06.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188456
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 22.03.2016 – 6 SaGa 18/15
Hat das ArbG den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung erstinstanzlich im Hauptsacheverfahren (und zuvor bereits im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung) abgewiesen, so besteht ohne Hinzutreten besonderer Umstände kein Verfügungsgrund mehr für den mit der Berufung weiterverfolgten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 25.08.2015 - 6 Ga 16/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die vorläufige Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers (im Folgenden: Kläger), der seit 01.11.2001 bei der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte), zuletzt als kaufmännischer Leiter "Instandhaltung" an deren Sitz in L tätig war.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt mit Schreiben vom 26.01.2015 zum 31.07.2015. Der Kläger hat diese Kündigung mittels Kündigungsschutzklage angegriffen und am 22.09.2015 ein den Kündigungsschutzantrag betreffendes obsiegendes Urteil des Arbeitsgerichts Halle (6 Ca 267/15) erstritten. Zugleich hat das Arbeitsgericht in dem vorgenannten Urteil jedoch den auf vorläufige Weiterbeschäftigung gerichteten Antrag des Klägers zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil im Hauptsacheverfahren hat die Beklagte Berufung und der Kläger Anschlussberufung eingelegt. Das Berufungsverfahren ist bei der erkennenden Kammer zum Geschäftszeichen 6 Sa 420/15 anhängig.
Im Verlauf des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens hat der Kläger darüber hinaus den im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Antrag auf Weiterbeschäftigung im Wege der einstweiligen Verfügung gestellt (S. 2 der Antragschrift - Bl. 2 d. A.) und diesen auf § 102 Abs. 5 BetrVG gestützt. Seiner Auffassung nach habe der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat der Kündigung vom 26.01.2015 in seiner Stellungnahme vom 23.01.2015 (Bl. 78 d. A.) im Sinne der vorgenannten Rechtsnorm widersprochen.
Unter dem 08.09.2015 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut ordentlich zum 31.03.2016 gekündigt. Auch diese Kündigung hat der Kläger mittels Kündigungsschutzklage angegriffen. Das Verfahren ist bei dem Arbeitsgericht Halle zum Geschäftszeichen 6 Ca 2011/15 anhängig. Ein Widerspruch des Betriebsrates hinsichtlich dieser Kündigung ist nicht erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.08.2015 (Bl. 161 ff d. A.) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprechend dem Antrag der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG seien nicht gegeben. Die Stellungnahme des Betriebsrates vom 23.01.2015 enthalte keinen Widerspruch im Sinne dieser Vorschrift. Die begehrte Weiterbeschäftigung ergebe sich auch nicht anhand der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts.
Gegen dieses, ihm am 24.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.10.2015 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 24.12.2015 am 20.11.2015 begründet.
Mit dem Rechtsmittel verfolgt er seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf Beschäftigung weiter. Er stützt diesen Antrag nunmehr auch - nach Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag im Hauptsacheverfahren - auf die von dem Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze. Seiner Auffassung nach stehe der Bejahung eines Verfügungsgrundes weder der Umstand, dass das Arbeitsgericht zwischenzeitlich im Hauptsacheverfahren den Weiterbeschäftigungsantrag zurückgewiesen habe, noch die von der Beklagten ausgesprochene, zum 31.03.2016 wirkende Folgekündigung entgegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 25.08.2015 abzuändern und
die antragsgegnerische Partei zu verurteilen, die antragstellende Partei über den 31.07.2015 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen gemäß Arbeitsvertrag vom 28.03.2007 in der Fassung vom 27.02.2008 für den Bereich der Instandhaltung als Kaufmännischer Leiter Dienstsitz in L weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Insbesondere sei ein Verfügungsgrund nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Beschäftigung, zurückgewiesen.
Dem begehrten Erlass der einstweiligen Verfügung steht bereits entgegen, dass hierfür kein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO gegeben ist. Ein solcher setzt voraus, dass die einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
I.
Der Bejahung einer derartigen Eilbedürftigkeit steht bereits entgegen, dass das Arbeitsgericht über den Weiterbeschäftigungsantrag im Hauptsacheverfahren (abschlägig) entschieden hat. Damit ist - ohne Vorliegen besonderer Umstände - ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer vorläufigen Regelung nicht mehr gegeben. Besondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind von dem Kläger nicht dargetan worden.
1.
Er vertritt insoweit zwar die Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht den Weiterbeschäftigungsantrag nicht zuerkannt. Hieraus allein folgt aber kein (Verfügungs-)grund, die für ihn nachteilige erstinstanzliche Entscheidung im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens "vorläufig abzuändern". Aus § 62 Abs. 1 ArbGG lässt sich vielmehr der Rechtsgedanke ableiten, dass eine das erstinstanzliche Urteil quasi temporär abändernde Entscheidung im Eilverfahren nur unter strengen, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen erfolgen kann. Die Begründung des Arbeitsgerichts für die Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrages ist nach summarischer Prüfung jedenfalls vertretbar.
2.
Soweit der Kläger auf finanzielle Nachteile verweist, so würden diese durch die begehrte einstweilige Verfügung nicht beseitigt. Diese würde die Beklagte lediglich zur tatsächlichen Beschäftigung des Klägers verpflichten. Eine Verpflichtung, dem Kläger (auch) die bisher für diese Tätigkeit gezahlte Vergütung weiter zu gewähren, ist von einem derartigen Vollstreckungstitel nicht umfasst. Die durch Zwangsvollstreckung bewirkte Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers begründet im Falle eines zweitinstanzlichen Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag auch nicht unmittelbar einen Anspruch auf Zahlung der aus dem beendeten Arbeitsvertrag für die erbrachten Dienste bisher zu gewährenden Vergütung. Die Abwicklung dieses Verhältnisses erfolgt vielmehr nach Maßgabe des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff BGB).
II.
Weiter steht der Bejahung eines Verfügungsgrundes entgegen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zwischenzeitlich erneut zum 31.03.2016 ordentlich gekündigt und der Betriebsrat dieser Kündigung unstreitig nicht widersprochen hat.
1. Damit ergebe sich allenfalls (noch) bei summarischer Prüfung ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers bis zum 31.03.2016.
a. Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG bezüglich dieser Kündigung sind nicht gegeben.
b. Der sogenannte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch, gestützt auf die Rechtsprechung des Großen Senats des BAG entfällt wieder, wenn der Arbeitgeber eine Folgekündigung ausspricht, die nicht offensichtlich unwirksam ist (BAG 19.12.1985 - 2 AZR 190/85). Anhaltspunkte dafür, dass die zweite Kündigung der Beklagten offensichtlich keinen Bestand haben kann, sind von dem Kläger nicht dargetan worden.
2. Ein für die Bejahung des Verfügungsgrundes erforderliches schutzwürdiges Interesse des Klägers an einer vorläufigen Regelung für nur noch wenige Arbeitstage ist vorliegend nicht erkennbar.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
C.
Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt (§ 72 Abs. 4 ArbGG).