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23.11.2016 · IWW-Abrufnummer 190064

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 20.09.2016 – 12 Sa 161/16

§ 16 Abs. 2 Satz 2TVöD Bund i. d. F. des Änderungstarifvertrags Nr. 10 vom 01.04.2014 ist wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Freizügigkeitsgebot des Art. 45 AEUV sowie Art. 7 der "Wanderarbeitnehmer-Verordnung" (EUV Nr. 492/2011) teilweise nichtig, soweit lediglich Beschäftigungszeiten aus einem früheren Arbeitsverhältnis "zum Bund" für die Einstufung Berücksichtigung finden sollen.

(Anschluss an EuGH, Urteil vom 05.12.2013, C-514/12 , "Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH")

Da die in Art. 7 Abs. 4 EUV Nr. 492/2011 ausdrücklich angeordnete Rechtsfolge der teilweisen Nichtigkeit der Norm für und gegen jedermann wirkt, kann sich auch ein klagender Arbeitnehmer hierauf berufen, der ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und seine Vorbeschäftigungszeit ausschließlich im Inland absolviert hat (entgegen LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.10.2015, 5 Sa 660/15 u. a.; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2016, 1 Sa 17/15 ; LAG Niedersachsen, Urteil vom 11.02.2016, 6 Sa 421/15 E ; alle jeweils zur teilweise parallelen Problematik des § 16 Abs. 2 TV-L).


Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.12.2015 zu Aktenzeichen12 Ca 4585/15 aufgehoben.


2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.602,51 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (16.07.2015) zu zahlen.


3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.


4. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche aus ihrem beendeten Arbeitsverhältnis, die aus unterschiedlichen Auffassungen zur Stufenzuordnung nach dem TVöD (Bund) aufgrund etwaiger Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten resultieren.



Die am 1983 geborene Klägerin hat im Jahr ihr Hochschulstudium zur Diplom-Erziehungswissenschaftlerin abgeschlossen. Alsdann war sie von Dezember 2009 bis Juni 2010 als pädagogische Fachkraft in einer offenen Ganztagsschule der evangelischen Jugendhilfe W tätig. Vom 01.07.2010 bis 14.11.2010 war sie als pädagogische Kraft in der von D und C betriebenen B in W beschäftigt. Alsdann war sie vom 15.11.2010 bis 14.11.2012 aufgrund eines befristeten Vertrages als Diplom-Pädagogin beim privaten Verein S e. V. in dessen Beratungsstelle in B K eingesetzt. Aufgabe des Vereins ist insbesondere die psychosoziale Erstberatung und ggf. auch längerfristige Beratung von Frauen mit Migrationshintergrund, die Opfer von Gewalt geworden sind. Aufgabe der Klägerin war insbesondere die telefonische und persönliche Erstberatung einschließlich der psychischen Stabilisierung der Klientinnen. Wegen der Einzelheiten dieser Tätigkeit wird auf das zur Gerichtsakte gereichte Arbeitszeugnis(Bl. 34 - 37 d. A.) Bezug genommen.



Nach Auslaufen des befristeten Vertrages mit dem S e. V. war die Klägerin zunächst arbeitslos.



Für den Zeitraum 01.04.2013 bis einschließlich 31.03.2015 begründete die Klägerin alsdann mit der hiesigen Beklagten ein befristetes Arbeitsverhältnis, das ebenfalls nicht verlängert wurde. Aufgrund Änderungs-Vereinbarung war sie hierbei ab dem 01.01.2015 teilzeitbeschäftigt mit einem Beschäftigungsanteil von 85 Prozent.



Der Einsatz der Klägerin erfolgte für das von der beklagten B D betriebene B für F und z A mit Sitz in K . Hierbei wurde die Klägerin als telefonische Beraterin für das Projekt "Bundesweites Hilfstelefon - Gewalt gegen Frauen" eingesetzt. Ihre Aufgabe bestand wiederum schwerpunktmäßig in der Krisenintervention und Erstberatung von Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind.



Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TVöD (Bund) Anwendung. Die Beklagte vergütete die Klägerin während des gesamten bestehenden Arbeitsverhältnisses nach Entgeltgruppe 9b, Stufe 2 TVöD. Die Entgeltdifferenz zur Entgeltgruppe 9b, Stufe 3 TVÖD würde für die Klägerin für den gesamten Zeitraum des letzten Jahres des Bestandes des Arbeitsverhältnisses (01.04.2014 bis 31.03.2015) einen Betrag von insgesamt 1.602,51 Euro ausmachen, nämlich neun Monate á 138,50 Euro monatlich für den Zeitraum April bis Dezember 2014 sowie für Januar und Februar 2015 jeweils 117,73 Euro (aufgrund der Arbeitszeitreduzierung) und letztlich für März 2015 nach Tariflohnerhöhung 120,55 Euro.



§ 16 TVöD (Bund) vom 13.09.2005 in der hier anwendbaren Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 10 vom 01.04.2014 enthält auszugsweise folgende Regelung:

"(1) Die Entgeltgruppen 9 bis 15 umfassen fünf Stufen und die Entgeltgruppen 2 bis 8 sechs Stufen. (2) Bei Einstellung in eine der Entgeltgruppen 9 bis 15 werden die Beschäftigten zwingend der Stufe 1 zugeordnet. Etwas anderes gilt nur, wenn eine mindestens einjährige einschlägige Berufserfahrung aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Bund vorliegt; in diesem Fall erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus dem vorherigen Arbeitsverhältnis zum Bund. Protokollnotiz zu Absatz 2 Satz 2: Ein vorheriges Arbeitsverhältnis besteht, wenn zwischen Ende des vorherigen und Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses beim Bund ein Zeitraum von längstens sechs Monaten liegt; bei Wissenschaftlerinnen / Wissenschaftlern ab der Entgeltgruppe 12 verlängert sich der Zeitraum auf längstens zwölf Monate. (3) Bei Einstellung in eine der Entgeltgruppen 2 bis 8 werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügt die/der Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens drei Jahren, erfolgt bei Einstellung nach dem 31. Dezember 2008 in der Regel eine Zuordnung zur Stufe 3. Ansonsten wird die/der Beschäftigte bei entsprechender Berufserfahrung von mindestens einem Jahr der Stufe 2 zugeordnet. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist. Protokollerklärungen zu den Absätzen 2 und 3: 1. Einschlägige Berufserfahrung ist eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechenden Tätigkeit. 2. (...) (3a)Bei Einstellung von Beschäftigten in unmittelbarem Anschluss an ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst(§ 34 Abs. 3 Satz 3 und 4) oder zu einem Arbeitgeber, der einen dem TVöD vergleichbaren Tarifvertrag anwendet, kann die in dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis erworbene Stufe bei der Stufenzuordnung ganz oder teilweise berücksichtigt werden; Absatz 3 Satz 4 bleibt unberücksichtigt. (4)Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe (...) nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):- Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1 - Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2 (...)"



Alsdann bestimmt § 17 Abs. 1 TVöD, dass vom Beginn des Monats, in dem die nächste Stufe erreicht wird, das Tabellenentgelt nach der neuen Stufe gezahlt wird.



§ 34 TVöD regelt die Kündigungsfristen. § 34 Abs. 3 TVöD lautet:

"Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Unberücksichtigt bleibt die Zeit eines Sonderurlaubs (...) Wechseln Beschäftigte zwischen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages umfasst werden, werden die Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber als Beschäftigungszeit anerkannt. Satz 3 gilt entsprechend bei einem Wechsel von einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber."



Demgegenüber enthält § 16 TVöD in seiner nicht für den Bund, sondern für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung eine Regelung, nach der für sämtliche Entgeltgruppen bei einschlägiger Berufserfahrung (gleich bei welchem Arbeitgeber) von mindestens einem Jahr bei Neueinstellung eine Einstufung in Stufe 2 erfolgt, bei einschlägiger Berufserfahrung von mindestens drei Jahren i. d. R. eine Einstufung inStufe 3. Eine Einstufung in höhere Stufen bei Neueinstellung ist nur ausnahmsweise (bei "Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs" sowie bei Einstellung "in unmittelbarem Anschluss an ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst") möglich.



Die Parallelvorschrift in § 16 Abs. 2 des TV-L auf Länderebene lautet (für alle Entgeltgruppen):

"Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise - bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens dreiJahren - in Stufe 3. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist."



Aufgrund eines Rundschreibens des Bundesinnenministeriums vom 06.09.2006 wird den dem BMI unterstellten Behörden ermöglichst, bei Einstellungen zur Deckung des Personalbedarf eigenverantwortlich zu entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang über § 16 TVöD Bund hinausgehend auch einschlägige Vorbeschäftigungszeiten bei privaten Arbeitgebern berücksichtigt werden.



Die Beklagte hat gegenüber der hiesigen Klägerin erklärt, bei ihrer Einstellung sei von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden. Insofern wurde aufgrund der Vorbeschäftigungszeit bei S e. V. der Klägerin bei ihrer Einstellung die der Beklagten innerhalb der Entgeltgruppe 9b die Stufe 2 anstelle lediglich der Stufe 1 zuerkannt.



Die Klägerin hat mit Geltendmachungsschreiben vom 06.07.2014 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH vom 05.12.2013, C 514/12, "Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen S L Betriebs GmbH" eine Eingruppierung in die Stufe 3 der EG 9b erfolglos begehrt.



Sie hat am 26.06.2015, zugestellt am 16.07.2015, beim Arbeitsgericht die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren gerichtlich weiter verfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, sämtliche Vorbeschäftigungszeiten seien einschlägig, so dass sie eigentlich bereits im Jahr 2013 in die Stufe 3 hätte eingestuft werden müssen. Unter Beachtung der tariflichen Ausschlussfristen mache sie ihren Anspruch jedoch erst ab dem 01.04.2014 geltend. Dass die Vorbeschäftigungszeiten nicht beim Bund und auch nicht im öffentlichen Dienst absolviert wurden, sei unschädlich, da die diesbezügliche Einschränkung in § 16 TVöD (Bund) nach der Entscheidung des EuGH vom 05.12.2013 unionsrechtswidrig sei.



Die Klägerin hat beantragt,

1) festzustellen, dass die Vorbeschäftigungszeiten der Klägerin bei anderen Arbeitgebern vom 01.12.2009 bis 30.06.2010, vom 01.07.2010 bis 15.11.2010 und vom 15.11.2010 bis 14.11.2012 als Beschäftigungszeiten im Sinne von § 34 Abs. 3 des TVöD Bund anzuerkennen sind, 2) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.602,51 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie hat darauf verwiesen, dass die Anspruchsvoraussetzungen für eine Einstufung in die Stufe 3 nach dem Wortlaut des TVöD Bund nicht erfüllt sind.



Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.12.2015 die Klage abgewiesen. Den Feststellungsantrag hat es bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig angesehen, da das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet worden war. Den Zahlungsantrag hat es als unbegründet angesehen. Einen Anspruch auf einen weiteren Stufenanstieg in Stufe 3 hätte die Klägerin erst am 01.04.2015 - mithin nach Ende des Arbeitsverhältnisses - gehabt. Einen Anspruch auf einen früheren Stufenaufstieg habe die Klägerin nicht, da nach§ 16 TVöD Bund die von der Klägerin lediglich aufzuweisenden Vorbeschäftigungszeiten in der Privatwirtschaft nicht berücksichtigungsfähig seien. Insofern sei die einschlägige tarifliche Regelung auch wirksam. Aufgrund der andersartigen Strukturen in der Privatwirtschaft sowie einem zulässigen Rückkehranreiz in den öffentlichen Dienst läge eine zulässige Differenzierung vor. Die tarifvertragliche Unterscheidung verstoße weder gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz noch gegen Art. 45 Abs. 2 AEUV. Der Anknüpfungspunkt "einschlägige Berufserfahrung" sei ein legitimer Zweck.



Gegen das ihr am 25.01.2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts vom 15.12.2015 hat die Klägerin am 03.02.2016 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 29.04.2016 - am 26.04.2016 begründet.



Die Klägerin rügt, das Arbeitsgericht habe die Auswirkungen der Entscheidung des EuGH vom 05.12.2013 auf den vorliegenden Sachverhalt verkannt. § 16 TVöD Bund sei "europarechtskonform auszulegen". Es läge auch durch § 16 TVöD Bund eine mittelbare Diskriminierung vor, die geeignet sei, die Arbeitnehmer-Freizügigkeit einzuschränken. Denn für ausländische Unions-Bürger sei im Vergleich zu Inländern die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese bei Einstellung keine einschlägige Berufserfahrung beim konkreten Arbeitgeber Bund aufweisen. Insofern sei auch keine ausreichende sachliche Rechtfertigung für die ausnahmsweise Zulässigkeit einer solchen mittelbaren Diskriminierung gegeben.



Die Klageabweisung bezüglich des Feststellungsantrags wird in Anbetracht der zwischenzeitlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Berufung nicht angegriffen.



Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.12.2015,12 Ca 4585/15, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.602,51 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.



Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.



Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Entscheidung des EuGH vom 05.12.2013 sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, da es an einem Auslandsbezug fehle, da die Klägerin - unstreitig - deutsche Staatsbürgerin ist und bislang lediglich im Inland gearbeitet hat. Jedenfalls verfolge die Differenzierung in § 16 TvÖD Bund ein auch unionsrechtlich legitimes Ziel bzw. zwingende Gründe des Allgemeininteresses, so dass eine etwaige mittelbare Diskriminierung sachlich gerechtfertigt sei. Gerade im öffentlichen Dienst sei wichtig, dass Arbeitnehmer, die die Strukturen ihres Arbeitgebers kennen, eher eine bürgerfreundliche Verwaltung gewährleisten könnten. Die Bindung an den Arbeitgeber und Honorierung von Betriebstreue sowie die Schaffung von Anreizen zur Rückkehr seien zulässige Ziele. Jedenfalls hätten die Tarifvertragsparteien eine etwaige mittelbare Diskriminierung mit der erfolgten Einigung zur Neufassung des TVöD 2016 bereits korrigiert, in dem künftig auch einschlägige Berufserfahrung außerhalb des Bundes und auch außerhalb des öffentlichen Dienstes in der Privatwirtschaft angerechnet wird.



Letztlich sieht die Beklagte nur die Vorbeschäftigungszeit der Beklagten bei S e. V. als einschlägige Berufserfahrung i. S. der tariflichen Vorschriften an, nicht jedoch die weiteren Vorbeschäftigungszeiten der Klägerin bei der offenen Ganztagsschule sowie der Bahnhofsmission.



Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere die Sitzungsprotokolle sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen sowie das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.



I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft, da der Beschwerdewert über 600 Euro liegt. Sie wurde darüber hinaus frist- und formgerecht gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO eingelegt und begründet.



II. Die Berufung ist auch begründet.



Die Klage ist hinsichtlich des in der Berufungsinstanz allein noch streitgegenständlichen Zahlungsantrages vollumfänglich zulässig und begründet.



1) Die zulässige Zahlungsklage ist begründet, da die Klägerin jedenfalls ab dem von ihr lediglich geltend gemachten Zeitpunkt 01.04.2014 einen Anspruch auf eine Einstufung in die Stufe 3 der EG 9b TVöD Bund hat.



Denn jedenfalls ab dem 01.04.2014 kann die Klägerin eine mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung i. S. des § 16 TVöD Bund aufweisen.



Denn insofern ist ihr neben der zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen einjährigen einschlägigen Berufserfahrung in ihrer Tätigkeit bei der Beklagten auch die zweijährige Vorbeschäftigung bei S e. V. anzurechnen.



Auf die zwischen den Parteien streitige Beurteilung, ob ggf. darüber hinaus auch noch weitere Vorbeschäftigungszeiten der Klägerin als einschlägig anzuerkennen wären, kommt es mithin nicht mehr entscheidungserheblich an. Denn die nächsthöhere Stufe 4 wurde unzweifelhaft während der Beschäftigungsdauer des zum 31.03.22015 unstreitig beendeten Arbeitsverhältnisses nicht erreicht und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Für die hier allein streitgegenständliche Einstufung in die Stufe 3 genügt für den allein streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 01.04.2014 die Anrechnung der zweijährigen Vorbeschäftigung bei S .



Diese Vorbeschäftigungszeit bei S ist einschlägig i. S. der tariflichen Vorschriften. Die Klägerin hat telefonische und persönliche Erst- und Folgeberatungen von Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, vorgenommen. Exakt diese Tätigkeit hat sich auch für die Beklagte verrichtet, hier lediglich beschränkt auf die telefonische Beratung. Die Einschlägigkeit der Vorbeschäftigung bei S wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.



Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten und entgegen dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 TVöD Bund ist unschädlich, dass diese Vorbeschäftigungszeit nicht bei der Beklagten und auch nicht im öffentlichen Dienst (§ 16 Abs. 3 a TVÖD), sondern bei einem privaten Verein absolviert wurde. Denn soweit § 16 Abs. 2 TVöD lediglich einschlägige Berufserfahrung aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis bei der Beklagten (Bund) anerkennen will, ist diese Norm nichtig nach Artikel 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 492/2011 (EU) über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union.



Artikel 7 Abs. 4 dieser Verordnung bestimmt, dass alle Bestimmungen in Tarif- oder Einzelarbeitsverträge oder sonstigen Kollektivvereinbarungen betreffend Zugang zur Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeits- und Kündigungsbedingungen von Rechts wegen nichtig sind, soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen.



Dies ist vorliegend in § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD Bund hinsichtlich des Zusatzes der Worte "zum Bund" und der diesbezüglichen Einschränkung der anzuerkennenden Vorbeschäftigungszeiten auf solche beim Arbeitgeber Bund der Fall. Denn hierdurch liegt eine unzulässige mittelbare Diskriminierung von Unionsbürgern aus anderen Mitgliedstaaten vor, die nicht mit Art. 45 AEUV i. V. m. Art. 7 EUV 492/2011 zu vereinbaren ist.



Insofern hat der Europäische Gerichtshof mit seiner grundlegenden Entscheidung vom 05.12.2013 (C-514/12, Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH, [...]) nunmehr entschieden, dass Artikel 45 AEUV und Artikel 7 der Verordnung Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union dahingehend auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegen stehen, nach der die von den Dienstnehmer/-innen einer Gebietskörperschaft ununterbrochen bei ihr zurückgelegten Dienstzeiten bei der Ermittlung des Stichtags für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen in vollem Umfang, andere Dienstzeiten dagegen nur teilweise berücksichtigt werden.



Denn eine solche Regelung sei geeignet, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen, was nach den Art. 45 AEUV und 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 grundsätzlich verboten sei. Denn insofern läge eine mittelbare Diskriminierung vor. Die Regelung wirke sich stärker auf grenzüberschreitend tätige Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer aus. Denn Wanderarbeitnehmer würden durch sie besonders benachteiligt, da sie sehr wahrscheinlich vor Eintritt in den Dienst des im Ausgangsfall des EuGH beklagten L S ihre bisherige Berufserfahrung in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Ö erworben haben. Auch wenn die grenzüberschreitend tätigen Wanderarbeitnehmer im selben Umfang einschlägige Berufserfahrung erworben haben wie ein Arbeitnehmer, der seine Berufslaufbahn bei Dienststellen des L S durchlaufen hat, werden sie dennoch in eine niedrigere Entlohnungsstufe eingruppiert als der Letztgenannte (EuGH 05.12.2013, a. a. O., Rn 28).



Eine solche Regelung sei nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn mit ihr eines der im Vertrag genannten legitimen Ziele verfolgt wird oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Darüber hinaus müsse in einem derartigen Fall ihre Anwendung geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Ziels zu gewährleisten und dürfe nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist.



Hiervon ausgehend hat der EuGH zu der in der Entscheidung vom 05.12.2013 streitgegenständlichen gesetzlichen Regelung im Land Salzburg weiter ausgeführt, dass selbst dann, wenn man unterstellt, dass mit dieser Regelung tatsächlich ein Ziel der Bindung der Dienstnehmer an ihre Arbeitgeber verfolgt würde und nicht auszuschließen wäre, dass ein solches Ziel einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen könnte, angesichts der Merkmale der Regelung die mit ihr verbundene Beeinträchtigung nicht geeignet erscheint, die Verwirklichung dieses Ziels zu gewährleisten, da die dortige (Salzburger) Regelung die Mobilität innerhalb einer Gruppe verschiedener Arbeitgeber gewährleisten und nicht die Treue eines Dienstnehmers gegenüber einem bestimmten Arbeitgeber honorieren soll.



Insofern erweist sich auch die tarifliche Regelung in § 16 Abs. 2 TVöD Bund aus unionsrechtswidrig und nach Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 492/2011 teilweise nichtig.



Denn auch die Regelung in § 16 Abs.2 TVöD stellt eine mittelbare Diskriminierung dar. Zwar knüpft die Regelung unmittelbar nicht an das Merkmal der Staatsangehörigkeit oder der Zugehörigkeit zu einem bestimmten EU-Mitgliedstaat an. Grundsätzlich ist es jedem Unionsbürger unbenommen, ein Arbeitsverhältnis mit dem Bund zu begründen und dann die von § 16 Abs. 2 TVöD Bund verlangte Vorbeschäftigungszeit beim Bund in seiner Erwerbsbiographie aufzuweisen. Allerdings spricht faktisch entsprechend der Argumentation des EuGH in der Entscheidung vom 05.12.2013 einiges dafür, dass die Wahrscheinlichkeit bei einem Inländer höher ist, dass dieser in seiner Erwerbsbiographie Vorbeschäftigungszeiten beim Bund aufweist - dessen Tätigkeitsbereich per definitionem grundsätzlich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist -, als dies bei einem Unionsbürger der Fall ist, dessen Herkunft mit einem anderen Mitgliedstaat verbunden ist. Dieser wird üblicherweise seine bisherigen Berufserfahrungen in einem anderen Mitgliedstaat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erworben haben.



Die unionsrechtlichen Regelungen zur Arbeitnehmer-Freizügigkeit, insbesondere die "Wanderarbeitnehmer-Verordnung" Nr. 492/2011 sollen gerade in dieser Konstellation Hindernisse für grenzüberschreitende Beschäftigung abbauen. Ein solches mittelbares Hindernis zur grenzüberschreitenden Beschäftigung stellt § 16 Abs. 2 TVöD Bund in seiner hier noch streitgegenständlichen bisherigen Fassung dar. Denn dadurch, dass bei einer Neueinstellung Arbeitnehmer, die bisher noch keine Vorbeschäftigungszeit beim Bund aufweisen,- z. T. deutlich - geringer vergütet werden als Arbeitnehmer, die zwar ebenfalls bereits einschlägige Berufserfahrungen erworben haben, diese jedoch nicht beim Arbeitgeber Bund erworben haben, liegt eine Schlechterstellung vor, die geeignet ist, potentielle Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten zu benachteiligen. Denn aufgrund des Umstandes, dass die Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten im Regelfall aufgrund ihrer typischen bisherigen Erwerbsbiographie nicht über Vor-Beschäftigungszeiten beim Bund verfügen, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass diese in Anbetracht der tariflichen Vergütungserwartung ohne Anrechnung einschlägiger Vorbeschäftigungszeiten bereits von einer Bewerbung beim Bund absehen. Bewerben sie sich dennoch und werden eingestellt, erhalten sie aufgrund des Umstandes, dass ihre in einem anderen Mitgliedstaat erworbene einschlägige Vorbeschäftigungszeit nicht beim Bund absolviert wurde, eine geringere Vergütung. Insofern geradezu eine klassische mittelbare Diskriminierung nach der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere der Entscheidung des EuGH vom 05.12.2013, C-514/12, vor.



Diese mittelbare Diskriminierung ist auch nicht ausnahmsweise zulässig.



Nach der o. g. Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 05.12.2013, C- 514/12) wäre eine solche mittelbar diskriminierende Regelung nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn mit ihr eines der im Vertrag (AEUV) genannten legitimen Ziele verfolgt wird oder sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Darüber hinaus muss die Regelung auch geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Ziels zu gewährleisten und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist.



Hiervon ausgehend genügt § 16 Abs. 2 TVöD Bund zwar den Anforderungen der ersten Stufe, da mit dieser Regelung legitime Ziele i. S. des AEUV verfolgt werden und darüber hinaus auch eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses begründbar ist. Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Regelung des § 16 Abs. 2 TVöD scheitert jedoch auf der zweiten Stufe am Erfordernis der Verhältnismäßigkeit. Sie geht unzulässig über das hinaus, was zur Erreichung der Ziele erforderlich wäre.



Im einzelnen:



a) Die besondere Privilegierung der Vorbeschäftigungszeit beim Bund in der hier streitgegenständlichen Fassung des § 16 Abs. 2 TVöD Bund verfolgt legitime Interessen des AEUV.



Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt für alle in diesem Zusammenhang angeführten Gesichtspunkte.



aa) In den bereits im Nachgang zur Entscheidung der EuGH vom 05.12.2013 ergangenen landesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen zur Vereinbarkeit der Parallelregelung in § 16 TV-L mit dem Freizügigkeitsrecht der Union ist hervorgehoben worden, dass es ein unionsrechtlich legitimes Ziel darstelle, die Bindung zu einem bestimmten Arbeitgeber zu honorieren und einen Anreiz für ausscheidende Beschäftigte zu schaffen, zu diesem Arbeitgeber zurückzukehren. Ferner verfolge die tarifliche Regelung das legitime Ziel, die in den Strukturen des Arbeitgebers erworbene Berufserfahrung des Beschäftigten weiter nutzen zu können (so LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.10.2015, 5 Sa 660/15 u. a.). Es stelle hiernach ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik und einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses - insbesondere für einen öffentlichen Arbeitgeber - dar, mit der Gewährung von Vorteilen die Bindung an einen bestimmten Arbeitgeber zu erreichen. Diese Argumente führt auch die Beklagte im hiesigen Rechtsstreit an.



Hierzu ist anzumerken, dass die Honorierung der Betriebstreue grundsätzlich durchaus ein legitimes Ziel darstellen mag, jedoch die streitgegenständliche tarifliche Regelung schon nicht geeignet ist, das Ziel der Betriebstreue zu erreichen. Denn die streitgegenständliche tarifliche Regelung bezüglich der erstmaligen Einstufung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD Bund betrifft allein die Konstellation der "Wiedereinsteiger", also von Mitarbeitern, die früher bereits in den Strukturen des Arbeitgebers beschäftigt waren, zwischendurch allerdings bereits ausgeschieden sind. Aufgrund des Umstandes, dass es sich zwingend bei denjenigen Arbeitnehmern, auf die die hier streitige Regelung allein Anwendung finden kann, um ausgeschiedene Mitarbeiter handeln muss, kann das Ziel der "Bindung" zu einem bestimmten Arbeitgeber oder einer bestimmten Arbeitgebergruppe gerade nicht mehr erreicht werden. Der Mitarbeiter ist bereits ausgeschieden, es geht also nicht mehr um "Bindung", sondern um Neu- bzw. Wieder-Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Insofern geht es gerade nicht darum, dass durch die tarifliche Regelung der Mitarbeiter zu Betriebstreue angehalten werden soll, sondern es geht allein darum, dass frühere Betriebstreue nachträglich belohnt werden soll, obwohl die Betriebstreueerwartung aus dem früheren Arbeitsverhältnis sich letztlich ja gerade nicht realisiert hat, sondern das frühere Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Für eine derartige nachträgliche Belohnung mögen zwar durchaus auch sachliche Gründe sprechen können, eine Rechtfertigung durch "zwingende Gründe des Allgemeininteresses" oder die Verfolgung eines im AEUV genannten legitimen Zwecks vermag die Berufungskammer jedoch insofern nicht zu erkennen.



bb) Soweit die Beklagte einen solchen legitimen Zweck bzw. zwingende Gründe des Allgemeininteresses dadurch ableiten will, dass gerade im öffentlichen Dienst der Arbeitgeber Vorteile daraus zieht, wenn der Arbeitnehmer die Strukturen seines Arbeitgebers kennt (so auch LAG Niedersachsen, Urteil vom 11.02.2016, 6 Sa 421/15 E, [...], Rn 59), vermag auch der diesbezügliche Ansatz nicht zu überzeugen. Auch insofern gilt, dass dies zwar bei einer typisierenden Betrachtung einen sachlichen Grund darstellen mag, dieser jedoch nicht das Gewicht eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses oder eines im AEUV geregelten legitimen Ziels hat.



Denn hierfür sind die Strukturen auch innerhalb des Arbeitgebers "Bund" viel zu unterschiedlich. Der Arbeitgeber "Bund" weist schon allein aufgrund seiner Größe höchst unterschiedliche Strukturen auf. Für die Kammer ist beispielsweise bezogen auf den hiesigen Sachverhalt nicht erkennbar, dass eine Vorbeschäftigungszeit bei der Bundeswehr für die hier konkret streitgegenständliche Tätigkeit der Klägerin in der telefonischen Beratung von Frauen, die Oper körperlicher Gewalt geworden sind, nützlicher sein sollte als ihre Vorbeschäftigungszeit bei einem privaten Verein, bei dem sie bereits in der Vergangenheit nahezu exakt diese Tätigkeit ausgeübt hat.



Weiter erschließt sich der Kammer nicht, unter welchen Gesichtspunkten sich die Strukturen des Arbeitgebers "Bund" von den Strukturen auch anderer Arbeitgeber innerhalb des öffentlichen Dienstes derart stark unterscheiden sollen, dass es gerechtfertigt erscheint, ausschließlich Vorbeschäftigungszeiten beim Arbeitgeber "Bund" vollumfänglich zu berücksichtigen, einschlägige Vorbeschäftigungszeiten auch bei anderen Arbeitgebern innerhalb des öffentlichen Dienstes demgegenüber jedoch vollkommen unberücksichtigt zu lassen.



Derart elementare Strukturunterschiede zwischen beispielsweise der Tätigkeit in einer Bundesbehörde und der Tätigkeit in einer Landesbehörde, die zwingende Gründe des Allgemeininteresses begründen könnten, ausschließlich die Vorbeschäftigung in einer Bundesbehörde vollumfänglich, die Vorbeschäftigung bei einer Landesbehörde demgegenüber jedoch - im Rahmen des § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD Bund - gar nicht zu berücksichtigen, können nicht gesehen werden.



cc) Weiter wird in den zur parallelen Problematik bei § 16 TV-L bislang ergangenen landesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen teilweise angeführt, ein legitimer Zweck der gewählten tariflichen Differenzierung liege darin, dass ansonsten bei uneingeschränkter Anwendung einschlägiger Berufserfahrungszeiten, die bei anderen Arbeitgebern erworben wurden, ein solches Entgeltsystem den Anreiz dafür bieten würde, erst nach längeren Berufsjahren in der Privatwirtschaft in ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst zu wechseln, um dann die nunmehr attraktiv gewordene Vergütung und gleichzeitig die gerade für ältere Arbeitnehmer interessante höhere Arbeitsplatzsicherheit im öffentlichen Dienst zu nutzen (so LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2016, 1 Sa 17/15, [...], Rn 71).



Dies stellt in der Tat auch zur Überzeugung der hiesigen Berufungskammer einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar. Denn das Entgeltsystem für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ist in Anlehnung an das Beamtenverhältnis auf die Konstellation ausgerichtet, dass ein Beschäftigter grundsätzlich sein gesamtes Erwerbsleben in den Strukturen des öffentlichen Dienstes verbringen soll. Diese bringen es mit sich, dass im Regelfall gerade zu Beginn des Erwerbslebens die erzielbare Gesamtvergütung teilweise erheblich unter derjenigen liegt, die ein entsprechend qualifizierter Beschäftigter mit gleicher Qualifikation in der Privatwirtschaft erzielen könnte. Eine Kompensation erfolgt nach dem auf das gesamte Erwerbsleben ausgerichteten Entgeltsystem durch eine gerade später im Erwerbsleben relevant werdende höhere Beschäftigungssicherheit und teilweise auch im Vergleich zur Privatwirtschaft attraktiveren Versorgungssystemen. Insofern stellt diese Ausgangssituation in der Tat einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, um durch Regelungen in einem tariflichen Entgeltsystem gerade zu verhindern, dass ein Beschäftigter seine Erwerbsbiographie darauf ausrichtet, zunächst die Vorteile eines für ihn zu Beginn des Erwerbslebens günstigeren privatwirtschaftlichen Entgeltsystems zu nutzen und dann erst zu einem späteren Zeitpunkt seiner Erwerbsbiographie in den öffentlichen Dienst zu wechseln, um dann wiederum die Vorteile des dortigen Entgeltsystems nutzen zu können.



Die hier streitgegenständliche tarifliche Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD Bund, die danach differenziert bei welchem Vor-Arbeitgeber die einschlägige Berufserfahrung erreicht wurde, ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und dient damit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses.



b) Die streitgegenständliche Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD (in der hier streitgegenständlichen Fassung des 10. Änderungstarifvertrages vom 01.04.2014) ist jedoch nicht erforderlich.



Nach der Entscheidung des EuGH vom 05.12.2013 zur Zulässigkeit einer Regelung ist zusätzlich Eignung zur Verfolgung eines der im AEUV genannten legitimen Ziele bzw. der Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses weiter erforderlich, dass die Regelung nicht über das hinausgeht, was zu seiner Erreichung erforderlich ist.



Hieran fehlt es vorliegend.



Ausgehend von der vorstehenden Herausarbeitung des zwingenden Grundes des Allgemeininteresses genügt zur Erreichung der aufgezeigten zwingenden Gründe des Allgemeinwohls eine Regelung, die verhindert, dass Beschäftigte ihre Erwerbsbiographie darauf ausrichten, zunächst die "Früchte" lukrativierer Entgeltsysteme der Privatwirtschaft zu ernten um dann erst später - unter Anrechnung ihrer Vorbeschäftigung - in den öffentlichen Dienst zu wechseln.



Die streitgegenständliche Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD Bund geht jedoch weit hierüber hinaus, indem sie ausschließlich Vorbeschäftigungszeit beim Arbeitgeber "Bund" honoriert und jegliche andere - auch noch so einschlägige - Vorbeschäftigungszeit unberücksichtigt lässt, auch wenn sie beispielsweise bei einem anderen Arbeitgeber innerhalb des öffentlichen Dienstes absolviert wurde.



Insofern unterscheidet sich die streitgegenständliche Regelung in § 16 TvÖD auch entscheidend von derjenigen in § 16 TV-L.



§ 16 Abs. 2 TVöD sieht insofern eine strikte Differenzierung vor. Vorbeschäftigungszeiten beim Bund werden (sofern sie mindestens ein volles Jahr ausmachen) grundsätzlich uneingeschränkt zu 100 Prozent auf die Stufenzuordnung angerechnet, ggf. ebenso einschlägige Vorbeschäftigungszeiten bei einem anderen Arbeitgeber als dem Bund jedoch grundsätzlich überhaupt nicht. § 16 Abs. 3 a TVöD sieht darüber hinausgehend lediglich noch vor, dass bei einer Einstellung "im unmittelbaren Anschluss an ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst (...) oder zu einem Arbeitgeber, der einen dem TVöD vergleichbaren Tarifvertrag anwendet", die im vorherigen Arbeitsverhältnis erworbene Stufe bei der Stufenzuordnung ganz oder teilweise berücksichtigt werden "kann". Es handelt sich also bei der Regelung in § 16Abs. 3 a TVöD gerade für den betroffenen Arbeitnehmer nicht um einen mit § 16 Abs. 2 TVöD vergleichbaren Rechtsanspruch. Darüber hinaus ist die Anwendungsmöglichkeit der Regelung des § 16 Abs. 3a TVöD auch auf den Anwendungsfall der Begründung des Arbeitsverhältnisses "im unmittelbaren Anschluss" beschränkt.



Eine differenziertere Möglichkeit der Stufenzuordnung sieht demgegenüber die Parallelregelung in § 16 Abs. 2 TV-L vor. Auch hier ist vorgesehen, dass ohne Berufserfahrung die Einstellung regelmäßig in Stufe 1 zu erfolgen hat, einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr "zum selben Arbeitgeber" jedoch vollumfänglich anzurechnen ist. Zusätzlich sieht nunmehr aber noch § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L eine differenzierte Möglichkeit vor, nach der einschlägige Berufserfahrung aus einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber teilweise berücksichtigt wird, nämlich mit einer Einstufung in die Stufe 2 bzw. - bei mindestens drei Jahren einschlägiger Berufserfahrung - in die Stufe 3.



Eine hiermit vergleichbare differenzierte Möglichkeit, nach der dem Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch auch auf eine zumindest teilweise Berücksichtigung einschlägiger Vorbeschäftigungszeiten unabhängig vom jeweils konkreten Vor-Arbeitgeber bei der erstmaligen Einstufung zusteht, sieht § 16 Abs. 2 TVöD Bund für die Entgeltgruppen 9 bis 15 gerade nicht vor. Demgegenüber eröffnet § 16 Abs. 3 für die Entgeltgruppen 2 bis 8 ähnlich wie § 16 TV-L einen Anspruch darauf, bei einschlägiger Berufungserfahrung, gleichgültig bei welchem Arbeitgeber diese erworben wurde, zumindest in Stufe 2 bzw. Stufe 3 eingestuft zu werden. Auch § 16 Abs. 2 TVöD VKA sieht diese Möglichkeit arbeitgeberunabhängig für alle Entgeltgruppen vor.



Bei § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD Bund in der hier streitgegenständlichen Fassung handelt es sich mithin um einen weitgehenden und strikten Ausschluss der Berücksichtigung einschlägiger Vorbeschäftigungszeiten, wenn diese bei einem anderen Arbeitgeber als dem Bund absolviert wurden. Ein derart weitgehender Ausschluss genügt nicht mehr den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die der EuGH in seiner Entscheidung vom 05.12.2013 aufgestellt hat. Die Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD Bund geht über das erforderliche hinaus. Dass auch mildere Mittel zur Erreichung des legitimen Zwecks zumutbar zur Verfügung stehen, zeigen die erörterten Parallelregelungen, etwa in § 16Abs. 2 TV-L und § 16 Abs. 2 TVöD VKA.



In den im Nachgang zur Entscheidung des EuGH vom 05.12.2013 ergangenen landesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen zu § 16 Abs. 2 undAbs. 3 TV-L wird die Vereinbarkeit der dortigen Regelungen mit Unionsrecht unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gerade damit begründet, dass die bei anderen Arbeitgebern erworbenen Berufserfahrungszeiten eben nicht völlig unberücksichtigt bleiben, sondern bis Stufe 3 angerechnet werden (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2016, 1 Sa 17/15, [...], Rn 75/76). Dieses Argument lässt sich auf § 16 Abs. 2 TVöD gerade nicht übertragen.



Eine sachliche Rechtfertigung für einen derart weitgehenden Ausschluss bei den höheren Entgeltgruppen findet sich nicht.



Gerade dadurch, dass § 16 Abs. 2 TVöD Bund in der hier streitgegenständlichen Fassung jegliche, auch absolut einschlägige Berufserfahrung für einen Rechtsanspruch auf eine konkrete Ersteinstufung unberücksichtigt lässt, nur weil sie bei einem anderen Arbeitgeber als dem Bund erworben worden, erweist sich die Regelung als unverhältnismäßig und daher nicht mehr vereinbar mit Art. 45 AEUV sowie Art. 7 EUV Nr. 492/2011.



c) Der Hinweis der Beklagten auf die tarifliche Neuregelung kann nicht zu einer anderen Beurteilung durch das Gericht führen, da entscheidungserheblich allein die Frage der teilweisen Nichtigkeit nach Artikel 7 Abs. 4 EUV Nr. 492/2011 bezogen auf die konkret hier streitgegenständliche Regelung des § 16 Abs. 2 TVöD Bund in der Fassung des 10. Änderungstarifvertrages vom 01.04.2014 ist.



d) Es ist entgegen der Rechtsansicht der Beklagten der Klägerin auch nicht verwehrt, sich vorliegend auf die Unionsrechtswidrigkeit des § 16 Abs. 2 TVöD Bund zu berufen, weil es für den hier streitgegenständlichen Sachverhalt am erforderlichen Auslandsbezug fehle.



In der nach der Entscheidung des EuGH vom 05.12.2013 ergangen landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zur Parallelproblematik in § 16 TV-L ist teilweise vertreten worden, einem deutschen Arbeitnehmer sei es in einem Rechtsstreit mit einem deutschen Arbeitgeber verwehrt, sich auf eine etwaige Unionsrechtswidrigkeit des § 16 TV-L zu berufen, weil es am erforderlichen Auslandsbezug fehle (so LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.10.2015,5 Sa 660/15 u. a.; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2016, 1 Sa 17/15; LAG Niedersachsen, Urteil vom 11.02.2016, 6 Sa 421/15 E, [...], Rn 55; offen gelassen von LAG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2016, 6 Sa 901/15, [...],Rn 81 - 83). Damit sich ein konkret klagender Arbeitnehmer auf das Unionsrecht berufen könne, sei ein grenzüberschreitendes Element erforderlich. Wenn eine Arbeitnehmerin mit ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit ihre bisherigen Beschäftigungszeiten allein im Inland erworben habe, habe sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit bislang nie Gebrauch gemacht. Allein die bloße Möglichkeit, die klagende Arbeitnehmerin könne in Zukunft irgendwann einmal von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, stelle keinen ausreichenden Bezug zum Unionsrecht her (so z. B. ausdrücklich LAG Niedersachsen, Urteil vom 11.02.2016, 6 Sa 421/15 E, [...], Rn 55).



Dieser Ansatz kann nicht geteilt werden.



Da die in Art. 7 Abs. 4 EUV Nr. 492/2011 ausdrücklich angeordnete Rechtsfolge der teilweisen Nichtigkeit der Norm für und gegen jedermann wirkt, kann sich auch ein klagender Arbeitnehmer hierauf berufen, der ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und seine Vorbeschäftigungszeit ausschließlich im Inland absolviert hat



Eine gegen Art. 7 der "Wanderarbeitnehmer-Verordnung" EUV 492/2011 verstoßende Regelung in Kollektivvereinbarungen, also auch in einem Tarifvertrag, ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in Art. 7 der EUV 492/2011 nichtig. Die Nichtigkeit einer Rechtsnorm wirkt für und gegen jedermann. Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit wäre insofern systemfremd. Das deutsche Arbeitsrecht differenziert grds. nicht nach der Staatsangehörigkeit (vgl. BAG, Urteil vom 08.08.1996, 6 AZR 771/93; im Anschluss an EuGH 30.04.1996, C-214/94, Ingrid Boukhalifa ./. Bundesrepublik Deutschland; Schmidt, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Art. 3 Grundgesetz, Rn 71). Rechtsnormen im Arbeitsrecht sind grds. entweder nach objektiven Maßstäben wirksam oder unwirksam, aber sie sind nicht subjektiv für Arbeitnehmer, die über eine bestimmte Staatsangehörigkeit verfügen wirksam und für andere Arbeitnehmer, die nicht über diese Staatsangehörigkeit verfügen, unwirksam.



Eine derartige "staatsangehörigkeitsbezogene Differenzierung" der Wirksamkeit arbeitsrechtlicher Normen ist dem deutschen Arbeitsrecht zu Recht bislang fremd. Eine solche Differenzierung ist auch nicht unionsrechtlich geboten. Vielmehr sieht Art 7 Abs. 4 der EUV 492/2011 im Gegenteil als Rechtsfolge ausdrücklich die Nichtigkeit einer mit der Verordnung unvereinbaren Norm vor. Damit ist die Rechtsfolge eindeutig geregelt. "Nichtigkeit" stellt eine objektive Rechtsfolge war, die für und gegen jedermann wirkt.



Die entgegenstehenden landesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen betonen hingegen, dass Art. 7 Abs. 4 der EUV 492/2011 die Nichtigkeit entgegenstehender Kollektivnormen lediglich als Rechtsfolge vorsieht, "soweit" diese "für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen".



Diese "soweit"-Einschränkung kann sich zur Überzeugung der hiesigen Berufungskammer entgegen den zitierten Entscheidungen des LAG Berlin-Brandenburg, LAG Niedersachsen und LAG Baden-Württemberg nur objektiv auf die jeweilige Norm, aber nicht subjektiv auf den jeweils klagenden Arbeitnehmer beziehen.



Dies folgt bereits aus der in der Verordnung selbst angeordneten Rechtsfolge der Nichtigkeit für die jeweilige Norm. Es ist Aufgabe eines Gerichts, die Vereinbarkeit einer Norm mit höherrangigem Recht zu prüfen. Eine EU-Verordnung stellt - anders als eine noch durch Regelung der einzelnen Mitgliedstaaten umzusetzende Richtlinie - Primärrecht dar, welches unmittelbare - einfach-gesetzliche - Anwendung in den Mitgliedstaaten finden. Entgegen den Ausführungen der Klägerseite stellt sich insofern vorliegend die Frage einer "richtlinienkonformen Auslegung" auch nicht. Eine Tarifnorm, die gegen eine EU-Verordnung oder den AEUV verstößt, ist - insoweit - wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unanwendbar, gleichsam, als wenn sie gegen nationales Gesetzesrecht verstoßen würde. Art. 7 Abs. 4 EUV Nr. 492/2011 sieht über die bloße Unanwendbarkeit im Einzelfall hinausgehend die Rechtsfolge der Nichtigkeit vor, für "alle Bestimmungen in Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen oder sonstigen Kollektivvereinbarungen betreffend Zugang zur Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeits- und Kündigungsbedingungen, (...) soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen".



Anknüpfungspunkt ist dem Wortlaut nach eindeutig die jeweilige "Bestimmung", also die jeweilige Tarifnorm und gerade nicht der jeweilige Arbeitnehmer. Die Tarifnorm, die Arbeitsbedingungen regelt, ist nichtig, soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsieht oder zulässt. Die "soweit"-Einschränkung kann nur dahingehend verstanden werden, dass Rechtsfolge eben nicht zwingend die vollständige Nichtigkeit einer Norm sein soll, sondern dass die Norm nur teilweise nichtig sein soll, "soweit" sie eine entsprechende Diskriminierung zulässt.



Der umgekehrte Ansatz, die "soweit"-Formulierung nicht auf die jeweilige Norm, sondern auf den jeweils konkret klagenden Arbeitnehmer zu beziehen, würde zu einem dem Arbeitsrecht bisher völlig systemfremden Ergebnis führen. Hiernach wäre eine Tarifnorm z. B. für deutsche Staatsangehörige wirksam, für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten jedoch unwirksam. Eine derartige Differenzierung nach Staatsangehörigkeiten steht dem zivilrechtlichen Ansatz des Arbeitsrechts, grundsätzlich unabhängig von einer Staatsangehörigkeit gleichermaßen Anwendung zu finden, diametral entgegen. Eine derart ungewöhnliche Rechtsfolge hätte daher einer deutlicheren Regelung des Verordnungsgebers bedurft. Ohne eine solche ist vom Regelfall auszugehen, wonach die Nichtigkeit einer zivilrechtlichen Norm grundsätzlich alle Rechtsanwender gleichermaßen betrifft, unabhängig von ihrer jeweiligen individuellen Staatsangehörigkeit.



Die Argumentation der entgegenstehenden landesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen knüpft im wesentlichen an die Argumentation in der McCarthy-Entscheidung des EuGH an (EuGH, 3. Kammer, Urteil vom 05.05.2011,C-434/09, [...]). Die dortigen Überlegungen eines öffentlich-rechtlichen Sachverhalts betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels sind jedoch auf das Arbeitsrecht nicht ohne weiteres übertragbar. Dem öffentlichen Recht sind Differenzierungen aufgrund des Differenzierungsmerkmals Staatsangehörigkeit - anders als dem Arbeitsrecht - nicht fremd. Eine unionsrechtlich zulässige "Inländerdiskriminierung" mag damit öffentlich-rechtlich begründbar sein, im Arbeitsrecht würde die Zulässigkeit einer solchen "Inländerdiskriminierung" jedoch einen Paradigmenwechsel darstellen.



Ein solcher ist zur Überzeugung der Berufungskammer aus vorstehenden Erwägungen jedoch gerade nicht geboten. Das auf die jeweilige konkrete Norm und nicht auf den jeweiligen konkreten Arbeitnehmer bezogene Verständnis der "soweit"-Einschränkung in Art. 7 Abs. 4 EUV Nr. 492/2011 führt zu sachgerechten Ergebnissen.



Das normbezogene Verständnis führt dazu, dass § 16 Abs. 2 TVöÖD nicht insgesamt nach Art. 7 Abs. 4 EUV Nr. 492/2011 nichtig ist, sondern lediglich "soweit" diese Norm für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsieht oder zulässt. Ausreichend ist es insofern, die Nichtigkeitsfolge auf die Worte "zum Bund" zu beschränken. Entfällt das Erfordernis, das die erforderliche einschlägige Vorbeschäftigung beim Arbeitgeber Bund absolviert werden muss, verbleibt es bei einem in sich geschlossenen praktisch handhabbaren Entgeltsystem. Insbesondere verbleibt es beim tariflichen Erfordernis der Einschlägigkeit für die anzurechnende Berufserfahrung, dem auch keine unionsrechtlichen Bedenken entgegenstehen.



§ 16 Abs. 2 Satz 2TVöD (Bund) i. d. F. des Änderungstarifvertrags Nr. 10 vom 01.04.2014 ist wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Freizügigkeitsgebot des Art. 45 AEUV sowie Art. 7 der "Wanderarbeitnehmer-Verordnung" (EUV Nr. 492/2011) teilweise nichtig, soweit lediglich Beschäftigungszeiten aus einem früheren Arbeitsverhältnis "zum Bund" für die Einstufung Berücksichtigung finden sollen.



Eine etwaige Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit der Norm widerspräche der in Art. 7 Abs. 4 EUV Nr. 492/2011 ausdrücklich angeordneten nur teilweisen Nichtigkeit entgegenstehender Tarifnormen. Es kann auch nicht gesehen werden, dass eine solche Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit dem mutmaßlichen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien entsprechen würde. Es ist im übrigen auch nicht erkennbar, dass die beklagtenseitig vertretene Differenzierung nach Staatsangehörigkeit bei einer teilweisen Wirksamkeit und teilweisen Unwirksamkeit von Tarifnormen dem mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien entsprechen soll.



d) Hiervon ausgehend war die - unstreitig einschlägige - gesamte Vorbeschäftigungszeit der Klägerin bei S nach § 16 Abs. 2 TvÖD Bund - ohne den nach § 7 Abs. 4 EUV Nr. 492/2011 nichtigen Teil der Vorschrift hinsichtlich des Zusatzes "zum Bund" - anzurechnen, mit der Folge, dass die Klägerin für den hier allein streitgegenständlichen Zeitraum April 2014 bis einschließlich März 2015 in die Entgeltstufe 3 der - ebenfalls unstreitigen - Entgeltgruppe 9 einzugruppieren war. Rechnerisch ergeben sich die nicht verfallenen und in der Berechnung unstreitigen mit der Klage geltend gemachten Zahlungsbeträge.



2) Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288, 291 BGB. Hiernach konnte die Klägerin die beantragten Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes ab Rechtshängigkeit verlangen.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 91 ZPO und i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG. Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Zuvielforderung der Klägerin in der ersten Instanz hinsichtlich des Feststellungsantrages war - bei streitwertmäßig zutreffendem Ansatz der geringen Bedeutung des Feststellungsantrages im inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis - verhältnismäßig geringfügig, so dass eine Kostenbeteiligung der Klägerin insofern nicht angemessen erscheint.



Die Revision war für die Beklagte zuzulassen, da zur streitgegenständlichen Anwendung des Art. 7 Abs. 4 EUV Nr. 492/2011 eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bislang nicht ergangen ist und die hiesige Entscheidung von den zitierten Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.

Vorschriften§ 16 TVöD, § 17 Abs. 1 TVöD, § 34 TVöD, § 34 Abs. 3 TVöD, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, Art. 45 Abs. 2 AEUV, § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 16 Abs. 2 TVöD, Artikel 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 492/2011 (EU), § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD, Art. 45 AEUV, Art. 7 EUV, Artikel 45 AEUV, Artikel 7 der Verordnung Nr. 492/2011, 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011, Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 492/2011, § 16 Abs.2 TVöD, § 16 Abs. 3 a TVöD, § 16Abs. 3 a TVöD, § 16 Abs. 3a TVöD, Artikel 7 Abs. 4 EUV, Art. 7 Abs. 4 EUV, Art. 7 der EUV, Art 7 Abs. 4 der EUV, Art. 7 Abs. 4 der EUV, § 16 Abs. 2 Satz 2TVöD, § 7 Abs. 4 EUV, §§ 288, 291 BGB, § 92 Abs. 2 ZPO, § 91 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG

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