19.07.2016 · IWW-Abrufnummer 187332
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 19.05.2016 – 5 Sa 499/15
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 22. Juli 2015, Az. 4 Ca 1097/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die 1974 geborene Klägerin ist staatlich geprüfte chemisch-technische Assistentin. Sie wurde 1995 vom beklagten Land als Chemielaborantin eingestellt. Seit 2000 wird sie bei der C. - Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz Trier - zuletzt in Teilzeit (75 vH.) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.
Nachdem die Klägerin zunächst eine Vergütung nach VergGr. VIII des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) erhalten hatte, wurde sie zum 01.05.1998 in VergGr. VII BAT und zum 01.04.2005 in VergGr. VIb BAT höhergruppiert. Mit In-Kraft-Treten des TV-L am 01.11.2006 erfolgte ihre Überleitung in Entgeltgruppe 6 TV-L. Anfang Dezember 2012 beantragte die Klägerin ihre Höhergruppierung in Entgeltgruppe 7 TV-L. Dieser Antrag wurde vom zuständigen Personalreferat im Januar 2014 abgelehnt. Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 20.05.2014 verlangte die Klägerin ihre Eingruppierung in Entgeltgruppe 9 TV-L. Die monatliche Differenz zu ihrer jetzigen Vergütung beträgt € 119,61 brutto.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei in Entgeltgruppe 9 Fallgr. 2 Abschnitt 22.2 (Techniker) des Teils II der Entgeltordnung zum TV-L eingruppiert. Sie stützt ihr Höhergruppierungsbegehren maßgeblich auf den Entwurf einer Stellenbeschreibung und den Entwurf einer Stellenbewertung nach Entgeltgruppe 9 TV-L, jeweils vom 07.04.2014, die ihr unmittelbarer Vorgesetzter, Baudirektor P., auf Aufforderung des zuständigen Personalreferats erstellt hat. Der Entwurf der Stellenbeschreibung, den der zuständige Referatsleiter, Leitender Baudirektor W., nicht übernommen hat, lautet auszugsweise wie folgt:
Die personalführende Dienststelle bewertete die Stelle am 17.04.2014 und nochmals am 19.12.2014 nach Entgeltgruppe 6 Abschnitt 22.3 (Technische Assistenten) des Teils II der Entgeltordnung zum TV-L. Sie hat folgende Stellenbeschreibung vom 06.06.2014 autorisiert:
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 22.07.2015 Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
Das beklagte Land hat beantragt,
Das Arbeitsgericht Trier hat die Klage mit Urteil vom 22.07.2015 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie die tariflichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 9 Fallgr. 2 des Abschnitts 22.2 (Techniker) TV-L erfülle. Sie hätte nicht nur ihre eigene Tätigkeit im Einzelnen darstellen, sondern auch begründen müssen, weshalb es sich um eine eines staatlich geprüften Technikers entsprechende Tätigkeit handele, die sie auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen ausübe. Sie hätte außerdem Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich das Heraushebungsmerkmal der selbstständigen Tätigkeit ergebe, sowie Tatsachen, die den erforderlichen wertenden Vergleich mit den nicht derart herausgehobenen Tätigkeiten entsprechend der Entgeltgruppe 7 TV-L ermöglichten. Darüber hinaus habe sie zum Abschnitt 22.3 (Technische Assistenten) keinerlei Ausführungen gemacht, insb. die Heraushebungsmerkmale der Entgeltgruppen 7 und 9 TV-L nicht dargelegt, sondern sich ausschließlich auf das Vorliegen der Entgeltgruppe 9 Fallgr. 2 des Abschnitts 22.2 (Techniker) gestützt. Die Bezugnahme der Klägerin auf die Stellenbeschreibung vom 07.04.2014 sei unzureichend. Die Vorlage einer Tätigkeitsdarstellung und Stellenbewertung ersetze keinen schlüssigen Sachvortrag. Dem Antrag der Klägerin, das beklagte Land aufzufordern, die Überwachungsberichte und -bescheide für die Jahre 2013 und 2014 vorzulegen, sei nicht stattzugeben, weil nicht ersichtlich sei, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich hieraus ergeben sollten. Ebenso sei ungenügend, dass die Klägerin zur Bewertung ihrer Tätigkeit die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantrage. Dem von der Klägerin beispielhaft vorgelegten Gesamtbericht für die Kläranlage Hermeskeil aus dem Jahr 2013 lasse sich lediglich entnehmen, dass sie Werte verglichen und die Überschreitung von Grenzwerten festgestellt habe, nicht jedoch, dass hierfür Kenntnisse erforderlich seien, die denen eines staatlich geprüften Technikers entsprechen. Auch die vorgelegte Teilnahmebescheinigung vom 07.10.2014 über die Maßnahme "Dezentrale Abwasserentsorgung im ländlichen Raum" sowie die Anwesenheitsliste über den "Workshop EÜVOA" vom 07.02.2007 ließen keinen Schluss auf Kenntnisse eines staatlich geprüften Technikers zu. Im Hinblick auf den zur Akte gereichten Leitfaden "Eigenüberwachung von Abwasseranlagen", an dessen Erstellung die Klägerin maßgeblich beteiligt gewesen sein wolle, sei nicht erkennbar, welchen Beitrag die Klägerin geleistet habe und inwiefern hieraus auf die Kenntnisse eines Technikers geschlossen werden könnte. Die Darlegungslast der Klägerin werde auch nicht dadurch erleichtert, dass ihr unmittelbarer Vorgesetzter die Stellenbeschreibung vom 07.04.2014 vorgenommen und unterzeichnet und ihre Stelle nach Entgeltgruppe 9 TV-L bewertet habe. Es gebe keinen Ursachenzusammenhang zwischen der tariflichen Wertigkeit der Tätigkeit eines Beschäftigten und deren Einschätzung durch dessen Vorgesetzten. Wegen weiterer Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 22.07.2015 Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil, das ihr 05.11.2015 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit am 10.11.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 30.12.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Sie macht nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 30.12.2015 und 13.04.2016, auf die ergänzend Bezug genommen wird, zusammengefasst geltend, das Urteil des Arbeitsgerichts sei nicht mit Gründen versehen, weil es nicht binnen drei Wochen nach der Verkündung vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übergeben worden sei. Das Urteil sei aufzuheben, weil es erst über 14 Wochen nach der Verkündung zur Geschäftsstelle gelangt sei. Das Arbeitsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verletzt, weil es ihren Vortrag nicht zur Kenntnis genommen habe. Sie habe erstinstanzlich im Einzelnen konkret und substantiiert dargestellt, welche Tätigkeiten ihr übertragen worden seien, die sie auch ausübe. Sie habe auch vorgetragen, dass die ihr übertragenen und ausgeführten Tätigkeiten das Wissen und Können eines Technikers erfordern, oder aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten geleistet werden können und selbständig seien. Dabei habe sie auch die Zeitanteile genannt und den gesamten Vortrag unter Beweis gestellt. Das Arbeitsgericht habe zwar die von ihrem Vorgesetzten erstellte Tätigkeitsbeschreibung vom 07.04.2014 und dessen Stellenbewertung vom 07.04.2014 erwähnt, aber inhaltlich nicht bearbeitet. Das Arbeitsgericht hätte daher Beweis erheben müssen, wenn es nicht schon davon ausgegangen sei, dass die Darstellung ihres unmittelbaren Vorgesetzten richtig sei. Ihr Vorgesetzter habe die Tarifmerkmale als erfüllt angesehen.
Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
Das beklagte Land beantragt,
Das beklagte Land verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor, die Berufung sei bereits unzulässig. Die Klägerin setze sich nicht in jeder Hinsicht mit den Urteilsgründen des Arbeitsgerichts auseinander. Die Berufung sei jedenfalls unbegründet. Die Klägerin sei zutreffend in Entgeltgruppe 6 Abschnitt 22.3 (Technische Assistenten) des Teils II der Entgeltordnung zum TV-L eingereiht. Die von der personalführenden Dienststelle autorisierte Stellenbeschreibung vom 06.06.2014 sowie die aktualisierte Stellenbewertung vom 19.12.2014 gebe die tatsächliche Tätigkeit der Klägerin wieder. Nur der zuständige Referatsleiter sei befugt, Stellenbeschreibungen für den jeweiligen Bereich zu verantworten und abzuzeichnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist entgegen der Ansicht des beklagten Landes ordnungsgemäß begründet. Die Berufungsbegründung setzt sich iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO mit den die Klageabweisung tragenden Begründungen des Arbeitsgerichts - gerade noch - hinreichend auseinander. Die Klägerin hat aufgezeigt, in welchen Punkten sie das arbeitsgerichtliche Urteil aus welchen Gründen für unrichtig hält, obwohl sie auf eine Vielzahl der rechtlichen und tatsächlichen Argumente des angefochtenen Urteils nicht eingegangen ist.
II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die Klägerin rügt ohne Erfolg, dass das Urteil des Arbeitsgerichts nicht rechtzeitig vollständig abgesetzt und von der Vorsitzenden unterzeichnet zur Geschäftsstelle gelangt sei. Nach der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB 27.04.1993 - GmS-OGB 1/92; BVerfG 15.09.2003 - 1 BvR 809/03; BAG 09.07.2003 - 5 AZR 175/03) ist ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil als nicht mit Gründen versehen anzusehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt und von den Richtern unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Hiergegen hat das Arbeitsgericht ersichtlich nicht verstoßen. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde am 22.07.2015 verkündet und ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle vollständig abgefasst und unterschrieben am 02.11.2015 der Geschäftsstelle übergeben. Damit ist die Fünfmonatsfrist eingehalten. Im Übrigen wäre wegen eines etwaigen Verfahrensmangels eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht nach § 68 ArbGG nicht in Betracht gekommen (vgl. BAG 10.12.2014 - 7 AZR 1002/12 - Rn. 11 mwN).
2. Das Arbeitsgericht hat die als Eingruppierungsfeststellungsklage - auch soweit sie Zinsforderungen zum Gegenstand hat - zulässige Klage (st. Rspr. zB BAG 18.11.2015 - 4 AZR 605/13 - Rn. 10 mwN) zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 9 TV-L. Die von ihr auszuübende Tätigkeit erfüllt nicht die Tätigkeitsmerkmale der Fallgr. 2 des Abschnitts 22.2 (Techniker) des Teils II der Entgeltordnung zum TV-L, aus denen sie ihren Vergütungsanspruch ableitet. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Urteils.
a) Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Vorschriften des TV-L. Für die Eingruppierung der Klägerin ist neben § 12 Abs. 1 TV-L der Teil II der Entgeltordnung maßgebend, der Tätigkeitsmerkmale für bestimmte Beschäftigtengruppen enthält. Danach sind die Regelungen des Abschnitts 22 für Beschäftigte in technischen Berufen von Bedeutung, die - auszugsweise - folgenden Wortlaut haben:
Die Niederschriftserklärung Nr. 8. zum vorstehenden Abschnitt 22 lautet auszugsweise wie folgt:
In Anwendung der vorstehenden tariflichen Regelungen kann der Klage nicht stattgegeben werden, denn schon nach ihrem eigenen Vortrag steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die angestrebte Vergütung nach Entgeltgruppe 9 TV-L zu. Einer Beweisaufnahme ist das Vorbringen der Klägerin nicht zugänglich. Durch den angebotenen Zeugenbeweis oder die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens kann die erforderliche Substantiierung des Tatsachenvortrags nicht ersetzt werden. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
b) Die Klägerin ist chemisch-technische Assistentin mit staatlicher Anerkennung, so dass für die tarifliche Bewertung ihrer Tätigkeit, die unstreitig technischen Charakter hat, nach dem Grundsatz der Spezialität (vgl. BAG 05.06.2006 - 4 AZR 555/05 - Rn. 31, 32 mwN). die Tätigkeitsmerkmale des Abschnitts 22.3 (Technische Assistenten) des Teils II der Entgeltordnung zum TV-L maßgebend sind.
Die Tätigkeitsmerkmale des Unterabschnitts 3 (Technische Assistenten) bauen aufeinander auf. Bei Aufbaufallgruppen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zunächst zu prüfen, ob die Anforderungen der Ausgangsfallgruppe erfüllt werden und anschließend, ob die qualifizierenden Merkmale der höheren Entgeltgruppen vorliegen (vgl. BAG 09.12.2015 - 4 AZR 11/13 - Rn. 19 mwN). Danach muss eine technische Assistentin mit staatlicher Anerkennung in einer dem Streitfall entsprechenden Lage die allgemeinen Voraussetzungen der Entgeltgruppe 6 TV-L erfüllen, dh. ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeiten ausüben. Das ist hier zwischen den Parteien unstreitig.
Für eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 7 TV-L ist darauf aufbauend erforderlich, dass "schwierige Aufgaben" zu erfüllen sind. Mit "schwierigen Aufgaben" fordern die Tarifvertragsparteien eine fachliche Steigerung gegenüber der üblicherweise von einer chemisch-technischen Assistentin iSd. Entgeltgruppe 6 TV-L auszuübenden Tätigkeit. Die Erfüllung dieser Anforderungen wird von der Klägerin nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
Für eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 9 TV-L müssten die "schwierigen Aufgaben" darüber hinaus "ein besonders hohes Maß an Verantwortlichkeit" erfordern (Fallgr. 2) oder neben den "schwierigen Aufgaben" auch "in nicht unerheblichem Umfang verantwortlichere Tätigkeiten" verrichtet werden (Fallgr. 3). Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass sie bei ihrer Tätigkeit im tariflich geforderten Umfang die Heraushebungsmerkmale der Entgeltgruppe 9 TV-L nach Abschnitt 22.3 im aufgezeigten Sinne erfüllt. Dafür gibt es nach dem Vorbringen der Klägerin auch keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil: Die Berufung beanstandet, dass das Arbeitsgericht dahingehende Ausführungen vermisst hat.
c) Die Klägerin erfüllt nicht die tariflichen Merkmale des Abschnitts 22.2 (Techniker) des Teils II der Entgeltordnung zum TV-L. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
aa) Da die Klägerin unstreitig keine staatlich geprüfte Technikerin ist, könnte sie nur als "sonstige Beschäftigte" in Abschnitt 22.2 eingruppiert sein. Der Vortrag der Klägerin ermöglicht nicht die Wertung, dass sie als sonstige Beschäftigte über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt, die denen eines staatlich geprüften Technikers entsprechen.
Danach müsste die Klägerin zunächst subjektiv über Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, die denen eines staatlich geprüften Technikers entsprechen, um die Merkmale der "gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen" erfüllen zu können. Dabei wird zwar nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch eine Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker vermittelt wird, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechenden umfangreichen Wissensgebietes, wobei Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet technischer Tätigkeiten nicht ausreichend sind. Außerdem muss der Beschäftigte noch objektiv "entsprechende Tätigkeiten" auszuüben haben. Nur wenn diese beiden Erfordernisse kumulativ erfüllt sind, wird den tariflichen Anforderungen genügt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 05.06.2008 - 11 Sa 110/08 - Rn. 50 ff mwN).
Bei den subjektiven Voraussetzungen der "gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen" hat das Bundesarbeitsgericht zwar anerkannt und hervorgehoben, dass es rechtlich möglich ist, aus der ausgeübten Tätigkeit eines Beschäftigten Rückschlüsse auf seine Fähigkeiten und Erfahrungen zu ziehen. Daraus können jedoch weder der Rechtssatz noch der allgemeine Erfahrungssatz hergeleitet werden, dass immer dann, wenn ein "sonstiger Angestellter" eine "entsprechende Tätigkeit" ausübt, dieser auch über "gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen" im tariflichen Sinne verfügt. Vielmehr zeigt die Lebenserfahrung, dass "sonstige Angestellte", selbst wenn sie im Einzelfall eine "entsprechende Tätigkeit" ausüben, gleichwohl - anders als ein Angestellter mit der in der ersten Alternative vorausgesetzten Ausbildung - häufig an anderen Stellen deswegen nicht eingesetzt werden können, weil ihnen für andere Tätigkeiten Kenntnisse und Erfahrungen fehlen. Es muss geprüft werden, ob der eine entsprechende Tätigkeit ausübende Beschäftigte Angestellte das Wissensgebiet eines Angestellten mit der in der ersten Alternative vorausgesetzten Ausbildung mit ähnlicher Gründlichkeit beherrscht (vgl. BAG 18.12.1996 - 4 AZR 319/95 - Rn. 38 mwN).
bb) Es ist weder ersichtlich noch von der Klägerin hinreichend substantiiert vorgetragen, dass sie über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt wie ein staatlich geprüfter Techniker. Ihr Vortrag erschöpft sich in der bloßen Behauptung, dass dem so sei. Das genügt nicht. Ihre Ausbildung als chemisch-technische Assistentin und ihre langjährige Tätigkeit bei der Kontrolle und Überwachung von Kläranlagen belegen allenfalls gleichwertige Kenntnisse und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet.
Es hilft auch nicht weiter, dass der Vorgesetzte der Klägerin in seiner Stellenbeschreibung vom 07.04.2014 der Klägerin bescheinigt hat, ihre Tätigkeiten im Rahmen des Vollzugs der Landesverordnung über die Eigenüberwachung von Abwasseranlagen (EÜVOA) erforderten das Wissen und Können eines staatlich geprüften Technikers oder könnten aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen geleistet werde. Die Bewertung des Vorgesetzten, die der zuständige Referatsleiter nicht übernommen hat, beinhaltet lediglich die Mitteilung einer Rechtsansicht. In welche Entgeltgruppe die Klägerin zutreffend eingruppiert ist, betrifft hingegen eine Rechtsfrage, die nicht zur Disposition der Parteien steht. Soweit der Vorgesetzte der Klägerin seine eigene Rechtsauffassung im Hinblick auf die tariflichen Tätigkeitsmerkmale zum Ausdruck gebracht hat, bindet diese tarifrechtliche Beurteilung weder die Gerichte für Arbeitssachen noch die Prozessparteien (vgl. BAG 24.09.1980 - 4 AZR 727/78 - Rn. 51). Die Berufung verkennt, dass Stellungnahmen, die von Vorgesetzten der jeweiligen Kläger verfasst wurden, im Eingruppierungsrechtstreit regelmäßig ohne Belang sind (vgl. BAG 15.03.2006 - 4 AZR 73/05 - Rn. 31).
cc) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellen wollte, sie sei "sonstige Beschäftigte" iSd. Abschnitts 22.2 des Teils II der Entgeltordnung, ist ihre Tätigkeit jedenfalls keine "selbständige Tätigkeit" im Sinne der Fallgr. 2 der Entgeltgruppe 9 TV-L
Eine "selbständigen Tätigkeit" im tariflichen Sinne liegt nach den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Maßstäben nur vor, wenn der Beschäftigte bei seiner Tätigkeit eine den in der Entgeltgruppe vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechende eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung seiner Leistungen jeweils einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis hat. Dabei kann das Merkmal "selbständige Tätigkeit" nicht mit dem Merkmal "selbständige Leistungen" gleichgesetzt werden. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Aufgaben, die Angestellten im Verwaltungsdienst und Technikern obliegen, setzt das Tätigkeitsmerkmal der "selbständigen Tätigkeit" eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereichs voraus, was eine fachliche Anleitung und Überwachung durch Vorgesetzte nicht gänzlich ausschließt. Die Annahme einer Eigenständigkeit eines Aufgabengebietes und einer eigenen Entscheidungsbefugnis des Beschäftigten hängt aber maßgeblich vom Ausmaß der organisatorischen Einbindung des Dienstpostens in den Verwaltungsaufbau der konkreten Dienststelle und der hier festzustellenden Eigenständigkeit ab (vgl. BAG 08.11.2006 - 4 AZR 620/05 - Rn. 24 mwN).
Nach diesen Grundsätzen erfüllt die Klägerin das Merkmal der "selbständigen Tätigkeit" nicht. Die Tätigkeit der Klägerin stellt sich nicht als eigenständiger Aufgabenbereich im Tarifsinne dar. Die Ausführungen ihres Vorgesetzten in der Stellenbeschreibung vom 07.04.2014: "Die Bewertung und Beurteilung der eingereichten Unterlagen stellt eine selbständige Tätigkeit entsprechen der Erfordernisse der Entgeltordnung zu der EG Gruppe 9 FG 2 (Teil II Ziff. 22.2) dar. Es liegt eine eigene geistige Initiative vor. Das Arbeitsergebnis steht im Voraus nicht fest. Es ist unter Einsatz des erforderlichen technischen Wissens ein Ergebnis unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative zu erarbeiten", beruhen ersichtlich auf einem Missverständnis des vom Bundesarbeitsgericht zugrunde gelegten Inhalts des Begriffs der "selbständigen Tätigkeit". Der Vorgesetzte verwechselt den Begriff "selbständige Tätigkeit" mit dem Tarifbegriff "selbständige Leistungen". Außerdem kommt es - wie bereits oben ausgeführt - auf die Rechtsansicht des Vorgesetzten nicht an.
d) Im Übrigen wären Vergütungsansprüche der Klägerin nach Entgeltgruppe 9 TV-L für die Zeit von Dezember 2012 bis einschließlich Oktober 2013 gem. § 37 Abs. 1 TV-L verfallen. Nach dieser Vorschrift verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus. Die Klägerin hat für die Zeit ab 01.12.2012 erstmals mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20.05.2014 eine Höhergruppierung in Entgeltgruppe 9 TV-L beantragt. Mit ihrem Antrag aus Dezember 2012 auf Höhergruppierung in Entgeltgruppe 7 TV-L konnte sie Ansprüche nach Entgeltgruppe 9 TV-L nicht wirksam geltend machen.
III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.
Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.
Verkündet am 19.05.2016