14.06.2016 · IWW-Abrufnummer 186476
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 21.10.2015 – 11 Sa 180/15
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist grundsätzlich auf den jeweiligen Arbeitgeber bezogen. Er greift wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo dieser durch eigenes, gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.12.2014 - 1 Ca 10472/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Spesen und Zuschüssen zur Anschaffung für Schutzkleidung.
Der Kläger war seit dem April 1982 bis zum Januar 2015 bei der Beklagten, einem Automobilunternehmen, beschäftigt. Seit dem August 2000 bekleidete er die Funktion des Leiters des I -Teams (ITTC= In Territory Trip Coordination). Er war zuständig für die Organisation von Fahrzeugtestfahrten unter extremen klimatischen Bedingungen. An diesen Tests nahmen nicht nur der Kläger und Arbeitnehmer der Beklagten sondern auch Mitarbeiter der Firmen F U sowie F B teil. Der Kläger berichtete unmittelbar an Herrn Hügen, Manager Vehicle Testing. Dieser ist nicht nur Arbeitnehmer der Beklagten, sondern zugleich Manager der F (FoE). Auch der Personalleiter der Beklagten bekleidet eine Managementfunktion bei FoE.
Für die von ihm von 2001 bis zum 18.02.2011 durchgeführten Testfahrten erhielt der Kläger Pauschalbeträge für Verpflegungsmehraufwand nach den jeweils geltenden Finanzrichtlinien, d.h. in Höhe der steuerlich begünstigten Pauschalen. Zudem zahlte die Beklagte Zuschüsse zur Anschaffung von Schutzkleidung für extreme Witterungsbedingungen nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung über Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen bei Mess-, Versuchs- und Beurteilungsfahrten vom 15.08.1988 (Bl. 86 ff. d.A.).
Der Kläger bemängelte seit dem Jahre 2006 wiederholt gegenüber Herrn Hügen und dem Personalwesen der Beklagten, dass die Mitarbeiter von F U höheren Verpflegungsmehraufwandersatz und höhere Ausstattungspauschalen für Schutzkleidung erhielten.
Seit dem Juni 2011 erhalten Arbeitnehmer der Beklagten Pauschalbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen, die der Höhe jenen entsprechen, die Mitarbeitern von F U gezahlt werden. Im Dezember 2012 erfolgte eine Vereinbarung zur Anpassung der Pauschale für Schutzkleidung für Arbeitnehmer der Beklagten sowie Mitarbeiter von F B mit den Regelungen der Mitarbeiter von F U . Die Arbeitnehmer von F B erhalten seit dem Dezember 2012 die gleichen Pauschalbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen wie die Mitarbeiter von F U .
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05.12.2014 (Bl. 183 ff. d. A.) die Klage, mit der der Kläger für den Zeitraum 2001 bis 2011 die Zahlung der Differenz zwischen den von der Beklagten erstatteten Verpflegungsmehraufwendungen und Ausstattungspauschalen und den nach seiner Darlegung den Mitarbeitern von F U gezahlten Beträgen (Aufstellung Bl. 5 d.A.) begehrt, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne sich nicht mit den Erfolg auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen, weil zum einen der Gleichbehandlungsrundsatz grundsätzlich arbeitgeberbezogen sei, zum anderen eine Gleichbehandlung im Konzern daran scheitere, dass eine einheitliche Handhabung im Konzern nicht vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das ihm am 08.01.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.01.2015 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 08.04.2015 begründet.
Der Kläger nimmt Bezug auf den erstinstanzlichen Vortrag und führt vertiefend aus, der Gleichbehandlungsgrundsatz sei vorliegend aufgrund der Matrix-Struktur des F -Konzerns, wie sie in der Anlage 1 (Bl. 239 d.A.) dokumentiert sei, konzernweit anzuwenden. Die Fachvorgesetzten des Klägers seien alle auch Mitarbeiter/Manager von F o E GmbH (FoE) gewesen, auch die Personalverantwortlichen hätten Funktionen für FoE ausgeübt. Der Arbeitsbereich des Klägers habe vorrangig FoE gedient, welche auch das Budget für die Durchführung der Testfahrten gestellt habe. Mithin habe ein einheitlicher Leitungsapparat bestanden. Bei der Gleichstellungsregelung vom 11.12.2012 (Bl. 172 d.A.) handele es sich um eine konzerndimensional geltende Weisung.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte trägt vor, der Kläger verkenne, dass die Matrix-Struktur keine Auswirkungen auf die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften und die Arbeitgeberstellung dieser Konzerngesellschaften gegenüber den bei ihr angestellten Arbeitnehmern habe. Eine Arbeitnehmerüberlassung liege nicht vor, denn mit der Entsendung der Mitarbeiter würden auch eigene Betriebszwecke verfolgt. Zudem liege auch keine Ungleichbehandlung vor, denn für die Arbeitsverhältnisse der englischen und der deutschen Mitarbeiter hätten unterschiedliche nationale steuerrechtliche Bestimmungen gegolten. Die vermeintlichen Ansprüche seien weitestgehend verjährt. Mit der Beklagten hätten keine Vergleichsverhandlungen stattgefunden, die zu einer Hemmung der Verjährung geführt hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 08.04.2015, 02.06.2015 und 09.10.2015, die Sitzungsniederschrift vom 21.10.2015 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurden ordnungsmäßig innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
II. Der Berufung blieb der Erfolg versagt, denn das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Gründen, denen sich die Berufungskammer anschließt und auf die Bezug genommen wird, abgewiesen. Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsinstanz rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er wurzelt in dem überpositiven Ideal der Gerechtigkeit, die es gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers. Wird er verletzt, muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG, Urt. v. 03.09.2014 - 5 AZR 6/13 - m.w.N.). Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist grundsätzlich auf den jeweiligen Arbeitgeber bezogen (BAG, Urt. v. 19.11.1992 - 10 AZR 290/91 - m.w.N.). Er beansprucht über die Betriebsgrenzen hinaus Geltung für das gesamte Unternehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers nicht auf einen einzelnen Betrieb beschränkt ist, sondern sich auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens bezieht (BAG, Urt. v. 22.12.2009 - 3 AZR 136/08 - m.w.N.). Er greift wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo dieser durch eigenes, gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft (BAG, Urt. v. 12.12.2012 - 10 AZR 718/11 - m.w.N.). Zudem setzt die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers voraus (vgl. z.B.: BAG, Urt. v. 31.08.2005 - 5 AZR 517/04 -).
2. Die Beklagte hatte für den streitigen Zeitraum keine Regelungen für die Mitarbeiter von F , der vom Kläger herangezogenen Vergleichsgruppe, zur Vergütung von Verpflegungsmehraufwand und Zuschüssen zur Anschaffung für Schutzkleidung geschaffen. Sie hatte darüber hinaus nicht die Gestaltungsmacht ein für die Mitarbeiter von F maßgebliches Regelungswerk zu schaffen. Die Entschädigungsregelungen wurden von F selbst erlassen. Die Beklagte hat keine verteilende Entscheidung unter Einbeziehung der Arbeitnehmer von F getroffen. Die Bestimmungen der Beklagten zum Aufwandsersatz verletzten daher keine von ihr selbst gesetzte Regel. Dies wird durch den Vortrag des Klägers unterstrichen, der eine Konzentration von Leitungsmacht und eine budgetbezogene Verteilungskompetenz bei der FoE verortet. In der vorliegenden Matrix-Struktur ist nicht zu verkennen, dass eine Reihe von Managern der Führungsebene der Beklagten zugleich auch eine Managementfunktion bei der FoE wahrnehmen. Jedoch blieb die Arbeitgeberstellung der Beklagten erhalten, lediglich in fachlicher Hinsicht bestand durch die Berichtspflicht des Klägers eine Bindung gegenüber einem Vorgesetzten, der auch Manager der FoE ist. Vertragsarbeitgeber war ausschließlich die Beklagte. In der Matrix-Struktur verwirklicht die Beklagte in Gemeinschaft mit anderen Unternehmen (auch) eigene Betriebszwecke, vorliegend den Test von Fahrzeugen unter extremen klimatischen Bedingungen. Diese unternehmerische Zusammenarbeit ähnelt der eines Gemeinschaftsbetriebs mehrerer selbständiger Unternehmen. Für den gemeinsam geführten Betrieb verschiedener Unternehmen ist anerkannt, dass der Gleichbehandlungsrundsatz keine Geltung beanspruchen kann, mithin für die Arbeitnehmer unterschiedliche Arbeitsbedingungen gelten können (vgl.: BAG, Urt. v. 19.11.1992 - 10 AZR 290/91 -).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.