31.05.2016 · IWW-Abrufnummer 186223
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 19.02.2013 – 2 Sa 155/12 E
Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 22.02.2012 - 9 Ca 2522/10 E - abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Beklagte und Berufungsbeklagte verpflichtet ist, der Klägerin und Berufungsklägerin ab dem 01.11.2009 Vergütung nach der Entgeltgruppe S 14 Stufe 5 TVöD (VKA) zu zahlen und die monatlich anfallenden Bruttovergütungsdifferenzen zwischen den Entgeltgruppen S12 Stufe 5 und S14 Stufe 5 TVöD (VKA) monatlich mit 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen, und zwar jeweils zum 1. des Folgemonats. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte und Berufungsbeklagte zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) mit Wirkung vom 01. 11. 2009.
Die am ... geborene Klägerin ist bei der beklagten Stadt seit dem 01. 08. 1988 als Angestellte im öffentlichen Dienst beschäftigt, zuletzt im Amt für Kinder, Jugendliche und Familie. Die Klägerin ist Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach übereinstimmenden Angaben die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst Anwendung.
Die Klägerin ist im streitgegenständlichen Zeitraum in der Adoptionsvermittlung und im Pflegekinderbereich (PKD) eingesetzt.
Neben dem PKD gibt es den allgemeinen sozialen Dienst (ASD). Bei der Beklagten existiert die Verfahrensvorschrift Nr. 113 "ASD/PKD/WJH bei Hilfe gemäß § 33 SGB XIII und IO gemäß § 42 SGB XIII in Pflegefamilien", Bl. 144 ff. d. A.. Diese Verfahrensvorschrift ist von der Amtsleiterin ... gezeichnet. Sie wird bei der Beklagten hinsichtlich der Zuständigkeiten und Abgrenzung des ASD vom PKD angewendet.
In der am 13. November 2008 von der Beklagten erstellten Stellenbeschreibung (vgl. Bl. 5 ff. d. A.) für die Aufgaben der Klägerin heißt es, soweit hier von Interesse:
...
...
Die Zeitanteile für die Adoptionsvermittlung und den Pflegekinderdienst sind mit jeweils 50 % ausgewiesen. Unter Befugnisse und Vollmachten ist folgendes festgehalten:
"...
Unterschriftsbefugnis in allen zugeordneten Fällen, wobei bei Hilfen zur Erziehung die Genehmigung der Hilfe durch die Ressortleitung erfolgt
Vertretung vor dem Familiengericht, Vormundschaftsgericht
..."
Am 1. November 2009 traten neue tarifliche Regelungen für den Sozial- und Erziehungsdienst in Kraft. Danach wurde die Klägerin von ihrer bisherigen Entgeltgruppe EG 9 TVöD in die neue Entgeltgruppe S 12Ü Stufe 5 TVöD überführt.
Mit Schreiben vom 5. März 2010 (vgl. Bl. 9 d. A.) machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 15 der Anlage C zum TVöD (VKA) geltend; wobei sie auch die Auffassung vertrat, dass bereits ihre Tätigkeit im PKD die Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) rechtfertige. Dem folgte die Beklagte nicht.
Im Rahmen ihrer Tätigkeit "Babynest/anonyme Geburt" und bei der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII stellt die Klägerin u. a. Anträge beim Familiengericht, um das Kindeswohl sicherzustellen. Die Klägerin ist im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben jedenfalls in einem Umfang von 10 % der Jahresarbeitszeit für Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff. SGB XIII sachbearbeitend zuständig, die auch der Krisenintervention bei Kindeswohlgefährdung dienen. Darüber hinaus ist sie zu jedenfalls 2 % ihrer Jahresarbeitszeit in den Notfalldienstplan der Beklagten eingegliedert, der gewährleistet, dass alle Mitarbeiter des ASD und des PKD in den Zeiten, in denen der Notfalldienstplan deren Zuständigkeit vorsieht, Entscheidungen im Rahmen der Kindeswohlgefährdung zu treffen haben, die keines weiteren Aufschubes bedürfen. Darüber hinaus trifft die Klägerin als Mitarbeiterin des PKD auch nach Auffassung der Beklagten bei der Versorgung von ca. 8 - 10 Kindern, die im Babynest abgegeben werden bzw. von 10 - 12 Kindern, die anonym geboren werden, existentielle Entscheidungen das Kindeswohl betreffend (vgl. insoweit auch den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 11. 07. 2011 - dort S. 4/5 oben, Bl. 163 f. d. A.). Hierbei handelt es sich u. a. um die Inobhutnahme und Sicherstellung der Erstversorgung durch Bereitschaftspflege, die Identitätssuche und die Bereitstellung einer Vollzeitpflege bzw. Durchführung des Adoptionsverfahrens. Diese Aufgaben erfordern auch Anträge an das Familiengericht. Diese Aufgaben machen jdfs. 15-20% der klägerischen Aufgaben aus.
Im Rahmen der Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII ist die Klägerin ganz überwiegend mit der Frage der Gewährung von Zusatzhilfen nach § 33 SGB XIII befasst. Diese Tätigkeit erfordert keine Anträge an das Familien- bzw. Vormundschaftsgericht. Im Rahmen der von ihr wahrgenommenen Inobhutnahme von Kindern gemäß § 42 SGB XIII stellt sie regelmäßig Anträge bei den Familiengerichten. Regelmäßig nach zwei Jahren der Betreuung von Kindern durch den ASD wird dem PKD und damit auch der Klägerin die Fallverantwortlichkeit nach § 33 SGB XII entsprechend Ziffer 1 der Verwaltungsvorschrift Nr. 113 übergeben. Sofern ein Amtsvormund oder eine Amtspflegschaft besteht, erfolgt die Erstellung eines 1. Hilfeplanes durch den ASD unter Beteiligung des PKD. Sobald die Hilfe auf Dauer angelegt ist, geht in diesen Fällen die Fallverantwortlichkeit auf den PKD über.
Sofern die Klägerin im Team entscheidet, handelt es sich um eine Kollegialentscheidung, die mehrheitlich getroffen wird, vgl. z. B. für Hilfen nach § 33 SGB XIII Ziffer 4.1 der Verwaltungsvorschrift Nr. 113.
Mit ihrer am 26. 08. 2010 bei dem Arbeitsgericht erhobenen und der Beklagten am 09. 09. 2010 (Bl. 15 d. A.) zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten - soweit in der Berufung noch streitgegenständlich -, sie ab dem 01. 11 2009 nach der Entgeltgruppe S 14 Stufe 5 TVöD (VKA) zu vergüten.
Die Klägerin behauptet, die von der Beklagten vorgenommene Eingruppierung sei fehlerhaft und entspreche nicht der von ihr tatsächlich ausgeübten Tätigkeit.
Ihre Tätigkeit sei jedenfalls - die ursprünglich begehrte Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 15 TVöD wird im Berufungsverfahren nicht mehr gefordert - in die Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) einzugruppieren. Dies ergebe sich bereits aus der Fallverantwortlichkeit für ihre Aufgabe im PKD, die sie ausübe.
Sie habe darüber hinaus Entscheidungen im Rahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr bei Kindeswohlgefährdung zu treffen. Insgesamt bearbeite sie im Bereich PKD der Beklagten durchschnittlich ca. 30 Vollzeitpflegefälle nach § 33 SGB VIII. Hiervon fielen ca. 75 % bis 80 % in die Fallverantwortlichkeit des PKD.
Als Mitglied des sozialpädagogischen Teams habe sie darüber hinaus bei den wöchentlich stattfindenden Teamberatungen an allen Fallberatungen und Entscheidungen mitzuwirken, die eine Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII nach sich zögen.
Weiter nehme sie an Helferkonferenzen des ASD teil, in denen über die Lebensperspektive von Kindern entschieden werde.
Sofern eine Inobhutnahme erforderlich sei, werde diese vom PKD selbst durchgeführt. Tatsächliche Entscheidungen zur Gefahrenabwehr in einer Pflegefamilie treffe ausschließlich der PKD, weil er und nicht der ASD die Pflegefamilie betreue und für diese verantwortlich sei.
Darüber hinaus habe sie bei Verfahren nach § 33 SGB VIII fortlaufend Aspekte möglicher Kindeswohlgefährdung zu prüfen und ggf. entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Die Beklagte habe ihr durch die Übertragung der Fallverantwortung bei den auf Dauer angelegten Pflegeverhältnissen gemäß §§ 27, 33 SGB VIII alle übrigen in der Protokollerklärung Nr. 113 erwähnten Aufgaben übertragen.
Ihr obliege die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten gemäß § 50 SGB VIII und die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen gemäß § 42 SGB VIII.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:
Es wird festgestellt, dass die beklagte Stadt verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01. November 2009 nach der Entgeltgruppe S 15 Stufe 5 zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe S 12 Stufe 5 und der Entgeltgruppe S 15 Stufe 5, beginnend mit dem 15. November 2009 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass die beklagte Stadt verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01. November 2009 nach der Entgeltgruppe S 14 Stufe 5 zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe S 12 Stufe 5 und der Entgeltgruppe S 14 Stufe 5, beginnend mit dem 15. November 2009 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin erfülle mit ihrer Tätigkeit die Aufgabenbereiche der Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) nicht.
Bezogen auf die Entgeltgruppe S 15 TVöD (VKA), die nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, handele es sich nicht um besonders schwierige und bedeutende Tätigkeiten.
Darüber hinaus sei die Klägerin hinsichtlich der Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) einen Beweis für ihre Behauptung, sie treffe Entscheidungen zur Vermeidung der Kindeswohlgefährdung, schuldig geblieben. Sie habe nicht die Befugnis, abschließend inhaltliche Sachentscheidungen zu treffen. Vielmehr arbeite sie insoweit im Team mit mehreren Sozialarbeitern des ASD zusammen. Sie sei in vielen Bereichen lediglich präventiv, nicht jedoch überwiegend kriseninvasiv eingesetzt.
Auch nach der neuen Protokollerklärung Nr. 13 zur Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) sei die Klägerin nicht in die Entgeltgruppe S 14 einzugruppieren. Die Entscheidungen zur Vermeidung der Kindeswohlgefährdung seien allein den Mitarbeitern des ASD übertragen.
Letztlich erfülle der Tätigkeitsbereich des PKD nicht zu mindestens 50 % die Anforderungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD, Allenfalls zu 27 - 32 % übe sie Tätigkeiten aus, die mit einer Gefahren ab wehr das Kindeswohl betreffend einhergingen (s. o. S. 5 des Urteils: 10% + 2% + 15-20%).
Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 15 TVöD (VKA) abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung nicht gegeben seien.
Die Klägerin sei auch nicht in die Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) eingruppiert. Die Klägerin treffe nicht mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitsaufgaben Entscheidungen zur Vermeidung einer Gefährdung des Kindeswohls. Zwar sei die Klägerin auch in dem Bereich der Gefahrenabwehr tätig, jedoch nicht zu mindestens zur Hälfte ihrer Gesamttätigkeit. Nicht jede Unterbringung von Kindern in einer Pflegefamilie sei gleichbedeutend mit der Gefährdung des Kindeswohls. Entscheidungen im Rahmen von Notfalldiensten seien nicht ausreichend, dieses Quorum festzustellen. Entscheidend für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe S 14 TVöD (VKA) sei die besondere Situation einer Krisenintervention. Solche Aufgaben übe die Klägerin nicht deutlich wahrnehmbar aus.
Das Urteil ist der Klägerin zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 03. 04. 2012 zugestellt worden, Bl. 233 d. A..
Hiergegen hat die Klägerin mit am 27. 04. 2012 eingegangenen Schriftsatz vom 26. 04. 2012 (Bl. 236 d. A.) Berufung eingelegt.
Mit am Montag, dem 04. 06. 2012, eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage (Bl. 242 d. A.) hat die Klägerin die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt. Dem Fristverlängerung bis einschließlich 03. 07. 2012 wurde ausweislich des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts vom 05. 06. 2012 (Bl. 243 d. A.) antragsgemäß stattgegeben.
Am 22. 06. 2012 ging die Berufungsbegründung vom 21. 05. 2012 ein, Bl, 245 d. A.. Die Klägerin hat ihre Berufung auf die Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 Stufe 5 TVöD (VKA) beschränkt.
Selbst wenn die Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) in erster Linie auf Mitarbeiter des ASD abstelle, übe die Klägerin jedoch im Rahmen einer Organisationsentscheidung der Beklagten vergleichbare Aufgaben aus. Darüber hinaus sei nicht darauf abzustellen, dass jegliche ihrer Aufgaben im PKD eine Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls betreffen müssten. Denn in der hierzu ergangenen Protokollerklärung Nr. 13 fielen auch damit in Zusammenhang stehende Tätigkeiten unter die höhere Entgeltgruppe. Von den im Jahr 2012 von ihr zu betreuenden 25 Pflegeverhältnissen habe die Fallverantwortlichkeit in 22 Fällen bei der Klägerin gelegen. Im Jahr 2012 habe sie 5 Adoptionsvermittlungen durchgeführt. Hierbei habe ihr die alleinige Fallverantwortung oblegen.
Zwar sei zutreffend, dass der Klägerin als Mitarbeiterin des PKD die Fallverantwortlichkeit im Rahmen von Maßnahmen nach § 27 ff. SGB VIII (§ 33 SGB VIII) erst nach Ablauf von 2 Jahren übertragen werde. Allerdings schreibe sie die vorhandenen Hilfepläne entgegen der Auffassung der Beklagten nicht einfach fort, sondern überprüfe diese auch, ob sie noch angemessen seien, was insbesondere im Hinblick auf das Fortschreiten des Alters des Kindes stets notwendig sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 22. 02. 2012, Aktenzeichen 9 Ca 2522/10 E, festzustellen, dass die beklagte Stadt verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01. 11. 2009 nach der Entgeltgruppe S 14 Stufe 5 zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der Entgeltgruppe S 12 Stufe 5 und der Entgeltgruppe S 15 Stufe 5, beginnend mit dem 15. 11. 2009 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Das Arbeitsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht mindestens im Umfang von 50 % ihrer gesamten Tätigkeit Entscheidungen zur Vermeidung einer Gefährdung des Kindeswohls treffen müsse. Ein solcher Umfang sei mindestens notwendig, um eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) zu rechtfertigen, da die Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) kein Heraushebungsmerkmal sei, sondern Eigenstellung besitze.
Auf die Verfahrensvorschrift Nr. 113 der Beklagten könne sich die Klägerin nicht berufen. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei tatsächlich um eine Organisationsverfügung i. S. d. Protokollerklärung Nr. 13 zur Anlage C TVöD (VKA) handle. Denn auch die Verfahrensschrift Nr. 113 übertrage der Klägerin gerade nicht die alleinige und abschließende Sachentscheidungskompetenz.
Die Fallverantwortlichkeit wechsle vom ASD auf den PKD erst nach 2 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt seien die Handlungsmaßnahmen schon im Hilfeplan verbindlich festgelegt. Die Klägerin schreibe diesen Hilfeplan lediglich fort.
Soweit der Klägerin die notwendige Installation von Zusatzhilfen gemäß §§ 33 SGB VIII zur Gefahrenabwehr obliege, geschehe dies auch erst nach 2 Jahren.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen zu den Protokollen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
1.
Die statthafte (§ 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 ArbGG), zulässige (§§ 66 Abs. 1, 519, 520 ZPO) Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
2.
Das Arbeitsgericht hat ihre Klage auf Vergütung nach der Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) ab dem 01. 11. 2009 zu Unrecht abgewiesen. Lediglich hinsichtlich des Zinsantrages ist die Klage teilweise unbegründet.
a)
Der Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin seit dem 01. 11. 2009 nach der Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA) vergüten und die Bruttodifferenzbeträge verzinsen muss, ist zulässig (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG vom 25. Februar 2009 - 4 AZR 20/08 - [...]).
b.)
Die Klägerin hat ab dem 01. 11. 2009 Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA).
Auf das Arbeitsverhältnis finden - dies ist zwischen den Parteien ausweislich der Erklärungen im Protokoll der Berufungsverhandlung vom 19. 02. 2013 (Bl. 293 d. A.) unstreitig - die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst und mithin u. a. der TVöD (VKA) Anwendung.
Die Eingruppierung richtet sich damit grundsätzlich nach §§ 12 ff. TVöD (VKA), über deren Inhalt sich die Tarifvertragsparteien allerdings noch nicht geeinigt haben. Gemäß § 17 Abs. 1 des Überleitungstarifvertrages (TVÜ) gelten daher bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD die §§ 22, 23, 25 BAT-O fort, so dass auf die bisherigen Eingruppierungsgrundsätze zum BAT/BAT-O zurückgegriffen werden kann.
Der Ausgang des Rechtsstreites hängt deshalb gemäß § 22 Abs. 1 und 2 BAT-O davon ab, ob die Klägerin mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitszeit Arbeitsvorgänge zu bearbeiten hat, welche die tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) erfüllen.
Das ist vorliegend der Fall.
3.
Die Tätigkeit der Klägerin ist in 2 (größere) Arbeitsvorgänge zu gliedern.
Die Tätigkeit der Klägerin ais Sachbearbeiterin Adoptionsvermittlung bildet einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Gleiches gilt für die Tätigkeit der Klägerin als Sachbearbeiterin Pflegekinderdienst (PKD).
Dies gilt auch vor Inkrafttreten der Protokollnotiz Nr. 13 (in Kraft seit 01. 01. 2011) und damit im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum.
a)
Unter einem Arbeitsvorgang i. S. d. BAT-O ist eine unter Berücksichtigung der Zusammenhangstätigkeiten bei Annahme einer sinnvollen und vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare, rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen. Dabei ist es möglich, dass die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen oder zwei größere Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter oder nur in zwei Bereiche aufteilbar und einer rechtlichen Bewertung zugänglich ist. Dagegen können tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlich tariflicher Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BAG vom 19. Mai 2010 - 4 AZR 912/08, [...] Rdnr. 16 m. w. N.).
b.)
Die Anwendung dieser Grundsätze führt zur Annahme von 2 größeren Arbeitsvorgängen, die jeweils einen Anteil von 50 % an der Gesamtarbeitszeit umfassen. Diese Tendenz, bei Tätigkeiten im sozialen Bereich eher von einem oder wenigen größeren Arbeitsvorgängen auszugehen, ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vielfach festzustellen.
aa.)
Das Bundesarbeitsgericht hat in Eingruppierungsstreitigkeiten von Sozialarbeitern regelmäßig angenommen, dass die gesamte, einem Sozialarbeiter übertragene Tätigkeit als einheitlicher Arbeitsvorgang anzusehen sei, da seine Tätigkeit auf ein einheitliches Arbeitsergebnis, nämlich die Betreuung des ihm zugewiesenen Personenkreises gerichtet sei. Demgemäß habe ihre Tätigkeit Funktionscharakter. Die einzelnen von ihnen ausgeübten Tätigkeiten seien tatsächlich nicht trennbar und tariflich einheitlich zu bewerten (vgl. Nachweise in: BAG vom 14. Dezember 1994 - 4 AZR 950/93, [...] Rdnr. 24).
Auch die Tätigkeiten eines Sozialarbeiters in der Jugendgerichtshilfe hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung als einen Arbeitsvorgang angesehen, soweit die zugewiesenen Jugendlichen und gegebenenfalls deren Familien im Rahmen der Jugendgerichtshilfe zu betreuen seien, BAG, vom 25. März 1998 - 4 AZR 666/96 - und vom 14. Dezember 1994 - 4 AZR 1950/93 - Alle damit verbundenen Einzeltätigkeiten dienten zum ganz überwiegenden Teil der sozialpädagogischen Betreuung der zugewiesenen Jugendlichen und Heranwachsenden im zuständigen Gerichtsdezernat. Diese Tätigkeit könne auch nicht in die jeweiligen Betreuungsfälle, etwa eines bestimmten Jugendlichen in einem bestimmten Jugendgerichtsverfahren mit bestimmten Defekten und bestimmten Maßnahmen und Strafen etc. aufgegliedert werden, auch wenn die Jugendgerichtshilfe aktenbezogen auf den einzelnen Jugendlichen wahrgenommen würde. Denn es stehe nicht von vornherein fest, welchen Schwierigkeitsgrad ein einzelner Fall aufweise; dies zeige sich häufig erst im Zuge der Bearbeitung.
Für den Bereich einer Adoptionsvermittlung hat das BAG im Urteil vom 14. 12. 1994 - 4 AZR 935/93 - auf seine früheren Urteile zu Betreuungsaufgaben Bezug genommen und die gesamte Tätigkeit der Angestellten als einen Arbeitsvorgang bewertet. Die Trennung nach unterschiedlich zu bewertenden (schwierigen oder leichten) Tätigkeiten lehnt das BAG ab, weil nicht von vornherein feststehe, welchen Schwierigkeitsgrad ein Fall aufweise. Dies stelle sich erst im Zuge der Bearbeitung heraus.
Die Tätigkeit eines Sozialarbeiters im sozialpsychiatrischen Dienst umfasse ebenfalls nur einen großen Arbeitsvorgang. Eine Trennung nach Schwierigkeitsgrad sei ebenfalls nicht möglich, da sich dies erst während der Betreuung herausstelle, vgl. BAG, Urteil vom 10. 07. 1996 - 4 AZR 139/95 -.
Im gleichen Sinne hat das BAG im Urteil vom 04. 09. 1996 - 4 AZR 177/95 - geurteilt und angenommen, dass Betreuungsaufgaben eines Sozialarbeiters in einem Jugendhaus einen großen Arbeitsvorgang darstellen, der nicht in Einzelfälle untergliedert werden könne. In der Entscheidung vom 06. 08. 1997 - 4 AZR 891/95 - hat das BAG angenommen, dass klientenbezogene Sozialarbeit ein Arbeitsvorgang sei.
bb.)
Diesen Grundsätzen schließt sich die hier erkennende Kammer an. Die Übertragung von Aufgaben der Adoptionsvermittlung und des PKD auf die Klägerin stellen zwei Arbeitsvorgänge mit jeweils 50 % der gesamten Tätigkeit der Klägerin dar. Diese beiden Arbeitsvorgänge sind aber voneinander zu trennen, da beide zu völlig unterschiedlichen Ergebnisse führen. Während die Adoption den dauerhaften Verbleib des Kindes in einer Familie mit statusrechtlichen Folgen zum Ziel hat, dient die Betreuung und Vermittlung von Pflegekindern dem vorübergehenden Aufenthalt in anderen Erziehungseinheiten ohne statusrechtliche Folgen.
cc.)
Unter Berücksichtigung diese Maßstäbe ist die Klägerin ist in die Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) eingruppiert, wenn entweder beide oder einer der von ihr wahrgenommenen Arbeitsvorgänge in diese Entgeltgruppe einzugruppieren ist. Denn gemäß § 22 Abs. 1 BAT-O ist der Arbeitnehmer in die Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeit er ausübt. Diese Tätigkeit übt der Arbeitnehmer aus, wenn er sie überwiegend wahrnimmt. Eine überwiegende Wahrnehmung ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer mindestens 50 % seiner Gesamttätigkeit Arbeitsvorgänge mit höherwertigen Tätigkeiten auszuführen hat.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sind folgende Entgeltgruppen zu untersuchen;
S 12
Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1 und 11)
Protokollerklärungen:
Nr. 1:
...
Nr. 11:
Schwierige Tätigkeiten sind z. B. die
a) Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
b) Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
c) begleitende Fürsorge für Heimbewohnerinnen/Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohnerinnen/Heimbewohner,
d) begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
e) Koordinierung der Arbeiten mehrerer Beschäftigter mindestens der Entgeltgruppe S 9.
S 14
Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z. B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise).
(Hierzu Protokollerklärung Nrn. 12 und 13)
Protokollerklärungen:
Nr. 12:
Unter die Entgeltgruppe S 14 fallen auch Beschäftigte mit dem Abschluss Diplompädagoge/Diplompädagoge, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten von Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung ausüben, denen Tätigkeiten der Entgeltgruppe 14 übertragen sind.
Nr. 13 (in Kraft seit dem 01.01.2011):
Das "Treffen von Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls und die Einleitung von Maßnahmen in Zusammenhang mit dem Familiengericht bzw. mit dem Vormundschaftsgericht, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind", sind im Allgemeinen Sozialen Dienst bei Tätigkeiten im Rahmen der Fallverantwortung bei
- Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII,
- der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII,
- die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII),
- der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50 SGB VIII)
einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten erfüllt.
Die Durchführung der Hilfen nach den getroffenen Entscheidungen (z. B. Erziehung in einer Tagesgruppe, Vollzeitpflege und Heimerziehung) fällt nicht unter die Entgeltgruppe S 14.
Die in Aufgabenbereichen außerhalb des Allgemeinen Sozialen Dienstes wie z. B. Erziehungsbeistandsschaft, Pflegekinderdienst, Adoptionsvermittlung, Jugendgerichtshilfe, Vormundschaft, Pflegschaft auszuübende Tätigkeiten fallen nicht unter die Entgeltgruppe S 14, es sei denn, dass durch Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers im Rahmen dieser Aufgabenbereiche ebenfalls Tätigkeiten auszuüben sind, die Voraussetzung von Satz 1 erfüllen.
Danach gilt Folgendes:
Das Merkmal des Treffens von Entscheidungen und Einleitung von Maßnahmen ist so gefasst, dass es sich nicht von den anderen Betreuungstätigkeiten abtrennen lässt und vernünftigerweise nur auf die Gesamttätigkeit zu beziehen ist.
Sämtliche im Rahmen des zweiten Arbeitsvorganges (Pflegekinderdienst) ausgeübten Tätigkeiten der Klägerin sind daher demselben Arbeitsvorgang zuzurechnen. Dies trifft insbesondere auch auf die vorbereitende Tätigkeit der Gewinnung, Überprüfung, Beratung und Begleitung von Pflegefamilien nach Ziffer 3.1 der Stellenbeschreibung und die in Ziffer 3.5 genannten weiteren Aufgaben zu. Hierbei handelt es sich um Zusammenhangstätigkeiten, wie sie auch in der Protokollnotiz Nr. 13 und in der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 BAT ausdrücklich erwähnt sind. Es spricht angesichts der bei Schaffung der S-Eingruppierungsgruppen bekannten, oben unter 3 b.) aa.) referierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nämlich alles dafür, dass die Tarifvertragsparteien die Eingruppierung auf die Funktion eines Sozialpädagogen, der bestimmte Entscheidungen trifft, abstellen wollten. Wem die Verantwortung übertragen ist, zur Vermeidung einer Gefährdung des Kindeswohls die genannten Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen einzuleiten, der soll nach der Entgeltgruppe S 14 vergütet werden. Es wäre auch andernfalls nicht planbar und dem Zufall überlassen, wie oft der Sachbearbeiter, dem die entscheidende Kompetenz übertragen wurde, mit den genannten Entscheidungen und Maßnahmen befasst wäre.
Innerhalb des Arbeitsvorganges Pflegekinderdienst (PKD) erfüllt die Klägerin die Anforderungen an die Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA). Schon nach der eigenen Tätigkeitsdarstellung und Stellenbeschreibung der Beklagten vom 13. 11. 2008 (Bl. 5 ff. d. A.) wirkt die Klägerin laut Ziffer 3.2 in den sog. Hilfeplanverfahren bei Dauerpflegen und Hilfen für junge Volljährige nach § 36 SGB VIII mit und trifft dabei Entscheidungen zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung. Außerdem erfüllt sie damit nach Inkrafttreten der Protokollnotiz Nr. 13 ab dem 01. 01. 2011 eines der Fallbeispiele der Protokollnotiz Nr. 13 zur Anlage C TVöD. Hier berät und begleitet sie die Betroffenen in spezifischen Lebens- und Erziehungsfragen. Ihr obliegen außerdem Problemlösungsstrategien.
Gemäß Ziffer 3.3 der Stellenbeschreibung ist sie darüber hinaus im Wächteramt mit Aufgaben zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang mit der Vollzeitpflege, der Pflegschaft, Vormundschaft und Pflegeerlaubnis betraut. Auch diese Tätigkeit hat eindeutigen Bezug zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung, wie sich bereits aus der Formulierung "Wächteramt", "Schutz von Kindern ..." ergibt. Diese Aufgaben bewertet selbst die Beklagte mit 10 % als höherwertig, wie sie im Schriftsatz vom 11. 07. 2011 unter Bezugnahme auf die "Leitungskräfte im Amt für Kinder, Jugend und Familie" (Bl. 163 d. A.) ausführt, wenn sie immerhin angibt, dass solche Tätigkeiten der Klägerin sich auf "nur wenige Fälle der Krisenintervention und Kindeswohlgefährdung" beschränken und das "der zu veranschlagende Zeitanteil sämtlicher zuvor dargestellter Tätigkeiten max. 10 % der Jahresarbeitszeit umfassen kann."
Darüber hinaus wirkt sie - und dies wird auch von der Beklagten nicht bestritten - im Rahmen so genannter Notfalleinsätze zu 2 % ihrer Gesamttätigkeit bei der Inobhutnahme von Kindern gem. § 42 SGB VIII mit und trifft in diesen Fällen Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls. Damit erfüllt sie tatbestandliche Aufgaben und erfüllt - jdfs. ab 01. 01. 2011 - ein weiteres Fallbeispiel der Protokollnotiz Nr. 13 zur Eingruppierungsgruppe S 14 TVöD.
Im Rahmen der Inobhutnahme von Kindern nach § 42 SGB VIII stellt sie darüber hinaus Anträge bei den Familiengerichten. Dies spiegelt sich auch in Ziffer 3.4 der Stellenbeschreibung wieder, wenn es dort heißt: "Zuarbeiten und Mitwirkung bei familiengerichtlichen Sorgerechtsverfahren zur Sicherung des Kindeswohls und im Rahmen der Verbleibensanordnung." Hinsichtlich der Inobhutnahme von Kindern gesteht selbst die Beklagte der Klägerin zu, bis zu 20 % ihrer Tätigkeit existenzielle Aufgaben zur Vermeidung der Kindesgefährdung wahrzunehmen. Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 11. 07. 2011 (Bl. 163 d. A.) hierzu ausgeführt: "In diesen Fällen sind, durch den PKD in der Tat existentielle Entscheidungen (das Kindeswohl betreffend) zu treffen. Diese sind u. a. die Inobhutnahme und Sicherstellung der Erstversorgung durch Bereitschaftspflege, die Identitätssuche und Bereitstellung einer Vollzeitpflege."
Darüber hinaus gesteht die Beklagte der Klägerin zu, im Rahmen der Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII, insbesondere im Bereich der Zusatzhilfen nach § 33 SGB VIII, Maßnahmen zu treffen, die sich nach dem Kindeswohl richten. Dies gilt It. Ziffer 8.1 der Verwaltungsvorschrift Nr. 113 auch im Fall des drohenden Abbruches des Pflegeverhältnisses, denn insoweit ist die Klägerin in die Teamentscheidung eingebunden, da sie Mitglied desselben ist.
Damit nimmt die Klägerin auch nach Auffassung der Beklagten insgesamt Aufgaben im Umfang von 32 % wahr, die innerhalb des Arbeitsvorgangs zu 2. der Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) zuzuordnen sind. Dies gilt auch für die Aufgabe im Rahmen der Findelkinderbetreuung und der anonymen Geburt, denn soweit es um deren Betreuung geht, nimmt die Beklagte im Schriftsatz vom 11. 07. 2011 (Bl. 163 d. A.) die Zuständigkeit des PKD für die Inobhutnahme und Sicherstellung der Erstversorgung an und ordnet diese Aufgaben nicht der Adoptionsvermittlung zu. Dem schließt sich die erkennende Kammer auch hinsichtlich der organisatorischen Eingliederung dieser Aufgabe an.
Dass die Klägerin insoweit nicht bei jeder ihrer Maßnahmen zur Kindesgefährdung mit den Gerichten zusammenarbeitet, ist irrelevant. Denn sie nimmt die Aufgaben dieses kumulativen Tatbestandsmerkmals nach der Stellenbeschreibung gem. deren Ziffer 3.4 wahr. Dort heißt es: "Zuarbeiten und Mitwirkung bei familiengerichtlichen Sorgerechtsverfahren zur Sicherung des Kindeswohls".
Zwar fallen die Aufgaben des PKD, soweit sie außerhalb des ASD anfallen, gemäß Nr. 13 S. 3 der Protokollnotiz zur Anlage C TVöD (VKA) grundsätzlich nicht unter die Entgeltgruppe S 14. Allerdings ist vorliegend die ebenfalls in Satz 3 genannte Ausnahme zu Gunsten der Klägerin anzunehmen. Denn die Aufgaben außerhalb des ASD - wie z. B. Pflegekinderdienst - fallen dann unter die Entgeltgruppe S 14, wenn durch Organisationsentscheidung des Arbeitgebers ebenfalls Tätigkeiten auszuüben sind, die die Voraussetzungen von S. 1 der Protokollnotiz Nr. 13 zur Anlage C TvÖD (VKA) zu erfüllen sind.
Dies ist vorliegend der Fall.
Die von der Klägerin im Rahmen des PKD wahrzunehmenden Aufgaben sind Gegenstand der Verfahrensvorschrift Nr. 113 der Beklagten. Hierbei handelt es sich um eine Organisationsentscheidung der Beklagten. Sofern die Beklagte dies in Abrede stellt, irrt sie. Durch die Verwaltungsvorschrift Nr. 113 sind Zuständigkeitsregelungen im Bereich des PKD und der Adoptionsbetreuung geregelt worden. Dadurch wird die Organisation bei dem Arbeitgeber in diesem Bereich durch eine allgemeine Anordnung, die von der entsprechenden Amtsleitung unterzeichnet wurde, geregelt. Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung der Zuständigkeitsorganisation der Beklagten i. S. d. Protokollnotiz Nr. 13.
Dies gilt auch für die streitgegenständliche Zeit vor Inkrafttreten der Protokollnotiz am 01. 01. 2011. Denn es sind keine Anhaltspunkte von den Parteien vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien durch die Schaffung der Protokollnotiz Nr. 13 inhaltlich etwas an den Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) ändern wollten.
dd.)
Insgesamt erbringt die Klägerin die streitgegenständlichen Anforderungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) auch in einem rechtserheblichen und somit für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals ausreichenden Maße.
Die qualifizierende Anforderung eines Tatbestandsmerkmals muss innerhalb eines Arbeitsvorgangs nämlich nur in einem näher zu bestimmenden "rechtserheblichen" Ausmaß erfüllt werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es zur Einordnung des Arbeitsvorganges PKD keiner Wahrnehmung der Entscheidungen zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung zu 100 %. Die Beklagte stellt dabei fehlerhaft auf die Wahrnehmung der herausgehobenen Aufgaben der Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) im Verhältnis zur Jahresarbeitszeit ab. Dies ist nicht zutreffend, weil die entsprechenden Eingruppierungsvorschriften nicht auf die Jahresarbeitszeit, sondern auf das Vorliegen von Arbeitsvorgängen abstellen, die zumindest bezogen auf die gesamte Tätigkeit des Angestellten zu 50 % höherwertig sind.
In der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT heißt es:
Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen einschließlich Zusammenhangsarbeiten, die bezogen auf einen Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtungsweise abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z. B....). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.
Das Bundesarbeitsgericht hat daraus in ständiger Rechtsprechung zum BAT gefolgert, dass bei einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit die qualifizierenden Aufgaben einer Vergütungsgruppe innerhalb dieser Gesamttätigkeit ihrerseits nicht wiederum überwiegend anzufallen brauchen; vielmehr genüge es, dass solche Tätigkeiten nicht in unerheblichem Maße innerhalb eines Arbeitsvorganges erfüllt werden (BAG, Urteil vom 18. 09. 1971 - 4 AZR 367/70 -, [...]). Das in Satz 2 der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT-O vereinbarte Aufspaltungsverbot gestatte es nicht, einen Arbeitsvorgang weiter nach Teiltätigkeiten unterschiedlicher Wertigkeit aufzuspalten. Eine Gewichtung an dieser Stelle des Eingruppierungsvorganges finde nicht mehr statt; die Bewertung erfolge einheitlich für den gesamten Arbeitsvorgang. Es bedürfe dabei weder eines Übergewichts noch eines "Gepräges" des Arbeitsvorganges durch die für die Bewertung maßgebende Teiltätigkeit. Es genüge, wenn innerhalb eines Arbeitsvorganges überhaupt konkrete Tätigkeiten verrichtet würden, die die Anforderung des höheren Tätigkeitsmerkmals erfüllen. Dann sei der Arbeitsvorgang in seinem gesamten zeitlichen Umfang dem höheren Tätigkeitsmerkmal zuzuordnen (ständige Rechtsprechung, BAG, Urteil vom 28. 01. 2009, 4 AZR 13/08, [...] Rdnr. 47 m. w. N.). Lediglich dann, wenn die höher bewerteten Anteile der Arbeit kein "rechtserhebliches" Ausmaß innerhalb des zu bewertenden Arbeitsvorganges erlangten, könnten sie außer Betracht gelassen werden. Bei der Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes stehe den Tatsacheninstanzen ein Beurteilungsspielraum zu, (BAG, Urteil vom 22. 03. 1995, 4 AZN 1105/94). Als rechtserheblich hat das Bundesarbeitsgericht z. B. bereits einen zeitlichen Anteil von 7 % selbständiger Leistungen in einem Arbeitsvorgang angesehen, der insgesamt 35 % der Gesamttätigkeit ausmacht, Urteil vom 18. 05. 1994 - 4 AZR 461/93 -.
Dieser Rechtsprechung folgt die Kammer.
Die von der Klägerin wahrgenommenen und auch von der Beklagten zugestandenen 32 % der höherwertigen Aufgaben innerhalb des Arbeitsvorganges PKD, der seinerseits 50 % der Gesamttätigkeit ausmacht, sind keine rechtsunerhebliche Tätigkeit. Zu 32 % ihrer Tätigkeiten nimmt die Klägerin im Arbeitsvorgang PKD Aufgaben wahr, die der Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls dienen. Hierbei handelt es sich einerseits um die Inobhutnahme von Kindern gemäß § 42 SGB VIII, die Gewährung von Zusatzhilfen gemäß § 33 SGB VIII, die in den Kanon des Anwendungsbeispiels des § 27 SGB VIII nach der Protokollnotiz Nr. 13 fallen, und um Tätigkeiten im Rahmen der Hilfeplangestaltung nach § 36 SGB VIII. Selbst wenn der Klägerin für Maßnahmen nach § 36 SGB VIII die Fallverantwortung erst nach 2 Jahren übertragen wird, und zu diesem Zeitpunkt die Hilfepläne bereits festgeschrieben sind, ist die Klägerin jedoch zumindest für deren Fortschreibung zuständig. Eine Fortschreibung ist nach Auffassung der Kammer ebenfalls höherwertig i. S. d. Entgeltgruppe S 14, weil auch bei Prüfung der Fortschreibung des Hilfeplanes Entscheidungen bzgl. des Kindeswohls zu treffen sind. Hierbei handelt es sich um die Entscheidung, ob die festgelegten Maßnahmen im Hilfeplan noch ausreichend sind. Allein die fortlaufende Prüfung erfüllt das Merkmal der Fallverantwortlichkeit der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII i. S. v. Ziffer II. 3.2. der Stellenbeschreibung. Dies greift bereits wegen des fortschreitenden Alters der zu betreuenden Kinder Platz. Damit umfasst die Tätigkeit der Klägerin auch bei der Fortschreibung von Hilfeplanmaßnahmen jedenfalls die Möglichkeit der Veränderung. Dies ist ausreichend, um jene Tätigkeiten nach § 36 SGB VIII als solche i. S. d. Protokollnotiz Nr. 13, deren Erfüllung die höherwertige Tätigkeit nach der Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) nach sich zieht, zu qualifizieren.
ee.)
Die Zuerkennung der Stufe 5 ist zwischen den Parteien unstreitig, wie sich einerseits aus S. 3 des Schriftsatzes vom 23. 01. 2012, wenn die Beklagte ausführt, dass die Stufe 4 nicht nachvollziehbar sei, weil die Klägerin durch eine Höhergruppierung nicht schlechter gestellt werden dürfe und i. Ü. aus dem Protokoll über die Berufungskammerverhandlung vom 19. 02. 2013 ergibt.
4.
Das spätere Inkrafttreten der Protokollnotiz Nr. 13 am 01. 01. 2011 mit Änderungstarifvertrag Nr. 11 vom 24. 01. 2011 hat für den vorliegenden Fall an der materiell-rechtlichen Lage nichts geändert. Insbesondere erfüllte die Klägerin bereits vorher das tarifliche Merkmal des Treffens von Entscheidungen und der Einleitung von Maßnahmen, wie oben dargelegt wurde.
5.
Die tarifliche Ausschlussfrist aus § 37 Abs. 1 TVöD (VKA) hat die Klägerin mit Schreiben vom 05. 03. 2013 gewahrt. Dort hat sie u. a. hervorgehoben, dass die Tätigkeit im PKD die Einstufung in die Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) rechtfertige.
6.
Die Beklagte ist gemäß § 288 Abs. 1 BGB verpflichtet, die monatlichen Bruttodifferenzbeträge mit 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils ab dem 01. der Folgemonate zu verzinsen, da sich die Beklagte gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den jeweiligen Forderungen ohne Mahnung kalendermäßig ab dem 01. des Folgemonats in Verzug befindet, wobei sich die Differenz auf das bezogene Gehalt nach der Entgeltgruppe 12 Ü und der jeweiligen Höhe nach der Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) bezieht.
Dagegen konnte der Klägerin nicht gefolgt werden, soweit sie eine monatliche Verzinsung bereits ab dem 15. des jeweiligen Zahlmonats begehrt, da die Fälligkeit der jeweiligen höheren Vergütung erst am 01. des Folgemonats eintritt, § 24 TVöD (VKA); insoweit war die Berufung teilweise zurückzuweisen.
7.
Eines Schriftsatznachlasses bedurfte es nicht, weil die Kammer auf den Vortrag im Schriftsatz vom 14. 02. 2013 nicht abgestellt hat und er i. Ü. nicht bestritten ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
IV.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.