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16.08.2016 · IWW-Abrufnummer 187962

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 18.07.2016 – 5 Sa 271/16

Ein in der Berufungsschrift gestellter Auflösungsantrag des Arbeitgebers rechtfertigt es nicht allein, die Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungstitel einzustellen.


Tenor:

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Tenor zu Ziff. 2 im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 19. Mai 2016, Az. 7 Ca 49/16, einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.



Gründe



I. Die Beklagte begehrt die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem erstinstanzlichen Weiterbeschäftigungstitel.



Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.05.2016 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 30.12.2015 zum 31.01.2016 aufgelöst worden ist. Gleichzeitig hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiterin im Bereich Service und Kasse weiterzubeschäftigen. Gegen dieses Urteil, das ihr am 17.06.2016 zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.06.2016 Berufung eingelegt und außerdem einen Auflösungsantrag gestellt.



Die Klägerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel. Auf Antrag vom 17.06.2016 wurde ihr am 01.07.2016 eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt. Mit Schriftsatz vom 03.07.2016 beantragt die Beklagte die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.



Sie führt zur Begründung aus, sie habe aufgrund ihres zweitinstanzlichen Auflösungsantrags ein schutzwürdiges Interesse an der Nichtbeschäftigung der Klägerin. Deren Weiterbeschäftigung würde zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil führen. Die Klägerin habe erstinstanzlich als Anlage zu einem Schriftsatz Wochendienstpläne zur Akte gereicht, obwohl sie nach Ablauf der Kündigungsfrist keinen Zutritt mehr zu ihren Verwaltungs- und Personalräumen haben sollte. Es sei daher konkret zu befürchten, dass die Klägerin im Fall ihrer Weiterbeschäftigung auf weitere Unterlagen zugreife, die nicht frei zugänglich seien.



Außerdem sei das Verhältnis der Klägerin zu ihren Arbeitskollegen so belastet, dass es nahezu unmöglich sei, einen Schichtplan unter ihrer Einbindung zu erstellen. Die Klägerin habe in ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen teilweise persönlichste Daten ihrer Arbeitskollegen, die ihr in privaten Gesprächen mitgeteilt worden seien, angeführt, um die getroffene Sozialauswahl in Frage zu stellen. Die besondere Art und Weise der Beweisermittlung und -führung zur Schwangerschaft der Arbeitskollegin K. sei - nach Bekanntwerden - im Kollegenkreis auf Unverständnis gestoßen. Die Klägerin habe als Anlage zu einem Schriftsatz einen privaten WhatsApp-Kontakt mit der damals schwangeren Arbeitskollegin zu Beweiszwecken vorgelegt. Diese Veröffentlichung habe die Klägerin mit Frau K. vorab nicht abgestimmt. Frau K. habe auch nicht gewusst, dass die Kontaktaufnahme nur dem Zweck gedient habe, näheres zu ihren Schwangerschaftsdaten zu erfragen, um sie dann gegenüber dem Gericht als weniger schutzwürdig und damit zur Kündigung anstehend präsentieren zu können. Die Tatsache, dass die Klägerin ihre schwangere Kollegin ausgehorcht und als Zeugin benannt, zudem noch die Vorlage ihres Mutterpasses zu Beweiszwecken beantragt habe, obwohl Frau K. zwischenzeitlich ihr Kind verloren habe, sei im Kollegenkreis mit Betroffenheit aufgenommen und als absoluter Vertrauensmissbrauch bewertet worden.



II. Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht begründet.



Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den vorläufig vollstreckbaren arbeitsgerichtlichen Urteilen ist gem. § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG iVm. §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass ihm die Vollstreckung einen unersetzlichen Nachteil bringen werde.



Die Voraussetzung kann ua. dann erfüllt sein, wenn der Arbeitgeber erstinstanzlich zur Weiterbeschäftigung verurteilt worden ist und zweitinstanzlich einen auf § 9 Abs. 1 KSchG gestützten Auflösungsantrag stellt, der zu einer (neuen) Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt und deshalb ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung begründet. Allerdings ist zu beachten, dass bei der erstinstanzlichen Entscheidung über eine beantragte Weiterbeschäftigung alle bis zum Urteilszeitpunkt dem Arbeitsgericht vorliegenden Erkenntnisse im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind (vgl. ausführlich LAG Hamm 27.02.2015 - 13 Sa 166/15 - mwN).



Nach diesen Grundsätzen ist es trotz des in der Berufungsschrift gestellten Auflösungsantrags der Beklagten nicht gerechtfertigt, die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel einzustellen. Alle Tatsachen, die die Beklagte anführt, um einen nicht zu ersetzenden Nachteil zu begründen, lagen bereits dem Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag vor. Für die Beklagte kann kein unersetzlicher Nachteil (allein) daraus resultieren, dass sie bei unveränderter Tatsachenlage ihren Auflösungsantrag auf Umstände stützt, die sie bereits erstinstanzlich gegen den Weiterbeschäftigungsantrag hätte ins Feld führen können.



Alle Umstände, die schon vor Urteilserlass eingetreten, im Erkenntnisverfahren vorgetragen und vom Gericht im Rahmen der Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsanspruch gewürdigt worden sind bzw. von der Arbeitgeberin hätten vorgebracht werden können, sind im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens unbeachtlich (vgl. auch LAG Baden-Württemberg 09.11.2015 - 17 Ta 23/15; Hessisches LAG 22.01.2014 - 12 Ta 366/13).



Auf die Frage, ob der erstinstanzliche Sachvortrag der Klägerin, insb. die Beschaffung von Informationen über eine Schwangerschaft der Arbeitskollegin im Zeitpunkt ihrer Kündigung, durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen legitimiert gewesen ist, kommt es nicht an. Im Zwangsvollstreckungsverfahren ist auch nicht zu klären, wie der Kollegenkreis der Klägerin vom Inhalt ihrer erstinstanzlichen Schriftsätze zur Sozialauswahl erfahren hat. Wenn die Klägerin, die nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG insoweit die Darlegungslast trifft, im Rechtsstreit Umstände darlegt, die aus ihrer Sicht zu einer fehlerhaften Sozialauswahl führen, kann eine Empörung der vergleichbaren Arbeitnehmer darüber, dass sie als sozial stärker benannt worden sind, kein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung der Klägerin begründen.



Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 62 Abs. 1 Satz 5 ArbGG.

Verkündet am 18.07.2016

Vorschriften§ 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO, § 9 Abs. 1 KSchG, § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG, § 62 Abs. 1 Satz 5 ArbGG

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