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05.10.2016 · IWW-Abrufnummer 189017

Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 05.08.2016 – 9 TaBV 12/16


Tenor:
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 29.10.2015 - 5 BV 91/15 - wird zurückgewiesen.


II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.



Gründe



I.



Die Beteiligten streiten über die Anfechtung der Wahl eines freigestellten Betriebsratsmitglieds.



Bei der Arbeitgeberin, der Beteiligten zu 3, ist ein elfköpfiger Betriebsrat, der Beteiligte zu 2, gebildet. In der konstituierenden Sitzung am 27.05. 2014 erfolgte die Wahl der freigestellten Mitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl mit zwei Listen. Beide Listen erhielten enthielten jeweils zwei Kandidaten. Der Antragsteller befand sich als erster Kandidat auf der Liste 2. Die Liste 1 erhielt sieben Stimmen, die Liste 2 konnte drei Stimmen auf sich vereinigen. Daraufhin ergingen die beiden Freistellungen an die Liste 1. Der zweite Kandidat der Liste 1 schied zum 28.02.2015 aus dem Betriebsrat aus.



Nach ordnungsgemäßer Ladung fand am 03.03.2015 eine Betriebsratssitzung statt, in der die Wahl der Ersatzfreistellung erfolgte. Die Wahl erfolgte nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl. Der einzige Wahlvorschlag betraf die Beteiligte zu 4, Frau B , die sechs Stimmen erhielt. Drei Betriebsratsmitglieder stimmten gegen die Beteiligte B . Die Beteiligte B nahm die Wahl an.



Mit seinem am 16.03.2015 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten Antrag ficht der Antragsteller die Wahl an. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Wahl der Ersatzfreistellung unzulässig gewesen sei, da er aufgrund der in der Verhältniswahl am 25.04.2014 durchgeführten Abstimmung nunmehr automatisch freigestellt sei. Denn die Ersatzfreistellungen seien der Reihe nach aus den nicht gewählten Betriebsratsmitgliedern derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen, denen sie angehört hätten. Sei die Vorschlagsliste, wie im vorliegenden Fall die Liste 1 erschöpft, sei der Nachrücker aus der Vorschlagsliste zu entnehmen, auf der bei Verteilung der Freistellungen die nächste Höchstzahl entfallen sei. Jedenfalls hätte die Neuwahl einer Ersatzfreistellung einen einstimmigen Beschluss des Betriebsrats voraus gesetzt. Im Übrigen hätte die Ersatzfreistellung nur auf der Basis einer Dreiviertel-Stimmenmehrheit erfolgen dürfen.



Der Antragsteller hat beantragt,



Der Betriebsrat und die Beteiligte Brettschneider haben beantragt,



Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 29.10. 2015 zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass eine Mehrheitswahlen der Ersatzfreistellung zu erfolgen habe, wenn die Vorschlagsliste, der das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied angehört habe, erschöpft sei.



Der Beschluss ist dem Antragsteller am 14.12.2015 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete Beschwerde ist am 11.01.2016 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 15.03.2016 mit einem am 14.03.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet worden.



Er beantragt,



Der Betriebsrat und die Beteiligte B beantragen,



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.



II.



Die statthafte, fristgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache selbst keinen Erfolg. Denn die Anfechtung der Wahl der Beteiligten B als freizustellendes Betriebsratsmitglied kann nicht gemäß dem entsprechend anwendbaren § 19 Abs. 1 BetrVG durchdringen, weil bei der Wahl nicht gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde. Demgemäß ist der Antragsteller kein freigestelltes Betriebsratsmitglied und sein Name nicht gemäß § 38 Abs. 2 Satz 3 BetrVG der Beteiligten zu 3 bekannt zu geben.



1.) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Beschwerdekammer anschließt, stellt das Fehlen einer gesetzlichen Vorschrift über die Folgen des Ausscheidens eines Betriebsratsmitglieds aus der Freistellung eine planwidrige Regelungslücke dar. Es kann nach der gesetzlichen Konzeption nicht davon ausgegangen werden, das aus der Freistellung ausgeschiedene Betriebsratsmitglied müsse überhaupt nicht ersetzt werden. Vielmehr ist die Mindestzahl von freizustellenden Betriebsratsmitgliedern nicht nur für die erstmalige Freistellungswahl, sondern für die gesamte Amtszeit des Betriebsrats maßgeblich. Die durch Ausscheiden eines Betriebsratsmitglieds aus der Freistellung eintretende Unterschreitung der Mindestzahl von freizustellenden Betriebsratsmitgliedern bedarf daher eines Ausgleichs (BAG, Beschluss vom 25. April 2001 - 7 ABR 26/00 -, BAGE 97, 340-350, Rn. 20).



2.) In den Fällen, in denen die freigestellten Betriebsratsmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt worden waren, sind in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die neu freizustellenden Betriebsratsmitglieder der Reihe nach der Vorschlagsliste zu entnehmen, denen das das aus der Freistellung von zu ausgeschiedene Betriebsratsmitglieds an gehört hatte. Daraus folgt zunächst, dass bei Ausscheiden eines Freigestellten keine Neuwahl aller Freizustellenden stattfinden muss. Denn eine Neuwahl aller Freizustellenden ginge über die Vorschlagslisten der ursprünglichen Wahl hinaus. Dies entspricht praktischen Bedürfnissen, insbesondere dem Erfordernis einer kontinuierlichen Betriebsratsarbeit(BAG, Beschluss vom 25. April 2001 - 7 ABR 26/00 -, BAGE 97, 340-350, Rn. 28).



3.) Ferner bedeutet dies, dass im Falle der Erschöpfung der Liste das ersatzweise freizustellende Betriebsratsmitglied im Wege der Mehrheitswahl gewählt werden kann (BAG, Beschluss vom 25. April 2001 - 7 ABR 26/00 -, BAGE 97, 340-350, Rn. 28). Der Rechtsgedanke des § 15 Abs. 3 WO BetrVG, wonach die überschüssigen Mitgliedersitze bei Erschöpfung einer Vorschlagsliste auf die folgenden Höchstzahlen der anderen Vorschlagslisten übergeht, ist auf die Freistellungsproblematik nicht übertragbar. Zwar ist der durch § 38 Abs. 2 Satz 8 BetrVG gewährleistete Minderheitenschutz nicht erschöpfend, da er Fälle wie den vorliegenden, in denen die Freistellung auf andere Weise als durch Abberufung endet, nicht erfasst (BAG, Beschluss vom 25. April 2001 - 7 ABR 26/00 -, BAGE 97, 340-350, Rn. 26). Der Listenschutz reicht jedoch nicht weiter als der Wahlvorschlag (BAG, Beschluss vom 25. April 2001 - 7 ABR 26/00 -, BAGE 97, 340-350, Rn. 28). Ist eine Liste erschöpft, hat daher eine Mehrheitswahl stattzufinden.



4.) Die Durchführung der Mehrheitswahl setzt keinen einstimmigen Betriebsratsbeschluss voraus. Ist die Liste erschöpft, so wird das ersatzweise freizustellende Betriebsratsmitglied vom Betriebsrat im Wege der Mehrheitswahl gewählt (BAG, Beschluss vom 14. November 2001 - 7 ABR 31/00 -, Leitsatz, [...]). Einer Beschlussfassung darüber bedarf es nicht.



5.) Schließlich bedurfte die Wahl der Beteiligten B als freizustellendes Betriebsratsmitglied keiner Dreiviertelmehrheit. Die Vorschrift des § 38 Abs. 2 Satz 8 BetrVG, die auf das Quorum des § 27 Abs. 3 Satz 5 BetrVG verweist, betrifft nur die Abberufung von Freigestellten, nicht hingegen die Wahl der Freizustellenden. Für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift besteht schon deswegen keine Veranlassung, da die Gefahr besteht, dass kein Mitglied die erforderliche Anzahl der Stimmen erhält und somit die vom Gesetz geforderte Anzahl der Freistellungen nicht realisiert werden kann. Dies wäre mit der im Interesse der Belegschaft und des Unternehmens gebotenen Funktionsfähigkeit des Betriebsrats und dessen störungsfreier Geschäftsführung nicht vereinbar (vgl. BAG, Beschluss vom 14. November 2001 - 7 ABR 31/00 -, Rn. 13, [...])



Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da sie dem Rechtsstreit, soweit das Bundesarbeitsgericht zu dem vom Antragsteller aufgeworfenen Rechtsfragen noch nicht Stellung genommen hat, grundsätzliche Bedeutung beimisst.

Vorschriften§ 19 Abs. 1 BetrVG, § 38 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 38 Abs. 2 Satz 8 BetrVG, § 27 Abs. 3 Satz 5 BetrVG

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