15.06.2016 · IWW-Abrufnummer 186598
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 09.12.2015 – 4 BVL 1/15
1) Zur Frage der Rechtswirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeit des Entgelttarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe NRW v. 04.05.2012 (BAnz AT 23.11.2012 B9).
2) Gegenstand des Verfahrens nach § 2 a Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 98 ArbGG nF ist u. a. die Frage der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG . Die Frage, wann die Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärung endet, kann in diesem besonders ausgestalteten Verfahren nicht Streitgegenstand sein.
Tenor:
I. Unter Zurückweisung des Hauptantrags der Antragsteller wird festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales vom 05.11.2012 betreffend den zwischen dem DEGHOGA Landesverband NRW e.V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Landesbezirk Nordrhein-Westfalen abgeschlossenen Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 04.05.2012 - BAnzAT 23.11.2012 B 9 - wirksam war.
II. Der Hilfsantrag des Antragstellers zu 1) wird als unzulässig verworfen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer durch das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales Nordrhein-Westfalen (künftig: MAIS) am 05.11.2012 mit Wirkung zum 04.09.2012 ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärung (künftig: AVE) eines zwischen dem DEHOGA Landesverband Nordrhein-Westfalen im DEHOGA e. V. (künftig: DEHOGA) und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Landesbezirk Nordrhein-Westfalen (künftig: NGG) am 04.05.2012 abgeschlossenen Entgelttarifvertrags für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Nordrhein-Westfalen (künftig: ETV).
Mit Schreiben vom 17.07.2012 bzw. 07.08.2012 beantragte die zu 3) beteiligte NGG, die Entgeltgruppen 1 und 2 dieses Tarifvertrags für allgemeinverbindlich zu erklären. Wegen der Begründung des Antrags wird auf den Inhalt der Schreiben Bezug genommen (Bl. 3 ff und 23 ff der beigezogenen Verwaltungsakte des MAIS, AZ: III LS 7231-0019.12.01+02, künftig: Prüfakte). Der Antrag wurde im Bundesanzeiger vom 04.09.2012 bekannt gemacht (Bl. 62 f. Prüfakte). In § 1 ETV heißt es:
Mit Schreiben vom 24.08.2012 übertrug das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (künftig: BMAS) aufgrund § 5 Abs. 6 TVG dem MAIS das Recht, das Verfahren über den Antrag auf AVE durchzuführen (Bl. 57 f. Prüfakte). Zur Feststellung des gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 TVG aF für die AVE erforderlichen Beschäftigtenquorums, wonach die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 vom Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen müssen, holte das MAIS statistische Auskünfte ein. Nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit (künftig: BA) vom 10.10.2012 waren zum Stichtag 31.12.2011 im Gastgewerbe Nordrhein-Westfalen (Beherbergung und Gastronomie) 337.512 Arbeitnehmer tätig (Stand September 2012, Bl. 104 Prüfakte), nämlich 147.225 sozialversicherungspflichtig, 187.545 geringfügig sowie 2.742 kurzfristig Beschäftigte. Diese waren laut Auskunft der BA vom 27.08.2012 (Stand August 2012, Bl. 52 Prüfakte) in 25.776 Betrieben beschäftigt, wobei gemäß den "Methodischen Hinweisen" der BA (Bl. 53 Prüfakte) in der BA-Statistik nur Betriebe mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ausgewiesen werden. Außerdem holte das Ministerium statistische Auskünfte des Landesbetriebs für Information und Technik (künftig: IT.NRW, Bl. 74 ff Prüfakte) und der Berufsgenossenschaften Nahrungsmittel und Gaststätten ein (künftig: BG-NG, Bl. 56 Prüfakte).
Nach einer weiterhin vom MAIS eingeholten Auskunft vom 31.08.2012 gab der zu 4) beteiligte Arbeitgeberverband DEHOGA die Anzahl seiner aktiven Mitglieder mit 14.431 an (ohne Doppelzählung bei mehreren Betrieben, Bl. 62 ff Prüfakte). Die Zahl beruhe auf den jeweils zum 1. Juli eines Jahres - hier zum 01.07.2012 - an den Bundesverband zum Zwecke der Beitragserhebung gemeldeten "Schlüsselzahlen". Sie sei gemäß einer Umfrage bereinigt um 671 Mitglieder ohne Beschäftigte (4,4 %).
Ausweislich der Ministervorlage gelangte das MAIS bei der Prüfung des erforderlichen Beschäftigtenquorums zur Feststellung von insgesamt 337.512 Arbeitnehmern im Geltungsbereich des Tarifvertrags in 25.775 Betrieben, davon 14.431 Mitgliedsbetriebe der DEHOGA. Unter der Annahme, dass die Mitgliedsunternehmen im Durchschnitt nicht weniger Arbeitnehmer als die Betriebe insgesamt beschäftigten (nämlich 337.512 geteilt durch 25.775 = 13,09), ging es von 188.902 (14.431 x 13,09) Arbeitnehmern bei den tarifgebundenen Arbeitgebern und damit von 56 % der Arbeitnehmer insgesamt aus. Eine Kontrollrechnung anhand der deutlich abweichenden Zahlen des Statistischen Jahrbuchs des IT.NRW für das Jahr 2009 führte ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Quorum erfüllt sei (Ministervorlage v. 26.10.2012, Bl. 142 ff Prüfakte).
Am 05.11.2012 erklärte das MAIS nach erfolgter Anhörung u.a. der Tarifpartner sowie des Bundesverbands der Systemgastronomie e.V., des Bundesverbands Schnellgastronomie und Imbissbetriebe e.V., der I. Pizza GmbH und Zustimmungsempfehlung des Tarifausschusses in der Ausschusssitzung vom 24.10.2012 (Prüfakte Bl. 135 f.) den ETV mit Einschränkungen und Wirkung vom 04.09.2012 für allgemeinverbindlich und gab dies im Bundesanzeiger vom 23.11.2012 bekannt (Bl. 162 f Prüfakte). Von der AVE ausgenommen waren die in den §§ 4, 5 und 10 des ETV aufgeführten Tarifgruppen (TG) 3 bis 9 und "Freie Vereinbarung" sowie die §§ 6 und 7 ETV. Außerdem wurde die AVE nicht auf Betriebe/Unternehmen erstreckt, die den jeweils gültigen, zwischen dem Bundesverband der Systemgastronomie e.V., München, und der Gewerkschaft NGG vereinbarten Entgelttarifvertrag bzw. dem jeweils gültigen Spezialentgelttarifvertrag für Mitgliedsunternehmen der Systemgastronomie der Landesverbände im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband e.V., ebenfalls vereinbart mit der NGG, unterfallen und diesen anwenden. Dies wird gem. Ziff. 2 der AVE-Bekanntmachung unwiderlegbar vermutet, wenn der Betrieb/das Unternehmen jeweils entsprechendes mittelbares oder unmittelbares Mitglied einer der vorgenannten vertragsschließenden Arbeitgeberorganisationen ist.
Die allgemeinverbindlichen Entgeltsätze betrugen danach zu Beginn der AVE (04.09.2012) in der TG 1 ("Arbeitnehmer/-in mit einfachen Tätigkeiten, die durch Anlernen erworben werden können") monatlich 1.381 (8,18 €/Stunde bei 169 Monatsstunden gem. § 5 S. 3 ETV) und in der TG 2 ("Arbeitnehmer/-in mit Tätigkeiten, die geringe Fachkenntnisse und Fertigkeiten erfordern") 1.454,- € (8,60 €/Stunde). Ab dem 01.02.2013 betrug die monatliche Vergütung in der TG 1 = 1.411,-- € (8,35 €/Stunde) und in der TG 2 = 1.477 € (8,74 €/Stunde), ab dem 01.09.2013 in der TG 1 = 1.437 (8,50 €/Stunde), in der TG 2 = 1.501 (8,88 €/Stunde). Der ETV trat laut Bekanntmachung des MAIS im Bundesanzeiger nach übereinstimmender Erklärung der Tarifvertragsparteien mit dem 31.12.2014 "völlig" außer Kraft (Bl. 174 Prüfakte).
Mit beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 23.02.2015 eingegangenen Schriftsatz vom 20.02.2015 macht die zu 1) beteiligte Antragstellerin zu 1) geltend, die AVE des ETV vom 05.11.2012 sei rechtsunwirksam. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 TVG aF hätten nicht vorgelegen.
Die Antragstellerin zu 1) ist Inhaberin des gastronomischen Betriebs "S. Grill" in X. und Mitglied im Bundesverband Schnellgastronomie und Imbissbetriebe. Sie wird durch den Geschäftsführer dieses Verbands vertreten. Sie vergütete ihre Arbeitnehmer untertariflich. Eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin zu 1) durch die Deutsche Rentenversicherung Rheinland (Beteiligte zu 5), künftig: DRV) führte zu einer Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen mit Bescheid vom 10.11.2013. Zur Begründung wurde darin auf die Geltung des ETV im Nacherhebungszeitraum kraft AVE abgestellt. Nach Widerspruch und Klage gegen den Bescheid hat das Sozialgericht Aachen den Rechtsstreit bis zur Erledigung des Rechtsstreits über die AVE des ETV ausgesetzt (Beschluss vom 29.01.2015 - S 23 R 107/14, Bl. 45 dA).
Mit beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 18.09.2015 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag macht der zu 7) beteiligte Antragsteller zu 2) ebenfalls geltend, die AVE des ETV vom 05.11.2012 sei rechtsunwirksam.
Der Antragsteller zu 2) ist Franchise-Nehmer eines "I. Pizza"- Lieferdienstes in X.. Er ist nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes und vergütete seine Arbeitnehmer untertariflich. Nach einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 01.01.2010 bis 31.12.2013 hatte die DRV mit Bescheid vom 26.11.2014 Sozialversicherungsbeiträge nacherhoben und u.a. darauf abgestellt, dass der ETV kraft AVE zwingend gelte (Bl. 288 ff dA). Nach Zurückweisung seines Widerspruchs durch die DRV beabsichtigt der Antragsteller zu 2) fristgerecht Klage vor dem Sozialgericht zu erheben.
Die Antragsteller zu 1) und 2) sind der Auffassung, die Ermittlung des Beschäftigtenquorums nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG aF durch das MAIS weise erhebliche Mängel auf. Die Ermittlung des Quorums auf der Grundlage einer durchschnittlichen Beschäftigtenzahl pro Betrieb sei angesichts des Gesetzeszwecks keine zulässige Erkenntnismethode. Die Statistik der BA weise zudem im Vergleich zu anderen Statistiken, insbesondere der des IT.NRW, die geringste Zahl an Unternehmen im Gastgewerbe aus. Das statistische Material sei zum Teil veraltet, andere Auskunftsquellen seien nicht ausgeschöpft worden. Zudem sei die Zahl von 25.775 Gastgewerbebetrieben (mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten) in Nordrhein-Westfalen gemäß der BA-Statistik um lediglich mit Familienangehörigen oder geringfügig Beschäftigten geführte Betriebe zu erhöhen. Schwerpunktmäßig seien dies (kleinere) Imbissbetriebe, Raucherkneipen sowie kleine Pensionen und Hotels Garni. Hinzu zu zählen seien auch Reservierungs- und Verwaltungsbetriebe sowie Vending-Unternehmen, also Unternehmen, die Verpflegungsautomaten aufstellten, ferner Betriebe der Handels- und Tankstellengastronomie sowie Discount-Cafés wie zB "C. Werk" oder Bäckereien und Metzgereien mir Vor-Ort-Verzehr. Auch seien die Angaben des DEHOGA-Verbandes zu hinterfragen, zumal dessen Mitgliederzahlen seit Jahren sänken. Schließlich sei die Annahme, dass die Mitgliedsunternehmen des DEHOGA im Durchschnitt ebenso viele Arbeitnehmer beschäftigten wie die Unternehmen der gesamten Branche, nicht haltbar, vor allem im Hinblick auf die nicht verbandsangehörigen Unternehmen der Systemgastronomie oder etwa Pizza-Lieferdienste mit ihren vielen geringfügig Beschäftigten. Im Übrigen fehle es am öffentlichen Interesse für den Erlass der AVE.
Der Antragsteller zu 1) macht darüber hinaus geltend, eine etwaig wirksame AVE des ETV habe spätestens mit Ablauf des 30.04.2014 geendet. Zu diesem Termin sei der Tarifvertrag von Seiten der NGG gekündigt und mit Wirkung ab dem 01.05.2014 ein neuer Entgelttarifvertrag abgeschlossen worden. Der Antragsteller zu 1) meint, sein hilfsweise darauf gerichteter Feststellungsantrag sei auch im Verfahren nach § 98 ArbGG zulässig im Hinblick auf die gegenteilige Auffassung der DRV. Anderenfalls müsste die Frage in den Sozialgerichtsverfahren jeweils gesondert und ohne Rechtskrafterstreckung geprüft werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Antragsteller wird ergänzend auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Antragsteller zu 1) und 2) beantragen,
Der Antragsteller zu 1) beantragt darüber hinaus hilfsweise
Das zu 2) beteiligte MAIS, die zu 3) und 6) beteiligte NGG (Landesbezirk und Bundesverband) und die zu 4) beteiligte DEHOGA beantragen,
Die zu 5) beteiligte DRV stellt keinen Antrag.
Das MAIS verteidigt die angegriffene AVE nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 03.06.2015, 24.08.2015 und 26.10.2015, auf deren Inhalt die Kammer Bezug nimmt. Es ist der Auffassung, die der AVE zugrunde liegenden Zahlen seien zutreffend und auch die übrigen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 TVG erfüllt. Das 50%-Quorum gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG aF sei gewahrt. Das Verhältnis kleiner Zahl zu großer Zahl liege bei 56 %. Der Erlass der AVE habe im öffentlichen Interesse gelegen.
Ferner ist der MAIS der Auffassung, die Feststellung des Beendigungszeitpunkts der AVE des ETV könne im Verfahren nach § 98 ArbGG grundsätzlich nicht begehrt werden. Hierfür bestehe auch kein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers zu 1), da der ETV auch nach Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit nachwirke. Schließlich habe die Allgemeinverbindlichkeit bis zum 31.12.2014 fortbestanden, da der neue Entgelttarifvertrag bis zu diesem Zeitpunkt die TG 1 und 2 inhaltlich unverändert gelassen habe.
Der DEHOGA hält die AVE nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 14.04.2015 ebenfalls für rechtswirksam und legt die Zahl seiner aktiven Mitglieder unter Vorlage der Meldungen an den Bundesverband zum 01.07.2012 dar (Bl. 65 bis 69 dA).
Die DRV hat keine Stellungnahme abgegeben und ist der Anhörung ferngeblieben. Die Kammer hat die Verwaltungsakte des MAIS (Prüfakte) beigezogen sowie schriftliche Auskünfte der BA und des IT.NRW eingeholt (Bl. 348 bis 354 und 361 bis 362 dA).
B.
Der Hauptantrag der Antragsteller zu 1) und 2) ist zulässig (dazu I), aber unbegründet (II). Der Hilfsantrag des Antragstellers zu 1) ist unzulässig (III).
I.Der Hauptantrag der Antragsteller zu 1) und 2) ist zulässig.
1.Das angerufene Gericht ist zuständig.
a.Die Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gem. § 2 a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG eröffnet. Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte für Arbeitssachen seit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 10.08.2014 (Art. 2 Nr. 1 b, BGBl I, 1348) ausschließlich zuständig für die Entscheidung über die Wirksamkeit einer AVE nach § 5 TVG. In Streitigkeiten nach dieser Vorschrift findet gem. § 2 a Abs. 2 ArbGG das Beschlussverfahren statt. Das Landesarbeitsgericht ist gem. § 98 Abs. 2 ArbGG erstinstanzlich zuständig.
b.Die örtliche Zuständigkeit ist gem. § 98 Abs. 2 ArbGG gegeben. Sie bestimmt sich nach dem Sitz der obersten Arbeitsbehörde eines Bundeslandes, wenn das BMAS die Befugnis zum Erlass einer AVE gem. § 5 Abs. 6 TVG auf die oberste Arbeitsbehörde eines Bundeslandes übertragen hat. Dies ist im Streitfall mit Schreiben des BMAS vom 24.08.2012 durch Übertragung auf das MAIS mit Sitz in Düsseldorf geschehen.
2.Die Antragsteller zu 1) und 2) sind antragsbefugt.
a.Die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 1) folgt aus § 98 Abs. 6 Satz 2 ArbGG. Danach sind die Parteien eines gemäß § 98 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ausgesetzten Rechtsstreits berechtigt, ein Beschlussverfahren über die Wirksamkeit einer AVE einzuleiten. Das Sozialgericht Aachen hat den Rechtsstreit über die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen beim Antragsteller zu 1) durch Bescheid der DRV vom 10.11.2013 bis zur Erledigung des Rechtsstreits über die AVE des ETV gemäß § 98 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ausgesetzt (Beschluss vom 29.01.2015 - S 23 R 107/14, Bl. 45 dA). Ob die Rechtswirksamkeit der AVE im sozialgerichtlichen Verfahren tatsächlich vorgreiflich ist, bedarf - außer bei offensichtlichem Fehlen der Entscheidungserheblichkeit - im vorliegenden Verfahren keiner Prüfung (so zur parallel liegenden Frage der Antragsbefugnis nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG BAG 17.04.2012 - 1 ABR 5/11, EzA Nr. 13 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit).
b.Die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2) beruht auf § 98 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Danach ist antragsbefugt u.a. jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, nach der Bekanntmachung der AVE oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller zu 2) hat hinreichend Tatsachen dafür vorgetragen, dass er durch die angegriffene AVE bzw. deren Anwendung in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. Aus dem Bescheid der DRV vom 26.11.2014 ergibt sich, dass die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen bei dem Antragsteller zu 2) u.a. auf die hier streitige AVE des ETV gestützt wird (S. 3 des Bescheides, Bl. 289 dA).
3.Das für den Antrag erforderliche Rechtsschutzinteresse folgt grundsätzlich aus der Antragsbefugnis. Es fehlt nicht deshalb, weil die AVE bereits außer Kraft getreten ist. Die Anwendung der AVE entfaltet für die Antragsteller, wie soeben ausgeführt, weiterhin nachteilige Rechtswirkungen (zu diesem Erfordernis BVerwG 29.06.2001 - 6 CN 1/01, NVwZ-RR 2002, 152). Ein daneben grundsätzlich gemäß § 256 ZPO erforderliches Feststellungsinteresse ist aus denselben Gründen sowie schon im Hinblick auf die Klageobliegenheit nach §§ 98, 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG ohne weiteres gegeben.
4.Am Verfahren wurde zusätzlich zu den beiden Antragstellern, dem MAIS und den betroffenen Tarifvertragsparteien (NGG-Landesbezirk NRW und DEHOGA) die DRV als Partei des vom Sozialgericht gemäß § 98 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ausgesetzten Rechtsstreits sowie der NGG-Bundesverband in Hamburg beteiligt. Letzteres erfolgte vorsorglich, weil der Bundesverband unter Verweis auf seine Satzung ein eigenes Beteiligungsrecht geltend gemacht hat. Daher kann offen bleiben, ob der körperschaftlich organisierte Landesbezirk nach der NGG-Satzung über eine für die Beteiligtenfähigkeit erforderliche ausreichende Selbständigkeit in der Tarifpolitik verfügt (vgl. dazu BAG 19.11.1985 - 1 ABR 37/83, AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; dies bejahend LAG I. 31.05.2000 - 18 Sa 858/00, AP Nr. 158 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; ArbG Passau 02.10.2007 - 1 Ga 20/07, [...]).
Der vom DEHOGA Landesverband NRW vereinsrechtlich unabhängige Landesverband DEHOGA Lippe e.V., dessen Mitgliedsunternehmen räumlich und fachlich ebenfalls vom ETV erfasst werden, war dagegen nicht gesondert zu beteiligen. Er hat auf Anfrage der Kammer mitgeteilt, dass der DEHOGA Landesverband NRW auch für ihn als eigenständigen Landesverband DEHOGA Lippe die Tarifhoheit ausüben dürfe und er sich durch die Beteiligung des NRW-Verbands ausreichend beteiligt und angehört ansieht (vgl. Prot. vom 09.12.2015, Bl. 364 dA, ferner Erklärung des Verbandes Lippe vom 07.12.2015, Bl. 366 dA und Statut über die Arbeit der Tarifkommission des DEHOGA Landesverbands NRW, Bl. 367 ff dA).
II.Die Anträge der Beteiligten zu 1) und 2) sind unbegründet. Die streitbefangene AVE vom 05.11.2012 ist wirksam. Das Rechtsinstitut der AVE nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 TVG aF war verfassungsgemäß (dazu 1). Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 TVG aF waren gegeben. Dies gilt sowohl für das förmliche Verfahren zu ihrem Erlass (dazu 2) als auch für die in Satz 1 Nr. 1 der Norm geforderte Repräsentativität des Tarifvertrags (dazu 3) als auch dafür, dass gemäß Satz 1 Nr. 2 der Norm die AVE im öffentlichen Interesse geboten erschien (dazu 4) und die Einschränkungen der AVE rechtmäßig waren (dazu 5).
1.Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit der AVE (BVerfG 24.05.1977 - 2 BvL 11/74, BVerfGE 44, 322; BVerfG 15.07.1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79, BVerfGE 55, 7
[BVerfG 15.07.1980 - 1 BvR 24/74]
) sowie der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 05.12.1958 - 1 AZR 89/57, BAGE 7, 106; BAG 11.06.1975 - 4 AZR 395/74, BAGE 27, 175; 28.03.1990 - 4 AZR 536/89, AP TVG § 5 Nr. 25) bestehen an der Verfassungsmäßigkeit dieses Rechtsinstituts keine Zweifel.
2.Das Verfahren bis zum Erlass der hier zu beurteilenden AVE begegnet keinen Bedenken. Es wurde gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 TVG auf Antrag einer Tarifvertragspartei, nämlich des zu 3) beteiligten NGG Landesbezirks NRW, eingeleitet. Der zuständige Bundesminister für Arbeit hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, das Recht zur AVE der obersten Arbeitsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen zu übertragen (§ 5 Abs. 6 TVG). Diese hat vor Erteilung der AVE den am Ausgang des Verfahrens interessierten Beteiligten Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Anhörung gegeben (§ 5 Abs. 2 TVG iVm. § 6 DVO-TVG). Die AVE ist auch im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss und erfolgt (§ 5 Abs. 1 TVG) und im Bundesanzeiger veröffentlicht worden (§ 5 Abs. 7 TVG).
3.Die Repräsentativität des ETV ist zu bejahen.
a.Hierfür verlangt § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG a.F., dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 vom Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen (Beschäftigtenquorum). Um dies zu beurteilen, bedarf es grundsätzlich der Kenntnis zweier Zahlen, nämlich einmal der Zahl der insgesamt vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfassten Arbeitnehmer (sog. große Zahl) und zum anderen der Zahl der von tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer (sog. kleine Zahl).
Das Beschäftigtenquorum muss im maßgeblichen Zeitpunkt der AVE grundsätzlich objektiv vorliegen bzw. vorgelegen haben. Dies bedeutet für die zuständige oberste Bundes- oder Landesbehörde, dass sie diese Voraussetzung von Amts wegen sorgfältig zu prüfen hat (BVerfG 24.05.1977 - 2 BvL 11/74, BVerfGE 44, 322). Eine exakte Feststellung, wie viele Arbeitnehmer die organisierten Arbeitgeber im Zeitpunkt der AVE beschäftigen, ist ebenso wie die Ermittlung der von den nicht organisierten Arbeitgebern Beschäftigten nur schwer möglich (BAG 22.10.2003 - 10 AZR 13/03, BAGE 108, 155, Rn. 109 mwN). Aus diesem Grund ist eine möglichst genaue Auswertung des verwertbaren, hinreichend aussagekräftigen statistischen Materials ausreichend, aber auch erforderlich (vgl. Wiedemann/Wank, TVG-Kommentar, 7. Aufl. 2007, § 5 Rn. 65). Dazu kann auf Datenmaterial der Statistischen Ämter, der BA, der Berufsgenossenschaften, der Krankenkassen, der Handwerks- und Industrie- und Handelskammern, der Innungen, der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zurückgegriffen werden. Sind statistische Materialien oder Auskünfte von Behörden oder Verbänden nicht zu erhalten oder führen sie zu keinem verlässlichen Ergebnis, kommt eine sorgfältige Schätzung in Betracht (BAG 22.10.2003 -10 AZR 13/03, aaO).
Das angerufene Gericht hat die Voraussetzung der erforderlichen Beschäftigtenzahl nach den gleichen Grundsätzen zu prüfen. Dies beinhaltet insbesondere auch die Prüfung, ob die Behörde das verfügbare Material vollständig herangezogen und sorgfältig ausgewertet hat (Wiedemann/Wank, aaO, § 5 Rn. 66). Maßstab der gerichtlichen Kontrolle können dabei lediglich die zum Zeitpunkt der behördlichen Prüfung tatsächlich vorhandenen und verwertbaren Informationen sein. Von der Behörde kann dagegen nicht verlangt werden, im Rahmen der ihr auferlegten sorgfältigen Prüfungspflicht auch Daten zu berücksichtigen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt erhoben werden oder verfügbar sind (so auch OVG NRW 10.11.2012 - 4 A 46/11 - Rn. 82 f, [...]; LAG Niedersachsen 03.08.2015 - 17 Oa 1/14, nv). Entscheidend ist, ob das Ministerium das Vorliegen des 50 %-Quorums unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung aller verfügbaren und aktuellsten statistischen Zahlen ordnungsgemäß ermittelt hat.
b.Bei Anwendung dieser Grundsätze wurde das erforderliche Beschäftigtenquorum des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG a.F. im Zeitpunkt der AVE des ETV im November 2012 erreicht. Das Ministerium durfte die statistischen Zahlen der BA über die Anzahl der Betriebe und der Beschäftigten seiner Entscheidung zugrunde legen; Zahlen anderer Herkunft boten nicht die gleiche Verlässlichkeit (dazu aa). Das Ministerium durfte ferner in Ermangelung anderer Erkenntnisquellen die Angaben des DEHOGA über die Anzahl seiner aktiven Mitglieder der Entscheidung zugrunde legen (dazu bb). Schließlich durfte das Ministerium bei seiner Prüfung von der Annahme ausgehen, dass die Durchschnittsarbeitnehmerzahl im Bereich der Mitgliedsunternehmen des DEHOGA nicht kleiner ist als diejenige aller vom Tarifvertrag erfassten Betriebe (dazu cc). Damit kam es letztlich allein darauf an, ob die Zahl der Mitgliedsunternehmen mindestens halb so groß war wie die Zahl der vom Tarifvertrag insgesamt erfassten Unternehmen; dies ist der Fall (dazu dd).
aa.Es ist nicht zu beanstanden, dass das MAIS für seine Ermittlung maßgeblich von den vierteljährlich erhobenen und in der Beschäftigten- und Betriebsstatistik der BA veröffentlichten Daten im Gastgewerbe ausgegangen ist. Sie sind denen anderer Quellen vorzugswürdig (so auch OVG NRW 10.11.2012, aaO, Rn. 94; LAG Niedersachsen 03.08.2015 - 17 Oa 1/14, nv). Eine Vermischung verschiedener statistischer Berechnungsmethoden verbietet sich ohnehin.
(1)Die von der BA in ihrer Statistik zu den Stichtagen Ende 2011 ausgewiesenen Zahlen der Betriebe ( 25.775) sowie der sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten (337.512) bieten ein bei Erlass der AVE aktuelles und verlässliches Bild des Gastgewerbes.
Maßgeblich sind dabei die in der veröffentlichten Statistik der BA ausgewiesenen Daten. Es kann nicht etwa auf die wesentlich höhere Zahl "aller im Meldesystem der Beschäftigungsstatistik [der BA] enthaltenen Betriebe" abgestellt werden, wie sie der von der Kammer eingeholten Auskunft der BA vom 08.12.2015 zu entnehmen sind (Bl. 351 ff, 354 dA). Diese Zahl enthält zwar nicht nur Betriebe mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, wie es bei der veröffentlichten BA-Statistik der Fall ist, sondern auch Betriebe mit ausschließlich geringfügig Beschäftigten (zu dieser Frage s. unten unter (f)). Sie bietet aber deshalb keine sichere Erkenntnisgrundlage und wird demgemäß nicht veröffentlicht, weil sie auch Betriebe erfasst, die "ruhend gestellt" sind (Auskunft der BA vom 08.12.2015, aaO). Damit enthält sie über die Jahre angesammelte sog. "Karteileichen", also ehemalige Betriebe ohne aktuelle Meldungen von Beschäftigten. Deren Zahl ist im Gastgewerbe mit seiner bekannt hohen Fluktuation hoch. Ob die Zahl "aller im Meldesystem der Beschäftigungsstatistik [der BA] enthaltenen Betriebe" bei Erlass der AVE im November 2012 überhaupt von der BA erfasst wurde und seinerzeit für das MAIS zugänglich war, kann daher offen bleiben.
(a)Die veröffentlichte Statistik der BA beruht auf dem integrierten Meldeverfahren zur Sozialversicherung und zur Arbeitslosenversicherung der BA und damit auf einer besonders verlässlichen Quelle. Ihr wesentlicher Vorteil besteht darin, dass sie die Betriebe erfasst, die zum jeweiligen Stichtag aktuell Beschäftigte gemeldet haben. Die Statistik zählt außerdem die geringfügig Beschäftigten, nicht hingegen die Selbständigen und die unbezahlt mithelfenden Familienangehörigen (vgl. Methodische Hinweise der BA, Bl. 54 Prüfakte; vgl. ferner Kryzanowski, Beschäftigtenstatistik - Nutzung der Online-Datenbank der Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 11/2007, S. 1057 ff.). Damit deckt sie sich insoweit mit dem persönlichen Geltungsbereich des ETV gemäß dessen § 1 Ziff. 1.3.
(b)Für die Validität der Statistik der BA im hier gegebenen Zusammenhang spricht weiter, dass darin die Betriebe gemäß ihrem wirtschaftlichen Schwerpunkt (auf Grundlage der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 [WZ 2008], Bl. 350 dA) zugeordnet werden, der sich nach dem Betriebszweck oder der wirtschaftlichen Tätigkeit des überwiegenden Teils der Beschäftigten richtet. Die Zuordnung zu den Wirtschaftsgruppen entspricht damit im Wesentlichen der Zuordnung zum fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags. Verfolgt nämlich ein Betrieb mehrere Geschäftszwecke (Mischbetrieb), kommt es nach der Rechtsprechung für seine fachliche Zuordnung im Tarifrecht darauf an, auf welche Geschäftstätigkeit die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer entfällt (ständ. Rspr., vgl. etwa BAG 26.08.1998 - 4 AZR 471/97, BAGE 89, 324, Rn. 27 mwN).
(c)Zudem sind bei der Zählweise der BA Doppelzählungen ausgeschlossen. So wird ein Betrieb mit nur einer Niederlassung in einer Gemeinde, aber mehreren unterschiedlichen Betriebszwecken, wirtschaftsfachlich nach seinem Schwerpunkt zugeordnet und erhält lediglich eine Betriebsnummer; hat er mehrere Niederlassungen in einer Gemeinde, die wirtschaftsfachlich dem gleichen Schwerpunkt zugeordnet sind, erhält er ebenfalls nur eine Betriebsnummer (siehe: Methodische Hinweise der BA, Bl. 53 Prüfakte).
(d)Die vom ETV erfassten Betriebe werden anhand der Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2008 und damit von der BA-Statistik grundsätzlich vollständig erfasst. Die im WZ 2008 aufgeführten Betriebsarten in den Bereichen Beherbergung und Gastronomie (Bl. 350 dA) decken den fachlichen Geltungsbereich des ETV (§ 1 Ziff. 1.2 ETV) ab. Die Bedenken von Antragstellerseite, dass wesentliche Bereiche nicht berücksichtigt würden, sind unbegründet.
Tankstellen, Bäckereien und Metzgereien mit Vor-Ort-Verzehr sind bei Abstellen auf den wirtschaftlichen Schwerpunkt in der Regel nicht zu berücksichtigen. Es kann aber, je nach den konkreten Umständen, anders liegen, soweit nach dem Betriebszweck bzw. der wirtschaftlichen Tätigkeit des überwiegenden Teils der Beschäftigten der Betrieb dem Gastgewerbe zuzuordnen ist. Solche Betriebe werden dann aber grundsätzlich auch von der BA-Statistik dem Gastgewerbe zugeordnet. Die vom Antragsteller zu 1) in diesem Zusammenhang angeführte Rechtsprechung der Finanzgerichte zur Abgrenzung von Dienstleistungen und Lieferungen für die Feststellung des Regelsteuersatzes ist unergiebig (BFH 30.06.2011, V R 18/10; BFH 23.11.2011 - XI R 6/08). Die dort vorgenommene Abgrenzung bezieht sich allein auf die jeweilige Leistung, nicht auf den Betrieb und seinen wirtschaftlichen Schwerpunkt.
Die vom Antragsteller zu 1) angeführten Vending-Unternehmen unterfallen nicht dem Geltungsbereich des ETV. Sie bieten keine Dienstleistungen für die Kunden an, wie es § 1 Ziff. 1.2 Satz 2 ETV verlangt ("... sonstige Dienstleister ..."), sondern bloßen Verkauf. Das Nachfüllen der Automaten ist keine dem Kunden erbrachte Dienstleistung, sondern interne eigenwirtschaftliche Tätigkeit zu Vorbereitung des Verkaufs. Vending-Unternehmen sind aus diesem Grund auch nicht in der Klassifikation WZ 2008 beim Gastgewerbe aufgeführt.
Die weiter angeführten Reservierungs- und Verwaltungsbetriebe sind demgegenüber grundsätzlich mitzuzählen, soweit sie solche "des Gastgewerbes" sind (§ 1 Ziff. 1.2 Satz 3 ETV). Es ist weder ersichtlich, dass solche Betriebe in der BA-Statistik nicht erfasst wären, noch dass sie in einer überhaupt ins Gewicht fallenden Anzahl existieren. Reine Reservierungs- und Verwaltungsunternehmen fallen demgegenüber entgegen der Auffassung der Antragstellerseite nicht unter den Geltungsbereich des ETV, da sie nicht solche "des Gastgewerbes" sind.
Campingplätze und Jugendherbergen unterfallen dagegen sowohl dem Geltungsbereich des ETV, da sie gemäß § 1 Ziff. 1.2 Satz 1 ETV gewerbsmäßig beherbergen, als auch der Klassifikation des Gastgewerbes nach dem WZ 2008 ("Kode 55.3 und 55.20.4", Bl. 350 dA). Reha-Kliniken gehören indessen weder zum fachlichen Geltungsbereich des ETV noch fallen sie unter das Gastgewerbe iSd. WZ 2008; der Schwerpunkt der betrieblichen Leistung und Betriebszweck ist hier nicht auf Beherbergung und Verköstigung gerichtet, sondern auf Rehabilitation. Soweit sie etwa Verpflegungsleistungen durch externe Dienstleister anbieten, zählen diese sowohl nach § 1 Ziff. 1.2 Satz 2 ETV als auch nach dem WZ 2008 zum Gastgewerbe ("Kode 56.29").
Tendenziell dürfte der Kreis der von der BA-Statistik erfassten Betriebe sogar weiter sein als der fachliche Geltungsbereich des ETV. Denn nach dem WZ 2008 werden zum Gastgewerbe u.a. auch Ferienhäuser und Ferienwohnungen ("Kode 55.20.3") sowie Privatquartiere ("Kode 55.90.1") gezählt. Diese unterfallen dem Geltungsbereich des ETV nur, soweit die Beherbergung gewerbsmäßig im Rahmen eines Betriebes, also mit Arbeitnehmern erfolgt (§ 1 Ziff. 1.2 Satz 1 ETV).
(e)Bei den veröffentlichten Daten der BA zum Erhebungsstichtag 31.12.2011 handelt es sich um die zum Zeitpunkt der AVE aktuellsten verfügbaren Zahlen. Die Kritik an der Aktualität von Seiten der Antragsteller ist unbegründet. Die im Statistischen Jahrbuch veröffentlichten Daten des IT.NRW betreffen das Jahr 2009, die aktuellsten von ihm erhobenen, aber noch nicht veröffentlichten Daten das Jahr 2010 (vgl. Auskunft des IT.NRW vom 08.12.2015, Bl. 349 dA). Die vom MAIS zugrunde gelegten Daten der BA betreffen den Stichtag 31.12.2011 und sind damit evident aktueller. Im Zeitpunkt der AVE verfügbare noch aktuellere Datenquellen sind nicht ersichtlich und werden von den Antragstellern auch nicht benannt. Bei einem Abstand zum Erhebungsstichtag von ca. 10 Monaten musste das Ministerium keine Durchschnittsberechnung bezogen auf die Vorjahreszahlen oder eine zukunftsbezogene Schätzung anstellen. Die vierteljährlichen Auswertungen der BA zur Ermittlung des Beschäftigtenbestandes werden jeweils erst sechs Monate nach dem jeweiligen Berichtsstichtag durchgeführt (vgl. Methodische Hinweise der BA, Bl. 53 Prüfakte). Die von der BA für spätere Stichtage erhobenen Betriebs- und Beschäftigtenzahlen im nordrhein-westfälischen Gastgewerbe waren im November 2012 noch nicht veröffentlicht. Dass sie von den Zahlen des Stichtages 31.12.2011 signifikant abweichen, wird im Übrigen von den Beteiligten nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich (vgl. etwa die vom Antragsteller zu 1) als Anlage A3 vorgelegte BA-Statistik zum Stichtag 30.09.2012, Datenstand April 2013, Bl. 11 dA).
(f)Gegen das Abstellen auf die von der BA ermittelte Anzahl der Betriebe im Gastgewerbe spricht nicht, dass die Betriebsstatistik der Bundesagentur für Arbeit nur Betriebe erfasst, die mindestens eine/n sozialversicherungspflichtig Beschäftigte/n beschäftigen. Zwar mögen im Gastgewerbe auch Betriebe existieren, in denen neben dem Inhaber bzw. seinen mithelfenden Familienangehörigen ausschließlich Geringfügige tätig sind. Das kann jedoch allenfalls vermutet werden. Valide Zahlen oder auch nur Angaben, die eine verlässliche Grundlage für eine mögliche Schätzung bieten würden, liegen nicht vor. Weder die Statistik der BA noch die des IT.NRW und der Berufsgenossenschaft oder der Minijobzentrale weist gesondert Arbeitgeber aus, die ausschließlich Geringfügige beschäftigen. An dieser Stelle bleibt allerdings festzuhalten, dass die BA-Statistik eine gewisse Unschärfe aufweist und die dort ausgewiesene Zahl der insgesamt im Tarifgebiet existierenden Betriebe des Gastgewerbes um solche nach oben zu korrigieren ist, die ausschließlich Geringfügige beschäftigen.
(2)Die Zahlen aus anderen Quellen weisen demgegenüber deutliche Schwächen für die hier gefragten Zwecke auf.
(a)Die die von IT.NRW (vormals Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik) erhobenen und im Statistischen Jahrbuch veröffentlichten Strukturdaten orientieren sich zwar auch an der Klassifikation der Wirtschaftszweige des WZ 2008. Anfang November 2012 lagen hier als aktuellste veröffentlichte Daten diejenigen des Statistischen Jahrbuchs 2011 für das Jahr 2009 vor; die Daten des Jahres 2010 waren erhoben, aber noch nicht veröffentlicht. Im November 2012 waren diese Daten somit ca. zwei und mehr Jahre alt.
Die Daten des IT.NRW beruhen auf Stichproben mit Hochrechnungen (vgl. Auskunft des IT.NRW vom 08.12.2015, Bl. 349 dA). Sie erscheinen deshalb strukturell weniger verlässlich als die auf dem integrierten Meldeverfahren der BA beruhenden Zahlen. Das zeigt sich schon daran, dass die im Statistischen Jahrbuch 2011 für das Jahr 2009 veröffentlichte Zahl der Beschäftigten um mehr als 37 % gegenüber dem Vorjahr angestiegen ist, die der Betriebe um mehr als 24 % (vgl. Ministervorlage vom 26.10.2012, Bl. 145 Prüfakte). Dies war nach einer Auskunft des IT.NRW auf eine Änderung des Berichtskreises zurückzuführen. Wäre etwa die Düsseldorfer Altstadt zum Berichtskreis für die Stichprobe erhoben und das Ergebnis sodann hochgerechnet worden, wäre das Resultat ein Volk von Gastronomen. Aus diesen Gründen sind die auf dem integrierten Meldesystem basierenden Zahlen der BA denen des IT.NRW grundsätzlich vorzugswürdig (i. Erg. ebenso OVG NRW 10.11.2012, aaO, Rn. 94; LAG Niedersachsen 03.08.2015 - 17 Oa 1/14, nv).
Die Daten des IT.NRW enthalten zudem rein inhaber- oder familiengeführte Betriebe sowie Heimarbeitende, Reisende, Gesellschafter usw. (vgl. Auskunft des IT.NRW vom 08.12.2015, Bl. 349 dA). Hieraus erklärt sich zum Teil - neben Abweichungen, die ihre Ursache in der Plausibilisierung des Liefermaterials im Statistischen Bundesamt oder heterogenen Begriffsabgrenzungen oder unterschiedlichen Technologien haben mögen (vgl. Kryzanowski, aaO, S. 1059 f) - die erhebliche Differenz zwischen den Beschäftigungs- und Betriebszahlen des IT.NRW und der BA. Rein Inhaber- und familiengefühlte Betriebe unterfallen ebenso wie Heimarbeitende, selbständige Reisende und Gesellschafter nicht dem auf Arbeitnehmer begrenzten persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages. Im Gastgewerbe dürfte ihre Zahl nicht ganz gering sein.
Hinzu tritt, dass IT.NRW auf Anfrage des MAIS mit E-Mail vom 07.09.2012 eine Auskunft über die Anzahl der Betriebe im Gastgewerbe am 31.12.2011 erteilt hat, die sich mit den Zahlen der BA deckt: Beherbergung: 3.047; Gastronomie: 22.729 (Bl. 76 Prüfakte). Die deutlich höheren Zahlen des Statistischen Jahrbuchs (über 41.000) wurden nicht mitgeteilt. Ob dies auf den vorgenannten Gründen beruht, lässt sich nicht feststellen. Der Umstand spricht aber zusätzlich für die Validität der BA-Daten. Unter Berücksichtigung aller Umstände durfte das MAIS diese daher seiner Entscheidung zugrunde legen.
(b)Die Daten der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel- und Gastgewerbe (BG-NG) in Mannheim sind für den hier gefragten Zweck unbrauchbar. Die BG-NG errechnet die Zahl der Beschäftigten aus der ihr gemeldeten Anzahl an Arbeitsstunden (vgl. LAG Niedersachsen 03.08.2015 - 17 Oa 1/14, nv unter B III 2 b) aa) (3) der Gründe). Ungeachtet dessen handelt es sich bei ihren Zahlen nicht um Stichtagsdaten, sondern um dynamische Daten, in denen Zu- und Abgangsdaten mit Mehrfachnennung enthalten sind (vgl. OVG NRW 10.11.2012, aaO, Rn. 94).
Die Minijobzentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See veröffentlicht zwar Daten über geringfügig entlohnte Beschäftigte im Rahmen eines vierteljährlichen Geschäftsberichts. Diese Daten stellen jedoch keine amtliche Statistik dar und sind nicht geeignet, statistische Aussagen über die Entwicklung der Beschäftigungssituation zu treffen. Ebenso wenig sind sie eine verlässliche Grundlage für Erwerbstätigenberechnungen. Sie enthalten vielmehr Geschäftsdaten über die Geschäftsprozesse der Minijobzentrale. Diese sind nicht mit den statistischen Daten der BA, welche die amtliche Statistik über geringfügig entlohnte Beschäftigte führt, vergleichbar (vgl. Methodische Hinweise der BA, Bl. 54 f Prüfakte).
Die vom Antragsteller zu 1) angeführten Daten des Adress-Universums einer "Business Target Group" (Anlage A5, Bl. 13 dA) bieten keine valide Entscheidungsgrundlage. Die Art ihrer Erhebung ist unbekannt. Zudem erfasst sie dem Grunde nach Adressen, also auch ggfs. mehrere Niederlassungen in einer politischen Gemeinde, führt also in diesen Fällen zu Mehrfachzählungen. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Datei Adressen aufführt, die nicht mehr existieren, denn sie greift nicht auf jährliche Meldungen zurück und kann für ihre Plausibilität auch nicht auf laufende Beitragszahlungen o.ä. verweisen. Im Gastgewerbe mit seiner hohen Fluktuation kann dies zu erheblichen Verzerrungen führen.
Nicht geeignet sind schließlich die Daten der Industrie- und Handelskammer NRW (künftig: IHK). In einer vom LSG NRW in dem Verfahren L 8 R 983/11 eingeholten Auskunft vom 30.06.2014 (Anlage KV6, Bl. 247 dA) hat die IHK mitgeteilt, in der Mitgliedsdatenbank seien zum 01.01.2012 im Handelsregister 6.500 eingetragene Unternehmen und 44.000 Kleingewerbetreibende für das Gastgewerbe NRW ausgewiesen. Hinzugefügt wurde in der IHK-Auskunft, dass keine eigenen Erhebungen zur Beschäftigungssituation durchgeführt würden und die den Zahlen der Mitgliedsdatenbank zugrunde liegende Abgrenzung nicht mit der amtlichen Statistik übereinstimme. Damit bieten auch diese Daten keine auch nur annähernd belastbare Entscheidungsgrundlage.
bb.Das Ministerium durfte ferner in Ermangelung anderer Erkenntnisquellen die Angaben des DEHOGA über die Anzahl seiner aktiven Mitglieder der Entscheidung zugrunde legen. Es liegt in der Natur der Sache, dass insoweit grundsätzlich auf die Angaben der entsprechenden Arbeitgeberverbände zurückgegriffen werden muss (ebenso Hessisches LAG 04.06.2007 - 16 Sa 1444/05 - Rn. 52; LAG Niedersachsen 03.08.2015 - 17 Oa 1/14, nv). Eine andere Erkenntnisquelle, die mit vertretbarem Aufwand erschlossen werden könnte, ist insoweit nicht ersichtlich und wird von den Antragstellern auch nicht benannt. Zu berücksichtigen hatte das MAIS dabei allerdings, dass der DEHOGA ein eigenes Interesse an der AVE des ETV hatte, um die Arbeitsbedingungen der konkurrierenden Außenseiter denen seiner Mitglieder anzugleichen. Die Angaben des DEHOGA waren daher sorgfältig auf Plausibilität zu prüfen.
Danach durften die von der DEHOGA mitgeteilten, auf aktive Mitglieder mit Arbeitnehmern bereinigte Zahl von 14.431 Mitgliedern der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Die Zahl basiert auf den von den Bezirksverbänden bzw. dem DEHOGA Lippe-Verband an den Bundesverband zum 01.07.2012 und damit seinerzeit aktuell gemeldeten Zahlen. Die einzelnen Meldungen wurden im Verfahren vorgelegt (Bl. 69 bis 73 Prüfakte sowie Bl. 65 bis 69 dA). Sie dienen als Grundlage für die an den Bundesverband abzuführenden Beiträge und tragen schon deshalb eine gewisse Gewähr dafür in sich, nicht überhöht zu sein. Die Zahl liegt zudem im Trend der seit Jahren sinkenden Mitgliederzahlen und begegnet auch von daher keinen Plausibilitätsbedenken (zum Vergleich: im Jahr 2008 ca. 18.500 Mitglieder). Sie erfasst weder aktive noch bloß fördernde noch ruhende Mitgliedschaften. Zudem werden, wie der Vertreter des DEHOGA in der Anhörung vor der Kammer darlegte, Mitgliedsunternehmen nur einmal gezählt, was insbesondere bei überörtlichen Unternehmen wie größeren Hotelketten von Bedeutung ist. Heraus gerechnet sind weiter Mitglieder ohne Beschäftigte, die nach einer Recherche des DEHOGA landesweit ca. 4.4 % ausmachen. Auch dieser Abzug erscheint jedenfalls nicht zu gering. Von Seiten der Antragsteller wird er sogar als eher hoch angesehen. Die Anzahl der Mitgliedsunternehmen erscheint somit nicht künstlich erhöht.
Soweit der Antragsteller zu 1) darauf verweist, das die Anzahl der fördernden und passiven Mitglieder im - kleineren - DEHOGA-Landesverband Niedersachsen deutlich höher liege, kann daraus für die DEHOGA-Mitgliederstruktur in Nordrhein-Westfalen kein Rückschluss gezogen werden.
cc.Das Ministerium durfte weiterhin in Ermangelung sonstiger Erkenntnisquellen bei seiner Entscheidung von der Annahme ausgehen, dass die Durchschnittsarbeitnehmerzahl im Bereich der Mitgliedsunternehmen des DEHOGA nicht kleiner ist als diejenige aller vom Tarifvertrag erfassten Betriebe (so auch OVG NRW 18.11.2012 - 4 A 46/11 - Rn. 97; LAG Niedersachsen 03.08.2015 - 17 Oa 1/14, nv; Hessisches LAG 04.06.2007 - 16 Sa 1444/05 -, Rn. 63, [...]).
(1)Da der beteiligte Arbeitgeberverband DEHOGA nur Mitglieder bzw. Mitgliedsbetriebe, nicht aber die Anzahl der dort Beschäftigten erfasst, konnte das MAIS zum Zeitpunkt der AVE nicht auf einschlägige Angaben des Verbandes zurückgreifen. Langwierige eigene Ermittlungen hinsichtlich der Beschäftigtenzahl in den Mitgliedsbetrieben des DEHOGA mussten nicht angestellt werden. Dies hätte schon mangels Vergleichbarkeit der erhobenen Daten zu Verzerrungen geführt. Es hätte mit Blick auf die typischerweise kurze Laufzeit eines Entgelttarifvertrags das AVE-Begehren auch zeitlich faktisch vereitelt. Ein solches Vorgehen war daher nicht zu vertreten, solange auf andere Weise hinreichend verlässliche Feststellungen getroffen werden konnten. Dies war der Fall.
(2)Die Annahme, dass die Durchschnittsarbeitnehmerzahl im Bereich der Mitgliedsunternehmen des DEHOGA nicht kleiner ist als im Durchschnitt aller Hotel- und Gaststättenbetriebe im Tarifgebiet, ist vernünftig und weist keine Überhöhungstendenz auf. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass typischerweise bei größeren und personalintensiven Unternehmen eine höhere Tarifbindung besteht (in diesem Sinne OVG NRW 18.11.2012 - 4 A 46/11 - Rn. 97; LAG Niedersachsen 03.08.2015 - 17 Oa 1/14, nv; Hessisches LAG 04.06.2007 - 16 Sa 1444/05 -, Rn. 63, [...]).
Tendenziell und bei typisierender Betrachtung ist das Interesse eines Unternehmens an den Leistungen eines Arbeitgeberverbandes umso größer, je mehr Arbeitnehmer es beschäftigt. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde ein lineares Ansteigen der Tarifbindung von Unternehmen mit steigender Anzahl von Arbeitnehmern bestätigt (vgl. Hessisches LAG 04.06.2007, aaO, unter Hinweis auf Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 1998, Rn. 63, [...], und von Schnabel/Kohaut (Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für VWL, Arbeitsmarkt- und Regionalpolitik, Diskussionspapiere Nr.8 "Tarifverträge-nein danke?", Dezember 2001 S.9). Die Ergebnisse der Untersuchung mögen überholt sein in Bezug auf die Höhe der Tarifbindung der Unternehmen. Die festgestellte Tendenz einer mit der Anzahl der Arbeitnehmer steigenden Bindung ist es nicht; zumindest fehlen hierfür Anhaltspunkte. Die seit der Jahrhundertwende zu beobachtende Tarifflucht ist ein allgemeines Phänomen und nicht etwa in größeren Unternehmen stärker anzutreffen als in kleineren.
Die Tendenz gilt nicht nur für Großbetriebe, sondern beansprucht auch im Hotel- und Gaststättengewerbe Geltung, in dem besonders große Betriebe nicht vorkommen. Die Annahme einer "nicht kleineren" durchschnittlichen Zahl der Beschäftigten ist danach im Ausgangspunkt eher vorsichtig und ohne Erhöhungstendenz. Der Rückgriff auf eine solche Annahme bietet zudem den Vorteil, Unwägbarkeiten bei der Erfassung von Beschäftigtenzahlen aufgrund saisonaler Schwankungen aus dem Weg zu gehen (ebenso LAG Niedersachsen 03.08.2015 - 17 Oa 1/14, nv, Bl. 319 ff dA).
(3)Es ist nicht anzunehmen, dass Mitgliedsbetriebe des Bundesverbands der Systemgastronomie (BdS) durchschnittlich mehr Arbeitnehmer als im Durchschnitt des Gastgewerbes insgesamt, weil mehr Geringfügige, beschäftigen (dazu (a)). Auch könnte dies - als zutreffend unterstellt - der vorgenannten Annahme die Grundlage nicht entziehen, da diese Betriebe nur einen Ausschnitt aller Außenseiter-Betriebe bilden (dazu (b)). Die gegenteilige pauschale Behauptung der Antragsteller erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht haltbar.
(a)Nach der BA-Statistik wurden Ende 2011 im Gastgewerbe Nordrhein-Westfalens 337.512 Arbeitnehmer in 25.775 Betrieben beschäftigt, wobei Zweitbetriebe innerhalb derselben politischen Gemeinde nur einmal gezählt werden. Auf einen solchen Betrieb entfielen somit im Durchschnitt 13,09 Arbeitnehmer. Berechnungen aufgrund späterer Stichtage und nachgehender Pflege der Datenstände, die im Zeitpunkt des Erlasses der AVE nicht verfügbar waren, führen jedenfalls stets zu einem Durchschnitt von deutlich über 12 Arbeitnehmern.
Die Antragsteller haben konkrete Zahlen über die Anzahl der Beschäftigten in der Systemgastronomie nicht vorgetragen. Ausweislich des vom MAIS vorgelegten Screenshot der Homepage des BdS sind in diesem Verband bundesweit über 800 Unternehmen an über 2.700 Standorten mit über 100.000 Mitarbeitern organisiert (Anlage KV7, Bl. 317 dA). Damit ist über die Zahl der Betriebe nichts gesagt. Weder die Anzahl der Mitgliedsunternehmen noch die der Standorte ist der Zahl der Betriebe gleichzusetzen. Zu den Mitgliedsunternehmen des BdS gehören auch die Franchisenehmer der großen Ketten (etwa: Mc E., C. King, Pizza I., O. see). Diese machen nach ihrer Zahl den wesentlichen Teil der Mitgliedsunternehmen aus. Sie führen zum einen oft mehrere Betriebe. Zum anderen betreiben auch manche Franchisegeber selber eine Vielzahl von Betrieben. Die Zahl der Standorte gibt ebenfalls keinen Anhalt für die Anzahl der Betriebe, da an den Standorten häufig verschiedene Unternehmen vertreten sind.
Legt man die vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urt. v. 03.08.2015) mitgeteilte Angabe des BdS gegenüber dem DEHOGA Niedersachsen mit Schreiben vom 21.09.2010 zugrunde, haben die BdS-Mitgliedsunternehmen seinerzeit bundesweit 11.696 Betriebe geführt (S. 12 des Urteils, Bl. 324R dA). Hieraus ergäben sich 8,55 Arbeitnehmer pro Betrieb (100.000 geteilt durch 11.696). Legt man dagegen 120.000 Beschäftigte zugrunde, wie offenbar in dem Schreiben des BdS vom 21.09.2010 geschehen, ergäben sich 10,26 Beschäftigte pro Betrieb (so LAG Niedersachsen, aaO, S.12, Bl. 324R dA). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die Betriebsstruktur der BdS-Betriebe in Nordrhein-Westfalen von derjenigen der Betriebe im Bundesgebiet unterscheidet; die Zahl der durchschnittlich Beschäftigten kann daher übertragen werden. Davon ausgehend würde der Schnitt von 13,09 Arbeitnehmern mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst dann verfehlt, wenn Betriebe desselben Mitglieds innerhalb einer politischen Gemeinde nur einmal gezählt würden.
Auch wenn es sich hierbei um eine Schätzung handelt und die mitgeteilten Zahlen nicht an die Zählweise der Bundesagentur angepasst sind, erlaubt dies nicht den Rückschluss, die Beschäftigtenzahlen in der Systemgastronomie würden über dem Durchschnitt liegen. Spekulationen über die jeweilige Anzahl von Schwarzarbeitern bei den Außenseiter- und den tarifgebundenen Arbeitgebern führen nicht weiter, da hierüber keine belastbaren Daten existieren. Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die nicht tarifgebundenen Betriebe der Systemgastronomie über diesem Durchschnitt liegen. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte (ebenso LAG Niedersachsen, aaO, S.13, Bl. 325 dA). Im Gegenteil gilt auch hier der Erfahrungssatz, dass größere Betriebe tendenziell eher tarifgebunden sind als kleinere.
(b)Selbst wenn entgegen dem Vorstehenden die durchschnittliche Zahl der Beschäftigten eines BdS-Unternehmens höher läge als im Durchschnitt der vom ETV erfassten Betriebe, wäre der Annahme nicht die Grundlage entzogen. Denn für sie kommt es auf die durchschnittliche Anzahl der Beschäftigten aller vom ETV erfassten Außenseiter-Betriebe an, nicht nur derjenigen der BdS-Unternehmen. Wie die Antragsteller selbst zutreffend vortragen, gibt es im Gastgewerbe typischerweise eine Vielzahl von Kleinbetrieben (Eckkneipen, Pensionen, Imbissbetriebe etc).
Diese machen sogar den Großteil der Außenseiter aus, die BdS-Betriebe hingegen nur knapp 23 %. Bei 11.696 Betrieben bundesweit entfallen auf Nordrhein-Westfalen entsprechend seinem Bevölkerungsanteil von ca. 22 % etwa 2.573 Mitgliedsbetriebe des BdS; diese machen bei 11.345 Außenseiter-Betrieben in Nordrhein-Westfalen (25.776 Betriebe laut BA-Statistik minus 14.431 DEHOGA-Betriebe) 22,68 % aus. Die diesem Anteil entsprechende Gruppe der personalstärksten DEHOGA-Betriebe käme ohne Zweifel auf eine deutlich höhere durchschnittliche Arbeitnehmerzahl als 13,09. Das gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der DEHOGA Mitgliedsbetriebe landesweit nur einmal zählt, was zB bei großen Hotelketten durchaus ins Gewicht fällt.
(4)Schließlich begründen die vom DEHOGA im Zusammenhang mit der vorausgegangenen AVE des Entgelttarifvertrags 2008 mitgeteilten Beschäftigtenzahlen entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 2) keine Zweifel an der Richtigkeit der vorgenannten Annahme. Danach waren im Jahr 2008 in 86 % der Betriebe durchschnittlich 4 Arbeitnehmer, in 14 % durchschnittlich 20 Arbeitnehmer beschäftigt worden. Dies ergibt zwar rechnerisch einen Gesamtdurchschnitt von 6,24 Arbeitnehmern je Betrieb. Dabei handelt es sich aber, worauf das MAIS zutreffend verweist, um rechnerische Vollzeitbeschäftigte ("FTE"). Wird diese Zahl unter Berücksichtigung der hohen Teilzeitquote im Gastgewerbe auf Köpfe hochgerechnet, dürfte die zugrunde gelegte Annahme von 13,09 Arbeitnehmern eher übertroffen werden.
(5)Auf die umstrittene Rechtsfrage, ob die von der AVE ausdrücklich ausgenommenen Betriebe/Unternehmen bei der Ermittlung des Beschäftigtenquorums und der Feststellung der Repräsentativität des ETV überhaupt zu berücksichtigen sind, kam es danach im vorliegenden Zusammenhang nicht an (vgl. dazu LAG Hessen 02.07.2014 - 18 Sa 619/13, [...], Rn. 71 ff; HWK/Henssler, 6. Aufl., § 5 TVG Rz. 12, jeweils mwN).
Der ETV beansprucht Geltung für alle Arbeitsverhältnisse in seinem fachlichen Geltungsbereich. Die streitbefangene AVE nimmt dagegen die - vom Tarifvertrag ausdrücklich erfassten - anderweitig tarifgebundenen Mitgliedsbetriebe der Systemgastronomie aus, da bei ihnen eine Tarifkonkurrenz vermutet wird.
Werden die ausgenommenen Betriebe und ihre Arbeitnehmer nicht berücksichtigt, folgt daraus jedenfalls kein Argument gegen die Annahme, dass die tarifgebundenen Unternehmen im Durchschnitt mindestens so viel Arbeitnehmer beschäftigen wie die verbleibenden zu berücksichtigenden Betriebe bzw. die von der AVE eingeschlossenen Betriebe. Je nachdem, welche Anzahl an BdS-Betrieben zugrunde gelegt wird (bei einem Anteil des Landes Nordrhein-Westfalen an den Bundeszahlen von 22 % zB 176 aus 800 Mitgliedsunternehmen, 594 aus 2700 Standorten oder 2.573 aus 11.696 Betrieben, vgl. oben unter Ziff. (3)), verändert sich die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl - berechnet aus den verbliebenen Arbeitnehmern (312.719, nämlich 337.776 minus 24.973 auf Nordrhein-Westfalen entfallende BdS-Arbeitnehmer [= 22 % von 120.000 bundesweit]) - jeweils geringfügig auf 12,22 bzw. 12,42 bzw. 13,48 Arbeitnehmer je von der AVE erfasster Betrieb. Derart marginale Veränderungen vermögen die vom MAIS seiner Entscheidung zugrunde gelegte Annahme nicht zu entkräften.
dd.Damit kam es letztlich allein darauf an, ob die Zahl der Mitgliedsunternehmen mindestens halb so groß war wie die Zahl der vom Tarifvertrag insgesamt erfassten Betriebe; dies ist der Fall.
Gemäß der statistischen Auskunft der BA vom 27.08.2012 waren der AVE insgesamt 25.776 zum Stichtag 31.12.2011 (Stand August 2012) erfasste Betriebsstätten im Gastgewerbe Nordrhein-Westfalen zugrunde zu legen (Bl. 52 Prüfakte; identisch die Auskunft des IT.NRW vom 07.09.2012, Bl. 74/76 dA). Dem standen 14.431 DEHOGA-Mitglieder gegenüber, mithin knapp 56 % aller unter den Geltungsbereich des ETV fallenden Betriebe. Das erforderliche 50 % - Quorum war damit - bezogen auf die Anzahl der Betriebe - um 1.548 Betriebe überschritten. Es wäre nur dann verfehlt, wenn die Anzahl der Betriebe insgesamt in Wahrheit um mehr als das Doppelte dieser Zahl, also um 3.096 Betriebe, höher läge als die zugrunde gelegten 25.776 Betriebe.
Bei diesem Bild durfte das MAIS davon ausgehen, dass das Quorum auch unter Berücksichtigung der in der BA-Statistik nicht erfassten Betriebe mit ausschließlich geringfügig Beschäftigten erreicht war (vgl. oben II. 1. b. aa. (1) (f)). Deren Zahl, die statistisch nicht erfasst ist, mag im Gastgewerbe nicht ganz gering sein. Dass sie aber 3.096 Betrieb und damit einen Anteil von ca. 12 % aller Betriebe überstieg, ist auch bei sorgfältiger und vorsichtiger Schätzung nicht anzunehmen. Neben dem festgestellten "Polster" von 3.096 Betrieben war zudem zu berücksichtigen, dass die Annahme einer gleichhohen Beschäftigtenzahl der tarifgebundenen und der Außenseiter-Betriebe eher vorsichtig war und dass der DEHOGA seine Mitglieder im Gegensatz zur BA-Statistik landesweit nur einmal zählt, während die BA-Statistik Betriebe eines Unternehmens in verschiedenen Gemeinden mehrfach berücksichtigt.
4.Die AVE erschien gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG im öffentlichen Interesse geboten.
a.Bei der Entscheidung darüber, ob die AVE "im öffentlichen Interesse geboten erscheint", ist nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur der zuständigen Behörde ein Gestaltungsfreiraum bzw. ein eigenes pflichtgemäßes Ermessen von erheblicher Weite eröffnet (BVerfG 24.05.1977 - 2 BvL 11/74, BVerfGE 44, 322; BVerfG 10.09.1991 - 1 BvR 561/89; BVerwG 03.11.1988 - 7 C 115.86, BVerwGE 80, 355; BAG 22.10.2003 - 10 AZR 13/03, BAGE 108, 155; Däubler-Lakies, TVG, 3. Aufl. 2012, § 5 Rn. 94 ff.; HWK/Henssler, 6. Aufl. 2014, § 5 TVG Rn. 14). Die rechtlichen Grenzen dieses Ermessens sind erst dann überschritten, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung und der hiernach zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Interessen - einschließlich der Interessen der Tarifvertragsparteien - schlechthin unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Eine gerichtliche Überprüfung der behördlichen Entscheidung kommt nur insoweit in Betracht, als der Behörde wesentliche Fehler vorzuwerfen sind (BVerwG 03.11.1988 - 7 C 115/86, BVerwGE 80, 355; BAG 22.10.2003 - 10 AZR 13/03, BAGE 108, 155). Dies folgt zum einen daraus, dass nach dem Gesetzeswortlaut ein öffentliches Interesse nur "geboten erscheinen" muss. Zum anderen bietet die verfahrensmäßige Absicherung der Interessenabwägung eine ausreichende Gewähr dafür, dass die für die AVE zuständige Behörde ihren kraft Gesetzes weiten Beurteilungsspielraum sachgemäß nutzt (BAG 22.10.2003, aaO, Rn. 103).
Die AVE dient in erster Linie dem sozialen Schutz der Arbeitnehmer, die bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt sind und deshalb ungeachtet ihrer etwaigen Gewerkschaftszugehörigkeit nicht in den Genuss der zwingenden und unmittelbaren Wirkung der Tarifnormen kommen (HWK/Henssler, 6. Aufl 2014, § 5 TVG Rn. 1 mwN).
b.Das MAIS hat die Grenzen des ihm zustehenden normativen Ermessens nicht überschritten, als es annahm, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Ziff. 2 TVG erfüllt sind. Die AVE des ETV diente dem im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, prekär schlecht bezahlte Arbeitnehmer einer Niedriglohnbranche auch gegenüber nicht tarifgebundenen Arbeitgebern in die Lage zu versetzen, sich zur Erlangung eines existenzsichernden Einkommens auf zwingend und unmittelbar geltende Tarifnormen zu berufen. Zu diesem Zweck war die AVE auch in Anbetracht der Interessen der Arbeitgeber-Außenseiter verhältnismäßig, insbesondere geeignet.
Das Gaststättengewerbe Nordrhein-Westfalen zählt nach dem Tarifspiegel 2012 zum Niedriglohnsektor. Das wird augenscheinlich an dem Umstand, dass die Zahl der sog. "Aufstocker", also derjenigen Arbeitnehmer, die zusätzlich zu ihrem Arbeitseinkommen Leistungen nach dem SGB II beziehen, im Gastgewerbe nahezu viermal so hoch ist wie im Durchschnitt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (BA-Statistik September/Dezember 2012, Anlage KV5, Bl. 200 ff dA). Selbst die aufgrund der AVE des ETV zu zahlende tarifliche Vergütung in der untersten Lohngruppe (Monatsbrutto von 1.381,00 €; dies entsprach ca. 1.020,00 € netto) lag im Zeitpunkt des Erlasses der AVE noch unterhalb der damals niedrigsten Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO (1.030,00 €). Die Pfändungsfreigrenze bezweckt aus sozialen Gründen im öffentlichen Interesse die Sicherung einer Existenzgrundlage leicht oberhalb des Minimums. Sie dient öffentlichen Zwecken und ist Ausfluss des Sozialstaatsprinzips (BGH 25.03.1999 - IX ZR 223/97, NJW 1999, 1544, Rn. 37). Die Förderung der Durchsetzbarkeit einer dem nahe kommenden Nettovergütung hält sich im Rahmen der Zwecke des Rechtsinstituts der AVE.
Diese war auch verhältnismäßig. Einerseits führte die verbreitete untertarifliche Vergütung im Gastgewerbe zu vergleichsweise besonders niedriger Vergütung mit den damit verbundenen sozialen Folgen, etwa der Notwendigkeit, als "Aufstocker" ergänzend Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu müssen. Andererseits hielt sich die von der AVE erfasste Vergütung des ETV in den TG 1 und 2 in einem immer noch niedrigen, in der Nähe der Pfändungsfreigrenzen liegenden Rahmen. Die Außenseiter-Arbeitgeber waren zudem durch die AVE der Entgelttarifverträge 2006 und 2008 "gewarnt" und in der Lage, sich auf ein moderat höheres Lohnniveau einzustellen. Die Antragsteller haben keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass dies in ihren eigenen oder in anderen Fällen zu einer ruinösen oder auch nur schwierigen wirtschaftlichen Lage geführt hätte. Angesichts der Höhe der allgemeinverbindlich erklärten Vergütung bestehen hierfür auch sonst keine Anhaltspunkte.
Die Eignung für den mit der AVE verfolgten Zweck ist ohne weiteres gegeben. Die von ihrem Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer wurden rechtlich in die Lage versetzt, die tarifliche Vergütung der TG 1 und 2 gegenüber ihren Arbeitgebern (notfalls gerichtlich) durchzusetzen. Es existieren keine Erkenntnisse darüber, in welchem Ausmaß davon Gebrauch gemacht wurde. Dass die AVE - abgesehen von Nacherhebungen von Sozialversicherungsbeiträge durch die DRV - keine Folgen für die Vergütung der betroffenen Arbeitnehmer hatte, kann allerdings nicht angenommen werden. Auch ohne flächendeckende Durchsetzung der tariflichen Vergütung durfte das MAIS von der Eignung der AVE als einem Beitrag zur Sicherung eines existenzsichernden Einkommens der betroffenen Arbeitnehmer ausgehen. Dabei war der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ohne weiteres auch bei einer nur geringen Erfolgsquote gewahrt, da in diesem Fall auch entsprechend geringe Nachteile auf Seiten der Arbeitgeber eintraten.
Bei alledem bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem MAIS bei der Prüfung des öffentlichen Interesses an der AVE wesentliche Fehler unterlaufen wären.
5.Die Herausnahme von Teilen des ETV von der AVE, insbesondere der höheren Lohngruppen sowie der Arbeitnehmer von anderweit tarifgebundenen Arbeitgebern im BdS, waren wirksam. Insoweit erheben die Antragsteller keine Beanstandungen.
Die Einschränkungen erfolgten auf Antrag des NGG-Landesbezirks als Tarifvertragspartei. Für sie bestand ein sachlicher Grund. Die AVE bezweckte, aus sozialen Gründen die Durchsetzung eines existenzsichernden Einkommens zu fördern. Dies betraf vor allem die unteren Einkommensgruppen. Auch die (antragsgemäße) Nichterstreckung der AVE auf Betriebe, die den zwischen dem BdS und der Gewerkschaft NGG abgeschlossenen Entgelt- oder Spezialentgelttarifverträgen unterfallen und diese anwenden, beruht auf pflichtgemäßem Ermessen. Sie dient der Vermeidung von Tarifkonkurrenz (vgl. BAG 23.02.2005 - 10 AZR 582/03, AP Nr. 3270 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, Rn. 73). Das auch für AVE geltende Bestimmtheitsgebot ist gewahrt.
III.Der Hilfsantrag des Antragstellers zu 1), der sich auf die Feststellung der "Beendigung" der AVE des ETV richtet, war als unzulässig zu verwerfen. Er ist im Verfahren nach § 98 ArbGG nicht statthaft.
Die Norm regelt, wie ihr Eingangssatz hervorhebt, ein besonders ausgestaltetes Beschlussverfahren ausschließlich für die Fälle des § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG. Die Besonderheiten dieses Verfahrens, insbesondere die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts (§ 98 Abs. 2 ArbGG), die Beteiligung der die AVE aussprechenden Behörde (§ 98 Abs. 3 Satz 2 ArbGG), die Wirkung der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung für und gegen jedermann (§ 98 Abs. 4 Satz 1 ArbGG) und die Aussetzungspflicht nach § 98 Abs. 6 Satz 1 ArbGG mit der daran anknüpfenden Antragsberechtigung nach § 98 Abs. 6 Satz 2 ArbGG sind auf den speziellen, der Arbeitsgerichtsbarkeit gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG zugewiesenen Streitgegenstand ausgerichtet. Eine analoge Anwendung dieser speziellen Verfahrensart auf andere Verfahrensgegenstände verbietet sich daher grundsätzlich.
In § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG sind bestimmte Streitgegenstände enumerativ und abschließend aufgeführt, nämlich die Entscheidung über die Wirksamkeit einer AVE nach § 5 TVG, einer Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a des AEntG und einer Rechtsverordnung nach § 3a des AÜG. Gegenstand eines Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG ist damit ausschließlich die Frage der Wirksamkeit (hier) der AVE selbst, nicht aber die Frage, welche Folgen eine wirksame AVE hat und wann sie "endet". Hierauf hat die erlassende Behörde regelmäßig keinen Einfluss. Die Frage, welche Folgen eine wirksame AVE hat einschließlich ihrer Wirkungsdauer, ist daher weiterhin in den einzelnen, idR dreiinstanzlich ausgestalteten Verfahren der jeweiligen Rechtsstreite zu klären, in denen es auf sie ankommt. Insoweit gilt das aus § 98 Abs. 6 Satz 1 ArbGG folgende faktische Verbot, sie als Vorfrage im jeweiligen Rechtsstreit zu entscheiden, gerade nicht. Ob - wofür einiges spricht - eine analoge Anwendung von §§ 98 iVm. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG ausnahmsweise in Betracht zu ziehen ist, soweit über die Wirksamkeit der Aufhebung einer AVE gemäß § 5 Abs. 5 und 6 TVG zu entscheiden ist, bedarf hier keiner Entscheidung.
IV.Eine Kostenentscheidung hatte nicht zu ergehen. Das Gesetz sieht für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren grundsätzlich keine prozessuale Kostentragungspflicht und dementsprechend auch keine Kostenentscheidung vor. Gerichtskosten werden gemäß § 2 Abs. 2 GKG in Verfahren nach § 2a Abs. 1 ArbGG nicht erhoben. Die für das Urteilsverfahren - mit den sich aus § 12a ArbGG ergebenden Maßgaben - anwendbaren §§ 91 ff. ZPO sind im ArbGG für das Beschlussverfahren weder in Bezug genommen noch entsprechend anzuwenden (vgl. dazu eingehend BAG 02.10.2007 - 1 ABR 59/06, BAG 124, 75, Rn. 11 ff mwN).
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen diese Entscheidung ist daher ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 92 a ArbGG wird hingewiesen.
Kranz
Felix