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11.10.2016 · IWW-Abrufnummer 189174

Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 12.07.2016 – 7 TaBV 3/16


Tenor:
1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 26.11.2015 - 3 BV 5/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag derArbeitgeberin abgewiesen wird.


2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



Gründe



A.



Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden, hilfsweise zu einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.



Antragstellerin des Beschlussverfahrens ist die Arbeitgeberin, die in H ein Seniorenheim betreibt. Weiter am Verfahren beteiligt ist der bei der Arbeitgeberin in diesem Seniorenheim gewählte Betriebsrat (Beteiligter zu 2.), dessen Vorsitzender der seit dem 01.04.1997 bei der Arbeitgeberin bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigte Beteiligte zu 3. ist. Er ist 1962 geboren, verheiratet und hat zwei unterhaltspflichtige Kinder. Der monatliche Bruttoverdienst liegt bei 2.692,50 €; der Beteiligte zu 3. (im Folgenden: Betriebsratsvorsitzender) ist examinierter Altenpfleger und arbeitet neben der Altenpflegehelferin Frau Z ausschließlich im Nachtdienst in der Zeit zwischen 20.35 Uhr und 7.20 Uhr. Zu Beginn und am Ende des Dienstes finden jeweils die Übergaben statt.



Das Seniorenheim verfügt über insgesamt fünf Etagen, wobei der Wohnbereich im Erdgeschoß als "Wohnbereich 5", die dann folgenden Wohnbereiche als "1, 2, 3 und 4" bezeichnet werden. In der oberen Etage finden sich darüber hinaus Altenwohnungen. Außerhalb der Altenwohnungen, die vom Nachtdienst ausschließlich im Fall eines Notrufes aufzusuchen sind, sind vier der Wohnbereiche mit jeweils 21 Bewohnern und der Wohnbereich 5 mit insgesamt 8 Bewohnern belegt, nach Erklärung der Arbeitgeberin im Termin zur Anhörung vor der Beschwerdekammer außerhalb der Altenwohnungen mit insgesamt 86 Bewohnern. Während des Nachtdienstes, der ausschließlich durch den Betriebsratsvorsitzenden und Frau Z wahrgenommen wird, sind in einem ersten Durchgang von 21.00 Uhr bis etwa 22.00 Uhr die Medikamente an die Bewohner zu verteilen. Nach Abschluss dieser Runde finde sodann die Versorgung der Bewohner statt. Dabei sind an durchschnittlich 50 Bewohner, die eine demenzielle Erkrankung aufweisen, Spätmahlzeiten zu verabreichen und die notwendigen Pflegearbeiten bei allen nach dem entsprechenden Pflegeplan durchzuführen. Diese Arbeiten sind im Normalfall etwa gegen 0.45 Uhr erledigt. Sodann schließt sich eine vom Betriebsratsvorsitzenden als "Zwischenlagerungsrunde" bezeichnete Arbeit an. Während des Nachtdienstes ist eine 45minütige Pause einzulegen, wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob es eine Regelung des Inhalts gibt, dass diese Pause keinesfalls von beiden Nachtdienstmitarbeitern gleichzeitig eingelegt werden darf. Ausweislich einer Betriebsvereinbarung vom 10.12.2014 ist die Pause während des Nachtdienstes in der Zeit zwischen 0.30 Uhr und 2.00 Uhr vorgesehen. Wegen der Einzelheiten dieser Betriebsvereinbarung wird auf die Kopie Bl. 147 ff. d.A. (hier Bl. 156 d.A.) Bezug genommen.



Aus Sicherheitsgründen wird gegen 19.30 Uhr die Haupttür verschlossen. Ein Verlassen des Seniorenheims ist dann noch durch die Seitentüren möglich, die mit einem Kontakt versehen sind, der ein Signal auslöst. Dieses Signal, wie auch Notrufe der Heimbewohner, werden mittels einer Rufanlage auf sogenannte "Pager" oder auch "Pieper" genannt, übertragen. Insgesamt werden bei der Arbeitgeberin in H 13 dieser Pager eingesetzt. Die Alarmierung eines Notrufes aus einem Bewohnerzimmer wird solange fortgesetzt, bis der Ruf durch das Drücken einer Taste im Zimmer des Bewohners "quittiert" wird. Das von einer Außentür gesendete Signal endet, bis diese verschlossen wird. Nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden trägt dieser im Nachtdienst fünf der insgesamt 13 Pager bei sich, während die übrigen geladen werden. Das Klingelsignal der Haupteingangstür läuft auf ein Telefon im Wohnbereich 1, also im ersten Obergeschoß auf; ebenso sämtliche für die Zentrale eingehenden Telefonanrufe. Bei der Verwendung von Durchwahlnummern werden direkt die angewählten Telefone in den jeweiligen Dienstzimmern angewählt.



In der Nacht vom 24. auf den 25.03.2015 hatte der Betriebsratsvorsitzende zusammen mit Frau Z Nachtdienst. Um 0.46 Uhr verzeichnete das beschriebene Alarmierungssystem die Öffnung einer Seitentür zum sogenannten "Oberhof". Nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden ging das entsprechende Signal auf den von ihm mitgeführten Pagern gegen 1.00 Uhr ein. Die Kontrolle der Seitentür durch ihn ergab sodann nach seinen Angaben, dass eine Auffälligkeit nicht zu bemerken war; insbesondere habe er im Umfeld der Tür niemanden gesehen. Einen Kontrollgang durch alle Bewohnerzimmer führte er nicht durch.



Ebenfalls gegen 1.00 Uhr entdeckten Jugendliche eine augenscheinlich hilflose Person, die nur mit einem T-Shirt sowie einer Inkontinenzhose bekleidet war, etwa zehn Minuten vom Seniorenheim entfernt. Sie alarmierten die Polizei, bei der dieser Notruf um 1.15 Uhr einging. Eine Viertelstunde später traf die Polizei am angegebenen Ort ein und nahm die Person in ihre Obhut. Es handelte sich um Herrn A, einen dementen und betreuungsbedürftigen Bewohner des Seniorenheims der Arbeitgeberin. Die Polizeibeamten versorgten Herrn A mit einer Rettungsdecke und brachten ihn zum Seniorenheim. Nach Angaben der Arbeitgeberin trafen sie dort gegen 1.50 Uhr ein und versuchten, über die Klingel an der Haupteingangstür Zutritt zu bekommen, was nicht gelang. Auch Anrufe im Hause der Arbeitgeberin blieben ohne Erfolg. Die Polizeibeamten stiegen sodann durch ein geöffnetes Fenster eines Bewohnerzimmers ein und versuchten, in den Fluren der Wohnbereiche 5, 1 und 2 sowie im Treppenhaus durch wiederholtes Rufen auf sich aufmerksam zu machen. Das Betätigen einer Schwesternrufglocke im Erdgeschoss nach 2.00 Uhr blieb ebenso erfolglos wie ein Notruf eines mittlerweile hinzugekommenen Bewohners im Erdgeschoss. Mit Hilfe eines Zettels mit Notfall-Nummern riefen die Polizeibeamten die frühere Pflegedienstleiterin der Einrichtung, Frau L, an und baten um Unterstützung. Sie versuchte die Durchwahl zum Wohnbereich 4, da sich die Nachtwache dort regelmäßig überwiegend aufhält. Der Anruf wurde von der Polizei im Erdgeschoß entgegengenommen, ein weiterer Anruf im Wohnbereich 1 durch den Bewohner. Anrufe im Wohnbereich 2 blieben ebenso erfolglos. Gegen 2.50 Uhr traf Frau L dann im Seniorenheim ein und informierte die Leiterin der Einrichtung, Frau X. Nachdem Frau L den Bewohner Herrn A mit Hilfe eines Rollstuhls in die Einrichtung gebracht hatte, erschien der Betriebsratsvorsitzende und fragte die Anwesenden, was sie im Seniorenheim machen würden.



Frau L übergab dem Betriebsratsvorsitzenden den Bewohner A und wies auf Blutspuren an den Füßen und eine offensichtliche Unterkühlung hin. Frau L begab sich sodann noch in den Wohnbereich 4 und stellte fest, dass es nach kaltem Zigarettenrauch roch und eine Salatschale auf der Dienstzimmeranrichte mit Zigaretten gefüllt war, die der Betriebsratsvorsitzende zu rauchen pflegt. Sodann verließ sie nach 3.00 Uhr die Einrichtung.



Der Betriebsratsvorsitzende brachte den Bewohner A in sein Zimmer und lagerte ihn, ohne eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. Im sogenannten Berichtsblatt der Bewohnerakte vermerkte der Betriebsratsvorsitzende, dass der Bewohner A aus der Einrichtung verschwunden war und von der Polizei zurückgebracht worden sei. Im Pflegeprotokoll selbst vermerkte er, dass er Herrn A gegen 2.00 Uhr nachts gelagert habe.



Am 26.03.2015 fand zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden, Frau Z und der Einrichtungsleiterin Frau X ein Gespräch statt, in welchem Frau X bat, zu den Vorfällen Stellung zu nehmen. In diesem Gespräch wies der Betriebsratsvorsitzende u.a. darauf hin, dass seiner Einschätzung nach die Nachtschelle der Eingangstür sowie die Rufanlage nicht ordnungsgemäß funktioniere. Ein Telefon im Wohnbereich 1 habe nicht geklingelt; ebenso wenig seien Polizeibeamte zu hören gewesen. Es könne auch sein, dass erforderliche Pflegehandlungen bei geschlossener Zimmertür verhinderten, dass man eventuelle Rufe, wie auch das Klingeln von Telefonen, hören könne.



Mit Schreiben vom 01.04.2015, am selben Tage an Frau Z und den Betriebsratsvorsitzenden übergeben, beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung sowie hilfsweise zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden (Kopie Bl. 26 ff. d.A.). Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 07.04.2015 (Bl. 48 ff. d.A.) die Zustimmung verweigerte, hat die Arbeitgeberin mit dem vorliegenden Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens, vorab per Telefax am 08.04.2015 beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen eingegangen, die Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung beantragt.



Der Betriebsratsvorsitzende habe in der Nacht vom 24. auf den 25.03.2015 mehrfach schwerwiegend gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Der erste Pflichtverstoß liege darin, dass der Betriebsratsvorsitzende es - streitlos - unterlassen habe, nach dem Türalarm am 25.03.2015 um 0.46 Uhr sämtliche Bewohnerzimmer auf Anwesenheit zu kontrollieren. Der weitere Pflichtenverstoß liege darin, dass er im Nachtdienst wach bleiben müsse und auf Rufsignale gleich welcher Art reagieren müsse. Es sei auszuschließen, dass der Betriebsratsvorsitzende erforderliche Kontrollgänge alle zwei Stunden über alle Wohnbereiche vorgenommen habe. Hierunter falle auch die Pflicht, sich über eventuell geöffnete Fenster zu vergewissern und diese zu verschließen. Das Alarmsignal eines Pagers habe er keinesfalls ignorieren dürfen.



Während des Nachtdienstes seien zwischen 20.00 Uhr abends und 8.00 Uhr morgens insgesamt 21 Signale auf den Pagern eingegangen (vgl. Bl. 264 ff. d.A.). Hierüber erzeuge die Anlage sogenannte Pagerprotokolle. Wenn man diese Protokolle lese, müsse man eine technisch bedingte Zeitdifferenz berücksichtigen. Es gebe eine Abweichung von der im Protokoll angegebenen Zeit und der realen Zeit des Ereignisses von einer Stunde und 24 Minuten. Einen Hinweis auf einen Defekt der Pager habe der Betriebsratsvorsitzende nicht gegeben; auch sei geklärt, dass es in der Senioreneinrichtung keinen Bereich gebe, in dem der Funkkontakt zwischen den Pagern und der Rufanlage nicht bestehe. Die Arbeitgeberin habe in der Zeit nach dem Vorfall in der Tat einige Pager zur Reparatur und Wartung eingeschickt; ob es diejenigen gewesen seien, die in der besagten Nacht im Einsatz waren, ließe sich allerdings nicht feststellen, da im Seniorenheim keine Dokumentation anhand der Seriennummern der Pager erfolge.



Der Betriebsratsvorsitzende sei insgesamt über eine Stunde offenbar in den Wohnbereichen während seines Dienstes nicht anwesend gewesen und habe ebenso nicht sichergestellt, dass seine Abwesenheit durch die weitere Mitarbeiterin im Nachtdienst Frau Z kompensiert werde. Es bestehe die Weisung, im Nachtdienst Pausen getrennt zu absolvieren und die Pager an den jeweils anderen Kollegen zu übergeben. Der Betriebsratsvorsitzende habe zudem über das in der Einrichtung geltende Rauchverbot für das Personal auf der Grundlage des Nichtraucherschutzgesetzes NW verstoßen. Weiterhin habe er die Vorfälle betreffend des Bewohners A in der Nacht nicht im sogenannten Übergabebuch vermerkt und die Einrichtungsleitung ebenso nicht von den Vorfällen in der Nacht unterrichtet. Schließlich habe er es unterlassen, trotz des Hinweises der ehemaligen Pflegedienstleiterin Frau L auf die Blutspuren an den Füßen des Herrn A und einer Unterkühlung unverzüglich eine ärztliche Untersuchung zu beauftragen. Letztendlich habe der Betriebsratsvorsitzende eine Falschdokumentation vorgenommen, als er eine Lagerung des Herrn A für 2.00 Uhr morgens in dessen Pflegedokumentation eingetragen habe.



Die Arbeitgeberin hat beantragt,



Der Betriebsrat wie auch der Betriebsratsvorsitzende haben beantragt,



Sie haben vorgetragen:



Die Besetzung des Nachtdienstes mit einer examinierten Pflegekraft und einer Pflegehelferin führe bei der Versorgung von 92 Heimbewohnern zu einer chronischen Dauerüberlastung. Jeder nur geringste Zwischenfall während des Nachtdienstes führe zu langen Reaktionszeiten, die unvermeidbar seien.



Zum Zeitpunkt des Türalarms gegen 1.00 Uhr hätten der Betriebsratsvorsitzende und Frau Z gerade begonnen, die Bewohner des Wohnbereichs 4 umzulagern. Der Betriebsratsvorsitzende sei sofort zum Fenster gelaufen und habe nach unten geschaut, um zu sehen, ob jemand die Einrichtung durch die Tür verlassen habe. Er habe dort niemanden gesehen. Anschließend sei er gemeinsam mit Frau Z durch das Treppenhaus 2 nach unten zur Alarm auslösenden Tür gegangen. Er habe die Tür geöffnet und habe sich draußen umgesehen, aber wiederum niemanden sehen können. Im Anschluss habe er mit Frau Z die Kellerräume, die Büroräume sowie den Wohnbereich 5 kontrolliert, um anschließend die Kontrollen im Wohnbereich 1 fortzusetzen. Dort sei ihnen die Bewohnerin Q entgegengekommen, die erläuterte, ihre Tabletten nicht bekommen zu haben. Frau Q leide an beginnender Demenz und sei Raucherin. Kurze Zeit später seien beide erneut durch diese Bewohnerin aufgehalten worden, als sie um Zigaretten gebeten habe. Wiederum kurze Zeit später vor Abschluss des Kontrollganges sei sie ihnen mit dem Aufzug in den Wohnbereich 2 gefolgt und habe erneut um Zigaretten gebeten. Da Frau Q im Anschluss mit dem Aufzug weiter nach oben gefahren sei, hätten der Betriebsratsvorsitzende und Frau Z den Kontrollgang erneut abgebrochen und seien ihr gefolgt. Nachdem diese zufriedengestellt gewesen sei, habe man den Kontrollgang im Wohnbereich 3 fortgesetzt und die Bewohner umgelagert, anschließend gleiches im Wohnbereich 4. Allerdings hätten sie dort einen weiteren Bewohner mit einem defekten Kotbeutel vorgefunden, was ein sofortiges Einschreiten erfordert habe. Da dieser Bewohner mit Keimen infiziert sei, hätte er bei geschlossener Zimmertür und Schutzkleidung versorgt werden müssen. Nach Erledigung dieser Arbeiten seien der Betriebsratsvorsitzende und Frau Z auf die Dachterrasse bzw. in den in der gleichen Etage liegenden Andachtsraum gegangen, um dort gemeinsam ihre 45minütige Pause einzulegen. Eine Anweisung darüber, die Pause nicht zusammen zu machen, existiere nicht und ergebe sich auch nicht aus der von der Arbeitgeberin herangezogenen Betriebsvereinbarung. Die Pager habe der Betriebsratsvorsitzende selbstverständlich bei sich geführt.



Die Pause sei unterbrochen worden durch Notrufe aus den Zimmern 6 und 106, die auf den Pagern aufgelaufen seien. Als der Betriebsratsvorsitzende eines der Zimmer, aus denen der Notruf gekommen war, im Erdgeschoß habe aufsuchen wollen, habe er dort Frau L erkannt sowie zwei Polizisten mit einem Bewohner im Rollstuhl gesehen. Auf den Vorhalt der Polizei, sie hätten mehrfach versucht, sich bemerkbar zu machen, ohne eine Reaktion zu erhalten, habe er erwidert, er habe mit seiner Kollegin eine Kaffeepause gemacht. Zur Versorgung des Herrn A habe der Betriebsratsvorsitzende sodann Frau Z hinzugezogen. Beim Waschen der Füße hätten sie bemerkt, dass am zweiten und dritten Zeh eines Fußes am Gelenk ein kleiner Hautdefekt sei, der nicht mehr geblutet habe. Herr A sei daher nach pflegerischer Versorgung ins Bett gebracht worden. Bei der Übergabe am Morgen habe der Betriebsratsvorsitzende den nachfolgenden Kollegen den Vorfall mitgeteilt und nach seiner Erinnerung einen Vermerk in das Nachtwachenbuch eingetragen.



Für den Nachtdienst habe er wie immer alle fünf Pager für die Etagen aus den Ladestationen gezogen und mit sich geführt. Die Pager seien regelmäßig defekt. Notrufe kämen zeitweise auf dem Pagersystem der Pflegekräfte nicht oder verspätet an; teilweise gebe es Fehlalarme. Nach dem Vorfall während des Nachtdienstes vom 24.03. auf den 25.03. habe die Einrichtungsleiterin die fünf während des Nachtdienstes benutzten Pager an die Dienstleistungsfirma N eingeschickt. Ausweislich einer Auskunft eines Mitarbeiters von dort seien zwei der Pager komplett defekt gewesen, drei hätten einen Wackelkontakt im Batteriefach gehabt.



Auch die Klingel an der Haupteingangstüre funktioniere nicht zuverlässig. Der Haustechniker T, der bei einer Dienstleistungsfirma beschäftigt sei, habe nach dem Vorfall den Auftrag erhalten, die Klingel an der Haupteingangstür instand zu setzen.



Im Übrigen sei es theoretisch möglich, dass sich die Polizei eine Stunde lang im Haus aufgehalten und keinen Ansprechpartner gefunden habe. Es handele sich schließlich um zwei Treppenhäuser und insgesamt sechs Etagen, sodass Rufe von Polizeibeamten im ersten und im zweiten Stock und im Treppenhaus nicht notwendig durch den Betriebsratsvorsitzenden hätten gehört werden müssen. Dies gelte insbesondere, wenn bei einer notwendigen Pflegemaßnahme wie bei Herrn S die Tür des Zimmers hätte geschlossen werden müssen; teilweise würden die Bewohner, die nachts schlecht oder nicht schlafen könnten, das Fernsehgerät eingeschaltet haben.



Eine ärztliche Untersuchung des Herrn A sei nicht notwendig gewesen. Anzeichen einer Unterkühlung habe es nicht gegeben und seien auch von der nachfolgenden Frühschicht nicht festgestellt worden.



Die Pflegedokumentation könne nicht zeitnah ausgefüllt werden, da die Personaldecke insbesondere während des Nachtdienstes viel zu dünn sei. Die Maßnahmebögen seien von der Verwaltung per PC vorausgefüllt und ausgedrückt und lediglich abzuzeichnen. Bei einem Pflegedurchgang seien 30 Lagerungsprotokolle, 40 bis 50 Trinkprotokolle und 92 Pflegemaßnahmebögen auszufüllen. Akute Vorfälle und eventuelle Fixierungsmaßnahmen seien in Berichtsblättern zu dokumentieren. Es sei daher allgemein geübte Praxis, die Pflegedokumentation vor oder nach einem Pflegedurchgang zu erstellen und sodann gegebenenfalls nachträglich zu berichtigen, falls Änderungen einzutragen seien. Abgesehen davon, dass der Betriebsratsvorsitzende bestreite, den Eintrag in das Pflegeprotokoll des Herrn A vorgenommen zu haben, sei dieser auch nicht falsch. Dort seien Richtzeiten eingetragen, da es vom faktischen Ablauf her unmöglich sei, nach jeder einzelnen Pflegehandlung diese sofort schriftlich zu dokumentieren. Der Betriebsratsvorsitzende habe aufgrund der Vorkommnisse in der Nacht vom 24. bis 25.03.2015 anschließend keine Gelegenheit mehr gehabt, die Pflegedokumentation zu überarbeiten. Wegen des geöffneten Fensters in einem Bewohnerzimmer könne sich der Betriebsratsvorsitzende nicht erinnern, ob er oder Frau Z das Zimmer betreten habe. Es sei auch durchaus möglich, dass sie ein geöffnetes Fenster bei zugezogener Gardine nicht bemerkt hätten.



Gegen das Rauchverbot habe er nicht verstoßen; eine Anweisung zur gesonderten Mitteilung der Vorkommnisse aus der Nacht vom 24. auf den 25.03. an die Einrichtungsleitung ergebe sich nicht.



Durch Beschluss vom 26.11.2015, dem Vertreter der Arbeitgeberin am 23.12.2015 zugestellt, hat das Arbeitsgericht Gelsenkirchen die Anträge der Arbeitgeberin nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Haustechnikers T (Bl. 339 ff. d.A.) zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass - sofern die Vorwürfe der Arbeitgeberin zuträfen - von einem Abmahnungserfordernis ausgegangen werden müsse; eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist gegenüber dem durch § 15 KSchG geschützten Personenkreis sei ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten der angegriffenen Entscheidung wird auf Bl. 344 bis 375 d.A. Bezug genommen.



Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin mit der am 12.01.2016 vorab per Telefax beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und mit Schriftsatz vom 22.02.2016, beim Landesarbeitsgericht am 23.02.2016 eingegangen, begründeten Beschwerde.



Die Arbeitgeberin trägt vor:



Das Arbeitsgericht hätte im Rahmen des vorgetragenen Sachverhalts wegen des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Unzutreffend habe das Arbeitsgericht jede einzelne vorgeworfene Pflichtverletzung geprüft, ob diese eine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Hier hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Summe der Pflichtverletzungen das abschließende Bild über das Vorliegen des wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB ergebe.



Der Betriebsratsvorsitzende sei als examinierte Kraft Leiter der Nachtwache und habe es unterlassen, nach dem Alarmsignal an der Außentür den Kontrollgang zu unternehmen sowie die Zimmer auf geschlossene Fenster zu überprüfen. Bei einer Außentemperatur von 10 Grad Celsius bestehe nicht nur die Gefahr eines Einbruchs oder Diebstahls, sondern auch eine Erkrankung der Bewohner bis hin zur Lungenentzündung. Die Missachtung des Rauchverbotes sei sowohl ein Verstoß gegen eine arbeitgeberseitige Weisung wie auch gegen ein gesetzliches Verbot. Die ärztliche Untersuchung des zurückgebrachten Bewohners A sei schon aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes, nämlich einer Bekleidung mit einem T-Shirt und einer Inkontinenzhose, bei der angegebenen Außentemperatur zwingend geboten gewesen. Die wahrheitswidrige Dokumentation von Pflegemaßnahmen sei ebenso gravierend wie auch der Umstand, dass der Betriebsratsvorsitzende seine Pause gemeinsam mit Frau Z gemacht habe, obschon es entgegenstehende arbeitgeberseitige Weisungen gebe. Die schwerwiegendste Pflichtverletzung sei allerdings die Nichterreichbarkeit für Polizei und die ehemalige Mitarbeiterin bei dem Versuch, den Bewohner A zurückzubringen. Darüber hinaus sei er für Notfälle innerhalb der Einrichtung fast 1 1/2 Stunden nicht erreichbar gewesen. Einen Entschuldigungsgrund hierfür gebe es nicht. Vielmehr würden sämtliche Verhaltensweisen, die Gegenstand des erstinstanzlichen Vortrages gewesen seien, für eine vollkommene Gleichgültigkeit gegenüber Weisungen, arbeitsvertraglichen und gesetzlichen Pflichten und der Verantwortung gegenüber den anvertrauten Bewohnern zeigen.



Die Qualität der Arbeitseinstellung dokumentiere sich an der Zusammenfassung sämtlicher Pflichtverletzungen. Eine Abmahnung sei daher keinesfalls erforderlich gewesen.



Im Einzelnen:



Das Gericht hätte den Vortrag des Betriebsratsvorsitzenden, er sei bei den Kontrollgängen durch das Verhalten der Bewohnerin Q gestört worden, nicht unterstellen dürfen, da dieses von der Arbeitgeberin bestritten gewesen sei. Die Einrichtungsleiterin X hätte hierzu als Zeugin vernommen werden können. Im Rahmen weiterer Sachverhaltsaufklärung hätte das Gericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die angeblichen Störungen durch die weitere Bewohnerin reine Schutzbehauptungen darstellen würden. Das Gericht habe die Pflichtverletzung des Betriebsratsvorsitzenden, im Rahmen der Kontrollgänge über alle Zimmer auch auf geöffnete Fenster zu achten, zutreffend bewerten müssen. Einzige Erklärung hierfür könne sein, dass der Betriebsratsvorsitzende den ihm obliegenden Kontrollgang nicht vorgenommen habe. Denn die Bewohnerinnen des Zimmers hätten aufgrund ihrer Bettlägerigkeit das Fenster nicht öffnen können. Aufgrund der Konstruktion des Zimmers hätte man eine vorgezogene Gardine erkennen können, wie die Arbeitgeberin im Termin zur Anhörung vor der Beschwerdekammer vorgetragen hat. Der Verstoß gegen das gesetzlich geregelte Rauchverbot sei Teil eines nicht zu tolerierenden Gesamtverhaltens.



Hinsichtlich der Nichtveranlassung einer ärztlichen Untersuchung des zurückgekehrten Bewohners A habe das Gericht die Angaben des Betriebsratsvorsitzenden zugrunde gelegt, wonach die Füße nicht mehr geblutet haben sollen. Eine Beweisaufnahme hierüber sei unterblieben, obschon sie nach dem Vortrag der Arbeitgeberin, wonach die unbekleideten Füße deutliche Blutspuren aufgewiesen hätten, geboten gewesen wäre. Hierzu hätten auch die benannten Polizisten vernommen werden können. Der Betriebsratsvorsitzende werde nicht dadurch entlastet, dass auch der anschließende Frühdienst eine ärztliche Untersuchung nicht für notwendig erachtet habe. Hätte das Gericht nämlich die angebotene Zeugin Frau L vernommen, so hätte diese veranschaulichen können, auf welchen konkreten Einzelheiten die Vermutung einer Unterkühlung des Herrn A beruht habe.



Die unstreitige wahrheitswidrige vorab erfolgte Dokumentation der Lagerung des Bewohners A um 2.00 Uhr morgens habe das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung falsch bewertet. Eine Übung oder Duldung falscher oder gar im Voraus vorgenommener Dokumentationen im Hause der Arbeitgeberin gebe es nicht. Da es in der Tat eine Uneinigkeit zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat hinsichtlich der Pflicht der Pflegekräfte gebe, die Dokumentationen jeweils zeitnah zu den vorgenommenen Maßnahmen durchzuführen, hätte hier eine entsprechende Sachverhaltsaufklärung und eine Beweisaufnahme stattfinden müssen.



Bei weiterer Sachverhaltsaufklärung hätte die Arbeitgeberin vortragen können, dass der Betriebsratsvorsitzende anlässlich eines Falschausfüllens einer Pflegedokumentation bereits im Juli 2014 eindringlich darauf hingewiesen worden sei, dass so etwas nicht geduldet werde. Die als Zeugen benannten damaligen Vorgesetzten des Betriebsratsvorsitzenden hätten sodann bestätigen können, dass der Betriebsratsvorsitzende anlässlich eines Gesprächs zu den Vorfällen im Juli 2014 hätte erkennen müssen, dass ein Vorabausfüllen der Pflegedokumentation entgegen der arbeitgeberseitigen Weisung zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen hätte führen können.



Schließlich hätte die weitere Sachverhaltsaufklärung auch dazu geführt, dass festgestellt worden wäre, dass der Betriebsratsvorsitzende in der Nacht vom 24. auf den 25.03. schlicht und ergreifend über einen Zeitraum von fast 1 1/2 Stunden grob pflichtwidrig nicht zu erreichen gewesen wäre. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Haustechnikers T hätte den Betriebsratsvorsitzenden insoweit nicht entlastet. Die Aussage zur Nachtglocke habe lediglich ergeben, dass diese einen Defekt aufweise, der dazu führe, dass die Nachtglocke nicht immer funktioniere. Demgegenüber hätten die Polizeibeamten erklärt, dass sie nach Betätigen der Hausglocke das Telefon in der Einrichtung hätten läuten hören. Deshalb wäre geklärt worden, dass die Nachtglocke jedenfalls in dieser Nacht funktionsfähig gewesen sei.



Da die Arbeitgeberin nicht wisse, wo der Betriebsratsvorsitzende sich in der fraglichen Zeit aufgehalten habe, könne sie hierzu auch lediglich Indizien vortragen. So hätten auch die Polizeibeamten dazu vernommen werden können, in welcher Lautstärke und mit welchem Aufwand sie versucht hätten, sich bemerkbar zu machen. Gegebenenfalls wäre ein Ortstermin geboten gewesen, um die Situation nachstellen zu können.



Ebenso gebe der vom Betriebsratsvorsitzenden behauptete Defekt der Pager und die nachfolgende Einsendung zur Wartung und Reparatur keine weiteren Anhaltspunkte her. Denn es lasse sich nicht feststellen, ob tatsächlich die Pager, die im Nachtdienst benutzt worden sind, anschließend an die Firma N zur Wartung und Reparatur versandt worden seien. Die Unterstellung des Gerichts in der angegriffenen Entscheidung, es sei naheliegend, dass die Einrichtungsleitung durch zeitnahe Einsendung der üblicherweise im Einsatz befindlichen Pager deren Funktionsfähigkeit habe überprüfen lassen wollen, sei reine Spekulation.



Auch habe die Arbeitgeberin im Einzelnen dargelegt unter Vorlage der Pagerprotokolle, dass in der Nacht insgesamt 21 Signale auf den Pagern eingegangen seien. Dementsprechend hätte der Betriebsratsvorsitzende sich dazu erklären müssen, wie es möglich sei, dass ausgerechnet in der fraglichen Zeit seiner Abwesenheit Rufsignale nicht angekommen seien.



Die Arbeitgeberin weise erneut darauf hin, dass es dem Betriebsratsvorsitzenden untersagt gewesen sei, gemeinsam mit der Mitarbeiterin Z die Pause zu machen.



Die kumulativen erheblichen Pflichtverletzungen des Betriebsratsvorsitzenden würden ein renitentes Sich-Hinwegsetzen über sämtliche arbeits- und nebenvertraglichen Pflichten dokumentieren, die eine Abmahnung überflüssig machen lassen würden.



Die Arbeitgeberin beantragt,



Betriebsrat und Betriebsratsvorsitzender beantragen,



Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung als zutreffend und weisen unter Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrages darauf hin, dass die von der Arbeitgeberin vorgelegten Reparaturberichte (Bl. 447, 448 d.A.) dokumentieren, dass sämtliche der eingeschickten Pager fehlerhaft waren, was die Aussage des Zeugen T zu bekannten Defekten der Rufanlage eindrucksvoll dokumentiere.



Auch im Rahmen des eingeschränkt geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes sei das Arbeitsgericht nicht gehalten gewesen, weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Denn die Arbeitgeberin wiederhole ihre Behauptungen mehrfach, wodurch sie nicht richtig würden. Insbesondere gebe es keine Anweisung, keine Pausen gemeinsam auf der Dachterrasse zu machen, was sich auch nicht aus der bereits erstinstanzlich vorgelegten Betriebsvereinbarung ergebe.



Betriebsrat und Betriebsratsvorsitzender hätten zu den Vorgängen in der Nacht vom 24. und 25.03. alle Tatsachen, die sich aus ihrer Sicht abgespielt hätten, vollständig vorgetragen. Inwieweit hierzu eine Vernehmung der Einrichtungsleiterin X als Zeugin hätte Erkenntnisse bringen können, erschließe sich nicht, da die Arbeitgeberin sich insoweit lediglich auf einen angeblichen Inhalt eines Gesprächs am nächsten Tage beziehen würde.



Schließlich habe der Betriebsrat auch erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass es eine Anweisung zur Durchführung von Kontrollgängen nicht gebe. Im Termin zur Anhörung der Beteiligten vor der Beschwerdekammer haben die Beteiligten insoweit erläutert, dass solche Kontrollgänge mit den üblicherweise während des Nachtdienstes zur verrichtenden Tätigkeiten einher gehen würden, also nicht als gesonderte Kontrollgänge unabhängig von den während der Nachtschicht durchzuführenden pflegerischen Arbeiten und Betreuungstätigkeiten zu sehen seien.



Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.



B.



I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden gemäß § 87 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO.



II. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet, da das Arbeitsgericht zu Recht die verweigerte Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden nicht ersetzt und demzufolge den Antrag zurückgewiesen hat. Soweit im Tenor dieser Beschwerdeentscheidung die Formulierung "abgewiesen" verwendet wurde, dient dies lediglich der sprachlichen Klarstellung.



1. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig.



a) Die Arbeitgeberin verfolgt ihr Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, da es sich bei der Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes im Sinne des § 103 Abs. 2 BetrVG um eine Angelegenheit aus eben diesem Gesetz handelt. Im Übrigen gehörte Herr I dem Betriebsrat als Betriebsratsvorsitzender an, als die Arbeitgeberin um Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung bat. Die grundlegenden Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 BetrVG, außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes, sind von daher erfüllt.



b) Bedenken dazu, dass es überhaupt des Zustimmungsersetzungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht bedurfte, bestehen vor dem Hintergrund des die Zustimmung verweigernden Betriebsratsbeschlusses vom 07.04.2015 nicht. Ausweislich der vorgelegten Fotokopie dieses Beschlusses (Bl. 51 d.A.) war zwar der Betriebsratsvorsitzende an der Beschlussfassung betreffend die Zustimmung seiner eigenen außerordentlichen Kündigung beteiligt, obschon er nach einhelliger Auffassung in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur wegen der Betroffenheit in eigenen Angelegenheiten im Sinne des § 25 BetrVG zeitweilig verhindert war (vgl. nur Fitting u.a., BetrVG 28. Aufl., § 25 Rdnr. 18). Indessen bedarf es - anders als bei der reinen Anhörung nach § 102 BetrVG - bei der Kündigung des Betriebsratsmitgliedes der ausdrücklichen Zustimmung des Gremiums, sodass im Falle einer fehlerhaften Beschlussfassung diese ebenso wenig erteilt ist, wie bei einer ausdrücklichen Ablehnung.



c) Neben der Arbeitgeberin ist der Betriebsratsvorsitzende gemäß § 103 Abs. 2 Satz 2 BetrVG am Verfahren zu beteiligen.



2. Der Antrag der Arbeitgeberin gerichtet auf Ersetzung der Zustimmungen zur außerordentlichen fristlosen Kündigung ist indessen nicht begründet.



a) Nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG i.V.m. § 15 Abs. 1 KSchG kann die Arbeitgeberin eine vom Betriebsrat nicht erteilte Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dem die Beschwerdekammer folgt, setzt das einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB voraus (vgl. nur BAG, Beschluss vom 23.04.2008, 2 ABR 71/07, GB 2008, S. 1756 und BAG, Beschluss vom 16.12.2004, 2 ABR 7/04 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 7 zu II.1. der Gründe m.w.N.).



Danach müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu einer vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass einem Betriebsratsmitglied nach § 15 KSchG i.V.m. § 626 BGB nur dann außerordentlich gekündigt werden kann, wenn der Arbeitgeberin ohne den Sonderkündigungsschutz des Betriebsratsmitglieds dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der dann einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Insoweit ist die Dauer der Kündigungsfrist hypothetisch zu berücksichtigen, läge andernfalls doch nach § 78 Abs. 2 BetrVG eine unzulässige Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern wegen ihrer Betriebsratstätigkeit vor (BAG, Urteil vom 10.02.1999, 2 AZR 31/98, EzA KSchG n.F. § 15 Nr. 47 und Urteil vom 27.09.2001, 2 AZR 487/00, EzA KSchG n.F. § 15 Nr. 54).



Nach Rechtsprechung und Rechtslehre kommt danach eine außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn alle anderen nach den jeweiligen Umständen möglichen und milderen Mittel (z.B. Abmahnung, Versetzung, einvernehmliche Abänderung des Vertrages u.ä.) erschöpft sind, das in der bisherigen Form nicht mehr haltbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die außerordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) für den Kündigungsberechtigten ist (st. Rspr., vgl. nur BAG, Urteil vom 30.05.1978, 2 AZR 630/76, AP Nr. 70 zu § 626 BGB zu II.b. der Gründe m.w.N.).



Dabei hat die Prüfung des wichtigen Kündigungsgrundes in zwei systematisch zu trennenden Abschnitten zu erfolgen, nämlich zum einen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben, zum anderen, ob bei der Berücksichtigung dieses Umstandes und der gebotenen Interessenabwägung die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist (so schon grundsätzlich: BAG, Urteil vom 24.03.1958, 2 AZR 567/55, AP Nr. 5 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).



Bei der Prüfung der Frage, ob "an sich" ein Kündigungsgrund vorliegt, ist zu bedenken, dass eine Kündigung keine Sanktion für ein zurückliegendes Verhalten ist (BAG AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung), sodass es einen sogenannten absoluten Kündigungsgrund nicht gibt (BAG AP Nr. 80 zu § 626 BGB). Der Kündigungszweck ist stets zukunftsbezogen (BAG AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung).



Im Individualprozess um eine außerordentliche Kündigung ist derjenige, der eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Der Kündigende muss also die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung darlegen und beweisen (BAG, Urteil vom 24.11.1983, 2 AZR 327/82, AP Nr. 76 zu § 626 BGB m.w.N.). Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren um die Ersetzung der Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 103 Abs. 2 BetrVG ist hinsichtlich dieser anerkannten Darlegungs- und Beweislastregeln zu bedenken - hierauf hat das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend hingewiesen -, dass der gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG zu beachtende Amtsermittlungsgrundsatz anzupassen ist, da die Pflicht zur Amtsermittlung vor dem gesetzgeberischen Hintergrund des § 78 Satz 2 BetrVG weder zu einer Bevorzugung noch zu einer Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds im Zustimmungsersetzungsverfahren führen darf. Demzufolge sind die oben genannten Grundsätze zur Beweislast auch im Beschlussverfahren zu beachten (so ausdrücklich LAG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.2004, 12 TaBV 69/03 [...]).



b) Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:



Die erkennende Beschwerdekammer geht mit dem Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung davon aus, dass die von der Arbeitgeberin erhobenen Vorwürfe, die sie zur Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden heranziehen will, sämtlichst einzeln im Hinblick auf die Kündigungsrelevanz im oben genannten Sinne zu überprüfen sind. Würde man nämlich - wie die Arbeitgeberin meint - die Addition sämtlicher Einzelvorwürfe nur in der Zusammenschau betrachten, so würde die Frage des ultima ratio-Prinzips im Hinblick auf das etwaige Erfordernis des Ausspruches von Abmahnungen als allgemein anerkannter Grundsatz im Kündigungsrecht leerlaufen.



aa) Der Vorwurf der fehlenden Erreichbarkeit, den die Arbeitgeberin selbst als den gravierendsten bezeichnet, ist aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht geeignet, "an sich" einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 BGB darzustellen. Der Beschwerdekammer ist in diesem Zusammenhang wichtig klarzustellen, dass die Nichterreichbarkeit eines Nachtdienstpersonals in einem Seniorenheim keinesfalls bagatellisiert werden kann, wie die Geschehnisse in der Nacht vom 24. auf den 25.03.2015 eindrucksvoll dokumentieren. Indessen darf allein aufgrund dieses Umstandes nicht außer Acht gelassen werden, dass im vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren die Umstände des Einzelfalles, die zur Nichterreichbarkeit des Nachtdienstpersonals, u.a. in Person des Betriebsratsvorsitzenden, geführt haben, beachtet werden müssen.



bb) Die Beschwerdekammer geht mit der angegriffenen Entscheidung davon aus, dass nur in zwei denkbaren Alternativen von dem Vorliegen eines wichtigen Grundes "an sich" gemäß § 626 BGB ausgegangen werden kann: Entweder hat der Betriebsratsvorsitzende in der Nacht sämtliche Notrufsignale und Telefonklingeln gehört und sich absichtlich nicht darum gekümmert, oder aber er hat sich bewusst in die Situation gebracht, sämtliche Rufsignale nicht hören zu können. Von diesen beiden Alternativen geht - aufgrund ihres Sachvortrages erkennbar - auch die Arbeitgeberin aus.



cc) Dem Arbeitsgericht ist jedoch darin beizupflichten, dass die hierfür notwendigen Tatsachen nicht festgestellt werden können. Dabei ist auch noch zu berücksichtigen, dass die Arbeitgeberin nach eigenem Bekunden im Termin zur Anhörung vor der Beschwerdekammer klargestellt hat, dass es sich vorliegend nicht um eine Verdachts-, sondern um eine Tatkündigung handelt.



dd) Im Einzelnen:



- Die Tatsache, dass der Betriebsratsvorsitzende über den Zeitraum von mehr als einer Stunde nicht auf Rufen und Rufsignale und Telefonklingel reagiert hat, ist auch anhand anderer Sachverhaltsumstände, die eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung nicht begründen, nachvollziehbar unter Berücksichtigung des Vorbringens des Betriebsrates und des Betriebsratsvorsitzenden zu verstehen. Einen Defekt an der Nachtglocke konnte die Beschwerdekammer außer Acht lassen, da dieser zwar vorgelegen haben mag, nach Vorbringen der Arbeitgeberin allerdings die Polizeibeamten das Klingeln des Telefons, welches auf das Betätigen der Nachtglocke reagiert, gehört haben sollen. Dies unterstellt steht aber ebenso fest, dass das Telefon im Wohnbereich 1 klingelt, also in der ersten Etage, wohingegen sowohl nach dem Vorbringen des Betriebsrates als auch der Arbeitgeberin der Nachtdienst sich in der Regel im Wohnbereich 4, also auf der fünften Etage, aufhält. Eine solche Aufschaltung der Nachtglocke auf ein Telefon in der ersten Etage ist für die Beschwerdekammer nicht nachvollziehbar, wenn die Arbeitgeberin vom Aufenthalt des Nachtdienstes in der fünften Etage ausgeht. Insoweit bedarf es zur Sicherstellung einer Reaktion auf die Nachtglocke - unabhängig von einem Defekt - entweder einer klaren technischen Lösung, dass der Nachtdienst stets auch die Nachtglocke hören kann, oder aber einer entsprechenden Anweisungslage, die sich dem gesamten Akteninhalt nicht entnehmen lässt.



- Ebensowenig lässt das Nichthören der Rufe der Polizeibeamten zwingend den Schluss auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung zu. Dem Arbeitsgericht ist darin beizupflichten, dass eben nicht genau feststellbar ist, wo der Betriebsratsvorsitzende sich befand, als die Polizei und die später eingetroffene ehemalige Pflegedienstleitung Frau L nach ihnen riefen bzw. suchten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Betriebsratsvorsitzende und seine Kollegin Frau Z sich auf der Dachterrasse oder in dem daneben liegenden Andachtsraum befunden haben oder aber - worauf sie auch hingewiesen haben - mit der besonderen Versorgung des Bewohners S befasst waren, die das Anlegen von Schutzkleidung sowie das Schließen seiner Tür erforderten. Soweit die Arbeitgeberin im Einzelnen gerügt hat, hier hätte gegebenenfalls im Wege des Amtsermittlungsgrundsatzes dem Beweisantritt der Vernehmung der Polizeibeamten oder der Einrichtungsleiterin Frau X nachgegangen werden müssen, um festzustellen, dass ein Rufen der Polizeibeamten im Treppenhaus oder der ersten und zweiten Etage zwingend im gesamten Haus hätte gehört werden müssen, ist dem nicht zu folgen. Zum einen ist - hierauf wurde bereits hingewiesen - der Amtsermittlungsgrundsatz des § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG eingeschränkt. Zum anderen handelt es sich um die konkrete Situation in der Nacht vom 24. auf den 25.03.2015, die - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Betriebsrates - schwer rekonstruierbar sein dürfte. Inwiefern eine Beweisaufnahme zur "Hellhörigkeit" durch Vernehmung der Einrichtungsleiterin Frau X weitere Erkenntnisse hätte bringen können (im Hinblick auf den konkreten Vorwurf der Pflichtverletzung) erschließt sich nicht.



- Wegen des im Vorwurf der Nichterreichbarkeit enthaltenen Teilvorwurfs des Nichtreagierens auf Notrufsignale der Pager wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angegriffenen Entscheidung S. 27 - 29 (Bl. 370 - 372 d.A). Bezug genommen. Soweit die Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren in diesem Zusammenhang erneut darauf hingewiesen hat, es lasse sich nicht feststellen, dass genau die fünf Pager, die in jener Nachtschicht benutzt wurden, zur Reparatur gegeben wurden, verkennt sie die verbleibende Darlegungslast: Nicht der Betriebsratsvorsitzende muss sich vom erhobenen Vorwurf entlasten; vielmehr muss die Arbeitgeberin darlegen und notfalls beweisen, dass sämtliche Pager im Nachtdienst vom 24. auf den 25.03.2015 voll funktionsfähig gewesen sind. Dies indessen ist ihr nach Vernehmung des Zeugen T in erster Instanz nicht gelungen; die Beschwerdekammer schließt sich der Bewertung der Aussage des Zeugen T in der angegriffenen Entscheidung an. Anhaltspunkte dafür, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen oder der Glaubhaftigkeit der Aussage zu zweifeln, sind nicht ersichtlich, sodass eine erneute Vernehmung dieses Zeugen im Beschwerdeverfahren nicht in Betracht kam.



- Der weitere Vorwurf, der Betriebsratsvorsitzende hätte pflichtwidrig gehandelt, als er die Pause gemeinsam mit der Mitarbeiterin Z verbrachte, lässt sich nicht begründen. Auf ausdrückliches Nachfragen der Beschwerdekammer im Termin zur mündlichen Anhörung vom 12.07.2016 hat die Vertreterin der Arbeitgeberin darauf hingewiesen, ein solches Verbot folge aus der Betriebsvereinbarung über die Dienstplangestaltung und die Handhabung von Mehrarbeit vom 10.12.2014; das lässt sich so aus jener Betriebsvereinbarung nicht entnehmen. Die Betriebsvereinbarung befasst sich im Wesentlichen mit den Grundsätzen der Dienstplanung unter Benutzung einer beschriebenen Software, über die Gestaltung des Dienstplanes sowie das Verfahren hierzu und eventuellen Dienstplanänderungen. Ein weiteres Kapitel der Betriebsvereinbarung beschreibt sodann die "Mehrarbeit und ihren Ausgleich". In einer Anlage zu dieser Betriebsvereinbarung (Bl. 156 d.A.) findet sich schließlich in einer abstrakten Beschreibung einzelner Tätigkeiten der Beginn und das Ende einzelner Dienste sowie die Beschreibung eines "Pausenkorridors". Dieser Pausenkorridor ist für den Nachtdienst umschrieben in zwei Phasen, nämlich von 0.30 Uhr bis 1.15 Uhr und 1.15 Uhr bis 2.00 Uhr. Die Aufteilung des Pausenkorridors in zwei Phasen kann zwar dafür sprechen, dass jede Phase einem Nachtdienstmitarbeiter zugeordnet ist. Das ergibt sich jedoch nicht zwingend aus der gem. § 77 Abs. 4 BetrVG im Arbeitsverhältnis des Betriebsratsvorsitzenden geltenden Regelung. Auch verhält sich die Betriebsvereinbarung nicht über die personelle Besetzung des Dienstes, sodass allein auf Grundlage der Betriebsvereinbarung nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Phasen des beschriebenen Pausenkorridors zwingend nur zwei Beschäftigten zuzuordnen sind.



- Soweit die Arbeitgeberin den Vorwurf des "sperrangelweit" aufstehenden Fensters erhebt und dies mit der Unterlassung eines Kontrollgangs verbindet, so ist im Termin zur Anhörung vor der Beschwerdekammer klar geworden, dass es neben den allgemeinen Aufgaben des Nachtdienstes keine arbeitsvertragliche Aufgabe besonderer Kontrollgänge gibt, sondern diese im Rahmen der Medikamentenvergabe, Nahrungszubereitung und -gabe, Lagerungen der Bewohner sowie weiterer pflegerischer Versorgung enthalten sind. Da insoweit zwischen den Beteiligten nicht im Streit ist, dass der Betriebsratsvorsitzende die entsprechenden pflegerischen Leistungen in der Nacht wie auch die Medikamentenvergabe durchgeführt hat, ist es ausgeschlossen, dass er "einen Kontrollgang unterlassen hat". Es mag allenfalls sein, dass er - gegebenenfalls seine Arbeitskollegin Frau Z - ein geöffnetes Fenster übersehen hat oder es auf andere Art und Weise geöffnet wurde. Wenn auch nach Auffassung der Beschwerdekammer von letztgenannter Alternative nur schwerlich ausgegangen werden kann, so würde es sich um das Nichtbemerken eines geöffneten Fensters handeln, ein Fehlverhalten, welches als steuerbares Verhalten ohne Zweifel einer Abmahnung zugänglich ist.



- Diese Ausführungen zur Abmahnung lassen sich auch auf den Vorwurf des Unterlassens einer Information an die Heimleitung übertragen, wenn man mit der Arbeitgeberin davon ausgeht, dass die entsprechende Dienstanweisung diese Verpflichtung hergibt. Ergänzend ist hierbei zu berücksichtigen, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob der Betriebsrat zu diesem Vorwurf im Sinne des § 102 Abs. 1BetrVG ordnungsgemäß angehört worden ist. Ohne dass es wegen des beschriebenen Abmahnerfordernisses darauf ankäme, weist die Beschwerdekammer darauf hin, dass nach eigenem Vorbringen der Arbeitgeberin in der Beschwerdeinstanz eine Information der Frau L an die Einrichtungsleiterin Frau X erfolgt ist (Beschwerdebegründung Seite 28, Bl. 429 d.A. unter f). Davon war auch - ohne dass es die Arbeitgeberin erstinstanzlich ausdrücklich vorgetragen hatte - das Arbeitsgericht ausgegangen, da es ansonsten nicht erklärbar wäre, wie es am 26.03. zu dem Gespräch über die Vorfälle in der Nacht vom 24. auf den 25.03. kommen konnte, hätte die Einrichtungsleiterin am 26.03. keine Information gehabt. Allerdings ist dem Betriebsrat dieser Umstand nicht mitgeteilt worden. In der Betriebsratsanhörung auf Seite 9 (Bl. 45 d.A.) heißt es insoweit nur "außerdem hätte er die Einrichtungsleitung über die Vorfälle informieren müssen. Auch dies ist nicht geschehen." Abstrakt genommen mag dieser Satz zutreffend sein; für die Bewertung dieses Kündigungsgrundes kann es jedoch entscheidend sein, ob es hierdurch zu einer vollständigen Unkenntnis der Einrichtungsleitung gekommen ist oder nicht. Insoweit sind Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unter Beachtung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berechtigt (BAG, Urteil vom 16.07.2015, 2 AZR 15/15).



- Die vorstehenden Überlegungen zur Betriebsratsanhörung lassen sich übertragen auf den Vorwurf, gegen ein "allgemeines Rauchverbot" verstoßen zu haben. Dort finden sich in der Betriebsratsanhörung keine weiteren Tatsachen, die die Arbeitgeberin allerdings im Verfahren vorgetragen hat. In der Betriebsratsanhörung heißt es insoweit nur "außerdem hat Herr I offenbar im Wohnbereich 4 trotz des allgemeinen Rauchverbots zahlreiche Zigaretten geraucht". Tatsachen hierzu sind nicht in der Betriebsratsanhörung enthalten. Jedenfalls spricht insoweit einiges dafür, dass es der Arbeitgeberin verwehrt ist, die Tatsachen, die diese bloße Vermutung aus der Betriebsratsanhörung stützen, in das Verfahren einzuführen (vgl. Fitting, aaO. § 102 Rdnr. 41 b und 42 m.w.N.).



Abgesehen davon würde es sich auch hierbei um eine Pflichtverletzung handeln, der im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung steuerbares Verhalten zugrunde liegt mit der Folge, dass eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen.



- Soweit die Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden einen unterlassenen Kontrollgang nach Auslösung des Türalarms um 0.46 Uhr vorwirft, nimmt die Beschwerdekammer auf die Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung auf S. 18 - 20 (Bl. 361 - 363 d.A.) in vollem Umfang Bezug. Aufgrund der hiergegen gerichteten Angriffe in der Beschwerdeinstanz ist dem folgendes hinzuzufügen:



Das Gericht hat in der angegriffenen Entscheidung das Vorbringen des Betriebsrates nicht als vollständig "unstreitig" unterstellt, sondern formuliert, dass der Betriebsratsvoritzende angegeben habe, entsprechende Kontrollgänge in den Kellerräumen, den Büroräumen und im Wohnbereich 5 zu beginnen. Auch nach eigenem Vorbringen der Arbeitgeberin ergibt sich, dass nach Öffnen und Schließen der Außentür Nr. 2 um 0.46 Uhr diese Tür erneut um 0.49 Uhr geöffnet und geschlossen wurde (Schriftsatz vom 15.09.2015, Bl. 261 d.A.). Dies bedeutet zwingend, dass der Betriebsratsvorsitzende und/oder Frau Z drei Minuten nach Eingang des Rufsignals der Außentür diese geöffnet und geschlossen haben müssen, was indiziell stark für das vom Arbeitsgericht angenommene Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden spricht.



Demgegenüber kam es zum weiteren Vorbringen des Betriebsrates zu Störungen durch die Bewohnerin Q nicht auf eine Vernehmung der Zeugin X, der Einrichtungsleiterin, an. Insoweit hat sich die Arbeitgeberin allein auf das Gespräch am 26.03.2015 berufen, da - streitlos - die Einrichtungsleiterin in der Nacht vom 24. auf den 25.03. nicht in der Einrichtung zugegen war. Als Zeugin für einen konkreten Hergang in eben jener Nacht ist sie damit nicht geeignet. Doch selbst wenn die Mitarbeiterin Z im Gespräch mit Frau X geäußert haben soll, dass sie dann zukünftig die Kontrollgänge wieder machen müssen, so schließt dies nicht aus, dass Kontrollgänge - wie der Betriebsratsvorsitzende angibt - bereits begonnen waren. Er selbst hat auch im Termin zur mündlichen Anhörung vor der Beschwerdekammer eingeräumt, dass er es vergessen habe, die vier verbleibenden Zimmer, die noch nicht kontrolliert worden waren, abschließend zu kontrollieren. Ob es sich hierbei angesichts des Entschuldigungsvorbringens des Betriebsratsvorsitzenden im Hinblick auf die personelle Besetzung im Nachtdienst um eine vorwerfbare Pflichtverletzung handelt oder nicht, mag dahinstehen; jedenfalls rechtfertigt sie auch nach Auffassung der Beschwerdekammer ohne Ausspruch einer einschlägigen Abmahnung nicht den Ausspruch einer Kündigung.



- Der Betriebsratsvorsitzende hat auch keine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt, als er nach Rückkehr des Bewohners A keine ärztliche Untersuchung noch in der Nacht vom 24. auf den 25.03.2015 veranlasste. Er hat den Bewohner A nämlich zurück in sein Zimmer gebracht, dort gelagert und ihn pflegerisch versorgt sowie die Füße, die Blutspuren aufwiesen, gewaschen und versorgt. Dabei konnte er keine blutenden Wunden, sondern zwei Hautabschürfungen an Zehen feststellen, die nicht (mehr) bluteten. Selbst wenn die ehemalige Mitarbeiterin L einen Hinweis auf eine vermeintliche Unterkühlung gegeben hat, so war es in diesem Moment Sache des Betriebsratsvorsitzenden als examinierte Pflegekraft im Nachtdienst, zu beurteilen, ob Unterkühlungsspuren eine ärztliche Untersuchung veranlassten oder nicht. Insoweit obliegt es schon der examinierten Kraft, entsprechende Entscheidungen zu treffen. Die Beschwerdekammer geht hierzu nicht mit der Arbeitgeberin davon aus, dass es selbstverständlich sei, dass in solchen Fällen eines "abgängigen" Bewohners, der in die Einrichtung zurückgebracht wird, immer sofort eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. Soweit die Arbeitgeberin davon ausgeht, dass im Übergabegespräch am Morgen des 25.03. ein entsprechender Hinweis des Betriebsratsvorsitzenden unterblieben ist, was die Pflichtverletzung der nicht veranlassten ärztlichen Untersuchung noch schwerer mache, so steht jedoch fest, dass zumindest in dem Berichtsblatt ein Vermerk über das Verlassen der Einrichtung und das Zurückführen mit der Polizei enthalten ist. Dass sich letztendlich die Entscheidung des Betriebsratsvorsitzenden, keinen ärztlichen Notdienst in der Nacht noch zu verständigen, als zutreffend erwiesen hat, zeigt schließlich - darauf hat das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen - dass auch die Frühschicht keine Veranlassung sah, ärztliche Hilfe herbeizurufen.



- Der Vorwurf der Arbeitgeberin, eine Lagerung des Bewohners A um 2.00 Uhr morgens im Pflegeprotokoll eingetragen zu haben, stellt eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Die Beschwerdekammer ist nicht der Auffassung des Betriebsratsvorsitzenden, dass die Anforderungen im Nachtdienst eine sofortige Pflegedokumentation oft nicht ermöglichen würden mit der Folge, dass ein vorheriges oder nachträgliches Ausfüllen erfolgt. Diese Erklärungen sind nachvollziehbar, soweit es um ein sofortiges Ausfüllen geht, welches durch anderweitige Notrufsignale während der Nacht unmöglich gemacht werden kann. Dies bedeutet zugleich, dass die Pflegedokumentation dann - noch während der Schicht - im Nachhinein in einer "ruhigen" Phase ausgefüllt werden kann. Dies scheint im Einzelfall denkbar (und ist wahrscheinlich auch nicht immer anders möglich). Eine Erklärung dazu, inwieweit in der Pflegedokumentation pflegerische Maßnahmen im Vorhinein ausgefüllt werden, ist dies nicht. Insoweit wird auch auf den umfangreichen Vortrag der Arbeitgeberin zur Ausgestaltung von Pflegedokumentationen Bezug genommen (vgl. nur Anlage B 5 zur Beschwerdebegründung Bl. 444 d.A. "Grundsatz Stellungnahme Pflegeprozess und Dokumentation" des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V.).



Jedoch ist die Beschwerdekammer mit der angegriffenen Entscheidung der Auffassung, dass hier vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung der Ausspruch einer Abmahnung erforderlich war. Soweit die Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat, der Betriebsratsvorsitzende sei bereits im Juli 2014 wegen eines einschlägigen Vorfalles abgemahnt worden, was die Arbeitgeberin bei entsprechendem Hinweis hätte vortragen können, ist folgendes zu ergänzen:



Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, der Betriebsratsvorsitzende sei wegen eines vorab erfolgten, falschen Ausfüllens einer Pflegedokumentation im Juli 2014 eindringlich darauf hingewiesen worden, dass eine Vorabdokumentation keinesfalls geduldet werde. Nicht vorgetragen hat die Arbeitgeberin, dass dieser Hinweis mit der jeder Abmahnung immanenten Warnfunktion verbunden worden ist. Die Arbeitgeberin hat insoweit wörtlich vorgetragen, dass die seinerzeit beteiligten Vorgesetzten bestätigen können, "dass der Beteiligte zu 3) anlässlich eines Gesprächs zu den Vorfällen im Juli 2014 hätte erkennen müssen, dass ein Vorab-Ausfüllen der Pflegedokumentation entgegen der arbeitgeberseitigen Weisungen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen hätte führen können". Woran und an welchem Wortlaut die Arbeitgeberin ein solches "hätte erkennen müssen" festmacht, lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen, sodass hierzu eine Beweisaufnahme auch nicht durchgeführt werden konnte.



ee) Nach alledem liegen den zum Kündigungsgrund erhobenen Vorwürfen derArbeitgeberin entweder keine vertraglichen Pflichtverletzungen zugrunde bzw. lassen sich dem vorgetragenen Akteninhalt nicht endgültig entnehmen oder hätten, soweit es sich um Pflichtverletzungen handelt, vor Ausspruch einer Kündigung einer Abmahnung bedurft.



3. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist war schon deshalb abzuweisen, da eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist aus Rechtsgründen gegenüber den durch § 15 KSchG geschützten Personenkreis ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR 343/11 m.w.N.).



Nach alledem unterlagen die Anträge der Arbeitgeberin insgesamt der Abweisung.



III. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG lagen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall, bei der die Beschwerdekammer die grundlegende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts herangezogen hat.

Vorschriften§ 15 KSchG, § 626 BGB, § 87 Abs. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO, § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, § 103 Abs. 2 BetrVG, § 103 Abs. 1 BetrVG, § 25 BetrVG, § 102 BetrVG, § 103 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB, § 78 Abs. 2 BetrVG, § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 78 Satz 2 BetrVG, § 103 BetrVG, § 77 Abs. 4 BetrVG, § 102 Abs. 1BetrVG, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, § 92 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 72 Abs. 2 ArbGG

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