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14.04.2016 · IWW-Abrufnummer 146761

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 17.03.2016 – I-3 U 12/15

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Düsseldorf

I-3 U 12/15
Datum:  17.03.2016

Urteil

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 12. Januar 2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

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G r ü n d e:

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A.

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Die Berufung des Klägers ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

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Wie der Kläger im Senatstermin – insoweit nicht gesondert protokolliert – klargestellt hat, stützt er sein Klagebegehren nach wie vor auf einen Rücktritt vom Kaufvertrag. Dessen Voraussetzungen sind indes nicht feststellbar.

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1.

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Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden – der Senat würde allerdings auch nach Sachprüfung hierzu neigen –, dass ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt.

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2.

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Trotz der im Senatstermin angesprochenen Bedenken mag ferner davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Vorliegen eines für den Rücktritt erheblichen Sachmangels in prozessual beachtlicher Form vorgetragen hat.

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a)Sein Vorbringen hinsichtlich des Bereichs „Elektronik“ ist allerdings substanzlos. Mitgeteilt wird lediglich, die Elektronik sei defekt gewesen. Das ist in dieser Form weder erwiderungs- noch prüffähig.

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b)Die Zentralverriegelung betreffend, hat die Zeugin M. bei ihrer Aussage vor dem Landgericht geschildert, die Fahrertür sei nicht zugegangen. Indes fehlt es an jedem Anhaltspunkt dafür und erscheint sogar fernliegend, dass die Kosten der Beseitigung dieses behebbaren Mangels mehr als 5 % des Kaufpreises (vgl. BGHZ 201, 290 ff) ausmachten. Dann aber kann der Rücktritt auf einen etwaigen diesbezüglichen Mangel wegen fehlender Erheblichkeit nicht gestützt werden, § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB.

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c)

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Hinsichtlich der Problematik des Motors kann der Rücktritt zunächst nicht auf die beiden vom Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht angesprochenen Symptome des Austritts weißen Rauches aus dem Auspuff sowie eines Ölverbrauchs von 1 Liter auf 500 km gestützt werden. Denn der Kläger hat zugleich angegeben, bei dem gekauften Wagen sei in den ersten Wochen zunächst nichts aufgefallen, erst dann hätten die Schwierigkeiten angefangen, nämlich in Form des Rauches und des überhöhten Ölverbrauchs. Danach lässt sich nicht feststellen, dass die besagten beiden Umstände – wie nach §§ 434 Abs. 1 Satz 1, 446 Satz 1 BGB erforderlich – bei Gefahrübergang vorgelegen hätten.

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Angesichts dessen kommt es für die Rücktrittsberechtigung auf die Ursache jener Symptome an. Insofern lässt sich das Vorbringen des Klägers jedenfalls bei der gebotenen Einbeziehung der Darlegungen durch ihn persönlich im Rahmen seiner Anhörung dahin verstehen, das Fahrzeug habe bei Übergabe an ihn einen Defekt des Motors zumindest in Form einer Beschädigung der Ringe über den Zylindern aufgewiesen, wodurch es nach Übergabe zum Austritt weißen Rauches aus dem Auspuff und (vor allem) eines deutlich überhöhten Ölverbrauchs gekommen sei. In dieser Form ist der Vortrag des Klägers zu einem bei Gefahrübergang vorliegenden Sachmangel hinreichend substantiiert.

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d)Dem Gesichtspunkt der vom Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 8. Juni 2015 angesprochenen TÜV-Plakette und der Möglichkeit ihrer Erteilung kommt bereits deshalb keine selbständige Bedeutung als Rücktrittsgrund zu, weil die diesbezügliche Argumentation notwendig voraussetzt, dass ein Sachmangel in Form eines (massiven) Motorschadens zu bejahen ist. Dann jedoch wäre dieser Mangel schon für sich genommen als Rücktrittsgrund tragfähig.

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3.Jedenfalls aber steht aufgrund der beiderseitigen Erklärungen der Parteien im Senatstermin fest, dass Rechte des Klägers gegen den Beklagten aus Sachmängelhaftung wegen des zuvor unter 2. c) dargestellten Sachmangels nach § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen sind. Nach dieser Vorschrift kann der Käufer, falls ihm ein Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, Rechte wegen dieses Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Die Voraussetzungen dieses Ausschlussgrundes liegen hier vor.

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a)Der – hier unterstellte – Motorschaden ist dem Kläger infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben.

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Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. In diesem Zusammenhang kann es zwar nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einem Käufer im Allgemeinen nicht als Sorgfaltsverstoß angelastet werden, wenn er sich auf die Angaben des Verkäufers zum Kaufgegenstand verlässt und deshalb keine eigenen Nachforschungen anstellt; entschieden worden ist dies in einem Fall, in dem der Verkäufer einen Mangel des verkauften Tieres ausdrücklich in Abrede gestellt und dessen Eignung für einen bestimmten Einsatz bestätigt hatte (BGH BeckRS 2013, 05054). Auch kann, allgemein gesprochen, einem Verkäufer nicht zugebilligt werden, die Beschaffung von Informationen über die Sache auf den Käufer zu verlagern; mit anderen Worten ist ein Käufer ohne besondere Anhaltspunkte, wonach die Kaufsache mangelhaft sein könnte, zu einer Untersuchung oder zur Beiziehung eines Sachverständigen nicht verpflichtet. Demgegenüber liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn nach bestimmten, dem Käufer bekannten Indizien und Tatsachen der Schluss auf mögliche Mängel so nahe lag, dass es unverständlich erscheint, diesem Verdacht nicht weiter nachzugehen, weil damit dringend zur Vorsicht und zur weiteren Prüfung anhaltende Umstände außer Acht gelassen wurden (MK-Westermann, BGB, 7. Aufl. 2016, § 242 Rdnr. 9; Staudinger – Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 242 Rdnr. 25-27 und 33 m.w.Nachw.; auch die bei der Annahme grober Fahrlässigkeit deutlich restriktivere Ansicht im Schrifttum steht auf dem Standpunkt, falls der Käufer Indizien bemerke, die konkret dafür sprächen, dass die Sache mangelhaft sei, oder falls er solche Indizien bemerken würde, wenn er sich nicht grob fahrlässig verhielte, müsse er diesen nachgehen, BeckOK BGB – Faust, Stand 01.08.2014, § 242 Rdnr. 21 und 22 f).

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Im gegebenen Fall kannte der Kläger einen Umstand, der einen Schluss auf einen gravierenden möglichen Sachmangel des Fahrzeugs nahelegte, und erscheint es unverständlich, dass der Kläger diesem Verdacht nicht weiter nachging. Eine aufscheinende Motorkontrollleuchte mahnt – was einem durchschnittlichen Kraftfahrer und erst recht dem Kläger als mit Kraftfahrzeugen in gewissem Maße Vertrautem bekannt ist – dringend zur Vorsicht und zur weiteren Prüfung. Zwar ist zwischen den Parteien im Senatstermin streitig geblieben, ob jene Leuchte bei der Besichtigung und Probefahrt des Wagens vor Vertragsschluss leuchtete oder nicht. Unstreitig ist hingegen, dass der Beklagte den Kläger ausdrücklich davon in Kenntnis setzte, die Leuchte würde immer wieder einmal aufleuchten, dann aber auch wieder ausgehen. Eine derartige Beobachtung muss bei jedem durchschnittlichen Kraftfahrer den naheliegenden Verdacht aufkommen lassen, mit dem Motor sei etwas möglicherweise „nicht in Ordnung“. Tritt ein solcher Verdacht bei einem Kaufgespräch zutage, handelt derjenige, der weder vom Erwerb Abstand nimmt, noch darauf dringt, dem Verdacht solle weiter nachgegangen werden – sei es durch den Verkäufer, sei es durch ihn selbst – sozusagen auf eigenes Risiko. Anders könnte man nur entscheiden, wenn der Beklagte vor Vertragsschluss Erklärungen abgegeben hätte, die die Bedeutung des besagten Umstandes so sehr relativierten, dass er einen Mangel ausnahmsweise nicht mehr als naheliegend erscheinen ließ. Das ist hier jedoch nach den unstreitigen Tatsachenangaben beider Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht der Fall gewesen. Danach erklärte der Beklagte vor Vertragsschluss, er sei mit dem Fahrzeug in der Werkstatt gewesen, die Werkstatt habe nichts gefunden. Dieser Mitteilung kann jedoch die unterschiedlichste Tragweite zukommen, je nachdem, wie umfassend und intensiv die Fehlersuche in der Werkstatt jeweils gewesen war. Dass der Beklagte hierzu nähere Angaben gemacht hätte, lässt sich dem Vortrag keiner Seite entnehmen; nach der Darstellung des Beklagten im Senatstermin hatte sich die Werkstatt in der Tat auf das Auslesen des Fehlerspeichers und dem Hinweis auf eine „typische Nissankrankheit“ bei den Lambda-Sonden beschränkt. Dann aber konnte der Kläger die Äußerungen des Beklagten keinesfalls in dem Sinne verstehen, trotz gelegentlichen Aufleuchtens der Kontrolllampe liege ein Defekt im Bereich des Motors definitiv nicht vor. Es tritt hinzu, dass der Kläger nach seinen eigenen Ausführungen im Senatstermin das Verhalten des Beklagten tatsächlich auch nicht im vorbezeichneten Sinne verstand, sich also nicht darauf verließ, ungeachtet des Aufleuchtens sei der Motor mangelfrei. Denn er hat dargelegt, dass er, als er sich auf dem Rückweg vom Beklagten befunden habe und die Leuchte erstmals angegangen sei, sofort gestoppt und „vorsichtshalber“ den Motor optisch auf gelockerte Verbindungen und Stecker untersucht habe.

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b)Dass in den Erklärungen des Beklagten bei Vertragsschluss keine Garantie im Sinne des § 443 BGB – insbesondere keine Beschaffenheitsgarantie – erblickt werden kann, bedarf keiner näheren Darstellung.

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Es ist aber auch nicht feststellbar, dass der Beklagte den – hier unterstellten – Sachmangel arglistig verschwiegen hätte. Einen objektivierbaren Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte im Hinblick auf den Motor des Fahrzeugs weitergehende Kenntnisse hatte, als von ihm im Senatstermin dargestellt und in allen wesentlichen Belangen dem Kläger mitgeteilt, gibt es nicht. Der Erwägung, der deutlich überhöhte Ölverbrauch, möglicherweise auch der weiße Rauch aus dem Auspuff, habe dem Beklagten, der das Fahrzeug privat genutzt haben will, nicht verborgen geblieben sein können, käme ein hinreichender Rückschlusswert allenfalls dann zu, wenn beide genannten Symptome bereits unmittelbar nach Übergabe des Wagens aufgetreten wären. So liegt es nach dem eigenen Vorbringen des Klägers jedoch nicht. Namentlich setzt die Diagnose eines Ölverbrauchs von 1 Liter auf 500 km voraus, dass der Kläger selbst mit dem Fahrzeug eine nennenswerte Strecke zurücklegte.

21

4.

22

Darüber hinaus ist der Klageanspruch auch aus dem vom Landgericht angeführten Grunde des Unterlassens einer erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht gegeben.

23

Das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers, insbesondere in seinem Schriftsatz vom 17. September 2014, mag die Voraussetzungen einer ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung gemäß §§ 281 Abs. 2, 1. Fall; 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllen. Es ist jedoch nach der verfahrensfehlerfrei gewonnenen und in sich nicht zu beanstandenden Würdigung des Landgerichts durch die Zeugenvernehmung nicht bewiesen worden. Sind danach Zweifel im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht begründet, ist neuer Sachvortrag des Klägers hierzu nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen, weil keiner der dort genannten Zulassungsgründe vorliegt. Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die Darlegungen des Klägers in der Berufungsbegründung (S. 2 und 3 jeweils unten, S. 4 oben) nur erstinstanzliche Behauptungen wieder aufgreifen oder neues Tatsachenvorbringen im Berufungsverfahren darstellen.

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Ergänzt sei, dass eine Fristsetzung auch nicht wegen Unzumutbarkeit der Nacherfüllung – § 440 Satz 1, 3. Fall BGB – entbehrlich war. Hierbei zu berücksichtigen sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers, diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen oder der Umstand, dass der Verkäufer bereits bei dem ersten Erfüllungsversuch, also bei Übergabe, einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen lassen und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist (BGH NJW 2015, 1669 ff). In diesem Sinne hätten die Dinge hier allenfalls liegen können, wenn sich dem Kläger der berechtigte Eindruck hätte aufdrängen müssen, über das Vorhandensein des Sachmangels vom Beklagten arglistig getäuscht worden zu sein, namentlich wegen einer objektiv krass falschen Darstellung der Gegebenheiten bezüglich des Motors. Das war aber, wie sich aus dem bereits oben zu 3. b) Gesagten zugleich ergibt, nicht der Fall.

25

B.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 713
ZPO.

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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor.

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Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.700 € festgesetzt.

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