch ein Arbeitsverhältnis mit einem privaten Arbeitgeber erfasst wird (Haiß in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Anm. 761).
Der Kläger hat seinen Arbeitslohn jedoch nicht, auch nicht mittelbar, von einer inländischen öffentlichen Kasse bezogen.
Eine inländische öffentliche Kasse ist zunächst die Kasse einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, zu der auch eine ausländische Zahlstelle gehört; darüber hinaus wird unter dem Begriff der inländischen öffentlichen Kasse jede Kasse gefasst, die einer Institution angehört, die der Aufsicht und der Prüfung ihres Finanzgebarens durch die öffentliche Hand - etwa durch die Rechnungshöfe des Bunds und der Länder - unterliegt. Einer Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegen auch Unternehmen in privater Rechtsform mit Bundesbeteiligung (vgl. Bublitz, "Besteuerung bei Auslandseinsätzen für private Trägerorganisationen im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit", IStR 2007, 77 (79)). Insofern ist die Wirtschaftsführung der E... GmbH als bundeseigenes Unternehmen überprüfbar, Zahlungen der E... GmbH sind mithin mittelbar Zahlungen aus einer inländischen öffentlichen Kasse (s. zum Ausreichen von mittelbaren Zahlungsverhältnissen auch Haiß in Herrmann/Heuer/Raupach, am angegebenen Ort - a.a.O. - Anm. 761).
Der Kläger hat seinen Arbeitslohn jedoch nicht von der E... GmbH, sondern von der B... GmbH erhalten, die von der E... GmbH zur Durchführung des Projekts beauftragt worden war. Die B... GmbH hat den Arbeitslohn wiederum finanziert aus der Vergütung, die die E... GmbH aufgrund des Consulting-Vertrags gezahlt hat. Die Zwischenschaltung der B... GmbH als privates Unternehmen hat nach Auffassung des Gerichts zur Folge, dass der Zusammenhang zwischen der Bereitstellung der staatlichen Mittel durch die E... GmbH und dem Arbeitslohn des Klägers unterbrochen oder zumindest derart "lose" ist, dass nicht mehr von einer Vergütung aus einer öffentlichen Kasse ausgegangen werden kann (so auch Bublitz a.a.O. S. 79 sowie ders., "Zur Besteuerung von Auslandsmitarbeitern in der Entwicklungszusammenarbeit - Eine Zwischenbilanz -", IStR 2014, 140 [143]). Die Beauftragung eines privaten Unternehmens führt dazu, dass die zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel - wenn auch zweckgebunden - Teil des Budgets des Unternehmens werden, aus dem der Arbeitslohn des im Ausland eingesetzten Arbeitnehmers bezahlt wird. Die öffentliche Kasse/E... GmbH kauft im Ergebnis eine Projektleistung ein und nicht Leistungen einzelner Arbeitnehmer. So hat sich die B... GmbH ausweislich der Ziff. 3. des Consulting-Vertrags verpflichtet, die in der beigefügten Leistungsbeschreibung aufgeführten Leistungen/Ergebnisse zu erbringen. Unter Ziff. 4 ist der Personaleinsatz in Form von Fachkräftemonaten ermittelt, ohne dass insoweit eine Vergütung beziffert wird. Gezahlt wird gemäß Ziff. 7 eine Gesamtvergütung, in der die Lohnkosten enthalten sind.
Wollte man - wie der Beklagte - eine derart mittelbare Verbindung zwischen der Zurverfügungstellung öffentlicher Mittel und der Lohnzahlung durch einen privaten Arbeitgeber zur Begründung einer beschränkten Steuerpflicht genügen lassen, führte dies bei Einschaltung mehrerer Subunternehmer und der Beschäftigung von Arbeitnehmern, ggf. aus verschiedenen Drittländern, zu der bizarren Rechtsfolge, dass Arbeitslohn in Deutschland zu versteuern ist, obgleich keiner der Akteure einen Bezug zu Deutschland hat. Abgesehen davon dürfte, worauf die Klägerin zu Recht verwiesen hat, die Durchsetzung der Besteuerung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein vor dem Hintergrund, dass sich die Beteiligten ihrer Steuerpflicht in Deutschland regelmäßig nicht bewußt sein dürften.
Da im Ergebnis somit der Arbeitslohn des Klägers nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegt, kommt das DBA Kenia nicht zur Anwendung, da es eben nicht darum geht, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf Ziff. 5 des Protokolls zu Art. 18 DBA Kenia die Auffassung vertritt, dass eine Steuerpflicht im Hinblick auf die Co-Finanzierung durch die EU schon daran scheitert, dass keine ausschließliche Finanzierung durch Deutschland erfolgte, hat dies für den Streitfall daher keine Relevanz.
Schließlich kann eine beschränkte Steuerpflicht auch nicht aus § 50 d Abs. 7 EStG hergeleitet werden. Diese Vorschrift hat den Zweck, eine in einem anwendbaren DBA enthaltene Kassenstaatsklausel so auszulegen, dass sie von deutscher Seite auch zur Anwendung gelangt, wenn zwar die Vergütung aus einer Kasse einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gezahlt wird, nicht aber auch die Dienste an den Kassenstaat oder seine Gebietskörperschaft geleitet werden (Klein/Hagena in Herrmann/Heuer/Raupach, § 50 d EStG Anm. 100). Da es aber, wie ausgeführt, nicht um die Vermeidung einer Doppelbesteuerung geht und das DBA Kenia daher nicht anwendbar ist, bleibt auch § 50 d Abs. 7 EStG im Streitfall ohne Bedeutung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Soweit ersichtlich, ist die Frage der Besteuerung von Arbeitslohn bei Einschaltung privater Unternehmen in öffentlich finanzierte Entwicklungshilfeprojekte höchstrichterlich noch nicht entschieden.
12.05.2016
5 K 11136/13
In dem Rechtsstreit
des Herrn A...,
Kläger,
Bevollmächtigte:
gegen
das Finanzamt,
Beklagter,
wegen Einkommensteuer 2009 und 2010
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 5. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Mai 2016 durch
den Vizepräsidenten des Finanzgerichts ...,
die Richterin am Finanzgericht ... und
den Richter am Finanzgericht ...
sowie die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung der Bescheide vom 12.10.2011 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 03.05.2013 wird die Einkommensteuer 2009 und 2010 dergestalt neu festgesetzt, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unberücksichtigt bleiben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu erstattenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit als angestellter Ingenieur bei der B... GmbH in C... . Für die Zeit vom 01.09.2008 bis 30.06.2011 wurde er gemäß Anstellungsvertrag vom 01.09.2008 (Anl. 5, Bl. 115, 116 der Verfahrensakte) für das Projekt "Privatsektorförderung in der Landwirtschaft" nach Kenia entsandt. Grundlage seiner dortigen Tätigkeit war der Consulting-Vertrag zwischen der B... GmbH und der D... GmbH ( - seit dem 01.01.2011: E... GmbH) vom 28./30.10.2008 nebst Ergänzungsverträgen vom 08.07.2009 und 23.02.2011 sowie 03.02.2011 (Anl. 6-11, Bl. 117-171 der Verfahrensakte). Bei der E... handelt es sich um ein bundeseigenes, gemeinnütziges und weltweit tätiges Unternehmen der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung. Das Projekt wurde finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie aus Mitteln der Europäischen Union (sog. EU-Komponente). Auf die genannten Verträge wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Der Kläger hatte in den Jahren 2009 und 2010 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland, sondern in Kenia. Die Familienwohnung in 16359 F..., G...-straße, war in dieser Zeit vermietet. Der Kläger erklärte insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Ein Lohnsteuerabzug wurde von der B... GmbH nicht vorgenommen.
Der Beklagte setzte mit Bescheiden vom 12.10.2011 die Einkommensteuer 2009 und 2010 unter Einbeziehung des Arbeitslohns unter Hinweis darauf, dass es sich hierbei nach § 49 Absatz 1 Nr. 4b Einkommensteuergesetz (EStG) um inländische Einkünfte handele, fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger geltend, das in Rede stehende Arbeitsentgelt unterliege nicht der Besteuerung in Deutschland. Er ist der Auffassung, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kenia (DBA Kenia) weise das Besteuerungsrecht allein Kenia als Ansässigkeitsstaat zu. Aber auch aus Art. 18 DBA Kenia lasse sich keine Steuerpflicht in Deutschland herleiten. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Norm könnten Vergütungen, die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesen errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für unselbständige Arbeit gewährt würden, nur in diesem Staat besteuert werden. Dieses so genannte Kassenstaatsprinzip komme im Streitfall jedoch nicht zur Anwendung, da es an einer unmittelbaren Vergütung des Kassenstaats Deutschland an ihn - den Kläger - fehle. Unabhängig von dem Kriterium der Unmittelbarkeit gelte zudem, dass die Leistungsbeziehung zwischen ihm - dem Kläger - und der B... GmbH nicht der Aufsicht der öffentlichen Hand unterstehe. Das Kassenstaatsprinzip finde seine Grenze bei dem ersten privatwirtschaftlichen Unternehmen, welches nicht einer öffentlichen Kontrolle unterliege. Dies sei bei der B... GmbH der Fall. Die gegenteilige Auffassung führte dazu, dass eine Besteuerung in Deutschland stets eingriffe, auch wenn die eingeschalteten Subunternehmer und von diesen beauftragte Arbeitnehmer aus Drittstaaten stammten und nichts mit Deutschland zu tun hätten. Zudem sei insbesondere zu berücksichtigen, dass das Entwicklungshilfeprogramm nicht ausschließlich durch Deutschland, sondern außerdem durch die EU finanziert worden sei. Nach Ziff. 5 des Protokolls zu Art. 18 DBA Kenia könnten im Rahmen von Entwicklungshilfeprogrammen gezahlte Vergütungen aber nur dann in Deutschland besteuert werden, wenn die Mittel dafür ausschließlich aus Deutschland stammten. Da dies im Streitfall nicht zutreffe, komme Art. 18 Abs. 1 Satz 1 DBA Kenia nicht zur Anwendung.
Ferner schließe Art. 18 Abs. 2 DBA Kenia die Anwendbarkeit des Art. 18 Absatz 1 aus, wenn es sich um eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete gewerbliche Tätigkeit des Vertragsstaats handele. Dies müsse erst recht für die Vergütung gelten, die er - der Kläger - von der B... GmbH als einem auf Gewinnerzielung ausgerichteten gewerblichen Unternehmen erhalte.
Auch im Falle einer Zuweisung des Besteuerungsrechts an Deutschland sei die Voraussetzung des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG nicht erfüllt. Danach müsse die Vergütung aus einer inländischen öffentlichen Kasse gewährt werden. Die B... GmbH als rein privatwirtschaftliche Gesellschaft sei jedoch keine öffentliche Kasse in diesem Sinne, da sie keiner Aufsicht und Prüfung durch die öffentliche Hand unterliege. Sie könne daher nicht als Zahlstelle des Kassenstaats gelten. Das unter Ziff. 8.4.4 des Vertrags vom 28.10.2009 vorgesehene Prüfungsrecht der E... GmbH habe sich auf die Einhaltung der Vertragsvereinbarungen beschränkt. Die Tätigkeitsvergütung der von der B... GmbH beschäftigten Arbeitnehmer sei nicht Teil der vereinbarten Leistungserbringung und somit nicht Teil der zur Prüfung berechtigenden Unterlagen. Außerdem seien der B... GmbH die Aufwendungen für seine - des Klägers - Vergütung nicht aus öffentlichen Mitteln erstattet worden. Gegenstand der Verträge mit der E... GmbH sei eine Gesamtdienstleistung, die durch die B... GmbH zu erbringen gewesen sei. Die Verträge definierten eine Leistung, die sich nach Fachkräftemonaten berechne. Von der E... GmbH bzw. der EU sei eine Beratungsleistung eingekauft worden. Wie diese erbracht worden sei, sei allein Sache der B... GmbH gewesen.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung der Bescheide vom 12.10.2011 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 03.05.2013 die Einkommensteuer 2009 und 2010 dergestalt neu festzusetzen, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unberücksichtigt bleiben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, entscheidend für die Steuerpflicht sei die Finanzierung der Vergütung aus öffentlichen Mitteln. Es seien deshalb auch private Trägerorganisationen erfasst, soweit diese als Unternehmen privaten Rechts der Kontrolle der öffentlichen Hand unterlägen und soweit deren Aufgaben aus öffentlichen Mitteln finanziert würden. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG diene dem Zweck, Besteuerungslücken zu verhindern, soweit die Vergütung eines nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmers aus öffentlichen Mitteln finanziert werde. Ein Inlandsbezug bestehe deshalb z.B. schon dann, wenn zwar kein Dienstverhältnis zum Kassenträger bestehe, letztlich aber, wie im Fall der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.08.1997 (I R 65/95), eine öffentliche Kasse dem Steuerpflichtigen, der einen Dienstvertrag mit einem Dritten geschlossen habe, die Vergütung erstatte. Kontrolle durch die öffentliche Hand in diesem Sinne bedeute Aufsicht oder Prüfung des Finanzgebarens der für den Zahlvorgang verantwortlichen Einrichtung durch die öffentliche Hand. Ausreichend sei insoweit z.B. die Prüfungsbefugnis der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder. Ausschlaggebend sei im Streitfall die Kontrolle der B... GmbH durch die E... GmbH und damit mittelbar durch die öffentliche Hand. Diese Kontrolle der tatsächlichen Verwendung ausgegebener Fördermittel sei in den Streitjahren stets gegeben gewesen, denn der E... GmbH habe die Prüfung des sachgerechten Mitteleinsatzes gemäß Ziff. 8.8.4 der Consulting-Verträge oblegen. Diese mittelbare Kontrolle durch die E... GmbH sei ausreichend. Auch soweit für das in Rede stehende Projekt EU-Mittel geflossen seien, gelte nichts anderes. Letztlich seien auch diese Mittel in die Bundesmittel eingegangen, bevor sie an die E... GmbH ausgekehrt worden seien.
Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte ein Band Einkommensteuerakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Der Arbeitslohn des Klägers unterliegt nicht der Einkommensteuer.
Der Kläger war in den Streitjahren mangels Wohnsitzes in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig im Sinne von § 1 Abs. 1 EStG, da er seine Wohnung langfristig vermietet hatte. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Er war - entgegen der Auffassung des Beklagten - mangels inländischer Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG auch nicht beschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG. Danach unterliegen der beschränkten Steuerpflicht "Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19), die aus inländischen öffentlichen Kassen ... mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden, ohne dass ein Zahlungsanspruch gegenüber der inländischen öffentlichen Kasse bestehen muss." Das Dienstverhältnis muss nicht zwingend zu einem inländischen öffentlichen Arbeitgeber bestehen oder bestanden haben, so dass auch ein Arbeitsverhältnis mit einem privaten Arbeitgeber erfasst wird (Haiß in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Anm. 761).
Der Kläger hat seinen Arbeitslohn jedoch nicht, auch nicht mittelbar, von einer inländischen öffentlichen Kasse bezogen.
Eine inländische öffentliche Kasse ist zunächst die Kasse einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, zu der auch eine ausländische Zahlstelle gehört; darüber hinaus wird unter dem Begriff der inländischen öffentlichen Kasse jede Kasse gefasst, die einer Institution angehört, die der Aufsicht und der Prüfung ihres Finanzgebarens durch die öffentliche Hand - etwa durch die Rechnungshöfe des Bunds und der Länder - unterliegt. Einer Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegen auch Unternehmen in privater Rechtsform mit Bundesbeteiligung (vgl. Bublitz, "Besteuerung bei Auslandseinsätzen für private Trägerorganisationen im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit", IStR 2007, 77 (79)). Insofern ist die Wirtschaftsführung der E... GmbH als bundeseigenes Unternehmen überprüfbar, Zahlungen der E... GmbH sind mithin mittelbar Zahlungen aus einer inländischen öffentlichen Kasse (s. zum Ausreichen von mittelbaren Zahlungsverhältnissen auch Haiß in Herrmann/Heuer/Raupach, am angegebenen Ort - a.a.O. - Anm. 761).
Der Kläger hat seinen Arbeitslohn jedoch nicht von der E... GmbH, sondern von der B... GmbH erhalten, die von der E... GmbH zur Durchführung des Projekts beauftragt worden war. Die B... GmbH hat den Arbeitslohn wiederum finanziert aus der Vergütung, die die E... GmbH aufgrund des Consulting-Vertrags gezahlt hat. Die Zwischenschaltung der B... GmbH als privates Unternehmen hat nach Auffassung des Gerichts zur Folge, dass der Zusammenhang zwischen der Bereitstellung der staatlichen Mittel durch die E... GmbH und dem Arbeitslohn des Klägers unterbrochen oder zumindest derart "lose" ist, dass nicht mehr von einer Vergütung aus einer öffentlichen Kasse ausgegangen werden kann (so auch Bublitz a.a.O. S. 79 sowie ders., "Zur Besteuerung von Auslandsmitarbeitern in der Entwicklungszusammenarbeit - Eine Zwischenbilanz -", IStR 2014, 140 [143]). Die Beauftragung eines privaten Unternehmens führt dazu, dass die zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel - wenn auch zweckgebunden - Teil des Budgets des Unternehmens werden, aus dem der Arbeitslohn des im Ausland eingesetzten Arbeitnehmers bezahlt wird. Die öffentliche Kasse/E... GmbH kauft im Ergebnis eine Projektleistung ein und nicht Leistungen einzelner Arbeitnehmer. So hat sich die B... GmbH ausweislich der Ziff. 3. des Consulting-Vertrags verpflichtet, die in der beigefügten Leistungsbeschreibung aufgeführten Leistungen/Ergebnisse zu erbringen. Unter Ziff. 4 ist der Personaleinsatz in Form von Fachkräftemonaten ermittelt, ohne dass insoweit eine Vergütung beziffert wird. Gezahlt wird gemäß Ziff. 7 eine Gesamtvergütung, in der die Lohnkosten enthalten sind.
Wollte man - wie der Beklagte - eine derart mittelbare Verbindung zwischen der Zurverfügungstellung öffentlicher Mittel und der Lohnzahlung durch einen privaten Arbeitgeber zur Begründung einer beschränkten Steuerpflicht genügen lassen, führte dies bei Einschaltung mehrerer Subunternehmer und der Beschäftigung von Arbeitnehmern, ggf. aus verschiedenen Drittländern, zu der bizarren Rechtsfolge, dass Arbeitslohn in Deutschland zu versteuern ist, obgleich keiner der Akteure einen Bezug zu Deutschland hat. Abgesehen davon dürfte, worauf die Klägerin zu Recht verwiesen hat, die Durchsetzung der Besteuerung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein vor dem Hintergrund, dass sich die Beteiligten ihrer Steuerpflicht in Deutschland regelmäßig nicht bewußt sein dürften.
Da im Ergebnis somit der Arbeitslohn des Klägers nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegt, kommt das DBA Kenia nicht zur Anwendung, da es eben nicht darum geht, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf Ziff. 5 des Protokolls zu Art. 18 DBA Kenia die Auffassung vertritt, dass eine Steuerpflicht im Hinblick auf die Co-Finanzierung durch die EU schon daran scheitert, dass keine ausschließliche Finanzierung durch Deutschland erfolgte, hat dies für den Streitfall daher keine Relevanz.
Schließlich kann eine beschränkte Steuerpflicht auch nicht aus § 50 d Abs. 7 EStG hergeleitet werden. Diese Vorschrift hat den Zweck, eine in einem anwendbaren DBA enthaltene Kassenstaatsklausel so auszulegen, dass sie von deutscher Seite auch zur Anwendung gelangt, wenn zwar die Vergütung aus einer Kasse einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gezahlt wird, nicht aber auch die Dienste an den Kassenstaat oder seine Gebietskörperschaft geleitet werden (Klein/Hagena in Herrmann/Heuer/Raupach, § 50 d EStG Anm. 100). Da es aber, wie ausgeführt, nicht um die Vermeidung einer Doppelbesteuerung geht und das DBA Kenia daher nicht anwendbar ist, bleibt auch § 50 d Abs. 7 EStG im Streitfall ohne Bedeutung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Soweit ersichtlich, ist die Frage der Besteuerung von Arbeitslohn bei Einschaltung privater Unternehmen in öffentlich finanzierte Entwicklungshilfeprojekte höchstrichterlich noch nicht entschieden.
RechtsgebieteDBA Kenia, EStGVorschriftenArt. 15 Abs. 1 S. 1 DBA Kenia; Art. 18 DBA Kenia;
§ 49 Abs. 1 Nr. 4b EStG