07.06.2016 · IWW-Abrufnummer 186392
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 09.12.2015 – 4 Sa 553/14
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2014 - 8 Ca 405/14 - wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die korrekte Berechnung einer dem Kläger zum Ausgleich entgangener Vergütungszuschläge zu gewährenden monatlichen Pauschale.
Der Kläger ist seit dem 06.04.1984 bei den US-Streitkräften in der Dienststelle " R. II" als sogenannter Ermittlungsbeamter bei der Militärpolizei beschäftigt. Zu der betreffenden Dienststelle gehören u. a. die Einheiten 569th US Forces Police und 86th Security Police, wobei der Kläger der erstgenannten Einheit zugeordnet und in die Gehaltsgruppe ZB 7/Endstufe des TV AL II, der aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, eingruppiert ist. Er ist als Mitglied der Hauptbetriebsvertretung von seiner Tätigkeit freigestellt.
Der Kläger erhält von den US-Streitkräften monatlich eine pauschale Ausgleichszahlung für infolge seiner Freistellung entgangene Zuschläge für Mehrarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit sowie Rufbereitschaft. Die US-Streitkräfte berechneten in der Vergangenheit die betreffende Pauschale des Klägers, indem sie den monatlichen Durchschnitt der an die nach ihrer Auffassung mit dem Kläger vergleichbaren, der Dienststelle R. II zugeordneten Ermittler im Polizeidienst in einem abgelaufenen Jahreszeitraum (1.7. - 30.6.) gezahlten Zuschläge errechnete. Der betreffende Durchschnittsbetrag wurde sodann im Folgejahr monatlich an den Kläger als Pauschale ausgezahlt. Zugrunde gelegt wurden seitens der US-Streitkräfte bei der Durchschnittsberechnung die an die Mitarbeiter B (eingruppiert in die Gehaltsgruppe ZB 7/Endstufe), M., (zuletzt eingruppiert in die Gehaltsgruppe ZB 7/Stufe 6), S. (bis zum 31.03.2013 eingruppiert in die Gehaltsgruppe ZB 7/Stufe 6) und - bis zum 30.06.2014 - an den Arbeitnehmer Sch. (Gehaltsgruppe ZB 6) gezahlten Zulagen, wobei die beiden letztgenannten Mitarbeiter einer anderen Einheit als der Kläger, nämlich der 86th Security Police, zugeordnet sind.
Der Kläger ist der Ansicht, dass bei der Errechnung der an ihn zu zahlenden Pauschale nur die Mitarbeiter B. und M. zu berücksichtigen seien, wobei allerdings die an den Arbeitnehmer M., der sich noch nicht in der Vergütungsstufe 6 der Gehaltsgruppe ZB 7 befinde, gezahlten Zuschläge auf das entsprechende Niveau der Endstufe der betreffenden Gehaltsgruppe "hochzurechnen" seien.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.09.2014 (Bl. 94 bis 96 d. A.).
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 02.09.2014 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 8 dieses Urteils (= Bl. 97 bis 99 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 19.09.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.09.2014 Berufung eingelegt und diese am 19.11.2014 begründet.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe den Kreis der für die Berechnung der an den Kläger zu zahlenden Pauschale verkannt. Insoweit stelle das erstinstanzliche Gericht nicht, wie geboten, auf die Dienststelle des Klägers ab, sondern auf den nicht arbeitsrechtlichen Begriff der "Einheit", welcher der Kläger zugeordnet sei. Es könne innerhalb ein und derselben Dienststelle keinen Unterschied machen, ob ein Arbeitnehmer der einen oder der anderen militärischen Einheit zugeordnet sei, solange die betreffenden Arbeitnehmer dieselben Tätigkeiten verrichteten. Die Zulagen der als Ermittler in der Dienststelle tätigen Arbeitnehmer seien starken Schwankungen unterworfen. Um ein möglichst richtiges und gerechtes Ergebnis zu erzielen, sei es daher im Rahmen der hypothetischen Betrachtung geboten, den Kreis der vergleichbaren Mitarbeiter nicht eng, sondern so weit wie möglich zu ziehen. Insoweit habe das erstinstanzliche Gericht zu Unrecht den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer auf solche bezogen, die in der Gehaltsgruppe ZB 7 eingruppiert seien. Zwar bilde die Eingruppierung sicherlich hinsichtlich der Gruppenbildung vergleichbarer Arbeitnehmer einen Anhaltspunkt. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass der in die Gehaltsgruppe ZB 6 eingruppierte Arbeitnehmer Sch. im Wesentlichen dieselbe Tätigkeit wie der Kläger ausübe, so dass er bei der Berechnung des maßgeblichen Durchschnittsbetrages nicht unberücksichtigt bleiben könne.
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 19.11.2014 (Bl. 132 bis 137 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 13.01.2015 (Bl. 148 bis 150 d. A.), auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
I. Die an sich statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
II.1. Die Klage ist zulässig.
Der Klageantrag bedarf jedoch der Auslegung. Er enthält bei formaler Betrachtung einen unbezifferten Zahlungsantrag. Dieser wäre wegen mangelnder Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig. Der Antrag kann jedoch als (zulässiger) Feststellungsantrag ausgelegt werden (BAG v. 25.06.2009 - 8 AZR 236/08 - AP Nr. 40 zu § 70 BAT). Soweit der Antrag den nicht näher bestimmten Begriff "Daten" enthält, so ist dieser erkennbar dahingehend zu verstehen, dass der Kläger damit die an die im Antrag bezeichneten Personen geleisteten Zuschläge für Mehrarbeit, Nach- und Sonntagsarbeit sowie Rufbereitschaft meint, wobei jedoch die an den Mitarbeiter M gezahlten Zulagen auf das Niveau der Gehaltsgruppe ZB 7/Endstufe hochgerechnet werden sollen. In diesem Sinne verstanden handelt es sich um eine sogenannte Elementenfeststellungsklage, für die vorliegend auch das notwendige Feststellungsinteresse besteht, weil durch eine positive Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit zwischen den Parteien insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt wäre, da die konkrete Bezifferung der dem Kläger zustehenden Pauschale dann lediglich noch eine Rechenaufgabe darstellen würde (BAG v. 25.03.2015 - 5 AZR 874/12 - EzA § 612 BGB 2002 Nr. 17). Dem Feststellungsinteresse steht auch nicht entgegen, dass der Kläger - jedenfalls in Ansehung des von der Beklagten erstinstanzlich vorgetragenen Zahlenmaterials - in der Lage gewesen wäre, seinen Antrag zu beziffern. Von der Beklagten kann nämlich erwartet werden, dass sie einem gegen sie ergangenen Feststellungsurteil nachkommen und die sich daraus ergebenden Zahlungsansprüche erfüllen wird (BAG v. 13.08.2009 - 6 AZR 330/08 - AP Nr. 4 zu § 241 BGB).
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die ihm zustehende Pauschale anhand bestimmter Daten aus einem in der Vergangenheit liegenden Referenzzeitraum errechnet und ausgezahlt wird.
a) Hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Ersatz der ihm infolge seiner Freistellung entgangenen Zuschläge für Mehrarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit sowie Rufbereitschaft kommt es gemäß § 46 Abs. 2 BPersVG darauf an, in welcher Höhe er ohne seine Freistellung die betreffenden Zuschläge verdient hätte. Der Kläger hat Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das er erhalten hätte, wenn er nicht wegen seiner Tätigkeit in der Hauptbetriebsvertretung an seiner Arbeitsleistung gehindert gewesen wäre.
Mit diesem Grundsatz nicht zu vereinen ist die Vorgehensweise der US-Streitkräfte, die dem Kläger zustehende Ausgleichszahlung anhand eines Durchschnittsbetrages zu bemessen, in den auch die an solche Arbeitnehmer konkret gezahlten Zulagen einfließen, die in einer niedrigeren Gehaltsgruppe und/oder Gehaltsstufe als der Kläger eingruppiert bzw. eingestuft sind. Denn dies führt zwangsläufig zu einer Verminderung des gesetzlichen Anspruchs des Klägers. Die betreffende Verfahrensweise der US-Streitkräfte verstößt grob und evident gegen die gesetzlichen Vorgaben. Es wäre insoweit nur zulässig, nicht die an die niedriger eingruppierten bzw. eingestuften Arbeitnehmer gezahlten Zuschläge zu berücksichtigen, sondern die diesen Zuschlägen zugrunde liegenden zuschlagspflichtigen Arbeitszeiten, und diese Arbeitszeiten mit der dem Kläger zustehenden tariflichen Vergütung in Ansatz zu bringen. Bedenken bestehen auch bezüglich der Einbeziehung solcher Polizeiangestellter, die einer anderen Einheit als der Kläger zugeordnet sind, in der nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Klägers, anders als in dessen Einheit, keine Rufbereitschaft und keine Überstunden geleistet wurden mit der Folge, dass die diesbezüglichen Zulagen entfielen. Die Beklagte kann sich insoweit wohl auch nicht darauf berufen, dass der Kläger in eine andere, seiner Dienststelle zugehörigen Einheit um- bzw. versetzt werden könnte, da eine solche Maßnahme nicht stattgefunden hat und dem § 46 Abs. 2 BPersVG das Lohnausfallprinzip zugrunde liegt.
b) Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Kläger die Berechnung und Auszahlung der Ausgleichszahlung nach dem Referenzprinzip begehrt, d. h. auf der Grundlage der in einem abgelaufenen Kalenderjahr angefallenen Zuschläge.
Bei der Berechnung der dem nach § 46 Abs. 4 BPersVG freigestellten Personalvertretungsmitglied fortzuzahlenden Arbeitsvergütung, d. h. auch der infolge der Freistellung entgangenen Zuschläge, gilt das Lohnausfallprinzip und nicht das Referenzprinzip (BAG v. 29.06.1988 - 7 AZR 651/87 - AP Nr. 1 zu § 24 BPersVG). Hierauf sind die Parteien bereits in der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 11.03.2008 - 3 Sa 741/07 -, die in einem früheren, zwischen ihnen geführten Rechtsstreit erging, ausdrücklich hingewiesen worden. Für die Berechnung der streitgegenständlichen Ausgleichszahlung kommt es daher ausschließlich darauf an, welche Zuschläge der Kläger in den jeweiligen Monaten, für die ihm der betreffende Ausgleich zu gewähren ist, ohne die Freistellung verdient hätte. Auf einen in der Vergangenheit liegende Referenzzeitraum kann dabei daher grundsätzlich nicht abgestellt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - der Anfall der zuschlagspflichtigen Arbeitszeiten erheblichen Schwankungen unterworfen ist.
III. Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.
Verkündet am 09.12.2015