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02.11.2016 · IWW-Abrufnummer 189623

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 07.04.2016 – 7 Sa 30/16

1) Die bei Vereinbarung einer auflösenden Bedingung anzustellende Prognose hat sich regelmäßig auch darauf zu beziehen, dass der Arbeitnehmer nach Bedingungseintritt auch nicht auf einem für ihn geeigneten anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann.

2) Sinn und Zweck der Mitteilungspflicht nach § 15 Abs.2 TzBfG besteht darin, dass der Arbeitnehmer zweifelsfrei ermitteln kann, an welchem Tag das Arbeitsverhältnis aufgrund des Eintritts des Befristungszwecks bzw. einer auflösenden Bedingung beendet sein soll.


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 07.05.2015 in Sachen 6 Ca 24/15 abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß Arbeitsvertrag vom 13.05.2014 aufgrund der Auflösung der Städteregionstagsfraktion der P nicht zum 11.01.2015 beendet worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten darüber, ob ihr für die Dauer der Wahlzeit des Städteregionstages Wahlperiode 2014/2020, längstens bis zum 31.10.2020 befristetes Arbeitsverhältnis vorzeitig zum 11.01.2015 sein Ende gefunden hat.



Die am 1958 geborene Klägerin war bereits in den Zeiträumen vom 17.01.2005 bis 20.10.2009 und vom 21.10.2009 bis 30.06.2014 jeweils befristet als Fraktionsmitarbeiterin im Städteregionstag, dem Parlament der Beklagten, beschäftigt. Am 13.06.2014 schlossen die Parteien erneut einen Teilzeitarbeitsvertrag mit 24 Wochenstunden, befristet für die Dauer der Wahlzeit des Städteregionstages Wahlperiode 2014/2020, längstens befristet bis zum 31.10.2020. § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags lautet:

"Das Arbeitsverhältnis endet vorzeitig im Falle der Auflösung der P /U -Städteregionstagsfraktion."



§ 2 des Arbeitsvertrages verweist auf die Geltung des TVöD-V und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich VKA jeweils geltenden Fassung.



Der Arbeitsvertrag vom 13.06.2014 wurde durch eine zeitgleich verfasste "Niederschrift nach dem Nachweisgesetz" ergänzt. In der Niederschrift wurde folgendes niedergelegt:

"1. Die Beschäftigung erfolgt in A (Arbeitsort) ... Die tariflichen Vorschriften über die Versetzung, Abordnung, Zuweisung und Personalgestellung bleiben unberührt. 2. Frau B wird als Mitarbeiterin im Vorzimmer der P /U - SRTF beschäftigt. Dem Arbeitgeber ist es unbenommen, dem/der Beschäftigten aus dienstlichen/betrieblichen Gründen eine andere Tätigkeit im Rahmen der Entgeltgruppe zuzuweisen."



Auf den vollständigen Inhalt und das Erscheinungsbild des Arbeitsvertrages und der Niederschrift vom 13.06.2014 gemäß den AnlagenK 6/K 7 zur Klageschrift vom 19.01.2015 (Bl. 13 - 15 d. A.) wird Bezug genommen.



Die Gemeinschaftsfraktion der P und der U U bestand zu Beginn der Wahlperiode aus drei Abgeordneten. Drei Abgeordnete bilden die Mindestgröße, um den Fraktionsstatus innehaben zu können.



Am 19.12.2014 erreichte die Beklagte ein Schreiben des Städteregionstagsmitgliedes R vom 16.12.2014, in dem er mitteilt, dass er aus der Fraktion der P /U austrete. Die Klägerin erhielt daraufhin am 29.12.2014 ein Schreiben der Beklagten, das als "Sachbearbeiter: Herr Pü " angibt und in dem es auszugsweise wie folgt heißt:

"Herr Städteregionstagsmitglied R hat schriftlich mitgeteilt, dass er aus der Fraktion P /U austritt. Dies hat den Verlust der Fraktionseigenschaft für den Zusammenschluss der P und U zur Folge. Entsprechend der Vereinbarungen des mit Ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 13.06.2014 endet das Arbeitsverhältnis vorzeitig im Falle der Auflösung der P /U -Städteregionstagsfraktion. Unter Beachtung der Bestimmungen des § 21 i.V.m. § 15 Abs. 2 und 5 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) teile ich Ihnen hiermit den Eintritt der auflösenden Bedingung des Arbeitsverhältnisses mit. Entsprechend der zuvor zitierten Vorschriften endet Ihr Arbeitsverhältnis zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens. Aufgrund der heutigen Übergabe des Schreibens endet Ihr Arbeitsverhältnis somit mit Ablauf des 11.01.2015." (vgl. Anlage K 8, Bl. 16/16 R d. A.).



Unterschrieben war das Schreiben vom 29.12.2014 durch den für die Beklagte kraft Amtes vertretungsberechtigten Städteregionsrat E . Im gedruckten Text des Schreibens wird der Name Etschenberg nicht wiedergegeben.



Mit Schreiben vom 02.01.2015 (Anlage K 9, Bl. 17 d. A.) wies die spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Erklärung vom 29.12.2014 zurück, weil dem Schreiben eine Vollmachtsurkunde des Herrn Pü als Sachbearbeiter nicht beigefügt war.



Am 19.01.2015 erhob die Klägerin die vorliegende Klage mit der sie sich gegen die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 11.01.2015 wendet.



Die Befristung des Arbeitsverhältnisses längstens bis zum 31.10.2020 ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.



Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass das Schreiben der Beklagten vom 29.12.2014 das Arbeitsverhältnis schon aus formalen Gründen nicht wirksam habe beenden können. So habe sie, die Klägerin die Erklärung vom 29.12.2014 wirksam nach § 174 BGB zurückgewiesen.



Darüber hinaus erfülle das Schreiben auch nicht die Voraussetzungen der §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG; denn entgegen § 15 Abs. 2 TzBfG unterrichte das Schreiben nicht über den Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung.



Ferner hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass die auflösende Bedingung im Arbeitsvertrag der Parteien nicht formwirksam vereinbart worden sei. Da es sich um einen Formularvertrag über ein befristetes Arbeitsverhältnis gehandelt habe, habe die vorzeitige Beendigungsmöglichkeit bei Eintritt einer auflösenden Bedingung im Vertragstext deutlich erkennbar hervorgehoben werden müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen.



Schließlich hat sich die Klägerin darauf berufen, dass ein sachlicher Grund fehle, dessen die Vereinbarung der auflösenden Bedingung zu ihrer Wirksamkeit bedurft hätte. So hätten im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages am 13.06.2014 keine greifbaren Tatsachen vorgelegen, die die



Prognose erlaubt hätten, dass der Bedarf an der Arbeitskraft der Klägerin in absehbarer Zeit nicht mehr bestehen würde. Der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bei der P /U -Fraktion habe eine auflösende Bedingung nur dann rechtfertigen können, wenn absehbar auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin bestanden haben würde, wobei unter vergleichbaren Arbeitnehmern auch eine Sozialauswahl durchzuführen gewesen wäre.



Bei einem Wegfall des derzeitigen Arbeitsplatzes sei die Beklagte zur Versetzung verpflichtet gewesen, die sie sich in der Niederschrift zum Arbeitsvertrag vom 13.06.2014 ausdrücklich selbst vorbehalten habe.



Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 13.06.2014 aufgrund der Auflösung der P /U -Städteregionstagsfraktion nicht zum 11.01.2015 beendet worden ist.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass die vereinbarte auflösende Bedingung durch die Auflösung der Fraktion der P /U eingetreten sei. Die Mitteilung hierüber sei ordnungsgemäß erfolgt. Der Unterzeichner der Mitteilung sei unstreitig vertretungsbefugt. Auch sei der Klägerin die Unterschrift des Städteregionsrates aus ihrer langjährigen Tätigkeit vertraut gewesen. Es sei auch nicht erforderlich gewesen, den genauen Tag des Eintritts der auflösenden Bedingung mitzuteilen. Es sei nämlich klar ersichtlich gewesen, dass dieser Tag aus der Sicht des Schreibens in der Vergangenheit gelegen habe.



Nach Ansicht der Beklagten sei die Vereinbarung über die auflösende Bedingung, selbst wenn man von einem Formulararbeitsvertrag auszugehen hätte, in einem eigenen Absatz deutlich und klar hervorgehoben worden. Außerdem sei die Klägerin durch das Anschreiben vom 13.06.2014, mit dem ihr Arbeitsvertrag und Niederschrift übermittelt wurden, nochmals ausdrücklich auf die auflösende Bedingung aufmerksam gemacht worden (vgl. Anlage B 2, Bl. 47 d. A.). Ferner habe die Amtsleiterin W die Klägerin auch mündlich hierüber informiert.



Schließlich hat die Beklagte die Meinung vertreten, dass die auflösende Bedingung auch durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt gewesen sei. Die Beklagte hat sich hierzu insbesondere auf die Entscheidung des BAG vom 14.12.2005 in Sachen 4 AZR 474/04 berufen.



Mit Urteil vom 07.05.2015 hat die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird im Einzelnen Bezug genommen.



Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 15.06.2015 zugestellt. Die Klägerin hat hiergegen am 15.07.2015 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 17.09.2015 am 17.09.2015 begründet.



Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Rechtsausführungen, denen das Arbeitsgericht zu Unrecht nicht gefolgt sei.



Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 07.05.2015, Aktenzeichen 6 Ca 245/15, aufzuheben und festzustellen, dass der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 13.06.2014 aufgrund der Auflösung der P /U -Städteregionstagsfraktion nicht zum 11.01.2015 beendet worden ist.



Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.



Die Beklagte hält das Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis für richtig und tritt dessen Begründung bei. Ferner wiederholt auch sie ihre erstinstanzlichen Rechtsausführungen.



In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Klägerin mitgeteilt, dass außer ihr noch eine weitere Verwaltungskraft für die Fraktion der P /U tätig gewesen sei.



Entscheidungsgründe



I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 07.05.2015 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.



II. Die Berufung der Klägerin musste zur Überzeugung des Berufungsgerichts auch Erfolg haben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 13.06.2014 vereinbarten auflösenden Bedingung vorzeitig zum 11.01.2015 sein Ende gefunden. Für die Vereinbarung der auflösenden Bedingung im Arbeitsvertrag der Parteien fehlt es nämlich an einem sachlichen Grund im Sinne der §§ 21, 14 Abs. 1 TzBfG.



1. Entgegen der Auffassung der Klägerin führen allerdings nicht schon formale Gründe dazu, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund des Eintritts der in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 13.06.2014 vereinbarten auslösenden Bedingung nicht sein Ende gefunden hat.



a. Die vereinbarte auflösende Bedingung, nämlich die Auflösung der P /U -Städteregionstagsfraktion, ist unstreitig eingetreten. Das Fraktionsmitglied R ist aus der Gemeinschaftsfraktion ausgetreten. Dies hat er der Beklagten am 19.12.2014 mitgeteilt. Damit hatte die Gemeinschaftsfraktion ihren Fraktionsstatus verloren; denn die dafür erforderliche Mindestzahl von Fraktionsmitgliedern war nunmehr unterschritten.



b. Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 29.12.2014 ordnungsgemäß über den Eintritt der auflösenden Bedingung und den sich daraus ergebenden Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses informiert.



aa. Gemäß §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG endet im Falle der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung das Arbeitsverhältnis frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Bedingungseintritts.



bb. Das Schreiben vom 29.12.2014 ist in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden. Das Schreiben ist unstreitig vom Städteregionsrat Et , welcher für die Beklagte vertretungsberechtigt ist, unterschrieben worden. Die von der Klägerin erhobene Vollmachtsrüge nach § 174 BGB geht damit ins Leere. Der Städteregionsrat E war kraft Amtes vertretungsberechtigt und bedurfte keiner besonderen Vollmacht. Dass sein Name im gedruckten Teil des Schreibens vom 29.12.2014 nicht erwähnt ist, ist rechtlich unerheblich. Unabhängig davon ist die Berufungskammer überdies auch davon überzeugt, dass der Klägerin aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit für den Städteregionstag die Unterschrift des Städteregionsrates E vertraut sein musste.



c. Auch der Umstand, dass in dem Schreiben vom 29.12.2014 nicht der genaue Tage angegeben wird, an dem die das Arbeitsverhältnis auflösende Bedingung der Auflösung der Fraktion der P /U eingetreten ist, führt nicht zur rechtlichen Unwirksamkeit der Mitteilung im Sinne von § 15 Abs. 2 TzBfG.



aa. Zwar schreibt § 15 Abs. 2 TzBfG vor, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer "über den Zeitpunkt" des Eintritts der auflösenden Bedingung zu unterrichten hat. Der wesentliche Zweck dieser Vorschrift besteht jedoch darin, dass der Arbeitnehmer aus dem Schreiben zweifelsfrei ermitteln kann, an welchem Tag das Arbeitsverhältnis aufgrund des Eintritts der auflösenden Bedingung beendet sein soll. Dies ist insbesondere in den Fällen von Bedeutung, in denen das Mitteilungsschreiben zeitlich schon vor dem Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung verfasst und übergeben wird.



bb. In allen anderen Fällen, also immer dann, wenn das Mitteilungsschreiben erst nach Eintritt des Ereignisses der auflösenden Bedingung verfasst und an den Arbeitnehmer übermittelt wird, kann der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass sein Arbeitsverhältnis genau 14 Tage nach Zugang des Mitteilungsschreibens endet. So liegt der Fall auch hier. Die offizielle Mitteilung des Abgeordneten R über dessen Austritt aus der Fraktion erreichte die Beklagte am 19.12.2014, also bevor sie das Schreiben vom 29.12.2014 verfasste und der Klägerin übermittelte. Die Beklagte selbst ist dementsprechend von Anfang an davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis erst 14 Tage nach Eingang des Mitteilungsschreibens bei der Klägerin enden würde. Auf einen früheren Zeitpunkt hat sie sich nie berufen.



cc. Aus Sinn und Zweck der Mitteilungspflicht in § 15 Abs. 2 TzBfG folgt zugleich, dass die Sanktion einer Verletzung der Pflicht, den Arbeitnehmer über den Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung zu informieren, nur darin bestehen kann, dass der Arbeitgeber sich nicht auf einen früheren Beendigungszeitpunkt berufen kann als denjenigen, der 14 Tage nach Zugang des Mitteilungsschreibens beim Arbeitnehmer liegt.



d. Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnet auch die Vereinbarung der auflösenden Bedingung selbst in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien keinen formalen Bedenken. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob es sich bei dieser Vereinbarung um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt, für die die Voraussetzungen der §§ 305 ff. BGB gelten.



aa. Dies folgt zum einen daraus, dass die Vereinbarung der auflösenden Bedingung im Erscheinungsbild des Vertragstextes selbst hinreichend klar und deutlich hervorgehoben ist. Die Vereinbarung befindet sich an herausgehobener Stelle bereits in § 1 des Arbeitsvertrages und dort in einem eigenen Absatz, der auch keine anderen Regelungen enthält.



bb. Darüber hinaus ist die Klägerin, falls nicht auch mündlich, wie streitig ist, jedenfalls aber in dem Anschreiben, mit dem ihr der Arbeitsvertrag und die Niederschrift vom 13.06.2014 übermittelt worden sind, ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Arbeitsvertrag "vorzeitig im Falle einer Auflösung der vorgenannten Fraktion" enden soll.



2. Die Vereinbarung der auflösenden Bedingung in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags der Parteien ist jedoch aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam. Sie bedurfte nämlich gemäß § 21 TzBfG unter anderem eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG. Ein solcher sachlicher Grund für die Vereinbarung der vorliegenden auflösenden Bedingung liegt nicht vor.



a. Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Befristung des Arbeitsvertrages eines Mitarbeiters einer Parlamentsfraktion zur Sicherung der verfassungsrechtlich geschützten Unabhängigkeit der freien Mandatsausübung sachlich gerechtfertigt sein kann (BAG vom 26.08.1998, AP§ 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 202; APS/Backhaus, § 14 TzBfGRdnr. 250). Der innere Grund für diese Entscheidung besteht darin, dass sich die personelle Zusammensetzung einer politischen Fraktion von Wahlperiode zu Wahlperiode ändern kann. Die mit Beginn einer neuen Wahlperiode unter Umständen personell neu zusammengesetzte Fraktion soll die Möglichkeit haben, sich die ihr zuarbeitenden Mitarbeiter ihres eigenen Vertrauens aussuchen zu können.



b. Diese Rechtsprechung gilt jedoch nur für die Befristung solcher Mitarbeiter, deren Aufgabe es ist, die Fraktion durch fachliche Beratung und politische Bewertung zu unterstützen, insbesondere also für wissenschaftliche Mitarbeiter (BAG a.a.O.; APS/Backhaus, a.a.O.). Auf nicht wissenschaftliche Fraktionsmitarbeiter im Büro- und Verwaltungsbereich ist diese Rechtsprechung ausdrücklich nicht übertragbar (BAG a.a.O.; APS/Backhaus, a.a.O.).



c. Ebenso wenig kann die Beklagte sich für das Vorliegen eines Sachgrundes im vorliegenden Fall auf die Entscheidung des BAG vom 14.12.2005 in Sachen 4 AZR 474/04 (NZA-RR 2006, 388 f. [BAG 14.12.2005 - 4 AZR 474/04] ) berufen.



aa. In der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des BAG vom 14.12.2005 ging es gerade nicht um die Frage, ob ein Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG für die Befristung eines Arbeitsvertrages oder gar für die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung bestanden hat. Streitgegenstand der BAG-Entscheidung war lediglich die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Der klagende Arbeitnehmer verfügte über einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu einer Kommune als Verwaltungsangestellter. Vor diesem Hintergrund wurde ihm zeitlich befristet eine Tätigkeit als - einziger - Verwaltungsmitarbeiter einer Ratsfraktion übertragen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristung oder auflösenden Bedingung stand nicht zur Debatte. Bei der Kontrolle der Ausübung billigen Ermessens hinsichtlich der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit kommt dem Arbeitgeber unter anderem stets zugute, dass es lediglich um die Art der Tätigkeit geht, nicht aber um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses selbst.



Schon aufgrund der gänzlich unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe hinsichtlich der Ausübung billigen Ermessens einerseits, eines Sachgrundes zur Rechtfertigung einer Arbeitsvertragsbefristung und erst recht eines Sachgrundes zur Rechtfertigung der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung andererseits scheidet eine Übertragung der Grundsätze, die das BAG in dem Urteil vom 14.12.2005 aufgestellt hat, auf einen Fall wie den vorliegenden zwingend aus.



bb. Hinzu kommt, dass das BAG seine Ausführungen noch dahingehend eingeschränkt hat, dass sie "jedenfalls dann" gelten, wenn der Mitarbeiter, dem eine höherwertige Tätigkeit vorübergehend übertragen worden ist, der einzige Verwaltungsmitarbeiter einer Ratsfraktion ist. Auch dies trifft auf die Klägerin nicht zu; denn sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht unwidersprochen mitgeteilt, dass außer ihr noch eine weitere Verwaltungskraft für die Städteregionstagsfraktion der P /U eingesetzt war.



d. Ein personenbedingter oder sonst aus der Sphäre der Klägerin stammender Sachgrund, der geeignet sein könnte, die Vereinbarung der auflösenden Bedingung zu rechtfertigen, wurde von der Beklagten nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.



e. Aber auch die Voraussetzungen des "betriebsbedingten" Sachgrundes des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG, der darin besteht, dass "der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht", liegen ersichtlich nicht vor.



aa. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein eine Befristung oder auch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung rechtfertigender Sachgrund besteht, ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages (BAG vom 19.10.2005, AP § 14 TzBfG Nr. 19; BAG vom 24.10.2001, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 229). Der jeweilige Sachgrund ist somit im Falle des § 14Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG Gegenstand einer Prognose.



bb. Es ist schon nicht ersichtlich, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages der Parteien am 13.06.2014 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Prognose gestellt werden konnte, dass es zu einer vorzeitigen Auflösung der Ratsfraktion der P /U vor Ablauf der laufenden Wahlperiode kommen werde. Zwar handelte es sich um einen neu gebildeten Zusammenschluss verschiedener politischer Gruppierungen, der überdies nur über eine Abgeordnetenzahl an der Untergrenze des zulässigen Fraktionsstatus verfügte. Die Gefahr einer vorzeitigen Auflösung dieser Städtetagsfraktion mag somit zwar höher einzuschätzen gewesen sein als bei einer großen Fraktion der etablierten Parteien. Anhaltspunkte dafür, dass jedoch mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit mit der Auflösung der Fraktion zu rechnen gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.



cc. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG ist aber auch dann nicht feststellbar, wenn man den Prognoseinhalt nur darauf beziehen wollte, ob dann, wenn sich der Fall der vorzeitigen Auflösung der Fraktion P /U verwirklichen würde, ein weiterer Beschäftigungsbedarf für die Klägerin nicht mehr bestünde. Die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien waren keineswegs so gestaltet, dass der Bedarf der Beklagten an der Beschäftigung der Klägerin mit dem Fortbestand der Städteregionstagsfraktion der P /U "stehen und fallen" würde. Dies folgt schon daraus, dass sich die Beklagte an drei verschiedenen Stellen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, nämlich insbesondere in Nr. 2 der Niederschrift, aber auch in Nr. 1 der Niederschrift und durch den Verweis auf den TVöD-V in § 2 des Arbeitsvertrages umfangreiche Versetzungsvorbehalte hat einräumen lassen. Die Beklagte konnte die Klägerin somit, sogar ohne die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ändern zu müssen, ihrer Fähigkeit und Qualifikation entsprechend z. B. auch als Verwaltungsmitarbeiterin einer anderen Städteregionstagsfraktion oder an jedem anderen beliebigen Ort ihrer Verwaltung einsetzen.



dd. Vorliegend handelt es sich um einen Fall, bei dem bei Vereinbarung der auflösenden Bedingung eine sogenannte doppelte Ungewissheit bestand: Es war nicht nur ungewiss, ob das Ereignis der auflösenden Bedingung überhaupt jemals eintreten würde. Anders als etwa in einem Fall, in dem das Nichtbestehen einer bestimmten Prüfung zur auflösenden Bedingung gemacht wird, war vorliegend - erst recht - der Zeitpunkt ungewiss, in dem sich das Ereignis "Auflösung der Fraktion der P /U " ereignen könnte. Nicht zuletzt deshalb war es der Beklagten bei Abschluss des Arbeitsvertrages am 13.06.2014 nicht möglich, eine Prognose dahin zu erstellen, dass die Klägerin ungeachtet der vielfältig ausbedungenen Versetzungsmöglichkeiten keinesfalls würde weiterbeschäftigt werden können, egal zu welchem Zeitpunkt die auflösende Bedingung möglicherweise eintreten würde.



ee. Dass sich die Prognose auch auf anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu erstrecken hatte, folgt aber nicht nur daraus, dass sich die Beklagte diverse arbeitsvertragliche Versetzungsoptionen ausbedungen hat. Es resultiert vielmehr auch daraus, dass jedenfalls in der Konstellation der "doppelten Ungewissheit" an den Sachgrund für eine auflösende Bedingung noch deutlich strengere Anforderungen zu stellen sind als an die sachliche Rechtfertigung einer Befristung (BAG vom 24.09.1997, AP§ 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 192; BAG vom 28.06.1995, AP § 59 BAT Nr. 6; APS/Backhaus, § 21 TzBfG Rdnr. 11 ff.).



aaa. Grund dafür ist die besondere Nähe einer auflösenden Bedingung in der Konstellation der doppelten Ungewissheit zu typischen Kündigungskonstellationen (APS/Backhaus, a.a.O. Rdnr. 12 m.w.N.). Bei Abschluss eines Arbeitsvertrages kann generell niemals ausgeschlossen werden, dass der Arbeitsplatz, für den der Arbeitnehmer eingestellt wird, zu irgendeinem Zeitpunkt in Wegfall geraten könnte. Träte dieser Fall ein, wäre nunmehr kündigungsschutzrechtlich zunächst zu prüfen, ob der Arbeitnehmer auf einem anderweitigen für ihn geeigneten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte. Gegebenenfalls kann eine Sozialauswahl erforderlich werden. In einem weiteren Schritt wäre sodann auch noch dem Grundsatz des Vorrangs einer Änderungskündigung Rechnung zu tragen, bevor eine nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung rechtswirksam ausgesprochen werden könnte.



bbb. Alle diese kündigungsschutzrechtlichen Voraussetzungen würden umgangen, wenn es zulässig wäre, den Wegfall des Anfangsarbeitsplatzes zur auflösenden Bedingung für das Arbeitsverhältnis zu erklären. Zur Vermeidung einer solche Umgehung zwingenden Kündigungsschutzes ist es daher erforderlich, in solchen Konstellationen den Sachgrund für eine auflösende Bedingung restriktiv dahingehend auszulegen, dass stets auch die Möglichkeiten einer anderweitigen Weiterbeschäftigung abzuklären und auszuschließen sind. (vgl. BAG vom 28.06.1995, AP § 59 BAT Nr. 6; APS/Backhaus, § 21 TzBfG Rdnr. 13).



ccc. Schon allein wegen der immer einzukalkulierenden natürlichen Personalfluktuation war es der Beklagten bei Abschluss der Vereinbarung der auflösenden Bedingung am 13.06.2014 nicht möglich, zuverlässig zu prognostizieren, dass in einem wann auch immer eintretenden Fall der vorzeitigen Auflösung der Städteregionsratsfraktion der P /U jedenfalls auch keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin mehr bestehen würden. Auch vor diesem Hintergrund ist ein Sachgrund für die in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages aufgenommene auflösende Bedingung nicht gegeben.



ff. Ob in dem Zeitpunkt der nunmehr tatsächlich eingetretenen Auflösung der Fraktion der Piraten/UFW in der Verwaltung der Beklagten keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin bestand, ist demgegenüber unerheblich, wurde von der Beklagten aber ebenfalls nicht ausreichend substantiiert dargelegt.



f. Dementsprechend war die Vereinbarung der auflösenden Bedingung in § 1 Abs.2 des Arbeitsvertrages gemäß §§ 21, 14 Abs.1 S.1, 16 TzBfG unwirksam. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht vorzeitig zum 11.01.2015 sein Ende gefunden.



III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.



Gemäß § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG war nach Auffassung der Berufungskammer die Revision zuzulassen.

Vorschriften§ 174 BGB, §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG, § 15 Abs. 2 TzBfG, § 64 Abs. 2 c) ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, 14 Abs. 1 TzBfG, §§ 305 ff. BGB, § 21 TzBfG, § 14 Abs. 1 TzBfG, § 620 BGB, § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG, § 14Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG, § 1 Abs. 2 KSchG, 14 Abs.1 S.1, 16 TzBfG, § 91 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG

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