17.01.2017 · IWW-Abrufnummer 191305
Amtsgericht Winsen: Beschluss vom 03.01.2017 – 18 II 210/16, 18 II 518/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Amtsgericht Winsen (Luhe)
Beschluss – anonymisiert -
18 II 210/16 und 18 II 518/16
03.01.2017
In der Beratungshilfesache
J. K.
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Z
- Antragstellerin -
hat das Amtsgericht Winsen/Luhe – Beratungshilfegericht – durch den Direktor des Amtsgerichts Winsen(Luhe) A.Paulisch am 03.01.2017 beschlossen:
Die Erinnerung vom 09.11.2016 gegen den Beschluss vom 24.10.2016, durch den die der Antragstellerin zum Zeichen 18 II 210/16 am 04.05.2016 bewilligte Beratungshilfe auch bezüglich der zu 18 II 518/16 und dem dortigen Antragsgegenstand ergangenen Feststellung, dass dieser von der erfolgten Bewilligung umfasst wird, aufgehoben worden ist, wird zurückgewiesen.
Gründe:
Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses hat der Rechtspfleger ausgeführt [sic]:
Am 04.05.2016 wurde unter 18 II 210/16 der Antragstellerin Beratungshilfe für die Angelegenheit finanzieller Fragen im Zusammenhang mit Trennung/Scheidung, insb. Unterhalt bewilligt. Mit Beschluss vom 16.08.2016 zu 18 II 518/16 wurde auf den dort eingegangenen Antrag vom 09.08.2016 hin festgestellt, dass von dieser Bewilligung auch der Antragsgegenstand Lohnsteuerbescheid 2015 ggü. dem Ehemann umfasst ist.
Nachträglich hat sich ergeben, dass die Voraussetzungen zur Bewilligung von Beratungshilfe zum Zeitpunkt der Bewilligung und der Feststellungsentscheidung nicht vorgelegen haben.
Konkret war die Antragstellerin – wie sich erst nunmehr nachträglich aus dem Verfahren 20 C 660/16 bereits seit 05.01.2016 wegen der finanziellen Fragen im Zusammenhang mit Trennung/Scheidung wahlanwaltlich beraten gewesen, und zwar durch Rechtsanwalt B.. Zudem soll die Antragstellerin diesem ggü. geäußert haben, dass eine Rechtsschutzversicherung in der Angelegenheit besteht.
Beratungshilfe dient der finanziellen Unterstützung einer ERSTEN anwaltlichen Hilfe in einer Angelegenheit. Beratungshilfe dient nicht dazu die Kosten eines zweiten Rechtsanwaltes zu tragen. Dabei ist es ohne Belang, ob der erste Rechtsanwalt bereits im Rahmen von Beratungshilfe oder noch auf eigene Rechnung des Mandanten tätig war.
Beratungshilfe wird als Sozialleistung im Bereich der Rechtshilfe nur auf Antrag gewährt. Selbst demjenigen Rechtssuchenden der sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt, steht es frei zu wählen, ob er Beratungshilfe beantragt oder ein Wahlmandat erteilt.
Entscheidet er sich für ein Wahlmandat – warum auch immer – dann verbleibt ihm nicht die Möglichkeit dieses später in ein Beratungshilfemandat umzuwandeln und auch nicht die Möglichkeit, quasi als „Guthaben“, im Anschluss an ein Wahlmandet noch ein Beratungshilfemandat in der Angelegenheit bei einem anderen Rechtsanwalt nachzuschieben.
Durch Beratungshilfe sollen wirtschaftlich schwächere Bürger den wirtschaftlich stärkeren angeglichen aber nicht besser gestellt werden.
Wesentlich für eine Beratungshilfebewilligung ist daher gerade auch im Fall der nachträglichen Antragstellung daher, dass der Rechtsuchende sich von Anfang an WEGEN Beratungshilfe an den Rechtsanwalt wendet. Beratungshilfe dient nicht dazu Vergütungsansprüche des Wahlanwaltes abzusichern, wenn sich ggf. herausstellt, dass der Wahlmandant die Wahlanwaltskosten nicht tragen kann.
Eine nachträgliche Umwandlung eines Wahlmandates in ein Beratungshilfemandat ist ausgeschlossen
Insoweit hat sich durch die Reform des Beratungshilferechts nichts an der grundsätzlichen Konzeption geändert.
Die dazu angehörte Antragstellerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 13.10.2016 die bereits im Januar 2016 begonnene wahlanwaltliche Beratung durch Rechtsanwalt B. bestätigt.
Demgegenüber hatte die Antragstellerin im Antrag erklärt erstmals am 11.04.2016 durch Rechtsanwältin E. beraten/vertreten worden zu sein.
Wäre die Tätigkeit von Rechtsanwalt B. aus Januar 2016 im Moment der Bewilligung bekannt gewesen, wäre Beratungshilfe sogleich versagt worden. Entsprechend ist die erfolgte Bewilligung auch hinsichtlich der unter 18 II 518/16 erfolgten Feststellung schon deshalb nachträglich aufzuheben, denn seit der Bewilligung der Beratungshilfe ist auch nicht mehr als 1 Jahr vergangen.
Die Frage der vorliegenden Rechtschutzversicherung braucht daher nicht weiter verfolgt zu werden.
Hinsichtlich der Vergütungsansprüche der Rechtsanwältin E. wird zugleich darauf hingewiesen, dass deren Vergütungsansprüche gegen die Landeskasse mit der Aufhebung entfallen sind, denn es ist davon auszugehen, dass die Rechtsanwältin über die Vorbefassung von Rechtsanwalt B. in der Angelegenheit bereits bei ihrem Tätigkeitsbeginn informiert war. Entsprechend wird hier derzeit davon ausgegangen, dass die Rechtsanwältin also auch Kenntnis über das Nichtvorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen hatte oder insoweit zumindest grob fahrlässig in Unkenntnis war. Eine Beratungshilfevergütung wäre danach nicht festzusetzen. Über einen dennoch eingereichten Vergütungsantrag ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden.
Soweit die Antragstellerin dagegen einwendet, die wahlanwaltliche Beratung sei durch Rechtsanwalt B. erfolgt, die Beratungshilfe-Beratung sei durch Rechtsanwältin E. erfolgt, so dass nach dem Urteil des OLG Hamm vom 30.04.2015 – 28 U 88/14 – Beratungshilfe für die Beratung durch Rechtsanwältin E. zu bewilligen sei, ist den (außerhalb eines Beratungshilfeverfahrens erfolgten) Ausführungen des OLG Hamm nicht zu folgen.
Tatsache ist, dass Beratungshilfe dann nicht zu gewähren ist, wenn in der Angelegenheit bereits eine Rechtsberatung erfolgt ist und diese entweder länger als 4 Wochen vor Antragstellung zurück liegt oder aber in der Angelegenheit eine Beratung außerhalb des Beratungshilfesystems begonnen worden ist.
Soweit das OLG Hamm meint, das gelte dann nicht, wenn jemand einen Anwaltswechsel vornehme, so überzeugt das nicht. Grundsätzlich diente Beratungshilfe dazu, den „armen“ Bürger nicht schlechter zu stellen, als den nicht armen Bürger; Beratungshilfe dient nicht dazu, ihn besser zu stellen.
Wenn ein Bürger einen Anwalt aufsucht und später gibt es – zum Beispiel wegen anfänglicher oder zwischenzeitlich eingetretener Armut – Probleme mit der Vergütung des Anwalts, dann kann auch nicht innerhalb der 4 Wochen, schon gar nicht später als 4 Wochen, nachträglich Beratungshilfe mit der Begründung beantragt werden, zwar habe eine anwaltliche Beratung bereits stattgefunden, allerdings könne der Bürger seinen Anwalt nicht bezahlen und deswegen solle der Staat einspringen (Amtsgericht St. Wendel, Beschluss vom 23.08.2001, Rechtspfleger 2001, Seite 603; Amtsgericht Konstanz, NJW-RR 2007, 209-211).
Ebenso anerkannt ist es, dass dann, wenn ein Bürger nach Bewilligung von Beratungshilfe sich von einem Anwalt beraten lässt, er jedoch mit dieser Beratung nicht glücklich ist, er nicht unter nochmaliger Beanspruchung von Beratungshilfe sich an einen anderen Anwalt wenden kann. Vielmehr müsste er diesen anderen Anwalt dann selbst vergüten.
Nun mit dem OLG Hamm zu argumentieren, der „arme“ Bürger, der ohne Inanspruchnahme von Beratungshilfe einen Anwalt auf eigene Kosten beauftragt hat, habe ja seinen tatsächlich bestehenden Beratungshilfeanspruch noch nicht ausgenutzt und könne deshalb – nunmehr auf Staatskosten im Rahmen der Beratungshilfe – in selber Angelegenheit einen anderen Anwalt konsultieren, hieße, diesen „armen“ Bürger besser zu stellen, als den nicht armen Bürger, denn dem „armen“ Bürger würde es ermöglicht, eine zweite anwaltliche Meinung einzuholen, ohne dafür bezahlen zu müssen.
Deshalb schließt eine anwaltliche Beratung außerhalb des Beratungshilfesystems eine spätere Gewährung von Beratungshilfe in der selben Angelegenheit grundsätzlich aus (Schoreit/Groß Beratungshilfegesetz, 11. Aufl. 2012, § 1 Rnr. 109 und Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe/Beratungshilfe, 6. Aufl. 2012, Rnr. 958, beides zitiert bei OLG Hamm, Urteil vom 30. April 2015 – I-28 U 88/14, Rn. 88, juris)
Die Argumentation des OLG Hamm würde auch den Grundsatz durchbrechen, dass derjenige, der bereits eine anwaltliche Beratung ohne die Beantragung von Beratungshilfe begonnen hat, für die Fortsetzung der Beratung keine Beratungshilfe beanspruchen kann. Zwar würde das auch nach dem OLG Hamm für eine Beratung beim selben Anwalt weiter gelten. Wenn der Bürger allerdings nicht grundlos den Anwalt wechselt, dann soll dafür angeblich die Beratungshilfe einspringen. Das ist wenig überzeugend. Die Rechtsauffassung des OLG Hamm würde also den Rechtssuchenden „zwingen“, den Anwalt zu wechseln, um z.B. im Fall der Nichtzahlung seiner geschuldeten Anwaltsvergütung doch noch – weitere – anwaltliche Beratung zu erhalten, anstatt z.B. im Wege des Schadensersatzes wegen unterbliebenen Hinweises auf die Möglichkeit der Beratungshilfe von seinem Anwalt eine Fortsetzung der Beratung zu verlangen. Das ist nach hiesiger Auffassung mit dem System der Beratungshilfe nicht vereinbar.
Deshalb gilt im vorliegenden Fall wie auch sonst, dass eine einmal in einer Angelegenheit begonnene Beratung außerhalb des Beratungshilfesystems die Gewährung von Beratungshilfe für die selbe Angelegenheit ausschließt. Das Beratungshilfesystem soll auch dann nicht die Einholung einer zweiten Meinung oder Fortsetzung der Beratung in der selben Angelegenheit ermöglichen, wenn für die erste Beratung dem Beratungshilfesystem keine Kosten entstanden sind.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 7 BerHG, so auch Landgericht Lüneburg, Beschluss vom 07.12.2007, 9 T 118/07 und OLG Celle, Beschluss vom 08.06.2010 – 2 W 149/10).
A. P a u l i s c h
Direktor des Amtsgerichts
Beschluss – anonymisiert -
18 II 210/16 und 18 II 518/16
03.01.2017
In der Beratungshilfesache
J. K.
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Z
- Antragstellerin -
hat das Amtsgericht Winsen/Luhe – Beratungshilfegericht – durch den Direktor des Amtsgerichts Winsen(Luhe) A.Paulisch am 03.01.2017 beschlossen:
Die Erinnerung vom 09.11.2016 gegen den Beschluss vom 24.10.2016, durch den die der Antragstellerin zum Zeichen 18 II 210/16 am 04.05.2016 bewilligte Beratungshilfe auch bezüglich der zu 18 II 518/16 und dem dortigen Antragsgegenstand ergangenen Feststellung, dass dieser von der erfolgten Bewilligung umfasst wird, aufgehoben worden ist, wird zurückgewiesen.
Gründe:
Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses hat der Rechtspfleger ausgeführt [sic]:
Am 04.05.2016 wurde unter 18 II 210/16 der Antragstellerin Beratungshilfe für die Angelegenheit finanzieller Fragen im Zusammenhang mit Trennung/Scheidung, insb. Unterhalt bewilligt. Mit Beschluss vom 16.08.2016 zu 18 II 518/16 wurde auf den dort eingegangenen Antrag vom 09.08.2016 hin festgestellt, dass von dieser Bewilligung auch der Antragsgegenstand Lohnsteuerbescheid 2015 ggü. dem Ehemann umfasst ist.
Nachträglich hat sich ergeben, dass die Voraussetzungen zur Bewilligung von Beratungshilfe zum Zeitpunkt der Bewilligung und der Feststellungsentscheidung nicht vorgelegen haben.
Konkret war die Antragstellerin – wie sich erst nunmehr nachträglich aus dem Verfahren 20 C 660/16 bereits seit 05.01.2016 wegen der finanziellen Fragen im Zusammenhang mit Trennung/Scheidung wahlanwaltlich beraten gewesen, und zwar durch Rechtsanwalt B.. Zudem soll die Antragstellerin diesem ggü. geäußert haben, dass eine Rechtsschutzversicherung in der Angelegenheit besteht.
Beratungshilfe dient der finanziellen Unterstützung einer ERSTEN anwaltlichen Hilfe in einer Angelegenheit. Beratungshilfe dient nicht dazu die Kosten eines zweiten Rechtsanwaltes zu tragen. Dabei ist es ohne Belang, ob der erste Rechtsanwalt bereits im Rahmen von Beratungshilfe oder noch auf eigene Rechnung des Mandanten tätig war.
Beratungshilfe wird als Sozialleistung im Bereich der Rechtshilfe nur auf Antrag gewährt. Selbst demjenigen Rechtssuchenden der sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt, steht es frei zu wählen, ob er Beratungshilfe beantragt oder ein Wahlmandat erteilt.
Entscheidet er sich für ein Wahlmandat – warum auch immer – dann verbleibt ihm nicht die Möglichkeit dieses später in ein Beratungshilfemandat umzuwandeln und auch nicht die Möglichkeit, quasi als „Guthaben“, im Anschluss an ein Wahlmandet noch ein Beratungshilfemandat in der Angelegenheit bei einem anderen Rechtsanwalt nachzuschieben.
Durch Beratungshilfe sollen wirtschaftlich schwächere Bürger den wirtschaftlich stärkeren angeglichen aber nicht besser gestellt werden.
Wesentlich für eine Beratungshilfebewilligung ist daher gerade auch im Fall der nachträglichen Antragstellung daher, dass der Rechtsuchende sich von Anfang an WEGEN Beratungshilfe an den Rechtsanwalt wendet. Beratungshilfe dient nicht dazu Vergütungsansprüche des Wahlanwaltes abzusichern, wenn sich ggf. herausstellt, dass der Wahlmandant die Wahlanwaltskosten nicht tragen kann.
Eine nachträgliche Umwandlung eines Wahlmandates in ein Beratungshilfemandat ist ausgeschlossen
Insoweit hat sich durch die Reform des Beratungshilferechts nichts an der grundsätzlichen Konzeption geändert.
Die dazu angehörte Antragstellerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 13.10.2016 die bereits im Januar 2016 begonnene wahlanwaltliche Beratung durch Rechtsanwalt B. bestätigt.
Demgegenüber hatte die Antragstellerin im Antrag erklärt erstmals am 11.04.2016 durch Rechtsanwältin E. beraten/vertreten worden zu sein.
Wäre die Tätigkeit von Rechtsanwalt B. aus Januar 2016 im Moment der Bewilligung bekannt gewesen, wäre Beratungshilfe sogleich versagt worden. Entsprechend ist die erfolgte Bewilligung auch hinsichtlich der unter 18 II 518/16 erfolgten Feststellung schon deshalb nachträglich aufzuheben, denn seit der Bewilligung der Beratungshilfe ist auch nicht mehr als 1 Jahr vergangen.
Die Frage der vorliegenden Rechtschutzversicherung braucht daher nicht weiter verfolgt zu werden.
Hinsichtlich der Vergütungsansprüche der Rechtsanwältin E. wird zugleich darauf hingewiesen, dass deren Vergütungsansprüche gegen die Landeskasse mit der Aufhebung entfallen sind, denn es ist davon auszugehen, dass die Rechtsanwältin über die Vorbefassung von Rechtsanwalt B. in der Angelegenheit bereits bei ihrem Tätigkeitsbeginn informiert war. Entsprechend wird hier derzeit davon ausgegangen, dass die Rechtsanwältin also auch Kenntnis über das Nichtvorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen hatte oder insoweit zumindest grob fahrlässig in Unkenntnis war. Eine Beratungshilfevergütung wäre danach nicht festzusetzen. Über einen dennoch eingereichten Vergütungsantrag ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden.
Soweit die Antragstellerin dagegen einwendet, die wahlanwaltliche Beratung sei durch Rechtsanwalt B. erfolgt, die Beratungshilfe-Beratung sei durch Rechtsanwältin E. erfolgt, so dass nach dem Urteil des OLG Hamm vom 30.04.2015 – 28 U 88/14 – Beratungshilfe für die Beratung durch Rechtsanwältin E. zu bewilligen sei, ist den (außerhalb eines Beratungshilfeverfahrens erfolgten) Ausführungen des OLG Hamm nicht zu folgen.
Tatsache ist, dass Beratungshilfe dann nicht zu gewähren ist, wenn in der Angelegenheit bereits eine Rechtsberatung erfolgt ist und diese entweder länger als 4 Wochen vor Antragstellung zurück liegt oder aber in der Angelegenheit eine Beratung außerhalb des Beratungshilfesystems begonnen worden ist.
Soweit das OLG Hamm meint, das gelte dann nicht, wenn jemand einen Anwaltswechsel vornehme, so überzeugt das nicht. Grundsätzlich diente Beratungshilfe dazu, den „armen“ Bürger nicht schlechter zu stellen, als den nicht armen Bürger; Beratungshilfe dient nicht dazu, ihn besser zu stellen.
Wenn ein Bürger einen Anwalt aufsucht und später gibt es – zum Beispiel wegen anfänglicher oder zwischenzeitlich eingetretener Armut – Probleme mit der Vergütung des Anwalts, dann kann auch nicht innerhalb der 4 Wochen, schon gar nicht später als 4 Wochen, nachträglich Beratungshilfe mit der Begründung beantragt werden, zwar habe eine anwaltliche Beratung bereits stattgefunden, allerdings könne der Bürger seinen Anwalt nicht bezahlen und deswegen solle der Staat einspringen (Amtsgericht St. Wendel, Beschluss vom 23.08.2001, Rechtspfleger 2001, Seite 603; Amtsgericht Konstanz, NJW-RR 2007, 209-211).
Ebenso anerkannt ist es, dass dann, wenn ein Bürger nach Bewilligung von Beratungshilfe sich von einem Anwalt beraten lässt, er jedoch mit dieser Beratung nicht glücklich ist, er nicht unter nochmaliger Beanspruchung von Beratungshilfe sich an einen anderen Anwalt wenden kann. Vielmehr müsste er diesen anderen Anwalt dann selbst vergüten.
Nun mit dem OLG Hamm zu argumentieren, der „arme“ Bürger, der ohne Inanspruchnahme von Beratungshilfe einen Anwalt auf eigene Kosten beauftragt hat, habe ja seinen tatsächlich bestehenden Beratungshilfeanspruch noch nicht ausgenutzt und könne deshalb – nunmehr auf Staatskosten im Rahmen der Beratungshilfe – in selber Angelegenheit einen anderen Anwalt konsultieren, hieße, diesen „armen“ Bürger besser zu stellen, als den nicht armen Bürger, denn dem „armen“ Bürger würde es ermöglicht, eine zweite anwaltliche Meinung einzuholen, ohne dafür bezahlen zu müssen.
Deshalb schließt eine anwaltliche Beratung außerhalb des Beratungshilfesystems eine spätere Gewährung von Beratungshilfe in der selben Angelegenheit grundsätzlich aus (Schoreit/Groß Beratungshilfegesetz, 11. Aufl. 2012, § 1 Rnr. 109 und Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe/Beratungshilfe, 6. Aufl. 2012, Rnr. 958, beides zitiert bei OLG Hamm, Urteil vom 30. April 2015 – I-28 U 88/14, Rn. 88, juris)
Die Argumentation des OLG Hamm würde auch den Grundsatz durchbrechen, dass derjenige, der bereits eine anwaltliche Beratung ohne die Beantragung von Beratungshilfe begonnen hat, für die Fortsetzung der Beratung keine Beratungshilfe beanspruchen kann. Zwar würde das auch nach dem OLG Hamm für eine Beratung beim selben Anwalt weiter gelten. Wenn der Bürger allerdings nicht grundlos den Anwalt wechselt, dann soll dafür angeblich die Beratungshilfe einspringen. Das ist wenig überzeugend. Die Rechtsauffassung des OLG Hamm würde also den Rechtssuchenden „zwingen“, den Anwalt zu wechseln, um z.B. im Fall der Nichtzahlung seiner geschuldeten Anwaltsvergütung doch noch – weitere – anwaltliche Beratung zu erhalten, anstatt z.B. im Wege des Schadensersatzes wegen unterbliebenen Hinweises auf die Möglichkeit der Beratungshilfe von seinem Anwalt eine Fortsetzung der Beratung zu verlangen. Das ist nach hiesiger Auffassung mit dem System der Beratungshilfe nicht vereinbar.
Deshalb gilt im vorliegenden Fall wie auch sonst, dass eine einmal in einer Angelegenheit begonnene Beratung außerhalb des Beratungshilfesystems die Gewährung von Beratungshilfe für die selbe Angelegenheit ausschließt. Das Beratungshilfesystem soll auch dann nicht die Einholung einer zweiten Meinung oder Fortsetzung der Beratung in der selben Angelegenheit ermöglichen, wenn für die erste Beratung dem Beratungshilfesystem keine Kosten entstanden sind.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 7 BerHG, so auch Landgericht Lüneburg, Beschluss vom 07.12.2007, 9 T 118/07 und OLG Celle, Beschluss vom 08.06.2010 – 2 W 149/10).
A. P a u l i s c h
Direktor des Amtsgerichts