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21.06.2016 · IWW-Abrufnummer 186713

Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 03.03.2016 – 8 K 942/15

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Im Namen des Volkes

URTEIL

Az: 8 K 942/15

In dem Finanzrechtsstreit

xxx

wegen ­Umsatzsteuer 2009 und 2010

hat der 8. Senat unter Mitwirkung von  

xxx

­auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 3.3.2016

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Dem Kläger werden die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger in den Jahren 2009 und 2010 gegenüber der I. AG Ihr Kompetenzpartner (später unter I. Vertrieb & Service AG firmierend, im folgenden I. AG genannt) umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht hat.

Der Kläger war in den Streitjahren in der Versicherungsbranche tätig. Er stand mit der I. AG in Geschäftsbeziehungen und bezog von ihr folgende Zahlungen:

Datum                    Betrag in Euro

29.09.2009                15.000
28.10.2009                20.000
19.11.2009                  5.000
26.11.2009                25.000                            
21.12.2009                25.000
28.01.2010                25.000
24.02.2010                25.000
26.03.2010                25.000
28.04.2010                25.000
28.06.2010                31.400

Schon am 27.9.2009 hatte der Kläger einen Rentenversicherungsvertrag mit der UL geschlossen, der zu einer monatlichen Prämienzahlung von 3.000 Euro verpflichtete. Als Prämiensumme war der Betrag von 1.620.000 Euro vereinbart worden. Versicherte Person war die am 1.10.1991 geborene Schülerin R.. Vermittelt wurde der Vertrag laut Vertragsurkunde und auf dieser Urkunde angebrachter Unterschriften von Ft., der als Zeuge vor dem Oberlandesgericht D. (8 U 1346/12) zur Person angab, Vertriebsdirektor bei der I. AG zu sein. Ebenfalls am 27.9.2009 schloss der Kläger einen Rentenversicherungsvertrag mit der CL. Die Versicherungsprämie wurde mit 2.000 Euro monatlich über 35 Jahre vereinbart. Wiederum war R. die versicherte Person. Als Berater unterschrieb wiederum Ft..

Entsprechende Rentenversicherungsverträge unterschrieb am 27.9.2009 auch die Ehefrau des Klägers. Den Urkunden zufolge fungierte abermals Ft. als Vermittler bzw. Berater. Versicherte Person war der am 20.4.1980 geborene Sohn der Ehefrau des Klägers, nämlich Gg.

Am 13.1.2010 unterzeichneten der Kläger und seine Ehefrau Abtretungserklärungen, denen zufolge sämtliche Rechte und Ansprüche aus den abgeschlossenen Versicherungen an die I. AG abgetreten wurden. Der Zessionar wurde beauftragt, die Abtretungen den Versicherern anzuzeigen.

Der Kläger entrichtete an die Versicherer folgende Zahlungen:

Datum                    Empfänger        Betrag in Euro

2.11.2009                UL          3.000
2.11.2009                UL          3.000
2.11.2009                CL          4.000
1.12.2009                UL          3.000
1.12.2009                UL          3.000
1.12.2009                CL          4.000
4.01.2010                UL          3.000
4.01.2010                UL          3.000
4.01.2010                CL          4.000
1.02.2010                UL          3.000
1.02.2010                UL          3.000
1.02.2010                CL          4.000
1.03.2010                CL          4.000
2.03.2010                UL          3.000
2.03.2010                UL          3.000
1.04.2010                UL          3.000
1.04.2010                UL          3.000
1.04.2010                CL          4.000
4.05.2010                UL          3.000
4.05.2010                UL          3.000
4.05.2010                CL          4.000
1.07.2010                CL          8.000
6.07.2010                UL        12.000
6.08.2010                UL          6.000

An die CL wurden im Juli 2010 und im August 2010 noch jeweils 2.000 Euro gezahlt.

Weitere Zahlungen erfolgten nicht.

Mit Schriftsatz v. 28.7.2011 erhob die I. AG gegen den Kläger dieses finanzgerichtlichen Verfahrens Klage auf Rückzahlung von 137.936,46 Euro vor dem Landgericht D. (3 O 1933/11). Die I. AG behauptete, die Versicherer hätten, nachdem der Kläger und seine Ehefrau fällige Versicherungsprämien schuldig geblieben waren, an die I. AG gezahlte Vermittlungsprovisionen teilweise rückbelastet. Die I. AG sei berechtigt, diese Rückbelastung an den Kläger weiterzugeben. Denn der Kläger habe mit den Überweisungen vom 29.9.2009 bis zum 28.6.2010 von der I. AG Vermittlungsprovisionen für die vom Kläger und seiner Ehefrau geschlossenen Versicherungsverträge ratenweise ausgezahlt bekommen. Der Kläger unterliege einer Stornohaftung. Diese Stornohaftung führe, unter Berücksichtigung einer Verwertung an die I. AG abgetretener Ansprüche auf die Versicherungsleistung, zu einer berechtigten Forderung der I. AG in Höhe der eingeklagten 137.936,46 Euro.

Der Kläger verteidigte sich gegen diesen Anspruch mit der Behauptung, die Zahlungen vom 29.9.2009 bis zum 28.6.2010 beruhten auf einer mündlich getroffenen Vereinbarung, der zufolge der Kläger gegen eine monatliche Festvergütung im Interesse der I. AG einen sogenannten Strukturvertrieb aufzubauen verpflichtet war. In einem Gespräch mit dem Kläger am 15.9.2009 habe der Vorstand der I. AG O. in Anwesenheit des Zeugen F. erklärt, da der Kläger eine Struktur aufzubauen habe, sei in der Anfangszeit mit einer Refinanzierung für die I. AG nicht zu rechnen. Man habe dafür jedoch eine Lösung. Es sei danach vereinbart worden, dass der Kläger monatlich 15.000 Euro als Vergütung bekomme und zusätzlich 10.000 Euro, welche allerdings als Prämien für Versicherungen abgeführt werden sollten (Schriftsatz des Klägers im Verfahren 3 O 1933/11, S. 2). Mit einem schriftlich am 8.3.2010 abgeschlossenen Maklervertrag, so der Kläger im Schriftsatz an das Landgericht weiter, habe jene Vereinbarung nicht zu tun. Aufgabe des Klägers auf der Grundlage der mündlichen Abrede sei nicht der Vertrieb von Versicherungen, sondern der Aufbau eines Exklusivvertriebes, also eines Strukturvertriebes gewesen. Tatsächlich habe der Kläger bis Dezember 2009 über von ihm organisierte und vorbereitete Informationsveranstaltungen in D. und L. ca. 40 Makler  rekrutiert. Er sei dort neben Ft. als Referent aufgetreten. Als normaler, provisionsabhängiger Makler habe er nicht arbeiten wollen. Er habe eine Festvergütung verdienen wollen. Das Vertragsverhältnis sei am 24.10.2010 im Einvernehmen mit der I. AG aufgelöst worden, nachdem der Strukturvertrieb insgesamt beendet worden sei  (a.a.O., Seite 6).

Die Zahlungen der I. AG seien also dem Kläger nicht als Provision zugeflossen, deshalb sei er auch nicht zur Rückzahlung verpflichtet, nachdem die Versicherungsverträge  notleidend geworden waren.

Das Landgericht D. gab der Klage der I. AG nach Beweisaufnahme durch Urteil v. 10.7.2012 statt. Die Berufung des Klägers führte zur Aufhebung dieses Urteils und zur Klageabweisung. Auch das Oberlandesgericht hatte Zeugen gehört, konnte sich aber ausweislich seines Urteils v. 14.3.2013 nicht von der Richtigkeit des Vortrags der I. AG überzeugen. Für die Behauptung, der Kläger habe vereinbarungsgemäß ein Stornorisiko getragen, sei die I. AG beweisfällig geblieben.   

Vom 23.1.2012 bis zum 14.5.2013 fand beim Kläger eine Außenprüfung zur Umsatzsteuer 2008 bis 2010 statt. Der Prüfer nahm an, dass der Kläger von der I. AG für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung, nämlich den Aufbau eines Strukturvertriebes, vergütet worden war. Eine steuerfreie Vermittlungsleistung im Sinne des § 4 Nr. 8 und Nr. 11 UStG liege insoweit nicht vor. Der Beklagte schloss sich dieser Ansicht an und unterwarf in Bescheiden v. 28.5.2013 weitere Umsätze in Höhe von 75.630,25 Euro (2009) und 110.420 Euro (2010) der Umsatzsteuer zu 19 %. Einsprüche gegen diese Umsatzsteuerbescheide wurden mit Einspruchsentscheidung v. 6.1.2014 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 6.2.2014 erhob der Kläger unter anderem wegen der Umsatz-steuerbescheide 2008 bis 2010 Klage zum Sächsischen Finanzgericht. Er trug vor:

Auf die ihm von der I. AG vergütete Leistung sei die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG anzuwenden. Er habe als Strukturpartner der I. AG eine Vermittlertätigkeit übernommen und dafür von der I. AG eine Vermittlungsprovision erhalten. Im Rahmen eines Strukturvertriebes vereinnahme die Maklerfirma die von der Versicherung gezahlte Provision. An die Strukturpartner würde danach ein vereinbarter Teil dieser Vermittlungsprovision weitergereicht. So habe auch er im Wege der Zahlungen seitens der I. AG Vermittlungsprovisionen erlangt. Durch den Umstand, dass die Zahlungen im Strukturvertrieb geflossen seien, hätten sie ihren Charakter als Vermittlungsprovision nicht eingebüßt. Er habe als Vermittler der Versicherungsverträge unmittelbaren Einfluss nehmen können. Denn er sei bei Abschluss der Versicherungsverträge zugegen gewesen. Schließlich habe es sich um sogenannte Eigenverträge gehandelt.

Der Beklagte erwiderte, dass die Zahlungen für den Aufbau eines Strukturvertriebes erfolgt seien. Die vergütete Leistung des Klägers sei, so führte der Beklagte nach einem Zitat aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofes v. 6.9.2007, V R 50/05, aus, umsatzsteuerpflichtig.

Das Sächsische Finanzgericht wies die Klage durch Urteil v. 24.9.2014 ab. Dieses Urteil wurde durch Beschluss des Bundesfinanzhofes v. 27.5.2015 unter Zurückverweisung an das Sächsische Finanzgericht aufgehoben. Das Sächsische Finanzgericht habe nicht begründet, dass es sich bei den (monatlich) bezogenen 10.000 Euro um Entgelt für steuerpflichtige Leistungen handele. Es setze sich nicht mit der Frage auseinander, ob im Hinblick auf diese Zahlungen die Annahme durchlaufender Posten in Frage komme. Es widerspreche sich, wenn es eine steuerfreie Tätigkeit nach § 4 Nr. 11 UStG im Rahmen eines Strukturvertriebes grundsätzlich für möglich halte, zugleich aber den für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 11 UStG konstituierenden Bezug zu einzelnen Geschäften beim Aufbau einer Vertriebsorganisation verneine.    

Wie schon im ersten Rechtszug trägt der Kläger auch nach der Zurückverweisung an das Sächsische Finanzgericht zum Geschäftsmodell der I. AG vor. Dass der Kläger und seine Ehefrau Versicherungen abschlossen, für die sie die geschuldeten Prämien nicht aufbringen konnten, die ihnen zudem nicht als Altersvorsorge dienten, da die Rechte aus den Versicherungen an die I. AG abgetreten wurden, habe allein der Finanzierung des Geschäfts mit der I. AG gedient. Die I. AG habe einen Strukturvertrieb für Versicherungen errichten wollen. Im Strukturvertrieb sei es üblich, dass es einen Abschlussvermittler und bis zu sechs Stufen darüber gebe. Der Kläger sei von der I. AG in die Struktur eingesetzt worden. Der Kläger habe als Strukturoberer die Unterstrukturen aufbauen sollen. Es sei vereinbart worden, dass der Kläger an den Vermittlungsprovisionen partizipiere. Die I. AG habe die Provisionen für die Vermittlung der Versicherungen der UL und der CL an ihn und Ft. verteilt. Im Verhältnis zu diesen Versicherern habe die I. AG das Stornorisiko getragen. Sie sei deshalb, nachdem die verprovisionierten Versicherungsverträge nicht mehr bedient wurden, den Versicherern zur Teilrückzahlung der Provision verpflichtet gewesen. Die I. AG sei aber nicht berechtigt gewesen, das Stornorisiko an die Strukturvermittler, also an den Kläger und Ft., weiterzugeben. Hierzu hätte es einer vertraglichen Grundlage bedurft, die schließlich auch das Oberlandesgericht D. verneint habe.

Für das Geschäftsmodell der I. AG verweist der Kläger zudem auf den auszugsweise von ihm vorgelegten Bericht des Insolvenzverwalters Kl. v. 4.2.2015, der als Insolvenzverwalter über das Vermögen der FB. KGaA, D., eingesetzt ist. Danach war die I. AG in einen Konzern eingegliedert und gegenüber der FB. KGaA zur Gewinnabführung verpflichtet. Die I. AG habe auf der Grundlage ihr vorschüssig ausgezahlter Vermittlungsprovisionen, die sie durch den Abschluss überwiegend großvolumiger Eigenprovisionen verdient habe, Liquidität erlangt. Die I. AG habe die Einnahmen zeitnah an die FB. KGaA weitergeleitet. Auf den auszugsweise vorgelegten Bericht des Insolvenzverwalters Kl. v. 4.2.2015 wird ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger meint, seine Tätigkeit im Rahmen des Strukturvertriebes, wie er von der I. AG initiiert worden ist, sei als "gelebte Betreuung" von Versicherungsverträgen zu charakteri-sieren. Eine gelebte Betreuung von Versicherungsverträgen liege im Falle von Eigenverträgen vor. Die Verträge mit der UL und der CL seien solche Eigenverträge. Ohne seine Mitwirkung wären diese Verträge nicht zustande gekommen. Er habe eine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausgeübt, die die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 11 UStG begründe.

Der Kläger beantragt, die Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 insoweit abzuändern, dass die Umsätze mit der I. AG nicht in die Bemessungsgrundlage eingehen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass die Leistungen des Klägers gegenüber der I. AG nicht steuerfrei seien. Er habe im Zivilverfahren vehement bestritten, die vier Versicherungsverträge mit der UL und der CL vermittelt zu haben. Er habe angegeben, von der I. AG Zuschüsse für den Aufbau eines Strukturvertriebes erhalten zu haben. Für diese Leistung sei die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG nicht einschlägig.

Das Finanzgericht hat abermals die Akten des Landgerichts D. zur Geschäftsnummer 3  O 1933/11 beigezogen. Auf die Schriftsätze der Beteiligten zu den Aktenzeichen 8 K 157/14 und 8 K 942/15 und auf die Akten des Beklagten wird Bezug genommen.          

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide sind rechtmäßig.

1. Der Kläger hat im Rahmen seines Unternehmens gegenüber der I. AG gegen Entgelt Leistungen erbracht, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer unterliegen.

Die erbrachten Leistungen im Sinne dieser Vorschrift waren die vom Kläger entfalteten Tätigkeiten, die dem Aufbau eines Strukturvertriebes dienten. Der Kläger war, wie er selbst vorgetragen hat (Schriftsatz v. 26.2.2016, S. 4), von der I. AG als Strukturoberer in deren Strukturvertrieb eingeschaltet und verpflichtet, die Unterstrukturen aufzubauen. Daran hat er tatsächlich gearbeitet. So hat er, nach eigenem Vortrag im Zivilverfahren vor dem Landgericht D., Werbeveranstaltungen in D. und L. organisiert und vorbereitet. Er ist dort als Referent aufgetreten und hat ca. 40 Makler geworben. Für diese Leistungen hat er von der I. AG Entgelt erhalten. Folgerichtig wurden die Entgeltzahlungen eingestellt, nachdem der Strukturaufbau seitens der I. AG beendet worden war (Schriftsatz des Klägers dieses Verfahrens v. 19.9.2011 zum Landgericht D., 3 O 1933/11, S. 6).     

2. Die Tätigkeit, durch Werbung von Versicherungsvertretern oder Versicherungsmaklern Unterstrukturen eines Strukturvertriebs aufzubauen, ist keine Tätigkeit als Versicherungs-vertreter oder Versicherungsmakler, die durch § 4 Nr. 11 UStG steuerfrei gestellt ist.

Eine steuerfreie Tätigkeit i.S.d. § 4 Nr.11 UStG ist entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass Versicherungskunden gesucht und mit dem Versicherer zusammengebracht werden. Diese Vermittlung, die in einer Nachweis-, Kontaktaufnahme- oder einer Verhandlungs-tätigkeit bestehen kann, muss sich auf ein einzelnes Geschäft beziehen. Leistungen hingegen, die keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Geschäften aufweisen, sind nicht steuerfrei (BFH v. 24.7.2014, V R 9/13, BFH/NV 2014, 1783 m.w.N.).

a) Der Aufbau von Unterstrukturen eines Strukturvertriebs, wie er vom Kläger der I. AG geschuldet und ausgeführt wurde, zielte auf die Anwerbung von Personen, die auf kundennäherer Ebene im Strukturvertrieb mitzuwirken bereit waren. Den angeworbenen Personen sollte entweder die Aufgabe zufallen, weitere Personen in den Strukturvertrieb einzuschalten, oder aber durch einen Kundennachweis, eine Kontaktaufnahme oder eine Verhandlung mit Versicherungskunden einzelne Versicherungsverträge zu vermitteln. Zu den schließlich vermittelten Versicherungsverträgen aber hatte die Tätigkeit des Klägers keinen spezifischen und wesentlichen Bezug. Wann und wo, durch welche Versicherungsvertreter vermittelt unbekannte Versicherungskunden einzelne Versicherungsverträge abschlossen, berührte seine Tätigkeit nicht. Die Leistung des Klägers bestand darin, durch direkte und indirekte Anwerbung von Versicherungsvertretern oder Versicherungsmaklern für ein die I. AG zufrieden stellendes Gesamtvolumen vermittelter Versicherungsverträge zu sorgen.

b) Die Tätigkeit des Klägers wurde nicht dadurch zur Tätigkeit eines Versicherungsvertreters oder Versicherungsmaklers, dass die Finanzierbarkeit seiner von der I. AG bezogenen Vergütung von den Vermittlungsprovisionen abhing, die nach dem Abschluss von Versiche-rungsverträgen bei der I. AG anfielen. Der Kläger bezog von der I. AG seinem Wunsche entsprechend eine Festvergütung  (Schriftsatz des Klägers dieses Verfahrens v. 19.9.2011 zum Landgericht D., 3 O 1933/11, S. 6). Die Zahlungen der I. AG an den Kläger auf der Grundlage einer fixen Gehaltsvereinbarung können nicht deshalb als Provisionszahlungen für den Abschluss von Versicherungsverträgen charakterisiert werden, weil die Zahlungsmittel aus Versicherungsprovisionen stammten.

c) Entgegen der Meinung des Klägers kann der für eine steuerfreie Tätigkeit erforderliche Bezug zu einzelnen Versicherungsgeschäften nicht mit dem Verweis auf die Versicherungs-verträge hergestellt werden, die vom Kläger selbst und seiner Ehefrau mit der UL und der CL abgeschlossen wurden. Denn der Abschluss dieser Verträge war nicht Gegenstand der Leistung, die er gegenüber der I. AG zu erbringen hatte und erbrachte. Diese Leistung bestand in der Organisation eines Strukturvertriebes. Der Abschluss der Eigenverträge war zwar, wie unterstellt werden kann, wegen der mit ihnen verbundenen, bei der I. AG anfallenden Vermittlungsprovisionen Voraussetzung dafür, dass die I. AG den Kläger beauftragte und das versprochene fixe Gehalt finanzieren konnte. Mit dem Leistungsbild des Aufbaus eines Strukturvertriebes jedoch haben diese Versicherungsverträge nicht zu tun.

3. Die Tätigkeit des Klägers erfüllt auch nicht den in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem v. 28.11.2006 verwendeten Begriff der "dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und –vertretern erbracht werden", die ebenfalls umsatzsteuerfrei sind (BFH v. 24.7.2014, a.a.O.). Eine solche Dienstleistung setzt eine Verbindung sowohl zu dem Versicherer als auch dem Versicherungskunden voraus. Zwar muss diese Verbindung nicht unmittelbar sein (BFH v. 24.7.2014, a.a.O.). Sie ist aber nach Auffassung des erkennenden Senats zu verneinen, wenn wie im Falle der Dienstleistung des Klägers deren Zweck nicht die Vermittlung eines einzelnen Versicherungsvertrages, sondern die Anwerbung von Personen ist, die im Rahmen eines Strukturvertriebes tätig werden sollen.

4. Zutreffend hat der Beklagte in  seinen Umsatzsteuerbescheiden das gesamte von der I. AG bezogene, lediglich um die Umsatzsteuer ermäßigte Entgelt, nämlich 75.630,25 Euro im Jahr 2009 und 110.420 Euro im Jahr 2010, der Steuerbemessung zugrunde gelegt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Denn Entgelt ist, abzüglich der Umsatzsteuer, alles, was der Leistungs-empfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Die I. AG hat dem Kläger für dessen Leistungen zum Aufbau der Vertriebsstrukturen auch den Teil der Zahlungen zugewandt, der absprachegemäß vom Kläger vereinnahmt wurde, um Prämien auf eigene Versicherungsverträge zu zahlen. Diese Absprache im Hinblick auf einen  Teilbetrag der Zahlungen hebt den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung, der für die Charakterisierung der Gegenleistung als Entgelt im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG erforderlich ist (Bunjes/Korn, Umsatzsteuergesetz, 14. Aufl. 2015, § 10 Rnr. 5), nicht auf. Ein innerer, ein synallagmatischer Zusammenhang der Gegenleistung mit der erbrachten Leistung ist hierfür nicht vonnöten (Bunjes/Korn a.a.O.). Dass der Kläger tatsächlich monatlich 10.000 Euro aufgewandt hat, um Zahlungspflichten aus von ihm und seiner Ehefrau geschlossenen Versicherungsverträgen zu bedienen, stellt sich dem Senat als Entgeltverwendung dar, die die Qualifikation der empfangenen Zahlung als Entgelt nicht aufhebt. An dieser Beurteilung ändert nichts, wenn, wie hier unterstellt wird, die I. AG ohne den Abschluss jener Versicherungsverträge, die hohe Vermittlungsprovisionen zur Folge hatten, nicht in der Lage war, dem Kläger die versprochene Gegenleistung zu gewähren. Nach Auffassung des Senats kann eine ungewöhnliche und möglicherweise strafbare Finanzierungsmethode des Leistungsempfängers den Entgeltcharakter der Gegenleistung nicht beeinflussen.

4. Die vereinbarungsgemäße Verwendung eines Teils der von der I. AG geleisteten Zahlungen für Versicherungsprämien macht diesen Teil nach der Auffassung des erkennen-den Senats nicht zum durchlaufenden Posten i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG, der das Entgelt und damit die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage schmälerte. Denn der Kläger hat auch jenen Teil des Entgelts nicht in fremdem Namen, etwa im Namen der Versicherungsunter-nehmen, sondern im eigenen Namen vereinnahmt und danach zur Erfüllung selbst oder von seiner Ehefrau begründeter Zahlungspflichten verwendet.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist beim Bundesfinanzhof einzureichen; sie muss den Anforderungen des § 120 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechen.

Vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen in § 62 Abs. 4 FGO genannten Prozessbevollmächtigten vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Straße 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/9231-201.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.bundesfinanzhof.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

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