08.12.2016 · IWW-Abrufnummer 190467
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 07.07.2016 – 11 Sa 1782/15
Anwendung des Gesamtsozialplans aus 2003 (GSP 2003) aus Gründen des Vertrauensschutzes zugunsten eines Arbeitnehmers, der zwar nach dem 31.12.2010 und damit im zeitlichen Geltungsbereich des Gesamtsozialplans 2010 (GSP 2010) aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, der aber die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bereits im März 2010 und damit vor Vereinbarung des GSP 2010 am 02.12.2010 erhalten hatte.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Herne vom 18.11.2015 - 1 Ca 1154/15 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung des Zuschusses zum Anpassungsgeld nach einem Gesamtsozialplan für die Monate April 2011 bis Juni 2015 (51 Monate x 23,92 €).
Am 01.08.1980 begann der 1961 geborene Kläger bei der Beklagten eine Ausbildung zum Elektroanlageninstallateur auf dem Bergwerk Q. Zuletzt war er dort als Aufsichtshauer in der Lohngruppe 13 tätig. Die Beklagte hält aufgrund gesetzlicher Bestimmungen eine Grubenwehr vor. In dieser war auch der Kläger in der Funktion als Grubenwehrmann tätig.
Der von der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen, welche Bestandteil des Unternehmens der Beklagten ist, aufgestellte Plan für das Grubenrettungswesen beinhaltet unter Anderem folgende Regelungen:
3 Grubenwehrmitgliedschaft
3.1 Aufnahme in die Grubenwehr
Der Beitritt zur Grubenwehr ist freiwillig. Bewerbungen und Aufnahme werden an den Oberführer gerichtet. In der Grubenwehr werden als Wehrmänner nur Personen aufgenommen, die
-mindestens 18 und höchstens 40 Jahre alt sind
- unmittelbar vor der Aufnahme mindestens ein Jahr unter Tage gearbeitet haben
- nach ärztlicher Bescheinigung für den Dienst in der Grubenwehr geeignet sind
- gemäß Abschnitt 4.1 des Plans ausgebildet sind.
Nach Abschluss der Grundausbildung sind die Anwärter mit der Eintragung in die Mitgliederkartei in die Grubenwehr aufgenommen. Als Eintrittsdatum gilt dann der Tag der ersten Einstundenübung. Bei der Aufnahme wird ihnen der Plan für das Grubenrettungswesen ausgehändigt, dessen Empfang sie durch Unterschrift bestätigen. Aus den "Pflichten der Grubenwehrmitglieder" (Kap.5) ergibt sich die für Grubenwehrmitglieder verbindliche Dienstanweisung. (...)
4.4 Nachschulung
4.4.1 Nachschulung der Oberführer, Truppführer und Wehrmänner
4.4.1.1 Allgemeines
Die praktische Nachschulung der Grubenwehrführer und Wehrmänner erfolgt in Übungsschichten und/oder in Übungen außerhalb der Schichtzeit. Die Übungen werden möglichst gleichmäßig über das Jahr verteilt.
4.4.1.2 Übungen
Grubenwehrführer und Wehrmänner verfahren jährlich mindestens fünf Übungen mit Sauerstoffschutzgeräten. (...)
Der Grubenwehr steht ein Übungsraum zur Verfügung, in dem bei erhöhter Temperatur und Sichtbehinderung (Rauch/Nebel) besondere Übungsaufgaben durchgeführt werden. (...)
Die Übungen finden unter Aufsicht eines Oberführers oder eines von ihm beauftragten Truppführers statt. (...)
Folgende Übungen mit Atemschutzübungen sind vorgeschrieben: (...)
-Sonstige Übungen
Bei den übrigen zweistündigen und vierstündigen Übungen im Übungsraum oder unter Tage werden je nach Bedarf und Ausbildungsauftrag auch andere grubenwehrbezogene Tätigkeiten (...) durchgeführt.
Übungen über die volle Gebrauchszeit des Atemschutzgerätes (sog. 4-Stunden-Übungen) werden grundsätzlich innerhalb der Arbeitszeit verfahren.
(...)
5 Pflichten der Grubenwehrmitglieder
5.1 Grubenwehrmitglieder
Jedes Grubenwehrmitglied hat sich auf Eignung für den Dienst in der Grubenwehr untersuchen zu lassen.
Die Grubenwehrmitglieder sind verpflichtet, vor Übungen und Einsätzen dem Truppführer bzw. dem Oberführer zu melden, wenn sie sich körperlich nicht voll leistungsfähig fühlen. Das Grubenwehrmitglied hat den Oberführer über Krankheiten und Unfälle zu unterrichten, die eine wesentliche Beeinträchtigung für den Dienst in der Grubenwehr verursachen können. Das Grubenwehrmitglied hat dafür Sorge zu tragen, dass es den Anforderungen der Übungen und Einsätze durch ausreichende Kondition gewachsen ist. In den vom Oberführer bestimmten Abständen - jedoch mindestens zweimal im Jahr- hat sich das Grubenwehrmitglied unter Aufsicht einer Konditionsprüfung zu unterziehen (...).
Die Mitglieder der Grubenwehr leisten bei der Ausbildung und im Einsatz den Anweisungen des Oberführers und des von ihm beauftragten Grubenwehrführers Folge.
Sie nehmen an den Übungen, Ausbildungen und Unterweisungen (Kapitel 4) planmäßig teil.
(...).
Für Tätigkeiten bei Grubenwehrübungen außerhalb der Schichtzeit erhielt der Kläger im Referenzzeitraum April 2009 bis März 2010 insgesamt 478,43 € brutto (Einzelbeträge Bl. 63 GA).
Unter dem 25. Juni 2003 vereinbarten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat der E AG einen Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm der E AG (GSP 2003). Dieser Sozialplan sah vor, dass Arbeitnehmer, die aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und Anspruch auf die Gewährung von Anpassungsgeld nach den jeweils gültigen Richtlinien über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohle Bergbaus des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie haben, u.a. von der Beklagten einen Zuschuss zum Anpassungsgeld erhalten sollten, wenn das Anpassungsgeld ein Garantieeinkommen nicht erreicht. Das Garantieeinkommen wurde in § 2 Ziffer 7 Absatz 3 des Gesamtsozialplan wie folgt definiert:
Am 04.02.2010 wurde zwischen dem Kläger und der Personalsachbearbeiterin der Beklagten, Frau M, ein Gespräch über dessen Teilnahme an Transferkurzarbeit geführt. In diesem erklärte er grundsätzlich sein Einverständnis zum 31.03.2011 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Mit Schreiben vom 09.03.2010 (Bl.65 GA), welches dem Kläger im März 2010 zuging, sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Kündigung zum 31.03.2011 aus. Diese hat unter Anderem folgenden Inhalt:
Sie werden nach dem Ausscheiden Anpassungsgeld nach den Richtlinien der Bundesregierung über die Gewährung von Anpassungsgeld des Steinkohlebergbaus beziehen. Wir werden Ihnen bei der Antragstellung behilflich sein und Sie rechtzeitig über die Einzelheiten informieren.
Darüber hinaus gewähren wird Ihnen betriebliche Leistungen nach Maßgabe des Gesamtsozialplanes zum Anpassungsprogramm der E AG in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens."
Ab April 2010 bis März 2011 befand sich der Kläger in Kurzarbeit.
Unter dem 27. Mai 2010 unterzeichneten die Parteien des Gesamtsozialplans eine "Protokollnotiz VII zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25.06.2003". Darin erklärten sie u.a., dass die Vertragsparteien bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplanes davon ausgegangen seien, dass bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens gem. § 2 Ziffer 7 Absatz 3 des GPS bestimmte Lohn- und Gehaltsarten, u.a. die Zulage "1015 Grubenwehr-Übung außerh." nicht zu berücksichtigen seien.
Unter dem 02. Dezember 2010 vereinbarten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat eine Änderungsvereinbarung zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25. Juni 2003 (GSP 2010, Bl. 30 ff GA). Hierin heißt es u.a. wörtlich:
...
1. § 2 Ziffer 7 ("Zuschuss zum Anpassungsgeld") Absatz 3 des Gesamtsozialplans wird wie folgt neu gefasst:
Unter dem 06. März 2012 schlossen der Gesamtbetriebsrat der Beklagten sowie die Betriebsräte der einzelnen Bergwerke mit der Beklagten einen Gesamtsozialplan zur sozialverträglichen Beendigung des Deutschen Steinkohlebergbaus zum 31.12.2018 ab (GSP 2012). Nach Ziffer 2.1 GSP 2012 werden von dessen Geltungsbereich die Arbeitnehmer erfasst, die ab dem 01.04.2012 von unternehmerischen Maßnahmen betroffen sind. Auch dieser Gesamtsozialplan sah unter Ziffer 3 die Zahlung eines Zuschusses an Anpassungsgeld berechtigter Arbeitnehmer zur Erreichung eines Garantieeinkommens vor:
Die im GSP 2010 und im GSP 2012 in Bezug genommenen Bestimmungen im MTV (Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus gültig ab 1. Januar 1990 Stand April 2009) lauten (Bl. 35, 36 GA):
Seit dem 01.04.2011 befindet sich der Kläger in der sogenannten Anpassung und bezieht seitdem Anpassungsgeld, welches von dem Bundesamt für Außenwirtschaft (BAFA) gezahlt wird. Rechnerisch unstreitig (Bl. 62, 63, 181 GA) erhöht sich der dem Kläger geschuldete Zuschuss um monatlich 23,92 €, wenn die Zahlungen für Grubenwehrtätigkeiten außerhalb der Schichtzeit bei der Ermittlung des Garantieinkommens nach dem GSP eibezogen werden (Berechnung und ihre Grundlagen: Bl. 62, 63 GA).
Die Klage ist am 30.06.2014 bei dem Arbeitsgericht eingegangen. Der Kläger hat zunächst einen Differenzbetrag in Höhe von monatlich 21,91 € ab dem Monat April 2011 für 38 Monate verlangt und hat seine Forderung sodann im weiteren Verlauf auf 23,92 € monatlich erhöht sowie auf die Monate bis Juni 2015 erweitert.
Der Kläger hat vorgetragen, dass in § 2 Ziffer 7 GSP 2003 die Zahlung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld geregelt sei. Bei der bisherigen Berechnung sei offensichtlich der Betrag, der für die Teilnahme an Übungen für Grubenwehreinsätze gezahlt werden, nicht berücksichtigt worden. Diese Beträge unterlägen der vollen Sozialabgabenpflicht. Da es sich bei diesen Zahlungen auch nicht um Einmal- oder Mehrarbeitsvergütungen handele, seien diese Beträge bei der Berechnung des Bruttomonatseinkommens für das Garantieeinkommen zu berücksichtigen. Die Bezüge für diese Zeiten seien auch nach dem GSP 2010 dem Garantieeinkommen zuzurechnen. Darüber hinaus habe er bei dem am 04.02.2010 stattgefundenen Gespräch ausdrücklich gefragt, was mit seinen Grubenwehrzeiten sei. Frau M habe ihm erklärt, es sei nur eine vorläufige Berechnung. So genau wisse sie auch nicht Bescheid, was mit den Grubenwehrzeiten sei. Wenn ihm die Grubenwehrzeiten zustehen würden, würden diese auch in die Berechnung des Zuschusses zum Anpassungsgeld mit einfließen. Darauf habe er sich verlassen und darauf gewartet, dass noch Geld hinzukommen würde. Er habe die vielen anhängigen Verfahren hinsichtlich der Berechnung des Anpassungsgeldes von seinen Grubenwehrkollegen, die vor ihm ausgeschieden gewesen seien, gekannt. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass einige Kollegen gewonnen hätten. Er habe jedoch gewusst, dass im Bereich des Zuschusses zum Anpassungsgeld eine Falschberechnung habe vorliegen können, da die Gerichte in den laufenden Verfahren positive Urteile bereits gesprochen hätten. Hierauf habe er Frau M in seinem Abkehrgespräch angesprochen. Frau M habe ihm inhaltlich eingehend geantwortet, dass wenn es solche Urteile gäbe, auch diese Zahlungen sicherlich berücksichtigt würden. Da die Beratung vor dem 02.12.2010 stattgefunden habe, gehe er davon aus, dass die nach seinem Abkehrgespräch erfolgte Rechtsänderung nicht mehr nachträglich in seinen sozialen Besitzstand eingreifen könne.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger keinen Anspruch darauf habe, dass das Garantieeinkommen unter Einbeziehung auch derjenigen Beträge gebildet werde, die er für Übungen als freiwilliges Mitglied der Grubenwehr erhalten habe. Der Kläger habe nicht die Funktion eines Hauptgerätewarts ausgeübt. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.10.2013 sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Sie habe kein Direktions- und Weisungsrecht, wonach Arbeitnehmer arbeitsvertraglich dazu verpflichtet werden könnten, Übungen durchzuführen. Davon abgesehen finde zudem für den Kläger die Änderungsvereinbarung zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25.06.2003 Anwendung (GSP 2010). Danach gehöre die Zulage für Grubenwehrübungen außerhalb der Arbeitszeiten nicht zum Garantieeinkommen im Sinne der hier maßgeblichen Bestimmungen des Gesamtsozialplanes. Ein Anspruch auf Zahlung eines bestimmten Zuschusses zum Anpassungsgeld sei erst dann entstanden, als der Kläger aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis bei ihr ausgeschieden sei und das BAFA dem Kläger einen endgültigen Bescheid über die Gewährung des Anpassungsgeldes erteilt habe. Dies sei vorliegend erst am 27.10.2011 der Fall gewesen. Vorher könne kein Anspruch entstanden sein, da Voraussetzung hierfür in der Tat sei, dass das Arbeitsverhältnis infolge einer Stilllegungs- und Rationalisierungsmaßnahme beendet worden sei und durch das BAFA dem Kläger nach entsprechender Prüfung ein Bescheid über den Bezug von Anpassungsgeld erteilt werde. Bereits aus dem Kündigungsschreiben vom 09.03.2010 gehe hervor, dass dem Kläger nicht zugesagt worden sei, dass auf ihn der alte Sozialplan in der Ursprungsfassung Anwendung fände (GSP 2003). Auch aus den Ausführungen des Klägers ergäbe sich nicht, dass ihm Frau M anlässlich des Gesprächs vom 04.02.2010 verbindlich zugesichert habe, dass er die Zulagen für die Grubenwehrübungen bei der Ermittlung des Garantieeinkommens berücksichtigt würden. Die Schilderungen des Klägers hierzu seien nicht zutreffend. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers sei auch unglaubwürdig, da ihm ebenso wie anderen Mitarbeitern bekannt gewesen sei, dass sie bei der Ermittlung des Garantieeinkommens die Vergütung für die Teilnahme der Grubenwehrübungen außerhalb der Arbeitszeit nicht berücksichtige. Dies sei langjährig geübte Praxis bei ihr; schon seit ihrer Gründung im Jahre 1969 sei entsprechend verfahren worden. Schon im Hinblick auf das Musterverfahren "Brandau" habe der Kläger nicht ernsthaft darauf vertrauen oder davon ausgehen könne, dass abweichend von der jahrelangen Praxis Beträge für die Teilnahme an Grubenwehrübungen außerhalb der Arbeitszeit bei der Ermittlung des Garantieeinkommens Berücksichtigung finden würden. Die Betriebsparteien hätten zudem ihren gemeinsamen Willen der bei Abschluss des Gesamtsozialplanes vom 25.06.2003 vorhanden gewesen sei, im Rahmen der Protokollnotiz vom 27.05.2010 nochmals verdeutlicht. Letztendlich habe das BAG den Sachverhalt ["Brandau"] erst Ende des Jahres 2013 entschieden. Da am 04.02.2010 aufgrund ihrer Anpassungsgeldvoranfrage nur die die Mitteilung der KBS vom 07.102009 vorgelegen habe, wonach unter Berücksichtigung der bis zum 31.12.2008 erfassten rentenrechtlichen Zeiten der Kläger ein voraussichtliches Anpassungsgeld in Höhe von 1.296,32 € brutto monatlich erhalten könne, habe sie dem Kläger zum damaligen Zeitpunkt auch noch keine verbindliche Zusage über die Höhe eines betrieblichen Zuschusses zum Anpassungsgeld erteilen können. Anhand der ihm mitgeteilten Daten über die voraussichtliche Höhe seines Kurzarbeiterentgelts und der ihm aufgrund seiner ihm vorliegenden Abrechnungen bekannten Daten über seine monatlichen Einkünfte habe er zudem ohne Weiteres erkennen können, dass es erhebliche Diskrepanzen gegeben habe. Sofern seitens des Klägers diesbezüglich eine Unsicherheit bestanden haben sollte, wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, dieses abschließend zu klären, bevor er letztendlich die Kündigung akzeptiert habe.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 18.11.2015 verurteilt, an den Kläger 1.219,92 € brutto nebst den geforderten Zinsen ab dem 03.08.2015 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger könne für April 2011 bis einschließlich Juni 2015 - und damit für 51 Monate und nicht wie vom Kläger angegeben für 54 Monate - einen weiteren Zuschuss von monatlich 23,92 € nach § 2 S.1, 2 Ziff. 7 GSP 2003 beanspruchen. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien auch die für die Grubenwehrtätigkeiten gezahlten Zulagen in die Berechnung des Garantieeinkommens einzubeziehen. Die Zulagen seien sozialversicherungspflichtig, es handele sich nicht um Einmalzahlungen oder Mehrarbeitsvergütung. Der GSP 2003 sei für den Kläger nicht durch den GSP 2010 in Wegfall geraten. Zwar gelte bei aufeinanderfolgenden Betriebsvereinbarungen grundsätzlich das Ablöseprinzip. Zu berücksichtigen sei allerdings, dass in Ansprüche, die bereits auf der Grundlage des aufgehobenen Sozialplans entstanden seien, durch die neuen Regelungen nicht zu Lasten des Arbeitnehmers eingegriffen werden könne. Die Regelung des GSP 2010 stelle sich als unzulässiger Eingriff in rechtlich geschützte Positionen des Klägers dar. Zwar habe das Arbeitsverhältnis des Klägers erst zum 31.03.2011 geendet. Die Kündigung sei dem Kläger jedoch bereits im März 2010 zugegangen. Die Klagefrist nach § 4 KSchG sei mithin spätestens am 21.04.2010 abgelaufen und damit weit vor der Änderung des GSP vom 02.12.2010 (GSP 2010). Für den Kläger habe dann keine Möglichkeit mehr bestanden, auf eine für ihn nachteilige Änderung des GSP zu reagieren. Mit einer rückwirkenden Verschlechterung habe der Kläger nicht rechnen müssen. Nach Allem sei die Grubenwehrzulage "außerhalb" bei Berechnung des Bruttoeinkommens einzubeziehen. Damit ergebe sich ein Anspruch auf einen weiteren monatlichen Zuschuss in der zwischen den Parteien unstreitigen Höhe von 23,92 €. Es errechne sich der ausgeurteilte Gesamtbetrag von 1,219,92 €. Zinsen schulde die Beklagte nach §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Das Urteil ist der Beklagten am 23.11.2015 zugestellt worden. Die Beklagte hat am 07.12.2015 Berufung eingelegt und die Berufung nach Fristverlängerung bis zum 07.03.2016 am 07.03.2016 begründet.
Die Beklagte wendet ein, entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts könne der Kläger keinen weiteren Zuschuss beanspruchen. Das Urteil des BAG vom 15.10.2013 betreffe - anders als hier - einen hauptamtlichen Hauptgerätewart. Die Mitglieder der Grubenwehr seien freiwillig Mitglieder der Wehr. Sie seien außerhalb ihrer vertraglichen Arbeitsaufgabe und Arbeitszeit für die Grubenwehr tätig. In ihrer ehrenamtlichen Funktion unterstünden sie keinem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht. Nicht richtig sei, dass eine Weisung existiert habe, die Grubenwehrmitglieder nicht innerhalb ihrer normalen Arbeitszeit zu Übungen heranzuziehen. Der zuständige Oberführer entscheide darüber weisungsfrei nach eigenem Ermessen. Der Kläger sei am 04.02.2010 und am 13.02.2011 betrieblich beraten worden. Dabei sei ihm klar gewesen, dass die strittigen Zulagen nicht einbezogen würden. Die Berechnung des Garantieeinkommens sei dem Kläger erläutert worden. Der Kläger habe gewusst, dass sie die hier strittigen Vergütungsbestandteile zu keiner Zeit zur Berechnung des Zuschusses zum Anpassungsgeld herangezogen habe. Der Kläger habe in die Anpassung gehen wollen. Nur deshalb habe er die Kündigung erhalten. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht den GSP 2003 zugrunde gelegt. Eine unzulässige Rückwirkung (durch den GSP 2010) liege nicht vor. Es werde durch den GSP 2010 nicht in eine "bestehende" Rechtsposition des Klägers eingegriffen. Bei Zugang der Kündigung sei nicht sicher, ob und in welcher Höhe Anpassungsgeld gezahlt werde. In der Beratung und im Kündigungsschreiben sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass der im Zeitpunkt des Ausscheidens gültige GSP maßgeblich sei. Bei Zugang der Kündigung habe der Kläger keine Anwartschaft sondern lediglich eine Aussicht auf einen bestimmten Zuschussbetrag gehabt. Ein Anspruch des Klägers auf Zuschuss zum Anpassungsgeld sei erst nach Vereinbarung des GSP 2010 mit seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis entstanden. Auf jeden Fall sei die Änderung verhältnismäßig. Angesichts der bekannten jahrelangen Praxis sei kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers begründet gewesen. Nach der Regelung im GSP 2010 wie auch im GSP 2012 bestehe ein Anspruch auf weiteren Zuschuss nicht. Es komme nach dem GSP 2010 wie nach dem GSP 2012 auf das Einkommen gemäß §§ 41 Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 2 MTV an. Nur die dort benannten Komponenten seien berücksichtigungsfähig. Selbst wenn man den alten GSP 2003 anwende sei die Klage unbegründet. Das Arbeitsgericht habe den GSP 2003 falsch ausgelegt. Grubenwehrtätigkeit sei nicht Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien. Durch die freiwillige Aufnahme in die Grubenwehr seien keine (arbeits-)vertraglichen Pflichten begründet worden. Es handele sich um ein Rechtsverhältnis sui generis. Ihr habe kein Direktionsrecht für freiwillig Mitglieder der Grubenwehr zugestanden. Die Vergütung sei kein Indiz für das Bestehen eines Arbeitsvertrags. Auch für andere freiwillige und ehrenamtliche Tätigkeiten würden sehr wohl Aufwandsentschädigungen gezahlt. Wegen der weiteren diesbezüglichen Argumentation der Beklagten zum GSP 2003 wird auf S. 19 ff der Berufungsbegründung verwiesen (Bl. 197 ff GA).
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Unstreitig seien Vergütungen für Grubenwehrtätigkeiten innerhalb der Schichtzeit bei Berechnung des Garantieeinkommens berücksichtigt worden. Auch bei Übungen außerhalb der Schichtzeit ändere sich der Status des Grubenwehrmitglieds nicht. Aus Kapitel 5 des Plans für das Grubenrettungswesen ergäben sich für die Wehrmitglieder verbindliche Dienstanweisungen. Die Entscheidung des BAG vom 15.10.2013 habe das Arbeitsgericht zutreffend auf den vorliegenden Fall angewandt. Zutreffend habe das Arbeitsgericht ausgeführt, dass kein Fall der Einschränkungen nach dem GSP 2003 hier einschlägig sei. Zutreffend habe das Arbeitsgericht einen unzulässigen Eingriff in seine - des Klägers - rechtlich geschützte Position erkannt. Spätestens seit April 2010 sei er entsprechend schutzwürdig gewesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs.2, Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
Die Berufung der Beklagten bleibt jedoch ohne Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Anspruch nach den Regeln des GSP 2003 geprüft und bejaht (1). Dem steht nicht entgegen, dass die modifizierten Regeln des GSP 2010 nach dessen Nummer 5 am 01.01.2011 in Kraft getreten ist und der GSP 2003 nach Nummer 7 GSP 2010 (nur) für Arbeitnehmer weiter gilt, die bis zum 31.12.2010 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind (oder innerhalb der S Aktiengesellschaft versetzt worden sind). Obwohl der Kläger erst am 31.03.2011 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, ist sein Vertrauen auf die im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung allein existierenden Regeln des GSP 2003 zu schützen (2.).
1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, dass sich für den Kläger auf der Grundlage des GSP 2003 für die streitgegenständlichen Monate April 2011 bis Juni 2015 ein Anspruch auf einen weiteren Zuschussbetrag von 1.219,76 € ergibt. Für diese 51 Monate ergibt sich auf der Grundlage der unstrittig gebliebenen Berechnungen (Bl. 62, 63, 181 GA) ein um monatlich 23,92 € höherer Zuschuss, weil die im Referenzzeitraum für Grubenwehrtätigkeiten außerhalb der Schichtzeit angefallenen Bezüge entgegen der Rechtsansicht der Beklagten in das Garantieeinkommen nach dem GSP 2003 einzubeziehen sind.
Der Anspruch hat seine Grundlage in § 2 Nr. 7 GSP 2003. Danach hat die Beklagte dem Kläger einen Zuschuss zum Anpassungsgeld zu zahlen, wenn das Anpassungsgeld das Garantieeinkommen nicht erreicht. Das Garantieeinkommen beträgt dabei 60 % des Bruttoeinkommens, maximal 60 % der einschlägigen rentenversicherungsrechtlichen Bemessungsgrenze. Für die Ermittlung des Bruttomonatseinkommens ist das Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate des Arbeitsverhältnisses zugrundezulegen. Nicht einzubeziehen sind Einmalzahlungen und Mehrarbeitsgrundvergütungen sowie Lohn- und Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld ist mit einem monatlichen Anteil von 1/12 zu berücksichtigen. Entgegen der Argumentation der Beklagten gehören die Bezüge, die der Kläger für Grubenwehreinsätze außerhalb der Schichtzeit erhalten hat, zum Entgelt der letzten 12 Monate, das der Ermittlung des Garantieeinkommens nach § 2 Nr. 7 (3) GSP 2003 zugrunde zu legen ist. Bei der Berechnung des Garantieeinkommens nach dieser Maßgabe schuldet die Beklagte dem Kläger für die hier behandelten 51 Monate eine weitere Zahlung in dem vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Umfang (51 Monate x 23,92 € = 1.219,76 €).
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten sind in das maßgebliche Garantieeinkommen die Bruttozahlungen einzubeziehen, die sie dem Kläger im Referenzzeitraum für Grubenwehrübungen außerhalb der regulären Schichtzeit gezahlt hat. Diesem Ergebnis steht die Protokollnotiz VII vom 27.05.2010 nicht entgegen.
aa) Die erkennende Kammer hatte in ihrem Urteil vom 22.03.2012 im Fall eines anderen Arbeitnehmers der Beklagten, eines Hauptgerätewarts, den gegenteiligen Standpunkt eingenommen (LAG Hamm 22.03.2012 - 11 Sa 1634/10 - ). Die Kammer hatte argumentiert, aus dem Gesamtsozialplan vom 25.06.2003 i.V.m. der Protokollnotiz VII vom 27.05.2010 folge, dass die Bezüge für die Teilnahme an Grubenwehrübungen außerhalb der Schichtzeit nicht in das Garantieeinkommen einzurechnen seien. Ausweislich der Protokollnotiz sei dies bei Verabschiedung des Gesamtsozialplans 2003 das gemeinsame Verständnis der Betriebsparteien gewesen. Es habe eine Fallgestaltung vorgelegen, in der Unklarheiten und Regelungslücken in einer Betriebsvereinbarung auch rückwirkend durch eine authentische Interpretation der Betriebsparteien durch eine Protokollnotiz hätten beseitigt werden können. Die dafür erforderlichen Unklarheiten seien darin begründet, dass die Betriebsparteien die Mehrarbeitsgrundvergütung und damit sozialversicherungspflichtige Bezüge, die ebenfalls für Leistungen "außerhalb der Schichtzeit" gezahlt würden, ausdrücklich aus dem Garantieeinkommen ausgenommen hätten.
Dieser Argumentation ist das Bundesarbeitsgericht entgegengetreten (
BAG 15.10.2013 - 1 AZR 544/12 - AP BetrVG § 112 Nr. 223 LS [voller Wortlaut nur in AP Online-Fassung]). Es hat entschieden, dass die einem hauptamtlichen Hauptgerätewart gezahlte Grubenwehrzulage (außerhalb der Schichtzeit) bei der Berechnung der Höhe des Zuschusses zum Anpassungsgeld nach dem Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm der E AG vom 25. Juni 2003 (GSP 2003) zu berücksichtigen ist. Nach der Regelungssystematik des Gesamtsozialplans ist die Grubenwehrzulage Entgelt, das bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens einzubeziehen ist (BAG aaO). Sie ist sozialversicherungspflichtiges Entgelt, das weder eine Einmalzahlung noch eine Mehrarbeitsvergütung darstellt. Dieses Ergebnis entspricht, so das BAG weiter, auch dem Regelungszweck des Sozialplans, den in den Regelungen festgelegten sozialen Besitzstand zu sichern, der sich nach der Höhe des Entgelts richtet, das der Arbeitnehmer als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen erhalten hat. Die Protokollnotiz VII vom 27. Mai 2010 steht diesem Ergebnis nicht entgegen (BAG aaO). Bei der Protokollnotiz handelt es sich nicht um eine eigenständige normative Regelung sondern lediglich um eine Auslegungshilfe (BAG aaO). Das in der Protokollnotiz zum Ausdruck gebrachte abweichende Verständnis der Betriebsparteien hat im Gesamtsozialplan keinen hinreichenden Niederschlag gefunden und kann deshalb bei dessen Auslegung nicht berücksichtigt werden (BAG aaO). Betriebsvereinbarungen sind objektiv auszulegen. Entscheidend ist, wie die Normunterworfenen und die Gerichte eine Regelung zu verstehen haben. Der subjektive Regelungswillen der Betriebsparteien kann nur Berücksichtigung finden, soweit er in der betreffenden Regelung erkennbaren Ausdruck gefunden hat. Daran fehlt es hier.
Die Kammer folgt nunmehr diesem Auslegungsergebnis des BAG.
bb) Für den so begründeten Anspruch ist es nicht entscheidungserheblich, dass der hiesige Kläger - anders als der Kläger des Urteils des BAG vom 15.10.2013 - nicht hauptamtlicher Hauptgerätewart für die Grubenwehr war (ebenso LAG Düsseldorf 01.06.2015 - 9 Sa 1146/14 -). Denn sowohl bei der "hauptamtlichen" Übertragung als auch bei der "freiwilligen" Übernahme von Grubenwehrtätigkeiten handelt es sich um die Übernahme einer Tätigkeit, zu der die Beklagte aufgrund gesetzlicher Regelung verpflichtet ist (LAG Düsseldorf aaO unter 2. b) [zweites 2.b)/Gliederungspunkt doppelt vergeben]). Die Beklagte hat sich entschieden, die Verpflichtung zur Grubenwehr mit eigenem Personal auszuführen, und übt ihre Befugnisse durch einige hauptamtlich zur Grubenwehr bestellte Mitglieder und durch freiwillige Mitglieder aus. Durch die Vorgaben im Plan für das Grubenrettungswesen und die Regelungen zur Bezahlung bei Einsätzen in der Grubenwehr nach der Vorstandsrichtlinie DSK VR 02/07 und die entsprechende tatsächliche Handhabung sind die Parteien dieses Rechtsstreits durch schlüssiges Verhalten übereingekommen, dass der Kläger mit Tätigwerden für die Grubenwehr eine Tätigkeit ausübt, die für die Zeit ihrer Verrichtung an die Stelle der sonstigen vertraglichen Arbeitstätigkeit tritt. Mit der Aufnahme eines Arbeitnehmers in die Grubenwehr tritt die damit verbundene Tätigkeit für die Dauer der Mitgliedschaft zur (bisher) vertraglich geschuldeten Tätigkeit hinzu und wird Teil der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung (in diesem Sinne auch BAG 30.09.2015 - 10 AZR 251/14 - AP BGB § 611 Nr. 25 Rn. 13, 17 in der ähnlich gelagerten Konstellation einer Bediensteten des Landes NW, die mit ihrer Zustimmung zur Sozialen Ansprechpartnerin (SAP) bestellt worden war). In diesem Zusammenhang ist es nicht von Bedeutung, dass der Eintritt in die Grubenwehr auf einem freien Willensentschluss des Klägers beruht. Dies ist auch bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Arbeitsvertrages so, ohne dass deshalb der Bezahlung für die anschließend verrichtete weisungsgebundene Tätigkeit die Qualifikation als Arbeitsentgelt abzusprechen wäre. Bei der Tätigkeit für die Grubenwehr war es auch nicht so, dass der Kläger insoweit weisungsungebunden tätig geworden wäre. In 3.1 des von der Beklagten aufgestellten Plans für das Grubenrettungswesens ist ausdrücklich festgelegt, dass die unter der Überschrift "Pflichten der Grubenwehrmitglieder" (Kap. 5) festgelegten Regeln als verbindliche Dienstanweisung zu verstehen sind ("Aus den 'Pflichten der Grubenwehrmitglieder' (Kap.5) ergibt sich die für die Grubenwehrmitglieder verbindliche Dienstanweisung"). Entsprechend den benannten Vorgaben ist dem Kläger über die Jahre seiner Zugehörigkeit zur Grubenwehr für Grubenwehrtätigkeiten innerhalb der Schicht undifferenziert das reguläre vertragliche Entgelt durchgezahlt worden. Die so deutlich gewordene einvernehmliche Qualifizierung der Grubenwehrtätigkeit als Erfüllung der Arbeitsvertragspflicht kann einem Teil der Grubenwehrtätigkeiten dann nicht allein deshalb wieder abgesprochen werden, weil sie gelegentlich auch außerhalb der regulären Schichtzeit absolviert worden ist. Die von den Grubenwehrmitgliedern außerhalb der Schicht verdienten sozialversicherungspflichtigen Zahlungen der Beklagten sind ebenso wie die innerhalb der Schicht verdienten sozialversicherungspflichtigen Zahlungen Teil des bisherigen Entgelts und damit Teil des sozialen Besitzstandes des Arbeitnehmers, der durch die Garantiezahlung nach dem GSP abgesichert werden soll. Dies gilt für alle Mitglieder der Grubenwehr in gleicher Weise und unabhängig davon, ob sie in ihrer sonstigen vertraglichen Tätigkeit etwa als Hauer, Aufsichtshauer, Kolonnenführer im Maschinenbetrieb, Elektroanlageninstallateur o. a. tätig waren oder als Hauptgerätewart für die Grubenwehr. Nachdem die Bezahlung der Grubenwehrübungen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich wie geschehen praktiziert worden ist, kann die Beklagte wegen der Treuwidrigkeit widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) nun nicht mit dem Einwand gehört werden, anlässlich der Aufnahme des Klägers in die Grubenwehr sei eine schriftliche Vertragsänderung vorzunehmen gewesen. Ob durch die Förmlichkeiten der Aufnahme in die Grubenwehr die Schriftform gewahrt ist, kann dahingestellt bleiben. Die tarifvertragliche Verfallfrist steht dem Erfolg der Klage nicht entgegen. Es handelt sich bei dem Anspruch auf Zuschuss zum Anpassungsgeld nicht um einen Anspruch i.S.d. § 20 TV ABA.
b) Die Höhe der ausgeurteilten Nachzahlung beruht auf Berechnungen des Klägers und ist in der Höhe zwischen den Parteien unstreitig. Die ausgeurteilte Verzinsung der nachzuzahlenden Beträge schuldet die Beklagte nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 247 BGB.
2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Anspruch des Klägers nach dem GSP 2003 und nicht nach dem GSP 2010 geprüft.
Aus Gründen des Vertrauensschutzes bestimmt sich der Anspruch des Klägers auf den betrieblichen Zuschuss zum Anpassungsgeld nach den Regeln des GSP 2003, obwohl das Ausscheiden des Klägers nach dem Wortlaut des GSP 2010 dem zeitlichen Geltungsbereich des GSP 2010 unterfällt (s.o.).
Im Ausgangspunkt zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass für die Geltung zweier zeitlich aufeinanderfolgender Betriebsvereinbarungen grundsätzlich das Ablösungsprinzip gilt, die jüngere Norm geht der älteren vor (
BAG 23.01.2008 - 1 AZR 988/06 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 40 mwN). Zugleich ist indes anerkannt, dass eine ablösende Betriebsvereinbarung den Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten muss und dagegen verstoßende Regelungen in nachfolgenden Betriebsvereinbarungen/Sozialplänen unwirksam sind (BAG aaO; GK-BetrVG-Kreutz, 10. Aufl. 2014, § 77 BetrVG Rn. 211 - 213; Fitting, BetrVG 28.Aufl. 2016, § 77 BetrVG Rn. 192 - 194). Wirkt eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen ein und entwertet damit nachträglich die betroffene Rechtsbeziehung, so liegt eine sog. unechte Rückwirkung vor. Sie ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Grenzen der Zulässigkeit können sich allerdings aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips ergeben (BAG aaO). Dies ist dann der Fall, wenn die vom Normgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Normzwecks nicht geeignet oder nicht erforderlich ist, oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Änderungsgründe für die Neuregelung überwiegen (BAG aaO; BAG 02.10.2007 - 1 AZR 815/06 - EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 20
).
Hier hat der Kläger im Frühjahr 2010 über seine Rechtsposition aus dem Arbeitsverhältnis disponiert, indem er sich nach betrieblicher Beratung für die Hinnahme einer am 09.03.2010 erklärten betriebsbedingten Kündigung entschieden hat und davon abgesehen hat, diese innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG mit einer Kündigungsschutzklage anzugreifen. Nach der unbestritten gebliebenen Darstellung der Beklagten ist es überhaupt nur deshalb zur Kündigung gekommen, weil der Kläger vor dem 09.03.2010 den Willen geäußert hatte, "in die Anpassung" zu gehen. Bei dieser zeitlichen Abfolge war spätestens mit Ablauf des 21.04.2010 eine Situation gegeben, in der das vom Kläger selbst veranlasste Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zum 31.03.2011 für ihn einseitig nicht mehr umkehrbar war. Der Kläger hatte keine Möglichkeit mehr, allein kraft eigener Entscheidung aus dem Weg in die Anpassung auszuscheren. Vor diesem Hintergrund stellt sich die erst im Dezember 2010 erfolgte Änderung der Regelungen zur Berechnung des Garantieeinkommens durch den neuen GSP 2010 als eine unechte Rückwirkung dar. Die Änderung schmälert nachwirkend den Anspruch auf Zuschuss zum Anpassungsgeld, wie er für den Kläger im Zeitpunkt seiner Disposition im ersten Halbjahr 2010 aufgrund der seinerzeit geltenden Sozialplanregelung absehbar war (nach GSP 2010 und GSP 2012 - anders als beim GSP 2003 (s.o.) - keine Berücksichtigung der Bezüge für Grubenwehrübungen außerhalb der Schichtzeit bei der Berechnung des Garantieeinkommens zur Bestimmung des betrieblichen Zuschusses, vgl. Urteile der erkennenden Kammer vom 10.09.2015 - 11 Sa 198/15 - und vom 18.02.2016 - 11 Sa 452/15 - für die insoweit gleichlautenden Regelungen im GSP 2010 und im GSP 2012). In der gegebenen Situation überwiegt das Bestandsinteresse der Klägers zugunsten der Rechtslage, auf deren Basis er sich seinerzeit für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit anschließender Anpassung entschieden hatte, das gegenläufige Interesse der Beklagten an einer Begrenzung ihrer finanziellen Aufwendungen für die betrieblichen Zuschüsse zum Anpassungsgeld. Die Höhe des Zuschusses zum betrieblichen Anpassungsgeld ist für den Kläger in besonderer Weise bedeutsam, weil der Monatsbezug aus Rente, Anpassungsgeld und Zuschuss seine materielle Existenzgrundlage innerhalb des fünfjährigen Anpassungszeitraums ausmacht. Gegenüber der daraus resultierenden besonderen Schutzwürdigkeit tritt das von der Beklagten verfolgte Ziel der Eingrenzung ihrer wirtschaftlichen Belastung durch Zuschusszahlungen zurück; der Vertrauensschutz betrifft im Ergebnis nur die begrenzte Gruppe von Mitarbeitern, bei denen einerseits der GSP 2003 wegen besonderer Bezüge neben den Bezügen nach § 41 Abs. 1 MTV zu einem höheren Garantieeinkommen führt als GSP 2010 und GSP 2012 und die andererseits vor der Änderungsvereinbarung vom 02.12.2010 (GSP 2010) zugunsten der Anpassung disponiert haben und erst nach dem 31.12.2010 aus ihrem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind; betroffen ist nur ein bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern und das auch nur für einen begrenzten Zeitraum des Übergangs. Der dem Kläger zuzubilligende Vertrauensschutz hängt nicht davon ab, welche - zutreffenden oder unzutreffenden - Vorstellungen der Kläger und / oder die Beklagte im ersten Halbjahr 2010 zum Regelungsgehalt des GSP 2003 hegten und in den beiden Beratungsgesprächen artikuliert haben. Geschützt wird das Vertrauen auf die Maßgeblichkeit der seinerzeit objektiv bestehenden Rechtslage. Aus den aufgezeigten Gründen können die Regeln des GSP 2010 im (Übergangs-)Fall des Klägers keine Anwendung finden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.