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01.12.2005 · IWW-Abrufnummer 053371

Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 20.08.1997 – 2 AZR 620/96

Kündigt ein Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin wegen strafbarer Handlung bzw. wegen Verdachts einer strafbaren Handlung, so führt die Einstellung des gegen die Arbeitnehmerin insoweit eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens
170 Abs. 2 Satz 1 StPO) weder zur Unwirksamkeit der Kündigung, noch zu einem Wiedereinstellungsanspruch der Arbeitnehmerin.


Ist in der Vorinstanz einem Kündigungsschutzantrag stattgegeben worden, so fällt ein dort hilfsweise gestellter Antrag auf Wiedereinstellung auch ohne Anschlußrechtsmittel in der Rechtsmittelinstanz an (im Anschluß an Senatsurteil vom 18. Dezember 1980 - 2 AZR 1006/78 - AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972).


2 AZR 620/96
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15 Sa 165/96 Düsseldorf

Im Namen des Volkes!

Verkündet am 20. August 1997

U r t e i l

pp.

hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 128 Abs. 2 ZPO in der Sitzung am 20. August 1997 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Etzel, die Richter Bröhl und Dr. Fischermeier sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Engelmann und Piper für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 1996 - 15 Sa 165/96 - aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 5. Dezember 1995 - 3 Ca 1650/95 - wird, auch mit dem Hilfsantrag, zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

T a t b e s t a n d :

Die 1940 geborene Klägerin war seit 1979 bei der beklagten Gebäudereinigungsfirma als Reinigungskraft zu einem Stundenlohn von zuletzt 13,46 DM brutto tätig. Die Beklagte setzte die Klägerin im M G ein, wo die Klägerin während der Nachtstunden Reinigungsarbeiten in der Kardiologie, der Nuklearmedizin und der Orthopädie durchzuführen hatte. Nachdem die Verwaltung des M Fehlbestände im Lager festgestellt hatte, wurde dort eine Videokamera installiert. Durch diese Videokamera wurde die Klägerin am 7. Juli 1995 um 2.19 Uhr aufgenommen, als sie durch eine Seitentür ins Lager trat und einen Karton mit Pampers entnahm. Am 13. Juli 1995 hörte die Beklagte die Klägerin an. Diese bestritt einen Diebstahl und erschien ab 14. Juli 1995 wegen Arbeitsunfähigkeit nicht mehr zur Arbeit. Nach Anhörung des Betriebsrats, der gegen die beabsichtigte Kündigung keine Bedenken erhob, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17. Juli 1995 fristlos.

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie hat behauptet, den Karton mit Pampers habe sie aus dem Lager entnommen, weil sie von einer "Frau im weißen Kittel" darum gebeten worden sei. Sie habe zur Durchführung ihrer Reinigungsarbeiten einen Mopvorsatz benötigt. Sie habe sich - so ihr erster Vortrag ? zum Waschraum begeben müssen, weil alle Mopvorsätze verdreckt gewesen seien und deshalb in der Waschmaschine hätten gereinigt werden müssen; am 7. Juli 1995 hätten - so ihr späterer Vortrag ? vor dem Aufzug verschmutzte Mopvorsätze in einer Karre gelegen, sie habe diese Mopvorsätze im Waschraum waschen wollen, wie sie das fast täglich gemacht habe. Allerdings sei richtig, daß man auf dem Weg zum Waschraum normalerweise nicht an den Lagertüren vorbeikomme. Als sie auf ihrem Weg ca. 10 m von der Seitentür zum Lager entfernt gewesen sei, habe sie im Gangbereich vor der Tür eine Frau im weißen Kittel gesehen, die damit beschäftigt gewesen sei, eine mit Kindernahrung voll beladene Sperrholzkarre auszubalancieren, an der ein Rad abgebrochen gewesen sei. Diese Frau, die sie für eine Krankenschwester oder dergleichen gehalten habe, habe sie gebeten, ihr noch ein Paket Windeln aus dem Lager zu holen, weil sie mit der defekten Karre nicht ins Lager fahren könne. Sie - die Klägerin - habe deshalb die angelehnte Tür zum Lager geöffnet, das Windelpaket herausgegriffen und auf die Karre gepackt. Es sei ihr bekannt gewesen, daß im Lager eine Videokamera installiert gewesen sei. Sie bestreite auch, daß der Betriebsrat zu einer Verdachtskündigung angehört worden sei. Eine Verdachtskündigung komme im übrigen schon deshalb nicht in Betracht, weil die zuständige Staatsanwaltschaft das auf Anzeige des Krankenhauses eingeleitete Ermittlungsverfahren - unstreitig ? mit Verfügung vom 15. September 1995 eingestellt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch außerordentliche, noch durch ordentliche Kündigung vom 17. Juli 1995
beendet werde,
hilfweise die Beklagte zu verpflichten, sie mit Wirkung zum 15. September 1995 wieder einzustellen,

2. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag
die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen als Innenreinigerin weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin habe den durch die Videoaufnahme entstandenen dringenden Tatverdacht durch ihre Einlassungen nicht ausgeräumt. Es sei völlig ausgeschlossen, daß sich zur Tatzeit eine Krankenschwester in der Nähe des Zentrallagers im Kellergeschoß aufgehalten habe. Diensttuende Krankenschwestern dürften zur Nachtzeit ihre Stationen nicht verlassen. Es habe auch keine Krankenschwester im ganzen Krankenhaus einen Schlüssel zum Lager. Die einzelnen Stationen würden tagsüber durch einen Hol- und Bringdienst versorgt. Die von der Klägerin zur Bestätigung ihrer Einlassung benannten Zeuginnen hätten an dem fraglichen Tag überhaupt nicht gearbeitet. Das Vorbringen der Klägerin über eine angebliche "Frau im weißen Kittel" könne nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Auch die Behauptung der Klägerin, sie habe Mopvorsätze reinigen müssen, treffe nicht zu. Alle Reinigungskräfte bekämen vor Arbeitsbeginn ausreichend Reinigungsmaterial. Für solche Zusatzarbeiten wie das Reinigen von Mopvorsätzen reiche auch die den Reinigungskräften zur Verfügung stehende Zeit nicht aus. Schließlich führe der Weg vom Arbeitsplatz der Klägerin zum Waschraum nicht an den Lagertüren vorbei, der Waschraum liege genau entgegengesetzt.

Dem Betriebsrat sei der gesamte Sachverhalt mehrfach in allen Einzelheiten erläutert worden. Insbesondere sei dem Betriebsrat mitgeteilt worden, daß man den der Klägerin vorgeworfenen Diebstahl zwar für erwiesen halte, daß man die Kündigung aber auch auf den Verdacht einer Straftat stütze. Zusätzlich sei der Betriebsrat auch noch schriftlich informiert worden und habe am 17. Juli 1995 mitgeteilt, er habe der Kündigung in der Sitzung vom gleichen Tage zugestimmt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin dem Feststellungsantrag und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Beklagten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Revision ist begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die wirksame Verdachtskündigung der Beklagten am 17. Juli 1995 beendet worden und die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, die Klägerin zum 15. September 1995 wieder einzustellen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, soweit die fristlose Kündigung auf vollendeten Diebstahl gestützt werde, scheitere deren Wirksamkeit daran, daß das strafrechtliche Ermittlungsverfahren inzwischen eingestellt worden sei. Auch als Verdachtskündigung sei die fristlose Kündigung nicht wirksam. Zwar stütze die Beklagte ihre Kündigung im vorliegenden Rechtsstreit zumindest hilfsweise auf den Diebstahlsverdacht und der Betriebsrat sei auch ordnungsgemäß zu einer Verdachtskündigung angehört. Ebenso könne mit dem Arbeitsgericht davon ausgegangen werden, daß zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung alle Voraussetzungen für eine wirksame Verdachtskündigung vorgelegen hätten. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitere aber ebenfalls an der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft. Mit der Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO sei die Klägerin als von Anfang an unschuldig zu behandeln. Damit scheitere auch die Wirksamkeit der im Wege der Umdeutung anzunehmenden ordentlichen Kündigung und die Beklagte sei zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verpflichtet.

II. Dem folgt der Senat nicht.

1. Die fristlose Kündigung der Beklagten ist als Verdachtskündigung nach § 626 BGB wirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht dabei zunächst davon ausgegangen, daß nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen kann. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung liegt eine Verdachtskündigung dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluß maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. 1 BGB läßt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 14. September 1994 - 2 AZR 164/94 - BAGE 78, 18 = AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung und vom 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 - AP Nr. 25, aaO, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

b) Das Landesarbeitsgericht war auch nicht, wie die Klägerin in der Revisionsinstanz geltend macht, mangels ausreichender Betriebsratsanhörung zur Verdachtskündigung darauf beschränkt, den festgestellten Sachverhalt nur unter dem Gesichtspunkt einer Tatkündigung zu prüfen.

Die Arbeitsgerichte dürfen zwar eine Kündigung nur dann unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung beurteilen, wenn der Arbeitgeber die Kündigung auch, zumindest hilfsweise, auf den entsprechenden Verdacht stützt. Dies kann sowohl vor dem Prozeß, etwa im Kündigungsschreiben, als auch später in den Tatsacheninstanzen geschehen (BAG Urteil vom 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - AP Nr. 18 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, zu II 1 b der Gründe). Stützt der Arbeitgeber die Kündigung erst nach ihrem Ausspruch auf den Verdacht einer strafbaren Handlung, so schiebt er damit einen andersartigen Kündigungsgrund nach. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, so kann das nachgeschobene Vorbringen zum Verdacht im Prozeß auch bei unverändert gebliebenem Sachverhalt nicht berücksichtigt werden, wenn dem Betriebsrat dieser Kündigungsgrund nicht mitgeteilt worden ist.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte die Kündigung zumindest im vorliegenden Rechtsstreit auf den Verdacht einer strafbaren Handlung gestützt und auch den Betriebsrat in dem Anhörungsschreiben entsprechend informiert. Die gegen die Auslegung des Anhörungsschreibens durch das Berufungsgericht, die als Auslegung einer nichttypischen Willenserklärung ohnehin durch das Revisionsgericht nur eingeschränkt nachprüfbar ist, gerichteten Gegenrügen der Klägerin gehen fehl. Wenn das Anhörungsschreiben zunächst auf die Feststellungen durch das Videoband hinweist und dann mit der lapidaren Erklärung "mutmaßlicher Diebstahl" schließt, so läßt dies eindeutig erkennen, daß die Beklagte den Betriebsrat zumindest hilfsweise auch zu einer Kündigung wegen "mutmaßlicher" Tatbegehung, also des Verdachts einer strafbaren Handlung anhören wollte. Es ist auch widersprüchlich, wenn die Klägerin einerseits geltend macht, die Redewendung "mutmaßlicher Diebstahl" lasse noch nicht den Schluß zu, daß auch wegen eines Verdachts gekündigt werden solle, dann aber selbst einräumt, die Äußerung der Beklagten sei dahingehend zu verstehen, daß noch keine rechtskräftige Verurteilung wegen Diebstahls erfolgt sei. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat das Ermittlungsergebnis mit, aufgrund dessen er von einer Tatbegehung durch den Arbeitnehmer überzeugt ist, weist aber in dem Anhörungsschreiben den Betriebsrat darauf hin, eine Verurteilung wegen vollendeter Straftat sei noch nicht erfolgt, so bringt er damit mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß die auszusprechende Kündigung nicht nur auf vollendete Tatbegehung, sondern auch auf den Verdacht einer strafbaren Handlung gestützt werden soll.

c) Nicht frei von Rechtsfehlern ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, eine Verdachtskündigung komme schon grundsätzlich nicht mehr in Betracht, wenn die zuständige Staatsanwalt- schaft das wegen der dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Straftat eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO eingestellt habe. Eine solch weitgehende Bindungswirkung der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft für das Arbeitsgerichtsverfahren besteht nicht.

Die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung hängt nicht von der strafrechtlichen Würdigung eines den Sachverhalt begründenden Verhaltens ab, sondern von der Beeinträchtigung des für das Arbeitsverhältnis erforderlichen Vertrauens durch den Verdacht (Senatsurteil vom 21. Juni 1995 - 2 AZR 735/94 - RzK I 8 c Nr. 37). Nicht einmal einer Kündigung wegen begangener Straftat steht es entgegen, wenn das Strafverfahren die vom Arbeitgeber erwartete Klärung des Sachverhalts nicht erbracht hat und z.B. ohne Urteilsspruch eine Einstellung gegen Zahlung eines Geldbetrages erfolgt ist (BAG Urteil vom 12. Dezember 1984 - 7 AZR 575/83 ? BAGE 47, 307 = AP Nr. 19 zu § 626 BGB Ausschlußfrist). Die Beurteilung im Strafverfahren ist weder für den Zivilrichter (§ 14 EGZPO), noch für die Gerichte für Arbeitssachen bindend (BAG Urteil vom 16. Oktober 1967 - 5 AZR 464/66 - AP Nr. 11 zu § 394 BGB). Zudem kommt es bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung nicht einmal entscheidend darauf an, daß der Arbeitnehmer einer Straftat verdächtigt ist, auch der Verdacht einer sonstigen schweren Pflichtverletzung kann genügen.

Eine Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO steht der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung jedenfalls nicht entgegen. Sie begründet keine, erst recht keine im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht widerlegbare Vermutung für die Unschuld des Arbeitnehmers. Sie beruht im wesentlichen auf der Prognose des Staatsanwalts, ob er selbst nach dem derzeitigen Sachstand wahrscheinlich am Ende einer Hauptverhandlung zum Antrag auf Verurteilung gelangen würde. Auch eine Einstellung nach dem Opportunitätsprinzip ist möglich. Ein Strafklageverbrauch tritt durch die Einstellung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht ein. Das Ermittlungsverfahren kann vielmehr jederzeit auch bei gleicher Sach- und Rechtslage wieder aufgenommen werden (RGSt 67, 315, 316; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 170 Rz 9; Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 170 Rz 45; Schmidt, Lehrkommentar, Teil II, § 170 StPO Rz 30; Karlsruher Kommentar-Wache/Schmid, StPO, § 170 Rz 23). Ein Vertrauensschutz auf den Bestand der Einstellungsverfügung besteht nicht. Eine irgendwie geartete Rechtskraftwirkung kommt der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht zu. Geht die Staatsanwaltschaft bei einem bestimmten Verfahrensstand davon aus, die Straftat sei dem verdächtigten Arbeitnehmer jedenfalls nicht beweisbar, so hindert dies den Arbeitgeber nicht, im Arbeitsgerichtsverfahren den Beweis für eine vollendete Straftat oder zumindest einen entsprechenden Tatverdacht zu führen. Dies gilt erst recht, wenn durch die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Straftat ein Dritter geschädigt worden ist und es sich um die Einstellung eines auf Anzeige eines Dritten eingeleiteten Ermittlungsverfahrens handelt, an dem der Arbeitgeber nicht unmittelbar beteiligt war.

Daß die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO auch nicht annähernd, wie das Berufungsgericht meint, mit einem "Freispruch wegen erwiesener Unschuld" vergleichbar und geeignet ist, den Verdacht einer strafbaren Handlung auszuräumen, zeigt exemplarisch der Gang des Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin: Als die anwaltliche Einlassung der Klägerin einging, stellte die Staatsanwaltschaft ohne weitere Ermittlungen das Verfahren ein im wesentlichen mit der Begründung, es bestünden zwar erhebliche Bedenken gegen den Wahrheitsgehalt der Einlassung der Klägerin, diese Bedenken reichten jedoch nicht aus, die Täterschaft der Klägerin nachzuweisen. Nachdem sich die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten in dem Ermittlungsverfahren gemeldet und das im vorliegenden Verfahren ergangene Urteil des Arbeitsgerichts vorgelegt hatten, nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf, sah die Klägerin als hinreichend tatverdächtig an und bat das zuständige Amtsgericht erfolglos um Zustimmung zur Verfahrenseinstellung gemäß § 153 StPO wegen Geringfügigkeit. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin dann das Urteil des Landesarbeitsgerichts im vorliegenden Verfahren vorgelegt hatte, stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nunmehr gemäß § 154 d StPO mit Rücksicht auf das vorliegende Revisionsverfahren vorläufig ein.

d) Die von der Beklagten ausgesprochene Verdachtskündigung ist nach § 626 BGB wirksam. Dies kann der Senat abschließend entscheiden. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils erkannt, es seien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung alle Voraussetzungen für eine wirksame Verdachtskündigung gegeben gewesen.

Da der in § 626 Abs. 1 BGB verwandte Begriff des wichtigen Grundes ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, kann seine Anwendung durch die Tatsachengerichte im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (st. Rspr. vgl. u.a. Senatsbeschluß vom 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 - BAGE 80, 185 = AP Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969, zu II 1 der Gründe, m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes ist die Annahme des Berufungsgerichts, der gegen die Klägerin bestehende Verdacht, sie habe einen Karton Pampers aus dem Lager des Krankenhauses entwendet, rechtfertige eine fristlose Verdachtskündigung, rechtlich nicht zu beanstanden. Erhebliche Gegenrügen bringt die Klägerin insoweit auch nicht vor.

Das Arbeitsgericht, dessen Ausführungen sich das Landesarbeitsgericht zu eigen gemacht hat, hat die Einlassungen der Klägerin in allen Einzelheiten geprüft und ist dabei allen von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten nachgegangen, die die Aufzeichnung auf dem Videoband ohne einen erheblichen Diebstahlsverdacht gegen die Klägerin hätten erklären können. Wenn das Arbeitsgericht nach einer eingehenden Würdigung des beiderseitigen Parteivorbringens zu dem Ergebnis gelangt ist, die Einlassungen der Klägerin seien teils widersprüchlich, teils so unglaubhaft, daß ein hinreichend dringender Tatverdacht bestehen bleibe, so ist diese Würdigung nachvollziehbar, widerspruchsfrei und letztlich überzeugend. Daß die Klägerin den Pamperskarton aus dem Lager, in dem sie nichts zu suchen hatte, entnommen hat, ist unstreitig. Die Versuche der Klägerin, ihr Verhalten zu erklären, sind insgesamt nicht geeignet, den Verdacht zu zerstreuen, dass die Wegnahme in rechtswidriger Zueignungsabsicht geschah. Schon ihre Anwesenheit im Krankenhaus an einer Stelle weit entfernt von ihrer Arbeitsstelle konnte die Klägerin letztlich nicht schlüssig erklären. Die Behauptung, sie habe im Auftrag einer "Frau im weißen Kittel" gehandelt, weist so viele von der Klägerin nicht erklärte Widersprüche auf, daß die Annahme der Vorinstanzen, der auf der Klägerin lastende Diebstahlsverdacht sei dadurch nicht erschüttert, rechtlich nicht zu beanstanden ist. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß der gegen die Klägerin bestehende Diebstahlsverdacht von erheblichem Gewicht und geeignet war, das Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit der Klägerin zu zerstören. Erschwerend ist dabei zu Recht berücksichtigt worden, daß sich die Tat, deren die Klägerin verdächtig ist, gegen eine größere Kundin der Beklagten richtete, so daß eine nachhaltige Schädigung des Rufs und der Geschäftsinteressen der Beklagten zu befürchten war, wenn diese nicht sofort reagierte. Wenn das Arbeitsgericht und ihm folgend das Landesarbeitsgericht bei der Interessenabwägung den Vertrauensverlust der Beklagten höher bewertet haben als die zu Gunsten der Klägerin sprechenden sozialen Gesichtspunkte, insbesondere die lange Beschäftigungszeit, so hält sich dies im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Auf die Literaturmeinung, die bei der Entwendung geringwertiger Sachen im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Senatsurteil vom 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung) insbesondere bei längerer Beschäftigungszeit kleinere Verfehlungen nicht als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung ausreichen lassen will (vgl. Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl. Rz 563, m.w.N.), braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden. Weder ist der Karton mit Pampers (Wert über 60,00 DM) geringwertig, noch kann man die Tat, derer die Klägerin verdächtig ist, angesichts der Gesamtumstände als "kleinere Verfehlung" einordnen.

2. Es kommt damit nicht mehr darauf an, ob der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt nach § 626 Abs. 1 BGB auch eine Tatkündigung rechtfertigen würde, wofür vieles spricht. Soweit jedenfalls das Berufungsgericht auch eine Tatkündigung allein deshalb als unwirksam ansieht, weil die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO eingestellt hat, ist auch dem aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen. Auch wenn das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren - vorläufig - mit einer Einstellung endet, hindert dies den Arbeitgeber nicht, der wegen eines Diebstahls der Arbeitnehmerin gekündigt hat, das Arbeitsgerichtsverfahren fortzubetreiben, wenn er meint, in diesem Verfahren den Diebstahl beweisen zu können (vgl. BAGE 47, 307 = AP, aaO).

3. Auf die Wirksamkeit der vom Landesarbeitsgericht angenommenen ordentlichen Kündigung kommt es damit ebenfalls nicht mehr an.

4. Auch einen Anspruch auf Wiedereinstellung mit Wirkung zum 15. September 1995 hat die Klägerin nicht.

a) Im Revisionsverfahren ist auch über den Hilfsantrag auf Wiedereinstellung zu entscheiden. Ist in der Vorinstanz dem Hauptantrag einer Partei stattgegeben worden, so fällt der Hilfsantrag auch ohne Anschlußrechtsmittel ohne weiteres in der Rechtsmittelinstanz an. Dies gilt zumindest dann, wenn zwischen dem Hauptund dem Hilfsantrag ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht, wie dies zwischen der Kündigungsschutzklage und dem Wiedereinstellungsanspruch anzunehmen ist (Senatsurteil vom 18. Dezember 1980 - 2 AZR 1006/78 - AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972, m.w.N.; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 74 Rz 26).

b) Zwar kann ein Anspruch der Arbeitnehmerin auf Wiedereinstellung in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmerin wegen Verdachts einer strafbaren Handlung gekündigt worden ist und sich später ihre Unschuld herausstellt oder zumindest nachträglich Umstände bekannt werden, die den bestehenden Verdacht beseitigen (so schon BAG Urteil vom 14. Dezember 1956 - 1 AZR 29/55 - BAGE 3, 332 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; zuletzt Belling, RdA 1996, 223, 238, m.w.N.; vgl. allgemein zum Wiedereinstellungsanspruch Senatsurteil vom 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Die bloße Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO begründet jedoch noch keinen Wiedereinstellungsanspruch. Wie bereits dargelegt, stellt die Einstellungsverfügung lediglich eine vorläufige Beurteilung durch die staatlichen Ermittlungsbehörden dar, der keinerlei Bindungswirkung für ein Arbeitsgerichtsverfahren zukommt. Gelingt dem Arbeitgeber in dem bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens noch nicht abgeschlossenen arbeitsgerichtlichen Verfahren der Nachweis, daß alle Voraussetzungen einer wirksamen Verdachtskündigung vorliegen, so ist kein schutzwürdiges Interesse der Arbeitnehmerin verletzt, wenn der Arbeitgeber trotz der formellen Einstellung des Ermittlungsverfahrens auf dem Ergebnis der wirksam ausgesprochenen Verdachtskündigung beharrt und die Arbeitnehmerin nicht mit Wirkung zum Zeitpunkt der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft wieder einstellt.

5. Der Weiterbeschäftigungsantrag war nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Über ihn war deshalb nicht mehr zu entscheiden.

RechtsgebieteBGB, StPOVorschriftenBGB § 626; StPO § 170 Abs. 2 Satz 1

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