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16.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188738

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 08.07.2016 – 9 Sa 14/16


Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 19.11.2014 - 4 Ca 981/14 - wird zurückgewiesen.


2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.


3. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zustimmung zur Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages.



Die Beklagte entwickelt und produziert Kunststoff-Systeme für Kraftfahrzeuge. Der geborene Kläger ist seit dem 01.09.1986 bei der Beklagten beschäftigt. Im Jahr 2000 schloss der Kläger bei der A AG eine Lebensversicherung ab.



Gemäß Vereinbarung vom 13.03.2001 wurde der Anspruch des Klägers auf Barlohn in Höhe eines Betrags von 2.000,- DM jährlich in einen Anspruch auf Verschaffung von Versicherungsschutz umgewandelt. Die Beklagte verpflichtete sich, den umgewandelten Betrag in die Direktversicherung bei der A Lebensversicherung AG zu zahlen.



Unter dem 14.05.2001 teilten die Parteien der A AG mit, dass die Beklagte nunmehr die Versicherungsnehmerin der vom Kläger abgeschlossenen Lebensversicherung sein solle. Ende 2009 wurde der Vertrag ruhend gestellt. Ausweislich der Wertmitteilungen der Versicherungsgesellschaft vom Dezember 2012 betrug der Vertragswert am 01.12.2012 4.528,58 € und am 01.12.2014 6.417,00 €.



Nachdem der Kläger in einen finanziellen Engpass gekommen war, kündigte er mit Schreiben vom 10.01.2013 den Versicherungsvertrag. Die Versicherungsgesellschaft bat die Beklagte daraufhin um Mitteilung, ob sie der Kündigung zustimme, da ansonsten eine Kündigung des Vertrages nicht möglich sei. Die Beklagte verweigert die Zustimmung.



Mit seiner am 18.03.2014 bei dem Arbeitsgericht Siegburg eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Zustimmung der Beklagten zur Kündigung der Lebensversicherung und um Übersendung der Versicherungspolice an die Versicherungsgesellschaft. Der Kläger hat behauptet, er sei auf die Auszahlung des Vertragswerts (Stand 01.12.2015: 6.932,82 €) aufgrund einer finanziellen Notlage angewiesen. Zum 06.03.2014 sei er bei seiner Baufinanzierung mit einem Betrag in Höhe von 6.827,15 € im Rückstand gewesen. Bezüglich eines Betrages von 4.000,- € habe er ein anderes Darlehen aufnehmen können. Es sei jedoch noch ein Betrag in Höhe von 1.775,75 € offen. Diesen Betrag benötige er, um eine Kündigung seiner Baufinanzierung zu verhindern. Die Beklagte habe diese finanzielle Notlage teilweise selbst verursacht, da er, der Kläger, zur Durchsetzung seiner Entgeltansprüche Rechtsstreite gegen die Beklagte habe führen müssen. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte aufgrund einer arbeitsvertraglichen Pflicht gehalten sei, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen.



Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die bei der A AG, Kundenservice Direktion K , , K bestehenden Lebensversicherungsvertrag Deutsche Fondpolice mit der Versicherungsscheinnummer , bei dem er versicherte Person ist, zu kündigen; 2. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem Besitz befindliche Original-Versicherungspolice vom 09.01.2001 des fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrages Deutsche Fondpolice mit der Versicherungsscheinnummer an die A AG Kundenservice Direktion K , , K zu übersenden.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen



Sie hat eine Notlage des Klägers bestritten und die Auffassung vertreten, aufgrund der §§ 3, 4 BetrAVG an der Zustimmung zur Kündigung gehindert zu sein.



Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.11.2014 als unbegründet abgewiesen, da einer Auflösung des Altersversorgungsvertrages der Schutzgedanke der §§ 3, 4 BetrAVG entgegenstehe.



Das Urteil ist dem Kläger am 07.01.2015 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete Berufung ist am 23.01.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.04.2015 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet worden.



Unter Vertiefung seines Tatsachenvorbringens macht der geltend, dass die Beklagte aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Zustimmung zur Kündigung verpflichtet sei. Die §§ 3, 4 BetrAVG stünden der Kündigung nicht entgegen.



Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 19.11.2001verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg, Az. 4 Ca981/14, 1. die Beklagte zu verurteilen, die bei der A AG, Kundenservice Direktion K , , K bestehenden Lebensversicherungsvertrag Deutsche Fondpolice mit der Versicherungsscheinnummer , bei dem er versicherte Person ist, zu kündigen; 2. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem Besitz befindliche Original-Versicherungspolice vom 09.01.2001 des fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrages Deutsche Fondpolice mit der Versicherungsscheinnummer an die A AG Kundenservice Direktion K , , K zu übersenden.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und behauptet, in den Jahren 2001 bis 2009 aufgrund des Tarifvertrags über Einmalzahlungen und Altersvorsorge der chemischen Industrie (TEA) insgesamt 5.592,57 € als Arbeitgeberförderung in die betriebliche Altersversorgung des Klägers gezahlt zu haben. Sie ist der Ansicht, dass der Kläger diesen Betrag bei einer vorzeitigen Auflösung des Versicherungsvertrages an sie zurückzahlen müsse. Zudem sei in dem Versicherungsvertrag eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung enthalten, für die die Beiträge anteilig verwendet worden seien.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze, den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zustimmung zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrags und zur Übersendung der Versicherungspolice an die Versicherungsgesellschaft.



1.) Allerdings stehen §§ 3, 4 BetrAVG dem Begehren des Klägers nicht entgegen. § 3 ist nur auf Vereinbarungen anzuwenden, die im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses getroffen werden (BAG, Urteil vom 14. August 1990 - 3 AZR 301/89 -, BAGE 65, 341-347, Rn. 17), was hier nicht der Fall wäre. Vielmehr kann ein Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis auf erdiente - verfallbare und unverfallbare - Anwartschaften wirksam verzichten (BAG, Urteil vom 21. Januar 2003 - 3 AZR 30/02 -, Rn. 24, [...]; Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 22. Juni 2011 - 2 Sa 76/10 -, Rn. 72, [...]). § 4 BetrAVG regelt nur die Übertragung von Versorgungszusagen auf einen neuen Arbeitgeber und setzt ebenfalls eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus. Die Verwertungsverbote der nach § 2 Abs. 2 Satz 4 und 5 BetrAVG greifen hier ebenfalls nicht, da sie Folgen der Unverfallbarkeit für den Fall der - hier nicht beabsichtigten - Beendigung eines Arbeitsverhältnisses regeln (Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 22. Juni 2011 - 2 Sa 76/10 -, Rn. 71, [...]).



2.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kündigung des Versicherungsvertrags durch die Beklagte. Diese ist Versicherungsnehmerin und damit die Vertragspartnerin der Versicherungsgesellschaft. Die Entscheidung über die Kündigung des Vertrages ist daher ihr zugewiesen.



3.) Der Kläger hat auch unter Fürsorgegesichtspunkten keinen Anspruch aus darauf, dass die Beklagte den Versicherungsvertrag kündigt.



a) Die Voraussetzungen und der Umfang von vertraglichen Nebenpflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalles und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung (BAG, Urteil vom 29. September 2005 - 8 AZR 571/04 -, BAGE 116, 78-85, Rn. 11). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 - 8 AZR 242/11 -, Rn. 58, [...] zu Hinweis- und Aufklärungspflichten). Der Arbeitgeber ist daher aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gehalten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gilt auch für die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 21. Januar 2014 - 3 AZR 807/11 -, BAGE 147, 155-161, Rn. 15). Hingegen besteht keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vor privaten Vermögensnachteilen zu bewahren (Ulbrich/Britz, Anspruch auf vorzeitige Auszahlung einer betrieblichen Altersversorgung wegen finanzielle Notlage des Arbeitnehmers, DB 2015, 247, 249). Die Pflicht jedes Vertragspartners, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB), kann daher regelmäßig nur dann zu einer Verpflichtung des Arbeitgebers führen, bei der Wahrung oder Entstehung von Ansprüchen seiner Arbeitnehmer mitzuwirken, die diese gegenüber Dritten, etwa einem privaten Versicherungsträger, haben (BAG, Urteil vom 24. September 2009 - 8 AZR 444/08 -, Rn. 14, [...]), wenn dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragspartner sowie der anderen Arbeitnehmer nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 - 8 AZR 242/11 -, Rn. 58, [...]).



b) Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat einen auf die Grundsätze von Treu und Glauben gestützten Anspruch des Arbeitnehmers auf Zustimmung zur Auflösung eines Lebensversicherungsvertrages abgelehnt, da dessen persönlichen Verhältnisse für ein dem Arbeitgeber zurechenbares Handeln nicht ergäben (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 1989 - 3 Sa 449/89 -, Betriebliche Altersversorgung 1990, 179, 180). Hingegen kann ein Arbeitnehmer nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Bremen vom Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis verlangen, dass dieser die Kündigung des zu Gunsten des Arbeitnehmers abgeschlossenen Versicherungsvertrags mit dem Inhalt einer Entgeltumwandlung in Beiträge an eine Pensionskasse erklärt (Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 22. Juni 2011 - 2 Sa 76/10 -, Ls. 2, [...]). Die Kammer kann offen lassen, ob die Ansicht des LAG Bremen in vollem Umfang zu teilen ist. Denn auch das Landesarbeitsgericht Bremen bejaht eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Kündigung einer Versicherung aus § 241 Abs. 2 BGB den Arbeitgeber (nur) dann, wenn es ihm möglich sei, ohne Beeinträchtigung eigener Interessen einen ihm möglichen Beitrag zu leisten, um dem Interesse des Arbeitnehmers entgegenzukommen (Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 22. Juni 2011 - 2 Sa 76/10 -, Rn. 63, [...]).



c) Im vorliegenden Fall wären die Interessen der Beklagten durch die vom Kläger gewünschte Kündigung aber in einem so erheblichen Maße beeinträchtigt, dass die geforderte Interessenabwägung zu Lasten des Klägers ausgeht.



aa) Dabei kann die Kammer trotz der von der Beklagten geäußerten Zweifel unterstellen, dass sich der Kläger tatsächlich in einem finanziellen Engpass befindet. Auch wenn der Kläger dies nicht im Einzelnen dargelegt hat, kann die Kammer ferner davon ausgehen, dass die Beklagte ihren Entgelt- und Entgeltfortzahlungsverpflichtungen nicht immer unverzüglich und teilweise erst nach gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Kläger nachgekommen ist, und dass dies zu der Notlage des Klägers beigetragen hat. Dies ist auch notwendig, da die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nach zutreffender Ansicht dann nicht eine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Auflösung des Versicherungsvertrages begründen kann, wenn die finanzielle Notlage ihren Grund ausschließlich in der Privatsphäre des Arbeitnehmers hat und keinen Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis besteht (Ulbrich/Britz, Anspruch auf vorzeitige Auszahlung einer betrieblichen Altersversorgung wegen finanzielle Notlage des Arbeitnehmers, DB 2015, 247, 249).



bb) Gleichwohl überwiegen die Interessen der Beklagten, die Versicherung nicht zu kündigen, die Interessen des Klägers an der Auflösung des Versicherungsvertrages.



(1) Zunächst ist zu berücksichtigen dass die Notlage des Klägers nicht gravierend ist. Nach seiner Darlegung geht es nur um einen offenen Betrag in Höhe von 1.775,75 €. Eine Kündigung seiner Baufinanzierung ist trotz der nicht unerheblichen Prozessdauer bislang nicht erfolgt. Für die Kammer ist nicht ersichtlich, dass sich wegen eines verhältnismäßig kleinen Restbetrags von 1.775,75 € keine andere Lösung finden lässt, um diesen Engpass zu überwinden. Zu denken wäre etwa an eine Beleihung der Lebensversicherung. Zu denken wäre auch an ein zinsloses Arbeitgeberdarlehen, das der Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung jedoch abgelehnt hat, ohne dass sich die Beklagte zu dem entsprechenden gerichtlichen Vorschlag abschließend geäußert hat.



(2) Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Kündigung der Versicherung demgegenüber zur Verschleuderung eines nicht unerheblichen Vermögenswerts führen würde. Denn der Kläger würde von dem Versicherungswert, wenn überhaupt, nur einen Bruchteil erhalten. Insoweit ist zu beachten, dass die im Wege der Entgeltumwandlung eingezahlten Beiträge gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 9 der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (SvEV) nicht mit Sozialabgaben belastet waren. Ferner unterlagen diese umgewandelten Beträge gemäß § 3 Nr. 63 EStG nicht der Einkommensteuer. Ferner bestand die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung nach § 40b EStG für Beiträge zu einer Direktversicherung, die vor dem 01.01.2005 abgeschlossen wurde. Wird der Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge also zum Rückkaufswert vor dem 60. Lebensjahr gekündigt, müssen die gesamten eingesparten Sozialabgaben auf die Beitragssumme nachgezahlt werden. Darüber hinaus droht allein schon wegen der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen eine steuerliche Nachveranlagung (§§ 20 Abs. 1 Nr. 6, 22 Nr. 5 EStG).



(3) Ferner ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Altersversorgung des Klägers mit eigenen Mitteln gefördert hat. Nach § 19 TEA erhöhte sich die kalenderjährliche Einmalzahlung zur Entgeltumwandlung um eine sogenannte Chemietarifförderung. Diese hat die Beklagte geleistet. Das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen ist insoweit unbeachtlich. Die Beklagte hat entsprechende Abrechnungen vorgelegt und der Kläger hätte sich bei der Versicherung erkundigen können, in welcher Höhe Gelder in die Versicherung geflossen sind. Dass der Versicherungswert geringer ist, steht dem nicht entgegen. Die Rückkaufswerte liegen häufig unter der Summe der bis zur Kündigung gezahlten Beiträge. Denn die Beiträge die Prämien in der Lebensversicherung müssen nach § 138 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsaufsichtsgesetz unter Zugrundelegung angemessener versicherungsmathematischer Annahmen kalkuliert werden und so hoch sein, dass das Lebensversicherungsunternehmen allen seinen Verpflichtungen nachkommen und insbesondere für die einzelnen Verträge ausreichende Deckungsrückstellungen bilden kann. Den Versicherungen liegen daher regelmäßig "gezillmerte" Tarife zugrunde, bei denen die Beitragszahlungen zunächst der Deckung der Provisions- und Abschlusskosten dienen. Würde der Rückkaufwert dem Kläger nach Abzug aller Steuern und Abgaben allein zufließen, würde die Beklagte an der Verschleuderung eines von ihr mit aufgebauten Vermögens mitwirken müssen. Wäre der Kläger, wie die Beklagte meint, Rückforderungsansprüchen der Beklagten wegen der von ihr gezahlten Aufstockungsbeiträge ausgesetzt, wäre sein Nutzen aus der Kündigung sogar noch geringer.



(4) Unabhängig davon würde die Kündigung der Lebensversicherung für die Beklagte zu einem hohen Verwaltungsaufwand führen, der im Rahmen der Interessenabwägung ebenfalls Berücksichtigung finden muss (Ulbrich/Britz, Anspruch auf vorzeitige Auszahlung einer betrieblichen Altersversorgung wegen finanzielle Notlage des Arbeitnehmers, DB 2015, 247, 250). Darüber hinaus würde sich die Beklagte angesichts der Vielzahl an sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Probleme einem erhöhten Haftungsrisiko aussetzen. Dieses Risiko kann sich sowohl in Bezug auf den Kläger als auch gegenüber den Sozialversicherungsträgern oder dem Finanzamt stellen. Selbst die Versicherungsgesellschaft hat in ihrem vom Kläger selbst vorgelegten Schreiben vom 25.02.2013 (Bl. 37 der Akte) mitteilen können, ob und in welcher Form die bisherige Pauschalsteuer auszugleichen sei. Dies zu entscheiden sei Sache des zuständigen Finanzamts und könne von Fall zu Fall anders sein.



(5) Schließlich sprechen sozialpolitische Aspekte gegen eine Verpflichtung der Beklagten zur Kündigung der Lebensversicherung. Die betriebliche Altersversorgung als zweite Säule der Altersversorgung bedeutet mehr als einen jederzeit kündbaren Sparvorgang. Sie dient der Unterstützung in existenziellen Versorgungsfällen und nicht dem Ausgleich kurzfristiger finanzieller Engpässe (Ulbrich/Britz, Anspruch auf vorzeitige Auszahlung einer betrieblichen Altersversorgung wegen finanzielle Notlage des Arbeitnehmers, DB 2015, 247, 251). Einen Versorgungsanspruch wegen eines allenfalls bescheidenen Liquiditätszuwachses aufzugeben, erscheint der Kammer nicht nur in hohem Maße unvernünftig, sondern widerspricht auch dem Grundgedanken der betrieblichen Altersversorgung.



Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Die Kammer hat die Revision zugelassen, weil sie den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG beimisst.

Vorschriften§§ 3, 4 BetrAVG, § 4 BetrAVG, § 2 Abs. 2 Satz 4 und 5 BetrAVG, § 241 Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 9 der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (SvEV), § 3 Nr. 63 EStG, § 40b EStG, §§ 20 Abs. 1 Nr. 6, 22 Nr. 5 EStG, § 138 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsaufsichtsgesetz, § 97 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG

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