01.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188392
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 11.07.2016 – 6 U 53/16
1. Eine das Erfordernis der schriftlichen Zusage des Versicherers auslösende gemischte Krankenanstalt i. S. d. § 4 Abs. 5 MB/KK liegt vor, wenn die Anstalt nach ihrem medizinischen Konzept sowohl reine Krankenhausleistungen als auch die Behandlungen und Leistungen eines Sanatoriumsbetriebs erbringen kann; auf die konkrete Ausgestaltung der tatsächlich gewählten Therapie des Versicherten im Einzelfall kommt es dabei nicht an.
2. Krankenanstalten, die ihre Patienten nach dem alternativen Konzept der Traditionellen Chinesischen Medizin behandeln, in der zur Behandlung akuter Erkrankungen auch solche Therapieformen zur Anwendung gelangen, die sich bei isolierter Betrachtung als Maßnahmen zur Rehabilitation darstellen, können nur dann nicht als gemischte Anstalten angesehen werden, wenn die besondere Art der Therapieform ausschließlich dem Zweck der Behandlung der akuten Erkrankung dient und nicht – auch – der Rehabilitation oder der Hilfe zur Selbsthilfe. Hierzu muss der Versicherungsnehmer im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast substantiiert vortragen.
6 U 53/16
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.2.2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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A.
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Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Behandlungskosten für einen stationären Aufenthalt aus einem zwischen den Parteien geschlossenen privaten Krankheitskostenvollversicherungsvertrag. In dem Versicherungsvertrag, dem die Geltung MB/KK 2009 zugrunde liegt, haben die Parteien – auszugsweise – folgende Vereinbarungen getroffen:
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„Bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung hat die versicherte Person freie Wahl unter den öffentlichen und privaten Krankenhäusern, …“ (§ 4 IV MB/KK).
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„Für medizinisch notwendige Heilbehandlungen in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlung durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, im übrigen aber die Voraussetzungen von Abs. 4 erfüllen, werden die tariflichen Leistungen nur dann gewährt, wenn der Versicherer diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat ...“ (§ 4 V MB/KK).
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Außerdem haben sie in Teil II Tarifbedingungen vereinbart:
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„Eine schriftliche Leistungszusage nach § 4 Abs. 5 Teil I ist nicht erforderlich, wenn es sich um eine Notfalleinweisung handelt oder wenn die Krankenanstalt das einzige Versorgungskrankenhaus in der Umgebung des Versicherten ist und ausschließlich medizinisch notwendige Heilbehandlungen durchgeführt werden sollen, die eine stationäre Behandlung erfordern…“
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Der Kläger leidet seit längerer Zeit an einer Erkrankung des peripheren Nervensystems. Er hat sich aufgrund einer Diagnose seines behandelnden Hausarztes mit dem Inhalt einer deutlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nach Ausschöpfung sämtlicher ambulanter Behandlungsmaßnahmen in der Zeit vom 18.1.2015 bis zum 8.2.2015 in stationäre Behandlung in der Klinik T in H begeben. Die genannte Klinik behandelt ihre Patienten nach der Heilmethode der Traditionellen Chinesischen Medizin (kurz: TCM). Einen zuvor vom Kläger gestellten Antrag auf schriftliche Zusage der Kostenübernahme für die Behandlung in der Klinik T hat die Beklagte unter Hinweis darauf, dass es sich dabei auch um eine Rehabilitationsmaßnahme handele, abgewiesen.
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Der Kläger ist der Ansicht, die Klinik T erfülle nicht die Voraussetzungen des § 4 V MB/KK 2009. Deswegen habe es einer schriftlichen Zustimmung der Beklagten nicht bedurft. Er hat erstinstanzlich beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.854,00 € (restliche Behandlungskosten nach Teilzahlung durch die Beklagte) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2015, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stünde kein Anspruch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag zu, weil die Beklagte die Übernahme der Kosten nach der Vereinbarung in § 4 V MB/KK zu Recht abgelehnt habe. Der darin vereinbarte Vorbehalt einer vorherigen schriftlichen Zusage sei in seiner konkreten Ausgestaltung rechtlich unbedenklich und wirksam. Die Klinik T stelle eine sog. gemischte Anstalt i. S. d. § 4 V MB/KK dar, weil sie sowohl Krankenhausleistungen, als auch Kur- und Sanatoriumsbehandlungen anbiete. Für die rechtliche Einordnung der Klinik komme es weder auf die konkrete Ausgestaltung der Behandlung des Klägers, noch auf das spezielle Behandlungskonzept der TCM, sondern auf das im Katalog und in der Internetdarstellung veröffentlichte Leistungsangebot der Klinik an, nach der auch für Kur- und Sanatoriumsaufenthalte typische Heilanwendungen angeboten würden, wie z. B. therapeutisches Bogenschießen, Qigong, Wasseranwendung nach Kneipp, Schröfpen, Entspannungsübungen, Meditation, japanisches Bad, Barfußweg und Schwingstein. Außerdem werbe die Klinik – die sich selbst in ihrem Katalog als gemischte Anstalt ansehe - mit für Kuranwendungen typischen Merkmalen, wie z. B. der Gemeinschaft mit anderen Patienten, dem Plaudern im Panoramazimmer, dem Musizieren, gemeinsamen Gestaltungsabenden, gemeinsamen Essen im Speisesaal, einer schönen Gartenanlage, sowie der reizvollen Umgebung und mit typischen Kurbehandlungen, sowie der Krebs-, Herzinfarkt- und Schlaganfallnachsorge. Da es sich bei der Frage nach der Qualifikation der Klinik als gemischte Anstalt um eine reine Rechtsfrage handele, bedürfe es der Einholung des vom Kläger angebotenen Sachverständigengutachtens nicht. Es lägen auch nicht die Teil II der Tarifbedingungen vorgesehenen Voraussetzungen für eine Rückausnahme vom Erfordernis der vorangehenden schriftlichen Zusage vor. Hierfür fehle es an einem hinreichend schlüssigen Sachvortrag des – insoweit darlegungs- und beweispflichtigen - Klägers zum Vorliegen eines Notfalls bei der Behandlung in der mehrere hundert Kilometer von seinem Wohnort entfernt liegenden Klinik.
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Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers mit welcher er seinen erstinstanzlich gestellten Zahlungsantrag weiterverfolgt. Er behauptet, die Klinik T biete ausschließlich Krankenhausbehandlungen an, wofür dem werbenden Effekt des Internetauftritts der Anstalt keine maßgebliche Bedeutung zukomme. Hierzu vertritt er die Ansicht, dass es nicht auf die abstrakte Möglichkeit der Erbringung von Kur- oder Sanatoriumsbehandlungen ankomme, sondern auf das Gesamtbild der angebotenen Behandlungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der speziellen Behandlungsmethode der TCM, die sich vom klassischen schulmedizinischen Behandlungskonzept insbesondere dadurch unterscheide, dass einzelne Behandlungselemente aus der Kur- und Rehabilitationsbehandlung in diese Methode integriert seien, ohne von vorbehandelnden Ärzten vorgegeben zu sein. Jedenfalls hätte das Landgericht nicht ohne Einholung des vom Kläger angebotenen Sachverständigengutachtens über die Frage, ob eine gemischte Anstalt i. S. d. § 4 V MB/KK vorliege entscheiden dürfen. Zumindest hätte es sich mit den vom Kläger vorgelegten Sachverständigengutachten aus anderen Gerichtsverfahren – insbesondere dem des Prof. Dr. C vom 26.5.2015 im Verfahren 3 O 65/14 (LG Ellwangen) – und mit der Rechtsprechung des Landgerichts Neuruppin (Beschluss vom 23.6.2014 im Verfahren 3b O 59/13) auseinandersetzen müssen.
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Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestands gem. den §§ 540 II, 313a I 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
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B.
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Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der durch die stationäre Behandlung in der Klinik T entstandenen Behandlungskosten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag zu. Insoweit wird – zur Vermeidung von Wiederholungen – auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Die mit der Berufung vom Kläger geltend gemachten Einwendungen und Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis.
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I)
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Die rechtliche Wirksamkeit der in § 4 V MB/KK vereinbarten Einschränkung der Leistungspflicht des Versicherers ist allgemein anerkannt (vgl. Prölss/Martin-Voit, VVG, 29. Aufl., § 4 MB/KK, Rn. 52, 78; Bach/Moser-Kalis, Private Krankenversicherung, 5. Aufl., § 4 MB/KK, Rn. 159 m. w. N.).
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II)
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Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass es sich bei der Klinik T um eine gemischte Anstalt im Sinne dieser Klausel handelt, für die eine Leistungspflicht nur bei zu Beginn der Behandlung schriftlich erteilter Zusage der Beklagten besteht. Eine entsprechende Zusage ist unstreitig nicht erteilt worden.
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1)
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Soweit der Kläger meint, dass es für die rechtliche Einordnung der Klinik T nicht auf die abstrakte Möglichkeit der Erbringung von Kur- oder Sanatoriumsbehandlungen, sondern allein auf das Gesamtbild der angebotenen Behandlung ankomme, kann dem nicht gefolgt werden.
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Maßgeblich für die Einordnung einer Einrichtung als Krankenhaus oder als Sanatorium oder Kuranstalt ist zwar das Gesamtbild der Einrichtung und der angebotenen Behandlung (vgl. BGH NJW 1983, 2088, 2090). Ergibt sich daraus jedoch kein einheitliches Bild, weil die Einrichtung nach ihrem medizinischen Konzept sowohl Krankenhaus- als auch Kur- oder Sanatoriumsleistungen anbietet, kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung der Anstalt an, wie sie sich aus ihrem Leistungsangebot und dem objektiven Erscheinungsbild ergibt. Dabei genügt es für das Auslösen des Erfordernisses der schriftlichen Zusage des Versicherers nach § 4 V MB/KK, dass die Anstalt nach ihrem medizinischen Konzept beide Möglichkeiten der Behandlung, d. h. sowohl reine Krankenhausleistungen als auch die Behandlungen und Leistungen eines Sanatoriumsbetriebs erbringen kann. Auf die konkrete Ausgestaltung der tatsächlich gewählten Therapie des Versicherten im Einzelfall kommt es insoweit nicht an (vgl. OLG Hamm VersR 2012, 1290, 1291; OLG Koblenz VersR 2004, 1126; VersR 2008, 1525, 1526; KG, Urteil v. 11.3.2003 – 6 U 171/01 -, abgedr. bei „juris“, Rz. 36; Prölss/Martin-Voit, a. a. O., § 4 MB/KK, Rn. 53; Bach/Moser-Kalis, a. a. O., § 4 MB/KK, Rn. 167 f.). Das folgt sowohl aus dem Wortlaut der Klausel, als auch aus ihrem Sinn und Zweck. Der Zweck der Ausschlussklausel des § 4 V MB/KK besteht darin, medizinische Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Diese entstehen zwangsläufig, wenn sich der Versicherte in eine gemischte Anstalt begibt, die beide Formen der Behandlungen anbietet. Denn in einem solchen Fall ist die vom Versicherer zu treffende Feststellung, ob es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Krankenhausbehandlung und damit um einen Versicherungsfall handelt oder einen gem. § 5 I d MB/KK nicht versicherten Kur- oder Sanatoriumsaufenthalt mit einem größeren Risiko für den Versicherer verbunden. Der Versicherer hat daher ein berechtigtes Interesse daran, dieses erhöhte Risiko dadurch zu beschränken, dass er seine Leistungspflicht von einer vorangehenden Prüfung und von einer in seinem Ermessen liegenden Zusage abhängig macht (vgl. BGH VersR 2003, 360). Dadurch wird er zugleich von der nachträglichen Prüfung befreit, ob während des Aufenthalts des Versicherten in der Anstalt eine notwendige Heilbehandlung oder – wenn auch nur teilweise – eine Kur- oder Sanatoriumsbehandlung stattgefunden hat (vgl. OLG Hamm, a. a. O.).
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So ist es hier. Die Klinik T bietet kein einheitliches Gesamtbild der von ihr zu erbringenden medizinischen Leistungen an. Nach dem objektiven Erscheinungsbild des Angebots handelt es sich vielmehr um eine gemischte Anstalt, die sowohl Krankenhaus- wie auch Kur- und Sanatoriumsbehandlungen anbietet.
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a)
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Nach dem Inhalt des vom Kläger vorgelegten Werbekatalogs und dem Internetauftritt der Klinik werden sowohl für ein Krankenhaus typische Leistungen als auch solche Leistungen angeboten, die nach allgemeinem Verständnis nicht ausschließlich der Behandlung einer akuten Erkrankung, sondern auch der Rehabilitation und der Stärkung der Selbstheilkräfte nach Überwindung der akuten Phase einer Erkrankung dienen. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob bereits die angebotenen Massagen, wie die traditionelle Tuina-Massage und die Shiatsu-Anwendung, die – nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C in seinem vom Kläger vorgelegten Gutachten vom 26.5.215 im Verfahren 3 O 65/14 (LG Ellwangen) - in der chinesischen Medizin eher als manuelle Anwendungen zur Behandlung akuter Erkrankungen angesehen werden, hierzu zählen. Entsprechendes gilt für die Wärmetherapie im japanischen Bad und den Barfußweg, die nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C in dem genannten Gutachten möglicherweise noch als Bestandteil einer Akutbehandlung im Sinne der TCM angesehen werden können. Jedenfalls die übrigen in der angefochtenen Entscheidung aufgelisteten und im Werbekatalog der Klinik T angebotenen Anwendungen, die im Wesentlichen auf Entspannung und Selbstheilung ohne fremde Einwirkung von außen ausgerichtet sind, wie z. B. das therapeutische Bogenschießen, Qigong-Übungen, Wasseranwendungen nach Kneipp, Entspannungsübungen, Meditation u. dgl. stellen nicht mehr lediglich Therapiemaßnahmen zur Behandlung akuter Erkrankungen dar, sondern sind Maßnahmen, die üblicherweise auch im Rahmen von Kur- oder Sanatoriumsbehandlungen angeboten werden, weil sie der Rehabilitation und der Stärkung der allgemeinen Selbstheilungskräfte dienen.
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b)
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Hinzu kommen der werbende Hinweis im Katalog der Klinik auf kurtypische Eigenschaften der Einrichtung, wie die Betonung der Gemeinschaft mit anderen, das gemeinsame Musizieren, Essen und Beisammensein an Gestaltungsabenden sowie die Behandlung im Wege der Nachsorge (Krebs-, Herzinfarkt- u. Schlaganfallnachsorge). Insbesondere bei den Nachsorgebehandlungen handelt es sich um Maßnahmen, die jeweils eine abgeschlossene Behandlung der akuten Erkrankung voraussetzen.
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c)
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Letztlich kann bei der Einordnung der Klinik T auch das Selbstverständnis der Anstaltsträger nicht außer Acht gelassen werden. Insbesondere der Umstand, dass sich die Klinik in dem von ihr ausgegebenen Faltblatt „Schritte in die Klinik“ selbst darauf hinweist, dass sie als gemischte Einrichtung einstuft werde und dass für die Kostenübernahme die medizinische Notwendigkeit der Behandlung nachgewiesen werden müsse, stellt ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass die dort angewandten Behandlungsmaßnahmen zumindest auch kur- und sanatoriumsbezogene Anwendungsbereiche umfasst. Dies wird bestätigt durch den im Faltblatt der Klinik „Tarife“ enthaltenen Hinweis darauf, dass dem Krankenhausstatus der Klinik vom Verband der privaten Krankenversicherungen „noch nicht entsprochen“ worden sei, die Klink aber gleichwohl die Voraussetzungen des § 107 I SGB V für Krankenhäuser als auch die des § 107 II SGB V erfülle, der eine gesetzliche Definition für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen enthält.
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2)
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Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die im Katalog der Klinik und im Internetauftritt beworbenen Behandlungsmaßnahmen – z. B. aus Werbezwecken – übertrieben dargestellt, mit Fehlern behaftet oder in Wirklichkeit nicht angeboten würden, sind vom Kläger weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich.
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a)
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Sie folgen insbesondere nicht aus den von ihm vorgelegten Sachverständigengutachten aus anderen Gerichtsverfahren, die sich mit der Frage der Einordnung der Klinik als gemischte Anstalt beschäftigt haben. Sämtliche vom Kläger vorgelegte Sachverständigengutachten befassen sich mit der Frage, welche Kriterien für eine reine Krankenhausbehandlung in der Klinik T vorhanden sind und ob diese die für einen Kur- oder Sanatoriumsaufenthalt sprechenden Kriterien überwiegen. An die von den Sachverständigen hierzu vorgenommenen rechtlichen Bewertungen ist der Senat nicht gebunden, denn diese obliegt ausschließlich dem Gericht (vgl. OLG Hamm, a. a. O.; OLG Koblenz VersR 2004, a. a. O.; VersR 2011, 1382, 1383; KG, a. a. O., Rz. 42; Bach/Moser-Kalis, a. a. O., § 4 MB/KK, Rn.169).
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b)
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Um eine entsprechende Bewertung vornehmen zu können, bedarf es – entgegen der Ansicht des Klägers – auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens im vorliegenden Verfahren, denn eine Beweiserhebung durch das Gericht ist nur dann erforderlich, wenn die vorhandenen Unterlagen nicht ausreichen, um beurteilen zu können, ob eine gemischte Anstalt vorliegt oder nicht (vgl. OLG Koblenz VersR 2008, a. a. O.; VersR 2011, a. a. O.). So liegen die Dinge hier aber nicht. Aus den für jedermann zugänglichen öffentlichen Quellen, insbesondere aus dem vom Kläger vorgelegten Werbekatalog und aus dem Internetauftritt der Klinik ergeben sich – wie oben dargestellt – eindeutige Anhaltspunkte für die vom Gericht zu treffende Bewertung. Unter diesen Umständen bedarf es der Zuhilfenahme eines Sachverständigen nicht (vgl. OLG Hamm, a. a. O.).
38
c)
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Hinzu kommt, dass auch nach den eigenen Angaben des Klägers in seinem persönlichen Anschreiben an das Gericht vom 19.2.2016 größtenteils für Kur- und Sanatoriumsbehandlungen typische Leistungen, wie Qigong-Kurse, Einweisung in den Umgang mit Lebensmitteln und deren schmackhafte Zubereitung, sowie Vorträge über Entstehung und Bewältigung von Krankheiten tatsächliche Bestandteile seiner Behandlung in der Klinik T waren. Unter diesen Umständen bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die in der Werbung für die Klinik gemachten Angaben, die zu ihrer Einordnung als gemischte Anstalt führen, der Wahrheit entsprechen.
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3)
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Auf die spezielle Art der im Rahmen der stationären Behandlung angewandten Heilmethode kommt es für die Bewertung der Klinik als gemischte Anstalt – entgegen der Rechtsansicht des Klägers – dagegen nicht an.
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Zwar können im Bereich alternativer Behandlungsmaßnahmen, wie der TCM, auch solche Therapieformen zur Anwendung gelangen, die sich bei isolierter Betrachtung als Maßnahme zur Rehabilitation darstellen und deswegen eine restriktive Beantwortung der Frage, ob es sich um eine gemischte Einrichtung handelt, gebieten. Das setzt jedoch voraus, dass die besondere Art der Therapieform ausschließlich dem Zweck der Behandlung der akuten Erkrankung dient und nicht – auch – der Rehabilitation oder der Hilfe zur Selbsthilfe, denn andernfalls würde genau die Risikolage eintreten, die durch die Vereinbarung in § 4 V MB/KK vermieden werden soll, nämlich, dass der Versicherer für Therapiemaßnahmen einstehen muss, die auch in einer Kur- oder Sanatoriumsbehandlung zur Anwendung kommen und der Rehabilitation dienen. Hierzu muss der Versicherungsnehmer im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast (§ 138 II, IV ZPO) substantiiert vortragen.
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Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die im Katalog und im Internet angebotenen für eine Kur- oder Sanatoriumsbehandlung typischen Leistungen, wie z. B. das therapeutische Bogenschießen, Qigong-Übungen, Wasseranwendungen nach Kneipp, Entspannungsübungen und Meditation oder die tatsächlich angewandten kurtypischen Leistungen, wie z. B. die Einweisung in den Umgang mit Lebensmitteln und deren schmackhafte Zubereitung oder die Vorträge über Entstehung und Bewältigung von Krankheiten ausschließlich dem Zweck der Behandlung der akuten Erkrankung des Klägers an fortgeschrittener Polyneuropathie dienten, sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.
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a)
45
Alleine der pauschale Verweis des Klägers auf das Konzept der TCM als ganzheitliche Heilmethode, die inhaltlich – wie der im Katalog enthaltene Hinweis auf das Wiederfinden der für den Heilungsprozess erforderlichen Selbstheilungskräfte als Behandlungsziel und auf den Charakter der Klinik als Ort der Entspannung und Ruhe zeigt - sowohl therapeutische Maßnahmen zur Beseitigung der Erkrankung als auch solche zur Wiederherstellung der allgemeinen Lebenskraft und zur Anleitung für ein gesundes Leben in der Zukunft enthält, reicht dazu nicht aus. Denn nach dem dargestellten Sinn und Zweck der Leistungseinschränkung in § 4 V MB/KK kann es keinen Unterschied machen, ob die angewandte Heilmethode – wie in der klassisch westlichen Medizin - streng zwischen Krankenhausbehandlung und Sanatoriumsbehandlung unterscheidet oder ob sie – wie in der TCM – beide Behandlungsformen als Einheit ansieht und miteinander verbindet.
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Dem steht nicht entgegen, dass die angebotenen Anwendungen nach dem Selbstverständnis der TCM – wie vom Kläger unter Berufung auf die Feststellungen des Prof. Dr. C in seinem Gutachten vom 26.5.2015 behauptet – als therapiebegleitend und damit für den Erfolg der Therapie maßgeblich angesehen werden. Denn nach dem Inhalt der Vereinbarung der Parteien in § 4 V MB/KK kommt es nicht darauf an, ob die im Rahmen der TCM angebotenen Kur- oder Sanatoriumsmaßnahmen nach dem Konzept der Behandlung in irgendeiner Weise zum Erfolg der Therapie beitragen oder nicht, sondern lediglich darauf, dass es sich um medizinisch notwendige Maßnahmen zur Beseitigung des akuten Krankheitszustandes handelt.
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b)
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Dazu, dass und in welchem Umfang die einzelnen von der Klinik T angebotenen mit kurtypischen Leistungen vergleichbaren Behandlungsmethoden nicht dem Zweck von Kur- oder Sanatoriumsbehandlungen zur Stärkung der allgemeinen Lebenskraft und Anleitung für ein gesundes Leben in der Zukunft, sondern zur Behandlung seiner akuten Erkrankung zu dienen bestimmt gewesen sind, hat der Kläger nichts vorgetragen. Der hierfür erforderliche Sachvortrag wird auch nicht ersetzt durch seine Berufung auf die von ihm vorgelegten Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren und auf den Beschluss des Landgerichts Neuruppin in einem anderen Verfahren betreffend die Klinik T.
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Die Berufung auf die zitierte Entscheidung des Landgerichts Neuruppin führt schon deswegen nicht zum Erfolg, weil das Landgericht von einem anderen Sachverhalt ausgegangen ist. Es hat seine Entscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Klinik T Leistungen anbiete, die für eine gemischte Anstalt charakteristisch seien (vgl. LG Neuruppin, Beschluss v. 23.6.2014 - 3b O 59/13 -, abgedr. bei „juris“, Rz. 5).
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Die vom Kläger zu den Akten gereichten Gutachten des Dr. med. U vom 7.3.2013 (aus dem Verfahren 11 O 66/11 LG Düsseldorf), des Prof. Dr. med. N vom 18.5.2014 und 8.12.2014 (aus dem Verfahren 2 C 275/13 AG Backnang), des Prof. Dr. C vom 26.5.2015 (aus dem Verfahren 3 O 65/14 LG Ellwangen) und des Dr. I vom 8.9.2015 (aus dem Verfahren 3 C 103/14 AG Rüdesheim) vermitteln über die sich aus dem Werbekatalog und dem Internetauftritt ergebenden Umstände hinausgehende tatsächliche Erkenntnisse für das vom Senat zu beurteilende Leistungsangebot der Klinik T nicht. Lediglich hinsichtlich der angebotenen Massagen, der Wärmetherapie im japanischen Bad und dem Barfußweg lässt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C in seinem Gutachten vom 26.5.2015 – wie oben ausgeführt – ein möglicher Bezug zur Behandlung akuter Erkrankungen entnehmen, der der Einordnung dieser Behandlungsmaßnahmen als Kur- oder Sanatoriumsbehandlung entgegenstehen könnte.
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III)
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Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu Unrecht von dem ihr nach den Versicherungsbedingungen zustehenden Recht auf Verweigerung der Kostenzusage für die stationäre Behandlung des Klägers in der Klinik T Gebrauch gemacht hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das der Beklagten nach § 4 V MB/KK für die ablehnende Entscheidung zustehende Ermessen lediglich eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. Prölss/Martin, Voit, a. a. O., § 4 MB/KK Rn. 63 m. w. N.). Dies führt zu einer unzulässigen Berufung auf die erfolgte Leistungsverweigerung insbesondere dann, wenn dem Versicherer ein grober Ermessensfehlgebrauch vorzuwerfen ist, z. B. weil seine Entscheidung offenkundig gegen den Sinn und Zweck der versicherungsvertraglichen Bestimmung verstößt.
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Auf eine fehlerhafte Ermessensausübung durch die Beklagte hat sich der Kläger nicht berufen. Er hat auch keine Tatsachen vorgetragen, die auf einen Ermessensfehlgebrauch schließen lassen. Allein die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgegebene Erklärung seines Prozessbevollmächtigten, dass für den Kläger nicht nachvollziehbar sei, warum einige Patienten der Klinik T von ihrem privaten Krankenversicherer Leistungen in nicht näher genanntem Umfang erhalten würden, andere hingegen nicht, stellt keinen mit hinreichender Substanz gefüllten Sachvortrag zur Frage der Ermessensausübung dar.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt und solche des Einzelfalls.