02.06.2016 · IWW-Abrufnummer 186296
Landesarbeitsgericht Sachsen: Urteil vom 26.03.2013 – 6 Sa 132/12
In dem Rechtsstreit
...
hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 6 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Frau ... auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2013
für R e c h t erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 25.01.2012 - 4 Ca 2432/11 - wird auf Kosten der Klägerin
z u r ü c k g e w i e s e n.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin ist seit dem 17.03.1980 bei der Beklagten beschäftigt und als Sachbearbeiterin wirtschaftliche Sozialhilfe tätig. Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung finden der BAT-O und seit dem 01.10.2005 der TVöD in der für die Vereinigung kommunaler Arbeitgeber geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin wurde bis zum 31.12.2010 nach Entgeltgruppe 9 ES 6 vergütet; seitdem erfolgt eine besitzstandswahrende Vergütung.
Die Beklagte hat die Klägerin zuletzt in der Vergütungsgruppe V b BAT-O eingruppiert und eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9 Erfahrungsstufe 5 für richtig erachtet.
Den Inhalt der Tätigkeit hat der Beklagte in einer Stellenbeschreibung vom 13.07.2010 beschrieben, hinsichtlich deren Einzelheiten auf Bl. 48 ff. der GA zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr IV b BAT-O zu. Die Tätigkeit als Sachbearbeiterin wirtschaftliche Sozialhilfe sei durch besondere Verantwortung gekennzeichnet und damit aus Vergütungsgruppe V b BAT-O herausgehoben.
Die Klägerin hat beantragt
1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin über den 01.01.2011 hinaus in der Vergütungsgruppe IV b BAT-O eingruppiert ist.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin über den 01.01.2011 hinaus nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 6 TVöD zu vergüten und die sich insoweit ergebenden Nettodifferenzbeträge für den Monat Januar 2011 ab Rechtshängigkeit sowie ab 01.08.2011 ab dem auf den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt folgenden Tag mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie meint, die Klägerin sei zutreffend in die VergGr. V b BAT-O eingruppiert.
Das Arbeitsgericht hat der Klage abgewiesen. Die gegen das ihr am 16.02.2012 zugestellte Urteil gerichtete Berufung ist am 08.03.2012 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.05.2012 mit einem am 10.05.2012 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet worden.
Nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründung - wegen deren Einzelheiten auf Bl. 169 bis 199 der GA, aber auch auf den Schriftsatz vom 13.03.2013 (Bl. 263 bis 270 der GA) zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen wird - ist die Klägerin weiterhin der Auffassung, die besondere Verantwortung ihrer Tätigkeit rechtfertige eine Eingruppierung in Vergütungsgruppe IV b BAT-O. Diese ergebe sich insbesondere aus dem besonders schützenswerten Adressatenkreis ihres Verwaltungshandelns.
Aufgrund der Tatsache, dass die erwerbsfähigen Leistungsempfänger in der Folge der Gesetzesänderung nunmehr von den Jobcentern betreut würden, seien für ihre Tätigkeit auf Basis des SGB XII nur noch die "Problemfälle" verblieben. Es handele sich - unstreitig - entweder um ältere Bürger oder um jüngere Erwerbsunfähige. Zu diesem Personenkreis gehörten - unstreitig - Suchtmittelabhängige, Obdachlose, HIV-Infizierte und Aidskranke. Es möge sein, dass der Anteil der "Problemfälle" bei nur 30 % liege; aufgrund der erforderlichen Mehrarbeit füllten sie jedoch zumindest 50 % ihrer Tätigkeit aus. Zudem sei der von ihr zu betreuende Personenkreis besonders schutzwürdig, da es sich um Personen auf der untersten Sprosse der sozialen Leiter handele, denen es an der Wehrhaftigkeit fehle, sich gegen falsche Entscheidungen zu wenden. Diese Menschen seien oft nicht mehr in der Lage, den psychischen Aufwand zu erbringen, der mit dem Einlegen eines Rechtsmittels verbunden sei mit der Folge, dass sie Entscheidungen oft "Gott ergeben" hinnähmen.
Damit sei sie im Falle einer ablehnenden Entscheidung de facto erste und letzte Instanz, was zu einer höheren Verantwortlichkeit führe. Insoweit gehe das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass sich die besondere Verantwortung sowohl aus positiven Auswirkungen der Tätigkeit als auch aus den Folgen des Versagens ergeben könne. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber jenseits des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 20 SGB X, der im Sozialrecht allgemeine Geltung beanspruche, mit § 18 SGB XII im Hinblick auf die besondere Klientel eine zusätzliche Vorschrift in das Gesetz aufgenommen habe. Es entspreche der Normalverantwortung, auf Antrag tätig zu werden. Die Tätigkeit von Amts wegen gemäß § 18 SGB XII stelle jedoch eine Besonderheit dar, welche per se zu einer besonderen Verantwortlichkeit führe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Tätigkeit des ASD. Es sei unzutreffend, dass der ASD Feststellungen bei Notlagen treffe und die erforderlichen Unterlagen für die Hilfegewährung bei Bedarf zusammenstelle.
Vielmehr werde der ASD nur auf ihre Anweisung tätig und dies auch nur drei- bis viermal im Jahr. Jegliche Initiative gehe insoweit von ihr (der Klägerin) aus. Bei der Frage, ob eine besondere Verantwortung gegeben sei, dürfe im Übrigen nicht nur auf ein Kriterium abgestellt werden, sondern es sei eine Gesamtschau anzustellen.
Gerade aufgrund einer solchen Gesamtschau sei in ihrem Falle vom Vorliegen einer besonderen Verantwortung auszugehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 25.01.2012 - 4 Ca 2432/11 - abzuändern und festzustellen, dass die Klägerin über den 31.12.2010 hinaus in der Vergütungsgruppe IV b BAT-O eingruppiert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und verteidigt die angegriffene Entscheidung unter vertiefender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit Rechtsausführungen als zutreffend. Das Arbeitsgericht habe zu Recht eine besondere Verantwortung der Klägerin verneint. Die Darlegungs- und Beweislast liege aufgrund der außergerichtlichen Absprachen mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei dieser. Der Kreis der von der Klägerin zu betreuenden Menschen umfasse bereits aufgrund der Regelung des § 19 SGB XII und der allgemeinen Zuständigkeit der Klägerin keineswegs ausschließlich oder überwiegend nur die von ihr genannte "Problemklientel". Auch gehöre es zur Normalverantwortung eines Sachbearbeiters der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT-O, nicht nur Anträge entgegenzunehmen und zu bearbeiten, sondern auch in der Folge sonstiger Kenntniserlangung tätig zu werden. Rechtlich unerheblich seien insoweit die Ausführungen der Klägerin zur Zusammenarbeit mit dem ASD.
Der ASD übernehme insbesondere den Part der persönlichen Hilfe für bedürftige Menschen. Diese könne im Rahmen von Vorsprachen der Bürger beim ASD oder im Rahmen von Hausbesuchen vor Ort erbracht werden. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalles. Die Mitarbeiter des ASD nähmen gegenüber dem Bürger eine globale beratende Funktion wahr. Zur persönlichen Hilfe gehöre u. a. das Aushändigen von Vordrucken zur Leistungsbeantragung als auch im Einzelfall das gemeinsame Ausfüllen derselben. In Abgrenzung dazu trage der Sachbearbeiter in der wirtschaftlichen Sozialhilfe die Verantwortung dafür, dass alle leistungsrelevanten Fragen, die für eine Sachentscheidung notwendig seien, abgeklärt würden.
Dies könne auch bedeuten, dass dieser im Bedarfsfalle dafür Sorge tragen müsse, dass der ASD ein weiteres Mal vor Ort gehe. Soweit die Klägerin darauf hinweise, sie sei de facto erste und letzte Instanz, könne die Klägerin, unabhängig davon, dass gegen falsche Entscheidungen der Klägerin der Rechtsweg offen stehe, daraus nichts zu ihren Gunsten herleiten. Die Auswirkungen falscher oder unterlassener Entscheidungen der Klägerin seien, soweit sie nicht im Rechtsmittelverfahren korrigiert würden, auf den jeweils Leistungsberechtigten bzw. die Bedarfsgemeinschaft beschränkt.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2013 (Bl. 271 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die bereits nach dem Beschwerdewert statthafte (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 3 ZPO) ist zulässig.
In der Sache ist der Berufung der Klägerin kein Erfolg beschieden. Die Klägerin erfüllt nicht die persönlichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung oberhalb der VergGr. V b BAT-O.
1. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage stehen - jedenfalls nach Beschränkung der Klage auf Zeiten der tatsächlichen Beschäftigung der Klägerin - keine durchgreifenden Bedenken entgegen. Zwar ist grundsätzlich für eine Feststellungsklage kein Raum, wenn das Klagebegehren mit einer Leistungsklage verfolgt werden kann (BAG, Urteil vom 27.6.1988 - 5 AZR 244/87 -, AP Nr. 83 zu § 242 Gleichbehandlung unter I. der Gründe m. w. N.). Soweit die Klägerin Vergütung für die Zukunft begehrt, ist jedoch eine Bezifferung nicht möglich, weil sich die Vergütungssätze ändern können. Eine Klage auf zukünftige Leistung kann die Klägerin auch deswegen nicht erheben, weil § 258 ZPO nur wiederkehrende Leistungen aus einseitigen Verpflichtungen erfasst, nicht aber das von einer Arbeitsleistung abhängige Arbeitsentgelt (BAG, Urteil vom 13.11.1987 - 7 AZR 559/86 -, AP Nr. 61 zu § 37 BetrVG 1972 m. w. N.; Zöller/Stephan, ZPO, § 258 Rdnr. 1 m. w. N.). Im Übrigen handelt es sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Feststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit gemäß § 256 ZPO nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG, Urteil vom 29.01.1986 - 4 AZR 465/84 - AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1875) Bedenken nicht bestehen. Dies gilt zumindest so lange, als davon auszugehen ist, dass auch ein Feststellungsurteil geeignet ist, die zwischen den Parteien bestehenden rechtlichen Differenzen endgültig zu bereinigen.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Vergütung oberhalb einer Eingruppierung in der Vergütungsgruppe V b BAT-O.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden jedenfalls auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O und die Anlage 1 a hierzu in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung und ab 01.10.2005 der TVöD Anwendung. Daraus rechtfertigt sich jedoch nicht die seitens der Klägerin angestrebte Eingruppierung. Die Klägerin erfüllt nicht die dort normierten persönlichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung oberhalb der VergGr. V b BAT-O.
Mangels eigenständiger Eingruppierungsregelungen im TVöD gelten gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der Kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13.09.2005 die §§ 22, 23 BAT-O einschließlich der Vergütungsordnung über den 30.09.2005 hinaus fort. Für die Eingruppierung der Klägerin sind daher im gesamten Streitzeitraum die Regelungen des § 22 BAT-O und die Tätigkeitsmerkmale des Teils A (Allgemeiner Teil) der Anlage 1 a zum BAT-O/VKA maßgebend. Letztere haben, soweit für die Entscheidung von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
Vergütungsgruppe V b
1. a) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.
(gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in der Fallgruppe 1 b der Vergütungsgruppe VII und in den Fallgruppen 1 a der Vergütungsgruppen VI b und V c geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach).
1. b) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus Buchstabe a heraushebt, dass sie mindestens zu 1/3 besonderes verantwortungsvoll ist.
Vergütungsgruppe IV b
1. a) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a heraushebt, dass sie besonderes verantwortungsvoll ist.
1. b) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus Buchstabe a heraushebt, dass sie mindestens zu 1/3 besonderes verantwortungsvoll ist, nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1. b).
Für die Entscheidung ist insoweit maßgebend, ob die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausmachende Arbeitsvorgänge den Merkmalen der begehrten Vergütungsgruppe IV b BAT-O entsprechen (§ 22 Abs. 1 und Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT-O). Dabei ist von dem seitens des BAG entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen, wonach darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist (vgl. BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356; BAG, Urteil vom 19.05.1982 - 4 AZR 762/79 - AP Nr. 61 zu §§ 22, 23 BAT 1975 m. w. N.). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, dass die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlich rechtlichen Bewertung zugänglich ist (vgl. BAG, Urteil vom 30.01.1985 - 4 AZR 184/83 - AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG, Urteil vom 23.02.1983 - 4 AZR 222/80 - BAG 42, 29 = AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (vgl. BAG, Urteil vom 20.10.1993 - 4 AZR 45/93 - AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG, Urteil vom 20.03.1991 - 4 AZR 471/90 - AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Nach Darstellung der Klägerin bilden deren Tätigkeiten im Rahmen der Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, der Gewährung von Grundsicherungsleistungen sowie für die Hilfe in besonderen Lebenslagen nach SGB XII an Personen, die keine Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II haben, einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Nach der Stellenbeschreibung vom 10.07.2010 macht die Gewährung von Leistungen nach dem SBG XII 90 % der Arbeitsaufgaben der Klägerin aus. Nahezu alle Tätigkeiten der Klägerin dienen letztlich dem Ziel, Leistungen nach dem SBG XII zu bearbeiten. Diese Tätigkeit stellt somit den eingruppierungsrelevanten Arbeitsvorgang dar.
Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr.
IV b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA bauen auf der VergGr. V b Fallgruppe 1 a BATO/VKA auf, setzen also die Erfüllung der Kriterien der VergGr. V b Fallgruppe 1a BAT-O/VKA voraus. Demzufolge müssen zunächst die Voraussetzungen der Ausgangsgruppe erfüllt sein. Anschließend sind die weiteren Merkmale der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppe zu prüfen (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteil des BAG vom 24.09.1980 - 4 AZR 427/78 - BAG 34, 158 = AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 17. 8. 1994 - 4 AZR 644/93 - AP Nr. 183 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dabei genügt eine pauschale Überprüfung, soweit die Parteien die Tätigkeit der Klägerin als unstreitig ansehen und die Beklagte Tätigkeitsmerkmale als erfüllt erachtet (vgl. BAG, Urteil vom 06.06.1984 - 4 AZR 203/82 - AP Nr. 91 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG, Urteil vom 17.08.1994 - 4 AZR 644/93 - AP Nr. 183 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Die Voraussetzungen der VergGr. V b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA sind erfüllt. Die Tätigkeit der Klägerin erfordert gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen.
Nach dem Klammerzusatz zur Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT-O/BVKA bedeuten "gründliche, umfassende Fachkenntnisse" gegenüber den in der Fallgruppe 1 b der Vergütungsgruppe VII und in den Fallgruppen 1 a der Vergütungsgruppen VI b und V c BAT-O/VKA geforderten "gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen" eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach. Die Begriffe "gründlich" und "umfassend" sind dabei nicht getrennt zu beurteilen, sondern das Tätigkeitsmerkmal "gründliche, umfassende Fachkenntnisse" ist den "gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen" zusammenfassend gegenüberzustellen und einheitlich zu bewerten (vgl. BAG, Urteil vom 18.02.1998 - 4 AZR 552/96 - zitiert nach Juris, m. w. N.). Umfassende Fachkenntnisse werden für einen Aufgabenkreis nicht benötigt, wenn dieser im Verhältnis zum Gesamtgebiet oder den Gebieten der beschäftigenden Verwaltung nur einen relativ geringen Ausschnitt darstellt (vgl. BAG, Urteil vom 10.12.1997 - 4 AZR 211/96 - zitiert nach Juris, m. w. N.). Andererseits kann aus der Breite des benötigten Fachwissens auch auf dessen Vertiefung geschlossen werden (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.1981 - 4 AZR 1130/78 - zitiert nach Juris, m. w. N.).
Anhaltspunkte für die verlangten Fachkenntnisse ergeben sich aus der Stellenbeschreibung vom 10.07.2010. Danach ist die Kenntnis der einschlägigen Rechtsvorschriften erforderlich. Insgesamt bedarf es insoweit aufgrund der Vielzahl der gesetzlichen Vorschriften, Verwaltungsanweisungen und sonstigen Vorschriften eines gegenüber den gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen nach Tiefe und Breite gesteigertem Wissen.
Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses und der Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative. Eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen. Das Merkmal "selbständige Leistungen" darf nicht mit dem Begriff "selbständig arbeiten" verwechselt werden, worunter man eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung versteht. Eine selbständige Leistung im Tarifsinne ist dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht wird, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend für die selbständigen Leistungen im tariflichen Sinne ist - ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe - ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltung- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses.
Vom Angestellten werden Abwägungsprozesse verlangt, in deren Rahmen Anforderungen an dessen Überlegungsvermögen gestellt werden. Der Angestellte muss dabei unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen (vgl. BAG, Urteil vom 06.06.2007 - 4 AZR 456/06 - zitiert nach Juris, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Klägerin entscheidet unstreitig selbständig über die Gewährung von Leistungen.
Im Übrigen sind diese Tätigkeitsmerkmale zwischen den Parteien nicht streitig, so dass eine pauschale Überprüfung ausreicht.
Die Klägerin erfüllt jedoch nicht die Anforderungen der VergGr. IV b Fallgruppe 1a BAT-O/VKA bzw. V b Fallgruppe 1 b/IV b Fallgruppe 1 b; ihre Tätigkeit hebt sich nicht dadurch aus der VergGr. V b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA heraus, dass sie besonders verantwortungsvoll ist. Dies ergibt sich bereits aus dem unstreitigen Vorbringen der Parteien, so dass es einer Entscheidung über die Darlegungs- und Beweislast nicht bedarf.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. Urteil vom 15.02.2006 - 4 AZR 645/04 - zitiert nach Juris, m. w. N.) setzt das Heraushebungsmerkmal der "besonderen Verantwortung" in der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA einen wertenden Vergleich mit der bereits in der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA - unausgesprochen - geforderten Verantwortung voraus. Das Heraushebungsmerkmal ist erfüllt, wenn sich die Tätigkeit des Angestellten gemessen an und ausgehend von Anforderungen der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a daraus durch das Maß der geforderten Verantwortung in gewichtiger, beträchtlicher Weise heraushebt; je nach Lage des Einzelfalls kann diese durch herausgehobene Verantwortung im Hinblick auf andere Mitarbeiter oder andere Personen, Sachen, Arbeitsabläufe, zu gewinnende wissenschaftliche Resultate oder technische Zusammenhänge begründet werden.
Vorliegend ergibt sich eine besondere Verantwortung nicht aus der Stellung der Klägerin. Sie sei nicht in einer Leitungsfunktion tätig. Dafür genügen die Übertragung der Bearbeitung der Anträge zur Entscheidung und die entsprechende Unterschriftsbefugnis nicht. Die Ausübung eines Bewertungs- und Ermessensspielraums erfüllt nur die tarifliche Voraussetzung der Selbständigkeit der Tätigkeit, besagt aber noch nichts für das Maß der Verantwortung. Als Sachbearbeiterin trägt die Klägerin nur das Normalmaß der Verantwortung, weil es sich bei den von ihr erlassenen Bescheiden über die Gewährung oder Ablehnung von Leistungen der Sozialhilfe nicht um Entscheidungen von besonderer Tragweite handelt. Zwar haben ihre Entscheidungen direkte Auswirkungen auf die hilfebedürftigen Bürger; die insoweit zu tragende Verantwortung geht jedoch über die "Normalverantwortung" nicht hinaus. Warum der von der Klägerin betreute Personenkreis gegenüber anderen Klienten einen gehobenen Anspruch auf inhaltlich und rechtlich korrekte Entscheidungen haben so, erschließt sich der Kammer nicht - grundsätzlich hat jeder Adressat hoheitlichen Handelns einen Anspruch auf eine sachgerechte und rechtlich einwandfrei Bescheidung seines Anliegens. Auch der Umstand, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Anordnungsbefugnis keiner Kontrolle durch ihre Vorgesetzten unterliegt, führt angesichts eines Kompetenzrahmens von 1.500,00 EUR nicht zu einer gewichtigen, beträchtlichen Heraushebung (Sächs. LAG, Urteil vom 18.01.2013 - 3 Sa 247/12 -; BAG, Urteil vom 09.05.2007 - 4 AZR 351/06 -, zitiert nach JURIS).
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus der von der Klägerin zu betreuenden Klientel. Es obliegt der Klägerin, wie jedem anderen Verwaltungsangestellten auch, ohne Ansehen der Person Leistungen allein auf der Grundlage der einschlägigen Gesetzes- und Verwaltungsvorschriften zu bewilligen oder zu versagen, egal, ob sich die Leistungsempfänger auf der untersten oder der obersten Sprosse der sozialen Leiter befinden. Dabei ist es ebenfalls ohne Bedeutung, ob jemand "wehrhaftiger" ist und seine Rechte ggf. versucht, gerichtlich durchzusetzen, oder evtl. ablehnende Entscheidungen "Gott ergeben" hinnimmt.
Ein Verwaltungsangestellter hat in jedem Fall die (Normal-)Verantwortung dafür, den Vorschriften entsprechende, "richtige" Entscheidungen zu treffen. Das Maß seiner Verantwortung richtet sich deshalb auch nicht danach, ob seine Entscheidungen korrigierbar oder unumkehrbar sind. Insoweit kann es für die Eingruppierung der Klägerin auch nicht darauf ankommen, dass sie durch das tatsächliche Verhalten ihrer Klienten möglicherweise erste und letzte Entscheidungsinstanz ist.
Maßgebend für die Eingruppierung ist vielmehr die von der Klägerin auszuübende, von der Beklagten übertragene Tätigkeit und die damit normalerweise verbundene Verantwortung. Diese wird vorliegend dadurch bestimmt, dass gegen die Entscheidungen der Klägerin von Gesetzes wegen ein Rechtbehelf gegeben ist. Das tatsächliche, vom Willen der Beklagten unabhängige Verhalten der Klienten der Klägerin kann daher zu keinem anderen Ergebnis führen.
Die Tatsache, dass es sich bei den Klienten der Klägerin häufig um (sucht-)kranke, alte, debile, psychisch kranke und behinderte Menschen handelt, macht die Tätigkeit der Klägerin möglicherweise schwieriger, nicht aber verantwortungsvoller. Gesunde Klienten haben keinen geringeren Anspruch darauf, dass die von der Klägerin zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausgeführt werden wie kranke. Unerheblich ist insoweit auch, dass ein Teil der von der Klägerin zu gewährenden Leistungen Grundbedürfnisse, wie z. B. den Erhalt von Nahrung befriedigt. Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass die Hilfearten nach dem SGB XII gleichberechtigt nebeneinander stehen. Jeder Hilfebedürftige hat daher Anspruch auf eine sachgerechte und rechtlich zutreffende Bearbeitung seines Begehrens, egal ob er einen Treppenlift benötigt oder das Essen für den nächsten Tag.
Richtig ist, dass die Entscheidungen der Klägerin unmittelbar Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse ihrer Klienten haben. Gleichzeitig sind die Auswirkungen damit aber auch auf einen eng umgrenzten Personenkreis beschränkt. Zudem handelt es sich bei den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin wiederholt plastisch beschriebenen (Extrem-)Fällen, in denen Leistungen ablehnende Entscheidungen zum Selbstmord der Antragsteller oder zur Androhung von Straftaten gegenüber Dritten geführt haben, um Einzelfälle, die für das Ergebnis der Tätigkeit der Klägerin nicht prägend sind. Des Weiteren sind die Entscheidungen der Klägerin von gesetzlich vorgegebenen Kriterien abhängig. Die Verantwortung für die sich aus der Vorgabe der Kriterien ergebenden Konsequenzen liegt daher beim Gesetzgeber, nicht bei der Klägerin.
Schließlich ist die Tätigkeit der Klägerin auch nicht deshalb besonders verantwortungsvoll, weil ein Teil der zum Tätigkeitsbereich der Klägerin gehörenden Leistungen ohne Antrag des Hilfebedürftigen von Amts wegen zu gewähren ist. Die Klägerin forscht in keinem Fall selber vor Ort bei Bürgern nach, ob Leistungen nach dem SGB XII erforderlich sind. In jedem Fall, egal ob ein Antrag erforderlich ist oder nicht, werden die entscheidungserheblichen Tatsachen der Klägerin vorgetragen, sei es, dass der jeweilige Bürger der Klägerin den maßgebenden Sachverhalt selber schildert, oder dass Dritte Tatsachen mitteilen bzw. der ASD (auf Veranlassung der Klägerin) Tatsachen vor Ort ermittelt. Die ihr vorgetragenen Tatsachen muss die Klägerin dann in jedem Fall, egal ob die Leistungen von Amts wegen zu gewähren sind oder nicht, unter die von ihr anzuwendenden Vorschriften des SGB XII subsumieren. Ihre Tätigkeit erschöpft sich damit im Vollzug der jeweiligen Normen.
Zudem ist es zutreffend, wenn die Beklagte darauf hinweist, dass die Klägerin aufgrund ihrer gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse und ihres Erfahrungswissens befähigt ist, Notlagen zu erkennen. Soweit sie in der Folge von Amts wegen tätig wird, führt sie die von ihr auszuübende Tätigkeit als Sachbearbeiterin Wirtschaftliche Sozialhilfe "lediglich" sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß entsprechend ihrer "Normalverantwortung" aus.
Aus dem Vorstehenden folgt zur Überzeugung des Gerichts, dass sich weder aus der Betrachtung einzelner Elemente noch bei Gesamtbetrachtung aller Elemente der klägerischen Tätigkeit eine Verantwortung der Klägerin ergibt, die sich in gewichtiger, beträchtlicher Weise aus der "Normalverantwortung" der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT-O heraushebt.
Auch die beratende Tätigkeit der Klägerin - die allerdings nur mit 10 % zu Buche schlägt und daher nicht eingruppierungsrelevant ist - kann bei einem wertenden Vergleich mit den Tätigkeitsmerkmalen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst nicht als besonders verantwortungsvoll angesehen werden (vgl. BAG, Urteil vom 21.02.2001 - 4 AZR 40/00 -, zitiert nach JURIS).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Kammer hat sich im Hinblick auf das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 17.03.2011 - 3 Sa 119/10 - veranlasst gesehen, die Revision zuzulassen.