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19.12.2016 · IWW-Abrufnummer 190710

Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 19.10.2016 – 13 U 74/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Verkündet am: 19.10.2016

IM NAMEN DES VOLKES

TEILANERKENNTNIS- UND ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

xxx

wegen Mängelbeseitigungskosten

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. O.,
Richterin am Oberlandesgericht F. und
Richterin am Oberlandesgericht Dr. B.

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2016

für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 10.12.2015 - Az.: 7 O 103/12 - in Ziffer 1 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
  1. Gemäß dem Anerkenntnis der Beklagten wird festgestellt, dass die Klage hinsichtlich des Antrags Ziffer 1 der Klageschrift in Höhe von 1.353,63 € und hinsichtlich des Antrags Ziffer 2 der Klageschrift in Höhe von 646,37 € erledigt ist.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.     Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf bis 45.000,00 EUR (43.622,68 € für Antrag 1, ca. 500,00 € für Antrag 2) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldner die Erstattung von Ersatzvornahmekosten sowie zusätzlicher Bauüberwachungs- und Planungskosten infolge angeblich mangelhafter Bauleistungen, die von der Beklagten zu 1) erbracht wurden und deren Überwachung dem Beklagten zu 2) oblag. Auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.

Die Klägerin meint, die angebliche Nachbesserungsbereitschaft der Beklagten zu 1) sei eine bloße Schutzbehauptung. Das Landgericht habe die Aussagen des sachverständigen Zeugen H. ebenso ignoriert wie den Umstand, dass die Klägerin der Beklagten zu 1) mindestens drei- bis viermal Fristen gesetzt gehabt habe, ohne dass etwas geschehen sei. Zusagen habe die Beklagte zu 1) nicht eingehalten oder sofort wieder infrage gestellt. Auch die letzte gesetzte Frist habe die Beklagte zu 1) nicht eingehalten. Obwohl die Bitumendickbeschichtung unstreitig zu dünn gewesen sei, sei der Mangel nicht beseitigt worden. Über dreieinhalb Monate hätten zwar Besprechungen stattgefunden, doch habe die Beklagte zu 1) keine Mängelbeseitigungsarbeiten begonnen. Daher sei, wie auch der Zeuge H. bekundet habe, am 23.07.2010 unmissverständlich klargestellt worden, dass nur noch eine letzte Frist bis zum 28.07.2010 gewährt werde, um endlich zu beginnen und die durchzuführenden Arbeiten zu bestätigen. Es sei abgestimmt gewesen, dass der Auftrag entzogen werde, wenn nicht bis zum 28.07.2010 die Beklagte zu 1) das Mängelbeseitigungskonzept bestätige und die entsprechende Herstellererklärung vorliege. Die am 12.04.2010 gesetzte Frist zum 10.06.2010 sei bereits um einen Monat überschritten gewesen. Daher habe die Klägerin berechtigterweise zur Ersatzvornahme übergehen können. Die im Schreiben vom 09.07.2010 gesetzte Frist sei nicht mehr zu halten gewesen, so dass ein Abwarten oder eine erneute Fristsetzung bloße Förmelei gewesen wäre.

Die Beklagte zu 1) habe innerhalb der gesetzten Frist auch nicht ihre Behauptung belegt, die Fehlstellen im Untergrund, auf dem das Wärmedämmverbundsystem aufgebracht worden sei, seien lediglich Zufallsfunde gewesen. Weitergehende Mängel habe die Beklagte zu 1) über das gesamte erstinstanzliche Verfahren bestritten. Die Annahme einer Nachbesserungsbereitschaft sei daher abwegig. Einer weiteren Nachfristsetzung habe es angesichts der schon erfolgten Fristsetzungen und der ausdrücklichen Verweigerung sowie des sonstigen Verhaltens der Beklagten zu 1) nicht bedurft.

Bezüglich des unstreitig nicht eingebrachten Panzergewebes nehme das Gericht zu Unrecht ein Planungs- und Koordinierungsverschulden der Klägerin an. Ein Verschulden sei insoweit vielmehr dem Beklagten zu 2) anzurechnen. Das Panzergewebe sei ausgehend vom Zweck des Objekts in den stoßgefährdeten Bereichen besonders wichtig und wäre daher besonders überwachungsbedürftig gewesen. Soweit Unsicherheiten darüber bestanden haben sollten, wo das Panzergewebe einzubringen sei, hätten die Beklagten die Leistung nicht einfach weglassen dürfen, sondern hätten Bedenken und Nachträge anzeigen müssen.

Die Begutachtungs- und Beweissicherungskosten seien gerade wegen der Mängel entstanden und unabhängig von der späteren Ersatzvornahme zu erstatten.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts seien die Pflichtverletzungen des Beklagten zu 2) für die geltend gemachten Kosten kausal. Die Beklagte zu 1) habe allenfalls behauptet, dass sie die Mindestschichtdicken nachgebessert hätte. Alle übrigen Mängel habe sie hingegen bestritten, hätte sie folglich auch nicht beseitigt. Ein Verstoß der Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht liege daher nicht vor.
Die Klägerin beantragt:

Unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Zwickau vom 10.12.2015 (Az.: 7 O 103/12)

1. werden die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 43.622,68 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.09.2011 sowie aus weiteren 5.005,30 € seit 01.09.2011 bis 15.06.2012 zu zahlen;

2. wird festgestellt, dass die Klage vom 27.01.2012

a) zu Ziffer 1 in Höhe von 5.005,30 € und
b) zu Ziffer 2 insgesamt

erledigt ist.

Die Beklagten erkennen den Berufungsantrag zu 2.a) in Höhe von 1.353,63 € im Hinblick auf die Begutachtungs- und Beweissicherungskosten sowie den Berufungsantrag zu 2.b) in Höhe von 646,37 € an und beantragen im Übrigen,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten ihrem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen.

Die Beklagten verteidigen im Wesentlichen das angefochtene Urteil. Die Beklagte zu 1) meint, die Voraussetzungen für eine Ersatzvornahme lägen nicht vor. Sie habe mit der Klägerin gemeinsame Verfahrensweisen zur Prüfung der Mängelbehauptungen sowie zur Beseitigung abgestimmt. Entgegen diesen Absprachen habe die Klägerin dann unter Fristsetzung völlig andere Forderungen gestellt und hierauf die Auftragsentziehung gestützt. Sie habe eine Garantieerklärung des Werkstofflieferanten gefordert, auf welche kein Anspruch bestanden habe.

Zu Fehlstellen im Untergrund für die Sockelabdichtung gebe es keine belastbaren Feststellungen. Einen Ausgleichsputz habe das Leistungsverzeichnis der Klägerin nicht vorgesehen. Der Untergrund sei ohne zusätzliche Vorbehandlung für eine Dickbeschichtung geeignet gewesen. Mangelhaft sei die Dickbeschichtung allerdings, weil partiell die erforderlichen Schichtdicken nicht erreicht worden seien. Die von der Beklagten zu 1) angebotene Nachbesserung habe die Klägerin unberechtigt verweigert und noch innerhalb der mindestens bis 13.08.2010 gesetzten Nachbesserungsfrist gekündigt.

Im Wärmedämmverbundsystem seien einzelne Fehlstellen in den Anschlussbereichen festgestellt worden, welche die Beklagte zu 1) abstimmungsgemäß habe beseitigen wollen, womit sie bereits begonnen gehabt habe. Auch insoweit habe eine Mängelbeseitigungsfrist bis mindestens 13.08.2010 gegolten.

Die Klägerin mache Ersatzvornahmekosten auch für Mängel geltend, für die es weder eine Mängelanzeige noch eine Nachfrist mit Kündigungsandrohung gegeben habe. Zudem habe die Klägerin lediglich das Nachbesserungsrecht entzogen, worin keine vollständige Auftragsentziehung zu sehen sei.

Zum Panzergewebe habe es an einer Anweisung gefehlt, wo die Bedarfsposition auszuführen sei. Insoweit mangele es an einer Fristsetzung und Kündigungsandrohung. Zudem handle es sich um klassische Sowiesokosten.

Die Begutachtungs- und Beweissicherungskosten seien nicht unabhängig von der Berechtigung der Ersatzvornahme erstattungsfähig. Es handle sich um Mangelfolgeschäden, die den gleichen Voraussetzungen wie entsprechende Mängelrechte unterlägen. Zudem habe die Klägerin nicht zwischen Begutachtungs-, Beweissicherungs- und Bauüberwachungskosten getrennt. Jedenfalls Letztere seien nur bei berechtigter Ersatzvornahme erstattungsfähig.

Der Beklagte zu 2) hält seine Inanspruchnahme für rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin gehalten gewesen sei, die streitgegenständlichen Mängel durch die Beklagte zu 1) nachbessern zu lassen. Hiermit habe die Beklagte zu 1) bereits begonnen gehabt. Die Klägerin habe der Beklagten zu 1) die Durchführung der Mangelbeseitigung nicht verwehren dürfen, da die angebotene Nachbesserung nicht untauglich gewesen sei. Zudem stelle die Erklärung der Klägerin, die Nachbesserungsarbeiten zu kündigen, keine Kündigung des Vertrags dar, wie sie § 4 Nr. 7, § 8 Nr. 3 VOB/B fordere. Ohnehin sei im Zeitpunkt des Entzugs des Nachbesserungsrechts eine zur Mängelbeseitigung gesetzte Frist nicht abgelaufen gewesen. Zudem sei in dem Schreiben vom 09.07.2010 (Anlage K 11), mit dem eine Beseitigungsfrist zum 16.08.2010 gesetzt worden sei, der Auftragsentzug nicht angedroht worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Auf die Berufung der Klägerin sind die Beklagten ihrem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

Für das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) gilt die VOB/B 2006, da bei der nach dem Vertrag maßgeblichen Angebotsabgabe am 12.10.2009 die VOB/B 2009 noch nicht veröffentlicht war.

1. Die geltend gemachten Ersatzvornahmekosten kann die Klägerin nicht von der Beklagten zu 1) verlangen.

Voraussetzung für den Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten ist eine wirksame Kündigung nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B (vgl. BGH, Urteil vom 20.08.2009 – VII ZR 212/07, Rn. 39, zitiert nach juris). An einer solchen fehlt es hier. Dabei kann dahinstehen, ob das Schreiben vom 30.07.2010 (Anlage K 17) überhaupt eine Auftragsentziehung enthält. Jedenfalls war die Klägerin mangels ordnungsgemäßer Fristsetzung nach § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B nicht berechtigt, den Vertrag zu kündigen.

a) Die Klägerin setzte der Beklagten zu 1) zwar eine Frist, doch war die zuletzt maßgebliche bei Ausspruch der Kündigung am 30.07.2010 noch nicht abgelaufen.

aa) Der Ablauf der mit Schreiben vom 12.04.2010 (Anlage K 4) zum 10.06.2010 gesetzten Frist kann die Kündigung nicht rechtfertigen. Da die Klägerin nach Verstreichen des 10.06.2010 nicht etwa den Vertrag kündigte, sondern mit der Beklagten zu 1) weiter über die Mängelbeseitigung verhandelte und schließlich mit Anwaltsschreiben vom 09.07.2010 (Anlage K 11) die Beseitigung der Mängel bis zum 16.08.2010, die am Wärmedämmverbundsystem bis zum 11.08.2010 verlangte, kann sie sich auf die Fristsetzung vom 12.04.2010 nicht mehr berufen. Sie verhielte sich treuwidrig, wollte sie die Kündigung auf eine Frist stützen, die sie selbst ersichtlich nicht mehr als relevant angesehen und durch eine neue ersetzt hatte (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2003 – VII ZR 93/01, Rn. 26, zitiert nach juris).

bb) Die Forderung im Schreiben des Sachverständigen H. vom 01.07.2010 (Anlage K 9), die Beklagte solle bis zum 05.07.2010 schriftlich ihre Bereitschaft zur Nachbesserung erklären, stellt ebenso wenig eine Fristsetzung im Sinne von § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B dar wie das Verlangen im Anwaltsschreiben vom 09.07.2010 (Anlage K 11), bis 19.07.2010 mit der Beseitigung zu beginnen. Den Anforderungen des § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B wird nicht durch die Aufforderung an den Unternehmer genügt, innerhalb einer Frist die Bereitschaft zur Mangelbeseitigung zu erklären oder diese einzuleiten (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2003 – VII ZR 93/01, Rn. 16; Urteil vom 23.02.2006 – VII ZR 84/05, Rn. 20, zitiert nach juris).

cc) Nichts anderes kann für das Verlangen einer Haftungsübernahme des Dickbeschichtungsherstellers und einer schriftlichen Bestätigung der Abstimmung zum Wärmedämmverbundsystem bis zum 28.07.2010 im Schreiben vom 26.07.2010 (Anlage K 15) gelten, da die Klägerin auf beides keinen Anspruch hatte.

Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz behauptet, in der Besprechung am 23.07.2010 sei zwischen den Vertragsparteien abgesprochen worden, dass der Auftrag entzogen werden solle, wenn die Beklagte zu 1) nicht bis zum 28.07.2010 das Mangelbeseitigungskonzept bestätige und die geforderte Herstellererklärung vorlege, ist dies nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen. Erstinstanzlich hat die Klägerin zwar die Absprache zur Vorlage der Unterlagen vorgetragen, nicht aber, dass eine Auftragsentziehung vereinbart gewesen sei, wenn die Beklagte zu 1) die Unterlagen nicht fristgemäß beibringe. Das Vorbringen ist damit in der Berufungsinstanz neu. Da die Beklagten es bestreiten und Zulassungsgründe nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich sind, hat es unberücksichtigt zu bleiben.

dd) Die Kündigungserklärung vom 30.07.2010 erfolgte vor Ablauf der der Beklagten zu 1) zum 11. bzw. 16.08.2010 gesetzten Frist. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin zur Kündigung nicht berechtigt, da erst mit fruchtlosem Fristablauf das Kündigungsrecht entsteht (BGH, Urteil vom 04.06.1973 – VII ZR 113/71, Rn. 21, zitiert nach juris).

b) Die Fristsetzung war nicht ausnahmsweise entbehrlich.

aa) Einer Fristsetzung bedarf es nicht, wenn diese ersichtlich nicht erfolgversprechend wäre und sich als bloße Förmelei darstellte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftragnehmer die Nachbesserung endgültig und ernsthaft verweigert.

An eine endgültige und ernsthafte Verweigerung sind hohe Anforderungen zu stellen. Allein das Bestreiten der Mängel genügt hierfür nicht, wenn keine weiteren Umstände hinzutreten. Wer ernsthaft Verhandlungen über Streitpunkte anbietet, bringt sein Interesse an der Fortsetzung des Vertrags zum Ausdruck (BGH, Urteil vom 12.01.1993 – X ZR 63/91, Rn. 15, zitiert nach juris).

Die Beklagte zu 1) gab zu keinem Zeitpunkt zu erkennen, zur Nachbesserung nicht bereit zu sein. In ihrem Schreiben vom 13.04.2010 (Anlage K 5) wies sie zwar die Mängelanzeige vom 01.04.2010 vollumfänglich zurück und stellte einen Mangel des Wärmedämmverbundsystems in Abrede. Gleichzeitig machte sie aber ihre Bereitschaft deutlich, insoweit in einem Vororttermin eine Klärung zu versuchen. Zur ordnungsgemäßen Abdichtung im Sockelbereich unterbreitete sie sogar schon einen Vorschlag. Damit gab sie klar zu erkennen, gesprächs- und handlungsbereit zu sein. Tatsächlich nahmen die Parteien sodann Verhandlungen auf und es kam zu mehreren Ortsterminen, in denen das weitere Vorgehen erörtert wurde. Soweit die Beklagte im Schreiben vom 11.05.2010 (Anlage K 7) die am 05.05.2010 vereinbarte lokale Freilegung des Wärmedämmverbundsystems als nicht erforderlich bezeichnete, lag darin nicht etwa die Erklärung, sich nicht an die Vereinbarung halten zu wollen, da sie für den Fall, dass der von der Klägerin beauftragte Sachverständige H. die Öffnung für notwendig halten sollte, um einen Terminvorschlag bat. Sie brachte damit wiederum ihren Willen zum Ausdruck, zu einer einvernehmlichen Lösung beizutragen. Schließlich wurden die Bauteilöffnungen am 30.06.2010 auch vorgenommen. Am 02.07.2010 (Anlage K 10) erklärte die Beklagte zu 1) ihre Absicht, bis zum 20.07.2010 ein Konzept vorzulegen, am 19.07.2010 kündigte sie an, bezüglich des Sockels in der 29. Kalenderwoche mit den Nachbesserungsarbeiten zu beginnen. Am 23.07.2010 gab es eine Besprechung der Vertragsparteien, bei der insbesondere das weitere Vorgehen bezüglich des Wärmedämmverbundsystems abgestimmt wurde. Zwar kamen Meinungsverschiedenheiten darüber auf, ob die von der Beklagten zu 1) beabsichtigten Nacharbeiten am Sockel fachgerecht sind. Dem verschloss sich die Beklagte zu 1) indes nicht, sondern holte eine Stellungnahme des Herstellers der Dickbeschichtung ein. Auch dieses Verhalten machte deutlich, dass sie sich um eine fachgerechte Mängelbeseitigung bemühte. Zudem kündigte sie mit Schreiben vom 28.07.2010 (Anlage K 16) an, am 29.07.2010 mit ersten Arbeiten zur Mängelbeseitigung zu beginnen. Unter diesen Umständen kann eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nachbesserung weder hinsichtlich des Sockels noch hinsichtlich des Wärmedämmverbundsystems festgestellt werden.

Nichts anderes ergibt sich aus der Aussage des vom Landgericht vernommenen Zeugen H.. Vielmehr hat er bestätigt, dass die Beklagte zu 1) grundsätzliche Bereitschaft zur Mängelbeseitigung signalisierte und keine endgültige Ablehnung erkennen ließ.

bb) Das Verhalten der Beklagten zu 1) rechtfertigte keinen derartigen Vertrauensverlust der Klägerin, dass dieser ein Abwarten der gesetzten Frist oder eine Nachbesserung durch die Beklagte zu 1) nicht mehr zuzumuten war.

(1) Die Klägerin konnte nicht erwarten, dass die Beklagte zu 1) vom Hersteller der Dickbeschichtung eine Haftungsübernahme erwirken würde, zu der dieser keinerlei Veranlassung hatte.

(2) Ob die von der Beklagten zu 1) geplante Art der Nachbesserung im Sockelbereich fachgerecht war, kann dahinstehen. Dies wäre nur relevant, wenn sich in der Vorlage eines offensichtlich ungeeigneten Konzepts eine Ablehnung sachgerechter Sanierung durch die Beklagte zu 1) gezeigt hätte (BGH, Urteil vom 27.11.2003 – VII ZR 93/01, Rn. 21, zitiert nach juris). Ihr Verhalten ließ indes nicht erkennen, dass sie den Bedenken der Klägerin unter keinen Umständen Rechnung tragen und sie von ihrem Konzept nicht abrücken werde. War die Beklagte zu 1) aber bereit, sich mit den Einwänden der Klägerin auseinanderzusetzen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie an ihrem möglicherweise untauglichen Nachbesserungskonzept festhalten und deshalb die Mängelbeseitigung bis zum Fristablauf scheitern würde.

(3) Der Umstand, dass die Beklagte zu 1) nicht, wie von der Klägerin mit Schreiben vom 26.07.2010 (Anlage K 15) gefordert, die mit dem Sachverständigen H. abgestimmten Arbeiten am Wärmedämmverbundsystem bestätigte, begründete ebenfalls nicht die Annahme, dass die Beklagte zu 1) ihrer Nachbesserungspflicht nicht ordnungsgemäß nachkommen werde. Tatsächlich teilte sie mit Schreiben vom 28.07.2010 (Anlage K 16) mit, auf eine Stellungnahme des Lieferanten des Wärmedämmverbundsystems zu warten, und kündigte an, am 29.07.2010 mit den Arbeiten im Bereich des Dachanschlusses und der Fensterbankanschlüsse wie vereinbart zu beginnen. Damit bestand für berechtigte Zweifel an ihrer Nachbesserungsbereitschaft kein Anlass.

cc) Der Umstand, dass die Beklagte zu 1) im vorliegenden Verfahren, das erst nach Durchführung der Ersatzvornahme eingeleitet wurde, sämtliche Mängel am Wärmedämmverbundsystem bestreitet, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Kündigung und die Ersatzvornahme waren nur dann berechtigt, wenn damals die Voraussetzungen vorlagen. Allein aus dem jetzigen Prozessverhalten der Beklagten zu 1) lassen sich aber keine Schlüsse auf eine frühere fehlende Nachbesserungsbereitschaft ziehen, nachdem die Vorgänge bis zur Kündigung keine Zweifel daran begründen, dass die Beklagte zu 1) die notwendigen Arbeiten vornehmen wollte.

dd) Die erstmals in der Berufungsinstanz aufgestellte, von den Beklagten bestrittene Behauptung der Klägerin, die mit Schreiben vom 09.07.2010 gesetzte Frist sei nicht mehr zu halten gewesen, so dass es einer Fristsetzung nicht mehr bedurft habe, kann nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigt werden. Das neue Vorbringen ist nicht erstmals durch die Hinweise des Senats vom 13.07.2016 veranlasst worden.

Die Frage, ob die Voraussetzungen für die Kündigung nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B vorlagen, war zwischen den Parteien seit Beginn des Rechtsstreits streitig. Die Klägerin hatte daher schon erstinstanzlich Anlass, sich darauf zu berufen, dass die im Schreiben vom 09.07.2010 gesetzte Frist nicht mehr einzuhalten und deshalb die Kündigung gerechtfertigt gewesen sei. Das Fehlen eines solchen Vortrags beruht nicht auf einem Verfahrensmangel im ersten Rechtszug. Das Landgericht hat keine Veranlassung gehabt, der Klägerin diesbezüglich einen Hinweis nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu erteilen, da nicht erkennbar gewesen ist, dass die Klägerin diesen Gesichtspunkt übersehen oder für unerheblich gehalten hat. Daran ändert nichts, dass weder das Gericht noch die Beklagten im ersten Rechtszug die im Schreiben vom 09.07.2010 gesetzte Frist als relevant angesehen haben. Solange die Klägerin sich nicht darauf berief, dass die im Zeitpunkt der Kündigung nicht abgelaufene Frist nicht mehr einzuhalten gewesen sei, bestand für Gericht und Beklagte kein Anlass, sich mit der Frist auseinanderzusetzen.

2. Ob der Beklagte zu 2) dem Grunde nach wegen mangelhafter Bauüberwachung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 636, 280, 281 BGB schadensersatzpflichtig ist, kann dahinstehen. Die mit der Klage verfolgten Ersatzvornahmekosten kann die Klägerin jedenfalls nach Treu und Glauben nicht erstattet verlangen.

a) Der Schadensersatzanspruch, den der Architekt dem Auftraggeber zu leisten hat, wenn es infolge eines Bauaufsichtsfehlers zu einem Mangel des Bauwerks gekommen ist, kann im Grundsatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten berechnet werden. Der Architekt und der Unternehmer sind im Umfang ihrer Haftung Gesamtschuldner. Dem Auftraggeber steht es grundsätzlich frei, ob er wegen eines Mangels am Bauwerk den Unternehmer oder den Architekten, der seine Aufsichtspflicht verletzt hat, in Anspruch nehmen will (BGH, Urteil vom 26.07.2007 – VII ZR 5/06, Rn. 23, zitiert nach juris).

b) Allerdings kann sich die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners als rechtsmissbräuchlich darstellen. Der Gläubiger darf bei seinem Entschluss, gegen welchen Gesamtschuldner er vorgeht, nicht jede Rücksichtnahme auf den anderen vermissen lassen. Er hat vielmehr seine Rechte nach Treu und Glauben auszuüben, § 242 BGB. So kann der Auftraggeber ausnahmsweise gehindert sein, einen Architekten wegen eines Bauaufsichtsfehlers in Anspruch zu nehmen, wenn und soweit er auf einfachere, insbesondere billigere Weise von dem Unternehmer die Beseitigung des Mangels verlangen kann (BGH, Urteil vom 26.07.2007 – VII ZR 5/06, Rn. 24, zitiert nach juris). Dem Bauherrn ist aber nicht zuzumuten, sich nennenswerten Schwierigkeiten bei Durchsetzung seiner Ansprüche gegen den Unternehmer auszusetzen, um den ihm ebenfalls haftenden Architekten zu schonen. Ergeben sich solche Schwierigkeiten, so wird es dem Besteller regelmäßig unbenommen sein, sich ohne Einschränkung alsbald an den Architekten zu halten. Das gilt insbesondere, wenn der Bauherr nur durch einen Prozess gegen den Unternehmer zu seinem Recht kommen könnte (BGH, Urteil vom 02.05.1963 – VII ZR 171/61, Rn. 37, zitiert nach juris).

c) Nach dieser Maßgabe ist die Klägerin nach Treu und Glauben gehindert, die Kosten der Ersatzvornahme gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend zu machen. Durch die unberechtigte Auftragsentziehung gegenüber der Beklagten zu 1), die ihre Bereitschaft zur Nachbesserung gezeigt hatte, unterband sie eine einfachere und billigere Beseitigung der Mängel, die sie ohne unzumutbare Schwierigkeiten hätte erlangen können. Wenn sie nunmehr den Beklagten zu 2) wegen des Schadens in Anspruch nehmen will, dessen Ersatz sie von der Beklagten zu 1) aufgrund ihres eigenen Vorgehens nicht mehr verlangen kann, ist dies treuwidrig.

Dies gilt auch bezüglich des fehlenden Panzergewebes, das die Beklagte zu 1) nach dem Bauvertrag an stoßgefährdeten Stellen einzubauen hatte. Sofern es, wie die Klägerin behauptet und die Beklagten in Abrede stellen, stoßgefährdete Bereiche gab, ist der fehlende Einbau von Panzergewebe eine mangelhafte Leistung der Beklagten zu 1), die sie verschuldensunabhängig hätte nachbessern müssen. Die Klägerin räumte der Beklagten zu 1) indes nicht einmal die Möglichkeit ein, den angeblichen Mangel zu beheben, der vor der unberechtigten Ersatzvornahme nie gerügt wurde. Damit begab sie sich der einfachen Möglichkeit, die Beseitigung des Fehlers von der Beklagten zu 1) zu erlangen. Für eine mangelnde Bereitschaft der Beklagten zu 1) zur Nachbesserung bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Insbesondere ist der Umstand, dass die Beklagte zu 1) im vorliegenden Rechtsstreit ihre Pflicht, Panzergewebe einzubauen, bestreitet, nicht ausreichend, um Schlüsse auf ihr Verhalten für den Fall einer Rüge des Mangels vor der Auftragsentziehung zu ziehen. Die Klägerin muss sich daher entgegenhalten lassen, dass sie durch ihr Vorgehen die einfachere und billigere Mangelbeseitigung durch die Beklagte zu 1) treuwidrig vereitelte und deshalb den Beklagten zu 2) nicht wegen der Ersatzvornahmekosten bezüglich des Panzergewebes in Anspruch nehmen darf.

3. Im Hinblick auf die Kosten für Begutachtung und Beweissicherung in Höhe von 1.353,63 € ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen, nachdem die Beklagten den entsprechenden Klageantrag anerkannt haben. Gleiches gilt für vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 646,37 €.

Darüber hinaus ist der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz weiterer vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie von Bauüberwachungs- und Planungskosten entstanden. Letztere sind allein durch die unberechtigte Ersatzvornahme veranlasst und damit nicht von den Beklagten zu verantworten. Vorgerichtliche Anwaltskosten sind allenfalls aus einem Streitwert von 1.353,63 € (Begutachtungs- und Beweissicherungskosten) erstattungsfähig, da der Klägerin ein darüber hinausgehender Hauptanspruch nicht zustand. Aus diesem Gegenstandswert betragen die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten 186,24 €. Ein höherer Anspruch als von den Beklagten mit 646,37 € anerkannt steht der Klägerin damit nicht zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711, § 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

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