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07.11.2016 · IWW-Abrufnummer 189695

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 06.06.2016 – 9 Sa 9/16


In der Rechtssache
- Beklagte zu 2/Berufungsklägerin -
Proz.-Bev.:
gegen
- Kläger/Berufungsbeklagter -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 9. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Tillmanns, die ehrenamtliche Richterin Dietze und den ehrenamtlichen Richter Happle auf die mündliche Verhandlung vom 06.06.2016
für Recht erkannt:

Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 10.12.2015, Az. 3 Ca 314/15 abgeändert und neu gefasst:


1. Es wird festgestellt, dass das auf die Beklagte (vormalige Beklagte zu 2) übergegangene Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der H. AG (vormalige Beklagte zu 1) vom 26.6.2015 beendet wird.


2. Im Übrigen wird die Klage als unzulässig abgewiesen.


II. Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz trägt der Kläger die Kosten der Beklagten zu 2 und 1/4 der übrigen Kosten; die Beklagte zu 1 trägt ihre eigenen Kosten und 3/4 der übrigen Kosten.


Von den Kosten der Berufung trägt der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4.


III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung beendet worden ist.



Der Kläger war seit dem 1.10.2010 als Vertriebsleiter bei der H. AG (erstinstanzlich Beklagte zu 1) tätig. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.6.2015 unter Wahrung der im Arbeitsvertrag geregelten Kündigungsfrist zum 31.12.2015. Das Kündigungsschutzgesetz findet in betrieblicher Hinsicht unstreitig Anwendung.



Am 1.7.2015 ging der Betrieb der H. AG, in dem der Kläger beschäftigt war, das Kalkwerk in I., bestehend aus einem Steinbruch zur Gewinnung von Kalksteinen und einem Kalkwerk zur Aufbereitung und Weiterverarbeitung des gewonnenen Materials zu Produkten für verschiedene Industriezweige auf die Beklagte (erstinstanzlich Beklagte zu 2) über. Der Betriebsübergang und der damit verbundene Übergang des Arbeitsverhältnisses ist unstreitig.



Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2015, beim Arbeitsgericht per Fax am 15. Juli 2015 - nach dem erfolgten Betriebsübergang - eingegangen, wandte sich der Kläger gegen die Kündigung.



Er machte geltend, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, die Betriebsratsanhörung werde mit Nichtwissen bestritten und die Kündigung sei auch unwirksam, weil sie wegen des Betriebsübergangs erfolgt sei.



Der Klageantrag beinhalte neben dem Kündigungsschutzantrag eine selbständige allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Dem Kläger sei zwar kein anderer möglicher Beendigungstatbestand außer dem mit dem Klagantrag angegriffene Kündigung bekannt. Es bestehe jedoch die Gefahr, dass die Beklagte zu 2 im Verlauf des Rechtsstreits weitere Kündigungen ausspreche. Es werde deshalb mit dem Klageantrag zusätzlich die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis auch durch solche weiteren Kündigungen nicht beendet werde.



Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger daher beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten zu 2 durch die Kündigung der Beklagten zu 1 vom 26.6.2015 nicht zum 31.12.2015 aufgelöst worden ist, sondern bei der Beklagten zu 2 ungekündigt fortbesteht.



Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie haben zur Begründung ausgeführt, es sei seitens der Beklagten zu 1 bereits im Februar 2014 eine Organisationsentscheidung getroffen worden, die Stelle des Klägers als Vertriebsleiter wieder entfallen zu lassen und die von diesem ausgeführten Tätigkeiten wieder vom Werksleiter ausführen zu lassen bzw. in einem geringen Umfang nicht mehr wahrzunehmen. Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung habe sich verzögert, weil der Kläger zunächst zu den Betriebsratswahlen kandidiert habe, im Spätjahr 2014 erkrankt sei und an einer Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen habe und dann im September 2014 der Werksleiter Herr L. einen sehr schweren Unfall erlitten habe, infolgedessen er über Monate zunächst gar nicht und dann nur eingeschränkt habe arbeiten können. Daher habe erst am 9.6.2015 erstmals ein Trennungsgespräch stattfinden können.



Durch das angegriffene Urteil vom 10.12.2015 hat das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt. Zur Begründung hat es ausgeführt, betriebsbedingte Gründe lägen nicht vor, denn die von der Beklagten zu 1 im Februar 2014 getroffene Organisationsentscheidung, keinen Vertriebsleiter mehr in I. zu beschäftigen, sei tatsächlich nicht umgesetzt worden. Erst im Juli 2015, fast eineinhalb Jahre nach dem Entschluss zur Abschaffung der Vertriebsleiterstelle habe die Beklagte zu 1 den bis dahin in der Schublade liegenden und nicht umgesetzten Entschluss als Kündigungsgrund herangezogen. Es bleibe offen, ob dieser Beschluss überhaupt noch aktuell sei, gerade im Hinblick darauf, dass wenige Tage später der Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2 stattgefunden habe.



Gegen das dem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 am 28.12.2015 zugestellte Urteil legte lediglich die vormalige Beklagte zu 2 - die Betriebserwerberin - Berufung ein, die am 27. Januar 2016 beim Landesarbeitsgericht einging und innerhalb der aufgrund fristgerechten Verlängerungsantrags vom 19. Februar 2016 bis zum 18. März 2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist fristgerecht am 17. März 2016 begründet wurde.



Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte (vormalige Beklagte zu 2) vor, das arbeitsgerichtliche Urteil habe verkannt, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt sei. Insbesondere sei die Begründung des Arbeitsgerichtes fehlerhaft, durch Zeitablauf könne sich die Beklagte nicht mehr auf die getroffene unternehmerische Entscheidung berufen (auf die Ausführungen der Beklagten hierzu in der Berufungsbegründung vom 17. März 2016, Seite 2 bis Seite 14 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen).



Entgegen der Auffassung des Klägers und den Bedenken des Gerichtes stehe durch die Tatsache, dass lediglich die Beklagte als Erwerberin und nicht die vormalige Beklagte zu 1 als Veräußerin des Betriebes Berufung eingelegt habe nicht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständliche Kündigung nicht beendet sei. Vielmehr könne auch die Beklagte zu 2 als Erwerberin des Betriebes, die vom Kläger mitverklagt worden sei, weil die Kündigungsschutzklage erst nach dem Betriebsübergang erhoben worden sei, geltend machen, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet habe und dieses deshalb nicht ungekündigt auf die Beklagte zu 2 übergegangen sei. Die Beklagte sei bezüglich der erhobenen Kündigungsschutzklage selbstständig passiv legitimiert. Betriebsveräußerer und Betriebserwerber seien keine notwendigen Streitgenossen, so dass über die Wirksamkeit einer Kündigung des übergegangenen Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebsveräußerer und dem den Betrieb übernehmenden Arbeitgeber grundsätzlich abweichend entschieden werden könne. Auch finde eine Rechtskrafterstreckung des Urteils im Kündigungsschutzprozess gegen den Veräußerer auf den Erwerber jedenfalls dann nicht statt, wenn - wie vorliegend - die Rechtshängigkeit erst nach dem Betriebsübergang eingetreten sei. Anders als in den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen sei vorliegend der Betriebsübergang unstreitig eingetreten und die Kündigung führe zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst nach dem eingetretenen Betriebsübergang, gewissermaßen beim Erwerber. Die Kündigungsschutzklage sei auch erst nach dem Betriebsübergang erhoben worden und mit der Klage habe der Kläger die Feststellung sowohl gegenüber dem Betriebsveräußerer, der vormaligen Beklagten zu 1 als auch gegenüber der Beklagten als der Betriebserwerberin begehrt. Darüber hinaus habe das erstinstanzliche Urteil vom 10.12.2015 auch zulasten der Beklagten festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten (vormaligen Beklagten zu 2) durch die Kündigung der Beklagten zu 1 vom 26.6.2015 nicht zum 31.12.2015 aufgelöst sei, sondern bei der Beklagten (vormals Beklagten zu 2) ungekündigt fortbestehe. Die Berufung der Beklagten zu 2 richte sich daher vorliegend vollumfänglich in Antrag und Begründung gegen jeden der genannten jeweils die Beklagten belastenden Bestandteile des Urteils und damit auch gegen die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung.



Diesem Ergebnis entspreche im Übrigen das in § 613a BGB angelegte Prinzip der Sonderrechtsnachfolge beim Betriebsübergang, denn der Erwerber trete nach § 613a BGB in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses ein. Ein gekündigtes Arbeitsverhältnis gehe auch nur in gekündigtem Zustand über. Daraus folge, dass der Erwerber über Rechte und Pflichten, die infolge des Übergangs auf ihn übergingen, selbständig den Streit gerichtlich führen könne und nicht auf die Mitwirkung des Veräußerers angewiesen sei.



Die Beklagte beantragt daher:

Auf die Berufung der Beklagten zu 2/Berufungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 10.12.2015, Az. 3 Ca 314/15 abgeändert und die Klage wird abgewiesen.



Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, das die Kündigung zu Recht für sozialwidrig gehalten habe. Darauf käme es im Übrigen jedoch nicht an, weil bereits rechtskräftig feststehe, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam gewesen sei. Die vormalige Beklagte zu 1 habe gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt, so dass rechtskräftig feststehe, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe und das Arbeitsverhältnis gehe daher ungekündigt auf den Erwerber über. Der Streit über die Wirksamkeit einer vom Betriebsveräußerer vor dem Betriebsübergang ausgesprochenen Kündigung sei allein zwischen dem Arbeitnehmer und dem kündigenden Arbeitgeber auszutragen. Allein Letzterer sei passiv legitimiert für den Kündigungsrechtsstreit. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass die Klageerhebung erst nach dem Betriebsübergang erfolgt sei. Die Beklagte (vormalige Beklagte zu 2), die für den Kündigungsschutzprozess nicht passiv legitimiert gewesen sei, sei vom Kläger lediglich als Betriebserwerberin für den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers in das Verfahren einbezogen worden.



Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung der Beklagten führt lediglich bezüglich des allgemeinen Feststellungsantrags nach § 256 ZPO, der gegen sie gerichtet ist, zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils und insoweit zur Klageabweisung als unzulässig. Bezüglich des von der Beklagten begehrten Zieles, die Abweisung der Kündigungsschutzklage insgesamt zu erreichen ist die Berufung jedoch unbegründet.



I.



Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG an sich statthafte Berufung der Beklagten ist innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Die Berufung ist daher zulässig. Die Frage, inwieweit die Beklagte mit ihrer Berufung eine Abweisung der Kündigungsschutzklage erreichen kann ist eine Frage der Passivlegitimation und daher im Rahmen der Begründetheit der Berufung zu prüfen.



II.



Die Berufung der Beklagten ist nur teilweise begründet. Bezüglich des Hauptziels der Beklagten, die Abweisung der Kündigungsschutzklage zu erreichen, ist die Berufung unbegründet.



1. Die Berufung ist begründet, soweit das Arbeitsgericht in seinem Urteil festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2 ungekündigt fortbesteht. Dieser Teil des Klageantrags ist unzulässig, weil das nach § 256 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse für diesen Antrag fehlt.



Der Klageantrag bedarf jedoch der Auslegung. Der Sache nach enthält er zwei Anträge, zum einen den Antrag nach § 4 KSchG auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten zu 1 vom 26.6.2015 nicht zum 31.12.2015 aufgelöst worden ist. Daneben enthält er einen zweiten Antrag, nämlich auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis bei der Beklagten zu 2 ungekündigt fortbesteht.



Dabei handelt es sich um zwei verschiedene Anträge mit zwei verschiedenen Beklagten. Das ergibt sich aus der Klage selbst, in der der Kläger zur Begründung des allgemeinen Feststellungsantrages ausdrücklich ausführt, dass es sich dabei um einen selbständigen Antrag nach § 256 ZPO gegen die Beklagte zu 2 handelt.



Dieser Antrag ("Schleppnetzantrag") ist unzulässig, da dem Kläger das Interesse an einer alsbaldigen Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO fehlt. Es gab weder eine durch Tatsachen begründbare Befürchtung, dass die Beklagte (zu 2) weitere Kündigungen ausspricht noch hat sie tatsächlich eine weitere Kündigung ausgesprochen.



Daher hätte das Arbeitsgericht diesen Antrag als unzulässig abweisen müssen. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil daher insoweit abzuändern und der alte Antrag als unzulässig abzuweisen.



2. Im Übrigen ist die Berufung jedoch unbegründet und war daher zurückzuweisen.



Die Auslegung der Berufung ergibt, dass die Beklagte mit der Berufung auch erreichen will, dass die Kündigungsschutzklage des Klägers insgesamt abgewiesen wird.



a) Das notwendige Rechtsschutzinteresse für eine derartige Begehr kann zu Gunsten der Beklagten angenommen werden, weil für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung vom 26.6.2015 das Arbeitsverhältnis des Klägers mit ihr fortbesteht, da es nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB unstreitig zum 1.7.2015 auf sie übergegangen ist.



b) Die Beklagte ist jedoch nicht passiv legitimiert für die Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit dieser Kündigung. Sie kann daher mit ihrer Berufung auch nicht erreichen, dass das Berufungsgericht die Kündigungsschutzklage, deren Parteien der Kläger und die vormalige Beklagte zu 1 sind, entscheidet. Vielmehr ist die Entscheidung des Arbeitsgerichtes, dass die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, mangels eines Rechtsmittels der Beklagten zu 1 als der allein passiv legitimierten Partei des Kündigungsschutzprozesses rechtskräftig geworden.



aa) Ist einem Arbeitnehmer vor dem Betriebsübergang durch den bisherigen Arbeitgeber gekündigt worden, so ist der bisherige Arbeitgeber für die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung passiv legitimiert (so im Leitsatz BAG 18.03.1999 - 8 AZR 306/98 AP KSchG 1969 § 4 Nr. 44, jedoch ohne nähere Ausführungen zu den Gründen; KR- Friedrich/Klose, § 4 KSchG Rn 125ff). Gleichgültig ist, ob das Arbeitsverhältnis vor oder nach dem Betriebsübergang endet oder ob der Betrieb vor oder nach der Rechtshängigkeit der Klage auf den Erwerber übergegangen ist. Die Frage, ob das Arbeitsverhältnis ungekündigt auf den Erwerber übergeht, soll nur in einem Rechtsstreit zwischen dem Arbeitnehmer und dem bisherigen Arbeitgeber geklärt werden können. Begründet wird dies damit, dass das Arbeitsverhältnis so auf den Erwerber übergeht, wie es im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestanden hat (BAG 26.05.1983 - 2 AZR 477/81, AP BGB § 613a Nr. 34). Ist die Kündigung des Veräußerers unwirksam gewesen, geht das Arbeitsverhältnis ungekündigt auf den Erwerber über. Diese Frage kann nur in einem Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und bisherigem Arbeitgeber geklärt werden (BAG 26.05.1983 - 2 AZR 477/81).



Danach fehlt es der Beklagten an der erforderlichen Passivlegitimation, um in Bezug auf die streitgegenständliche Kündigung geltend machen zu können, diese sei wirksam gewesen und das Arbeitsgericht habe den Rechtsstreit falsch entschieden (siehe auch BAG 4.3.1993, 2 AZR 507/02).



Anders ist es dann, wenn der Arbeitnehmer die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis durch eine betriebsbedingte Kündigung des ehemaligen Betriebsinhabers nicht aufgelöst worden ist und darüber hinaus die Feststellung, dass es auf den neuen Betriebsinhaber übergegangen ist. In diesem Fall kann er Betriebsveräußerer und -erwerber in demselben Rechtsstreit als Arbeitgeber verklagen; beide sind dann (aber nicht notwendige - BAG, 4.3.1993, 2 AZR 507/92) Streitgenossen (ErfK/Preis BGB § 613a Rn. 174-176). Das betrifft jedoch allein die Fallkonstellation, in der der Betriebsübergang an sich streitig ist. Das ist hier gerade nicht der Fall; zwischen den Parteien ist alleine umstritten, ob die Kündigung vom 26.6.2015 das Arbeitsverhältnis beendet hat, während der Betriebsübergang zum 1.7.2015 gerade außer Streit steht. So hat der Kläger auch hier seine Kündigungsschutzklage alleine gegen die Beklagte zu 1 - den Veräußerer - gerichtet. Die Erwähnung der Beklagten (zu 2) im ersten Teil des Klageantrages hat rein deklaratorische Bedeutung um deutlich zu machen, dass das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich übergegangen ist.



bb) Die Auffassung der alleinigen Passivlegitimation des Veräußerers ist jedoch nicht unumstritten.



Zum einen kommt der Kündigungsschutzklage gegen den die Kündigung erklärenden Veräußerer keine Rechtskraftwirkung gegenüber dem Erwerber zu, wenn der Betriebsübergang - wie im vorliegenden Fall - vor der Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage eingetreten sei, da § 325 ZPO dann nicht anwendbar sei (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.1999 - 8 AZR 306/98; Urteil vom 18.02.1999 - 8 AZR 485/97).



Das wirkt sich jedoch nur zulasten des Erwerbers aus, denn wenn die Kündigungsschutzklage abgewiesen wird kann sich der Erwerber darauf nicht berufen. Wird ihr aber stattgegeben und die Entscheidung wird rechtskräftig, geht das Arbeitsverhältnis ungekündigt auf den Erwerber über. Der Erwerber ist darauf angewiesen, dass der Veräußerer auch in seinem Interesse den Rechtsstreit bestmöglich führt. Daran können jedoch Zweifel bestehen, weil die Interessenlage zwischen Veräußerer und Erwerber durchaus unterschiedlich ist. Im Falle eines unstreitigen Betriebsübergangs ist es bei wirtschaftlicher Betrachtung für den Veräußerer gleichgültig, ob er den Kündigungsschutzprozess gewinnt oder verliert, da das Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergeht und auf diese Art und Weise das Arbeitsverhältnis zum Veräußerer in jedem Fall beendet wird. In Betracht kommt hier zwar die Möglichkeit der streitgenössischen Nebenintervention des Erwerbers auf Seiten des Veräußerers einschließlich der damit verbundenen Möglichkeit, zu Gunsten des Veräußerers Rechtsmittel einzulegen gegen ein der Klage stattgebendes Urteil. Allerdings ist auch hier die Handlungsmöglichkeit des Erwerbers insoweit beschränkt, als er sich mit seinen Handlungen als Nebenintervenient nicht gegen die erklärten Interessen des Veräußerers richten darf. Wenn der Veräußerer beispielsweise der Einlegung eines Rechtsmittels ausdrücklich widerspricht, hat der Erwerber dies hinzunehmen (Zöller/Vollkommer, ZPO § 67 Rn 5).



Auch in der Literatur sind Bedenken erhoben worden, dass die Passivlegitimation bei einer Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage nach Betriebsübergang weiterhin allein beim Veräußerer liegen soll. Löwisch (DB 1996, 474 ff.) wendet ein, dass es keinen Rechtsgrundsatz gebe, nachdem der Streit über ein Gestaltungsrecht zwischen demjenigen, der es ausgeübt hat, und demjenigen, dem gegenüber es ausgeübt wurde, zu führen sei. Aktiv- und passivlegitimiert seien vielmehr diejenigen, die Rechte und Pflichten aus der wirksamen und unwirksamen Ausübung des Gestaltungsrechts ableiteten. Das seien aber nach Betriebsübergang der Arbeitnehmer auf der einen und der Betriebserwerber auf der anderen Seite, und zwar - wie sich aus § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB ergebe - rückwirkend auch für die Zeit vor Betriebsübergang. Dies werde deutlich, wenn die Möglichkeit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung gemäß § 9 KSchG bedacht werden müsse. Die Entscheidung über die Auflösung hänge von einer Zukunftsprognose ab, im Fall des Antrags des Arbeitnehmers davon, ob ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden könne, im Fall des Antragsgegners davon, ob eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht mehr erwartet werden könne. Diese Prognosen könnten nur für das Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber als seinem neuen Arbeitgeber abgegeben werden. Müller-Glöge (NZA 1999, Seite 449 ff.) hält es für bedenklich, bei Vollzug des Betriebsübergangs im Zeitraum zwischen Zugang der Kündigung und Eintritt der Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage anzunehmen, die Klage müsse unabhängig von einem Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den alten Arbeitgeber gerichtet werden. Auch Kreitner (in FA 1998, Seite 2 ff.) geht davon aus, dass in dem Fall, in dem sich der Betriebsübergang alsbald nach Ausspruch der Kündigung noch innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG vollziehe, bevor der Arbeitnehmer Klage erhoben habe, nicht der kündigende (Alt-) Arbeitgeber, sondern der Betriebserwerber der richtige Beklagte sei. Fischer (in DB 2001, Seite 331 ff.) verweist in diesem Rahmen auf die Auffassung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13.03.1991 - VIII ZR 34/90 - ), der im Zusammenhang mit Leasingfällen die Auffassung vertrete, dass maßgeblich für die Passivlegitimation die materielle Rechtsposition sei (Darstellung des Meinungsstandes nach Landesarbeitsgericht Köln, 10.2.2012 - 10 Sa 1144/11, [...], Rn 31ff; siehe zum Meinungsstand auch KR- Friedrich/Klose, § 4 KSchG, Rn 127; zweifelnd auch KR/Treber § 613a BGB, Rn 145).



Für eine Passivlegitimation auch der Beklagten (zu 2) für den Fall, dass der Betriebsübergang vor Rechtshängigkeit der Klage und auch vor Ablauf der Kündigungsfrist des gekündigten Arbeitsverhältnisses eintritt spricht allerdings der erweiterte punktuelle Streitgegenstandsbegriff der Kündigungsschutzklage. Streitgegenstand ist nicht nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, sondern auch der Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Dieser Bestand des Arbeitsverhältnisses nach dem Betriebsübergang betrifft aber den Erwerber. Auch er wird daher unmittelbar durch den Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage in seinen Rechten betroffen, weil zugleich darüber entschieden wird, ob auch zu ihm ein Arbeitsverhältnis besteht.



Zudem hat das Bundesarbeitsgericht mittlerweile auch die Möglichkeit eröffnet, dass es sich im Falle der Unklarheit, ob ein Betriebsübergang vor oder nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung erfolgt ist, der scheinbar nur den Betriebserwerber betreffende Antrag eines Arbeitnehmers auf Erstellung, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund des Betriebsübergangs zum Erwerber besteht auch zugleich gegen den Betriebsveräußerer gerichtet sein kann (BAG, 24.9.2015, 2 AZR 562/14, Rn. 17). Denkbar wäre auf der Grundlage dieser Entscheidung, dass die Kündigungsschutzklage gegen den Veräußerer gleichzeitig auch eine Eventualklage gegen den Erwerber sein könnte.



Andererseits erfasst die Rechtskraft eines klagestattgebenden Urteils im Kündigungsschutzprozess nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und auch zu dem in der Kündigung benannten Beendigungstermin (vgl. APS-Ascheid/Hesse, § 4 KSchG, Rz. 134 m.w.N.). Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nach der punktuellen Streitgegenstandstheorie voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung noch oder überhaupt ein Arbeitsverhältnis besteht (BAG, Urteil vom 18.04.2002 - 8 AZR 346/01). Unter dieser Voraussetzung ist alleine der Betriebsveräußerer - und damit vorliegend die ehemalige Beklagte zu 1 - als passivlegitimiert anzusehen, denn nur mit dieser hat im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 26.6.2015 ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bestanden. Daher ist dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 26.05.1983 - 2 AZR 477/81) beizupflichten, wonach die Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Veräußerers vor Betriebsübergang, wenn dieser vor Ausspruch der Kündigung und vor Rechtshängigkeit eintritt, nur in einem Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und bisherigem Arbeitgeber geklärt werden kann (Landesarbeitsgericht Köln 10.2.2012 - 10 Sa 1144/11 -, Rn. 33, [...]).



3. Die Beklagte ist dem Rechtsstreit auch nicht als streitgenössische Nebenintervenientin auf Seiten der ehemaligen Beklagten zu 1 beigetreten. Ob eine Nebenintervention vorliegt ist durch Auslegung des jeweiligen Schriftsatzes zu ermitteln. Es genügt eine dem Sinn nach eindeutige Äußerung, aus der sich die aktive Beteiligung am Prozess auf einer bestimmten Seite ergibt (BAG, 18.9.2014, Az. 8 AZR 733 / 13). Allerdings setzt die Nebenintervention voraus, dass der Streithelfer einer Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung dem Rechtsstreit beitritt. Es muss zum Ausdruck kommen, dass die Beklagte ihre bisherige Rolle am Prozess, die sie aus eigenem Recht wahrgenommen hat aufgeben will und nunmehr als Streithelfer der Beklagten zu 1 im Prozess tätig werden will (BAG, 31.1.2008, Az. 8 AZR 10/07). Das ist hier nicht der Fall. So hat die Beklagte in der Berufungsschrift ausdrücklich formuliert, dass deren Prozessbevollmächtigte die Beklagte zu 2/Berufungsklägerin auch in der zweiten Instanz vertreten und in ihrem Namen und in ihrer Vollmacht gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung einlegen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nunmehr die Rolle der passiv gebliebenen Beklagten zu 1 in der Berufung ausfüllen will und aus deren Recht die erstinstanzliche Entscheidung bekämpfen will.



Angesichts dieses eindeutigen Wortlautes kann die Berufung nicht zugleich als Nebenintervention der Beklagten auf der Seite der vormaligen Beklagten zu 1 und Einlegung des Rechtsmittels auch für die Beklagte zu 1 ausgelegt werden.



Aus diesem Grunde war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, soweit sie mit ihr begehrte, die Kündigungsschutzklage im ersten Teil des Antrags abzuweisen.



III.



Die Kosten der Berufung waren im Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen nach § 92 ZPO zu verteilen. Dabei wurde der allgemeine Feststellungsantrag, bezüglich dessen die Beklagte in der Berufung obsiegt hatte, mit einem Viertel der Kosten angesetzt.



Im Hinblick darauf, dass die Frage der Passivlegitimation durch das Bundesarbeitsgericht im Hinblick auf die kritischen Stimmen im Schrifttum nicht abschließend geklärt ist, war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Tillmanns
Dietze
Happle

Verkündet am 06.06.2016

Vorschriften§ 256 ZPO, § 613a BGB, § 64 Abs. 2 ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 520 Abs. 3 ZPO, § 4 KSchG, § 256 Abs. 1 ZPO, § 613a Abs. 1 S. 1 BGB, § 325 ZPO, § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB, § 9 KSchG, § 92 ZPO

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