Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

04.05.2016 · IWW-Abrufnummer 185677

Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 15.10.2015 – 1 K 436/14

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FG Sachsen

15.10.2015 - 1 K 436/14

In dem Finanzrechtsstreit
Frau S
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte/r:
gegen
Finanzamt
- Beklagter -

wegen Einkommensteuer 2012

hat der 1. Senat unter Mitwirkung
des Richters am Finanzgericht XXX als Vorsitzendem,
des Richters am Finanzgerichts XXX,
des Richters am Finanzgericht
sowie der ehrenamtlichen Richter XXX und

ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 15. Oktober 2015 für Recht erkannt:

Tenor:

1.
Die Klage wird abgewiesen.

2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3.
Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Sockelbetrag des Elterngeldes im Rahmen der Berechnung des Höchstbetrags gem. § 33a Abs. 1 EStG zu den Bezügen der unterhaltenen Person zählt.

Die Klägerin war im Streitjahr 2012 ledig und erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie ist Mutter zweier 2012 geborener Kinder. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2013 setzte der Beklagte (das Finanzamt) die Einkommensteuer auf EUR 2.374,00 fest.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie die Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen an den unterhaltsberechtigten Vater ihrer Kinder in Höhe von insgesamt 124,38 EUR als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG begehrte (geleisteter Unterhalt laut Einkommensteuererklärung 2012: 1.334,-- EUR). Der unterhaltsberechtigte Kindesvater erhielt im Veranlagungszeitraum für November und Dezember 2012 Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) in Höhe von monatlich 1.016,81 EUR. Mit Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2014 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Dabei ging es davon aus, dass das Elterngeld in vollem Umfang als anrechenbare Bezüge des Unterhaltsberechtigten anzusehen sei. Somit überstiegen die anzurechnenden Bezüge den anteiligen Höchstbetrag von 1.334,-- EUR (2/12 x 8.004,-- EUR).

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass bei der Festsetzung der Einkommensteuer die Unterhaltsleistungen in Höhe von 124,38 EUR zu berücksichtigen seien. Bei der Anrechnung der Einkünfte und Bezüge der unterhaltsberechtigten Person auf die Unterhaltsleistungen sei der Sockelbetrag des Bundeselterngeldes (300,-- EUR nach § 2 Abs. 4 BEEG) anrechnungsfrei. Nach § 11 BEEG bleibe der Mindestbetrag des Elterngeldes bei der Berechnung des zivilrechtlichen Unterhalts unberücksichtigt. Das Steuerrecht gem. § 33a Abs. 1 EStG folge den zivilrechtlichen Regelungen. Bis zum Veranlagungszeitraum 2011 sei in H32.10 EStH geregelt gewesen, dass der Mindestbetrag des Elterngeldes bei der Prüfung der Einkünfte und Bezüge im Rahmen des Familienleistungsausgleichs unberücksichtigt bleibe. Eine ausdrückliche Regelung bezüglich des Mindestbetrags beim Elterngeld enthalte auch die danach einschlägige R33a. 1 Abs. 3 EStR nicht. Der Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. September 2009 VI B 31/09 führe zu keinem anderen Ergebnis, da dieser zum Progressionsvorbehalt ergangen sei. Diese strenge Auffassung gelte aber nicht bei der Berechnung der eigenen Bezüge des Elterngeldbeziehers, da hier nur Beträge berücksichtigt werden dürften, die zum Lebensunterhalt bestimmt seien; der Mindestbetrag gehöre wegen § 11 BEEG aber zweifelsfrei der Förderung der Familie.

Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Bescheides vom 11. Oktober 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2014 die Einkommensteuer 2012 auf den Betrag herabzusetzen der sich ergibt, wenn Unterhaltsleistungen in Höhe von EUR 124,38 EUR als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Das Finanzamt beantragt
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass das Bundeselterngeld in voller Höhe als Bezüge des Unterhaltsempfängers anzusehen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht übersandte Rechtsbehelfsakte Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen in Höhe von 125,-- EUR als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer 2012.

I. Das erhaltene Elterngeld ist bei der Ermittlung des abzugsfähigen Höchstbetrags gem. § 33a Abs. 1 EStG einschließlich des Sockelbetrags als Bezug der unterhaltsberechtigten Person zu berücksichtigen. Im Einzelnen:

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird gemäß § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG (in der im Streitjahr 2012 geltenden Fassung) auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.004,-- EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge, so vermindert sich gemäß § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG der (ggf. nach Satz 2 erhöhte) Höchstbetrag um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 624,-- EUR im Kalenderjahr übersteigen. Zu den Bezügen zählen auch steuerfreie Gewinne nach den §§ 14, 16 Abs. 4, § 17 Abs. 3 und § 18 Abs. 3 EStG, die nach § 19 Abs. 2 EStG steuerfrei bleibenden Einkünfte sowie Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, soweit sie die höchstmöglichen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG übersteigen. Der früher in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. enthaltene Verweis auf § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist ab dem Veranlagungszeitraum 2010 entfallen; mit dem Veranlagungszeitraum 2012 wurde zudem der Verweis auf § 32 Abs. 4 Satz 4 EStG aufgehoben und der bisherige Regelungsgehalt des § 32 Abs. 4 Satz 4 wortgleich in § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG übernommen, da die Einkünfte- und Bezügegrenze in § 32 Abs. 4 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz (StVereinfG) 2011 abgeschafft worden war.

Vom Begriff der Bezüge werden nach der Rechtsprechung des BFH alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert erfasst, die nicht steuerbar sind und damit im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung nicht erfasst werden, sofern sie zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bestimmt oder geeignet sind (vgl. BFH-Urteil VI R 60/08, BFH/NV 2009, 1418 [BFH 26.03.2009 - VI R 60/08] m.w.N.). Letzteres gilt nach Auffassung des Senats auch nach Streichung des Verweises auf § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (so auch Loschelder in Schmidt, EStG, 33. Auflage, § 33a Rn. 27; Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 33a Rn. 113; Frotscher/Geurts, EStG, § 33a Rn. 35; a.A. Mellinghoff in Kirchhof, EStG, § 33a Rn. 21; Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 33a Rn. 196: mit Wegfall der Bezugnahme auf § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. sei diese Einschränkung entfallen). Für die insoweit unveränderte Auslegung des Begriffs "Bezüge" spricht auch, dass die mit dem Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung (BGBl. 2009, 1959) erfolgte Streichung des Verweises in § 33a Abs. 1 EStG auf den damaligen § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. ("... wird ein Kind nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als (...) hat") nur deshalb erfolgte, weil die Kranken- und Pflegeversicherungsbeträge, die der Mindestversorgung des Unterhaltsberechtigten dienen, nunmehr bereits in § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG berücksichtigt werden und daher zur Vermeidung einer Doppelberücksichtigung nicht zusätzlich die Einkünfte und Bezüge des Unterhaltsberechtigten mindern sollen (vgl. Gesetzesbegründung, DrS 16/12254 zu Artikel I Nr. 7 Buchstabe b). Andere Änderungen an der bisherigen Regelung waren insoweit nicht beabsichtigt.

2. Legt man dies zu Grunde, sind auch die Bundeselterngeldzahlzungen Bezüge im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG, da sie als Ausgleich für entgangene Einkünfte geleistet werden, die zur Bestreitung des Lebensunterhalt dienen. Das BEEG bezweckt, den Eltern den Einkommensausfall weitgehend auszugleichen, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder auf höchstens 30 Stunden wöchentlich reduzieren, um sich vorrangig der Betreuung ihres Kindes zu widmen (vgl. amtliche Begründung in BTDrucks. 16/1889 S. 14 ff). Auf den Höchstbetrag sind nur zweckgebundene Bezüge, die dem Unterhaltsberechtigten für seinen üblichen Lebensunterhalt tatsächlich nicht zur Verfügung stehen und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit deshalb nicht erhöhen, nicht anzurechnen (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2006 III B 43/05, Rn. 7, BFH/NV 2006, 2056 [BFH 16.06.2006 - III B 43/05]). Eine derartige Zweckbindung liegt bei den Leistungen nach dem BEEG aber nicht vor. Soweit der BFH mit Urteil vom 24. November 1994 III R 37/93, BStBl II 1995, 527, das Erziehungsgeld nach dem früheren Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) als nicht zu den gemäß § 33a Abs.1 Satz 3 EStG anrechenbaren anderen Bezügen der Unterhaltsempfänger gehörend angesehen hat, ist dem für das Elterngeld nach dem BEEG nicht zu folgen. Denn anders als das Elterngeld stellte das Erziehungsgeld keine übliche Hilfe zum Lebensunterhalt dar. Es diente laut Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 10/3792, Seite 1 und 13) in erster Linie familienpolitischen Zwecken. Da es auch an nicht erwerbstätig gewesene Elternteile und während der ersten sechs Monate nach der Geburt des Kindes unabhängig von der Höhe des jeweiligen Einkommens gezahlt wurde (§ 1 Abs. 1 BErzGG, § 5 Abs. 2 BErzGG), kam ihm nicht die Funktion eines Lohn- oder Einkommensersatzes zu (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1994 III R 37/93, BStBl II 1995, 527, Rn. 12). Mit dem Systemwechsel vom BErzGG zum BEEG hat der Gesetzgeber eine als Einkünfteersatz charakterisierte Sozialleistung geschaffen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. September 2009 VI B 31/09, BStBl II 2011, 382, Rn. 13).

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Elterngeld bei der Ermittlung der anrechenbaren Einkünfte und Bezüge der unterstützen Person in vollem Umfang, d.h. einschließlich des Sockelbetrags in Höhe von monatlich 300,-- EUR zu berücksichtigen. Eine Aufteilung des einheitlich geleisteten Elterngeldes ist insoweit nicht vorzunehmen. So hat der BFH in seinem Beschluss vom 21. September 2009 VI B 31/09 betreffend den Progressionsvorbehalt ausgeführt, dass sich die vorgebrachte Zweiteilung des Elterngeldes in einen rein sozialrechtlichen Sockelbetrag nach § 2 Abs. 4 BEEG und einen den Einkünfteausfall ausgleichenden darüber hinausgehenden Aufstockungsbetrag weder aus dem BEEG selbst noch der Begründung des Entwurfs und den weiteren Gesetzgebungsmaterialien dazu entnehmen lasse. Die dort zum Ausdruck kommende Zielsetzung des Gesetzgebers, die durch die erforderliche Kinderbetreuung entgangenen Einkünfte durch das Elterngeld jedenfalls teilweise auszugleichen, spreche vielmehr dafür, das Elterngeld einheitlich als Einkünfteersatz zu qualifizieren (BFH-Beschluss vom 21. September 2009 - VI B 31/09 -, BStBl II 2011, 382, Rn. 12). Der Senat schließt sich dem für den vorliegenden Fall an; es ist nicht ersichtlich, warum diese grundsätzlichen Erwägungen nicht auch hier einschlägig sein sollten. Im Übrigen hat der BFH bei der Prüfung der (Un-)Fähigkeit zum Selbstunterhalt des behinderten Kindes nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG das erhaltene Elterngeld ebenfalls in vollem Umfang zu den Bezügen der Kindes gezählt (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, Rn. 16).

Soweit sich die Klägerin auf § 11 Satz 1 BEEG bezieht, vermag dies nicht zu überzeugen. § 11 BEEG regelt, welchen Einfluss der Empfang von Elterngeld auf den zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch hat ("Unterhaltsverpflichtungen werden durch die Zahlung des Elterngeldes, des Betreuungsgeldes und jeweils vergleichbarere Leistungen der Länder nur insoweit berührt, als die Zahlung 300,-- EUR monatlich übersteigt"). Mit der Nichtanrechenbarkeit bis zur Höhe von 300,-- EUR soll ein den § 10 Abs. 1 und Abs. 2 BEEG (bis zu einer Höhe von 300,-- EUR keine Anrechnung auf andere einkommensabhängige Sozialleistungen) vergleichbarer Schutz des Elterngeldes erreicht werden (vgl. Wiegand, BEEG, Stand 08/15, § 11 Rn. 5). Aus dem Schutz des Elterngeldes beim Unterhaltsberechtigten kann aber nicht zwingend auf eine entsprechende steuerliche Begünstigung beim Unterhaltsleistenden zurückgeschlossen werden (a.A. wohl BFH-Urteil vom 24. November 1994 III R 37/93, BStBl II 1995, 527 zum BErzGG). Im Übrigen sind - wie bereits dargelegt - die Leistungen nach dem BEEG einheitlich zu betrachten.

II. Bei vollumfänglicher Anrechnung des Elterngeldes als Bezug des Unterhaltsberechtigten wird der Höchstbetrag gem. § 33a Abs. 1 Satz 1, Satz 5 EStG überschritten, so dass kein Ansatz von Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen möglich ist [das Elterngeld i.H.v. 2.033,62 EUR (2 x 1.016,81 EUR) abzgl. der Kostenpauschale gem. R 33a.1 Abs. 3 Satz 5 EStR von 30,-- EUR (2/12 x 180,-- EUR) übersteigt den Betrag von 104,-- EUR (2/12 x 624,-- EUR) um 1.899,62 EUR; der anteilige Höchstbetrag von 1.334,-- EUR (2/12 x 8.004,--) wird somit um 565,62 EUR überschritten].
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Frage der Berücksichtigung des Elterngeldes nach dem BEEG bei den Bezügen der unterhaltenen Person im Rahmen des § 33a EStG ist bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr