24.03.2016 · IWW-Abrufnummer 184768
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 26.11.2015 – 2 Sa 254/15
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.02.2015 - 1 Ca 1219/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzvergütungsansprüche.
Der Beklagte betreibt eine Saunaanlage. Er ist Mitglied im Arbeitgeberverband G. Rheinland-Pfalz. Der Kläger ist beim Beklagten aufgrund Arbeitsvertrags vom 19. Februar 2009 (Bl. 15, 16 d. A.) seit 01. März 2009 als (einziger) Elektriker beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelungen:
Im Arbeitsvertrag der Parteien sind am Ende als "Anlagen zu diesem Vertrag" u.a. der "Manteltarifvertrag vom 01.01.2002" und der "Lohn- und Gehaltstarifvertrag vom 01.06.07" bezeichnet, die dem Arbeitsvertrag beigefügt waren.
Der Kläger erhält vom Beklagten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses einen Monatslohn in Höhe von 2.050,00 EUR brutto, der auch für das gezahlte tarifliche Weihnachtsentgelt von 50 % des Monatsentgelts in den Jahren 2010 bis 2013 zugrunde gelegt wurde.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2013 (Bl. 51, 52 d. A.) forderte der Kläger den Beklagten für den Zeitraum ab 01. August 2011 unter Zugrundelegung des Monatsentgelts der tarifvertraglichen Bewertungsgruppe 5 zur Zahlung der sich danach ergebenden Differenzen hinsichtlich des gezahlten Monatslohns und der Weihnachtsgratifikation auf.
Mit seiner am 03. Juli 2014 beim Arbeitsgericht Mainz eingereichten Klage macht der Kläger Differenzvergütungsansprüche für die Zeit von August 2011 bis Mai 2014 unter Zugrundelegung des Monatsentgelts der Bewertungsgruppe 5.2 des Entgelttarifvertrags vom 15. Juli 2011 und des Weihnachtsgeldes von 50 % des tariflichen Monatsentgelts abzüglich der jeweils gezahlten Nettobeträge geltend.
Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 25. Februar 2015 - 1 Ca 1219/14 - Bezug genommen.
Mit Urteil vom 25. Februar 2015 - 1 Ca 1219/14 - hat das Arbeitsgericht Mainz die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des Differenzlohns aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem seit dem 01. August 2011 gültigen Entgelttarifvertrag habe, weil dieser im Arbeitsverhältnis der Parteien mangels Bezugnahme keine Anwendung finde. Die Auslegung der im Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmeklausel ergebe keine dynamische Verweisung auf den jeweils gültigen Tarifvertrag, sondern lediglich eine statische Bezugnahme auf den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Tarifvertrag. Auf etwaig greifende Ausschlussfristen oder auf die Frage der richtigen Eingruppierung des Klägers nach dem neuen Tarifvertrag komme es mithin nicht mehr an. Im Übrigen wird hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.
Gegen das ihm am 08. Mai 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08. Juni 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. August 2015 mit Schriftsatz vom 06. August 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.
Er trägt vor, die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel sei unrichtig. Die Parteien hätten in der Bezugnahme gerade kein konkret nach Datum festgelegtes Tarifwerk vereinbart, so dass von einer dynamischen Verweisung auszugehen sei. Gegen eine dynamische Bezugnahme spreche nicht, dass der "zur Zeit gültige" Tarifvertrag vereinbart worden sei, weil nur dieser zum damaligen Zeitpunkt vorhanden gewesen sei. Unklarheiten des von Seiten des Beklagten vorgegebenen Formulararbeitsvertrages könnten nicht zu seinen Lasten gehen. Auch der unter § 4 vorgenommene Verweis "laut Tarifvertrag" zeige, dass von einer dynamischen Verweisungsklausel auszugehen sei, weil anderenfalls auch hier der Tarifvertrag mit konkretem Datum benannt worden wäre. Keinesfalls könne es ihm zum Nachteil gereichen, dass er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zwar immer wieder eine einvernehmliche Klärung versucht hätte, die Vorgehensweise des Beklagten im Ergebnis dennoch hingenommen habe. Folglich sei er in die Bewertungsgruppe 5.2 des jeweils gültigen Tarifvertrages einzugruppieren, mit der Folge, dass er einen Anspruch auf die nunmehr geltend gemachten Differenzbeträge habe. Im Hinblick darauf, dass es sich nicht um eine Forderung aus einer falschen Tarifeinstufung handele, sondern ihm lediglich die nach dreijähriger Tätigkeit zustehende Erhöhung verwehrt worden sei, greife die Ausschlussfrist gemäß § 15 des Manteltarifvertrages nicht ein.
Der Kläger beantragt,
Der Beklagte beantragt,
Er erwidert, die Parteien hätten vorliegend ganz konkrete Tarifverträge zum Gegenstand ihrer Verhandlungen gemacht, so dass das Vorbringen des Klägers unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt haltbar sei. In Anbetracht der in § 1 des Arbeitsvertrags enthaltenen Formulierung und des Umstandes, dass die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge als Anlage dem Arbeitsvertrag beigefügt seien, lasse sich ein Tarifvertragswerk starrer gar nicht in Bezug nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).
Die Berufung des Klägers hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.
Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob die Parteien in ihrem Arbeitsvertrag eine dynamische Bezugnahme vereinbart haben und danach der Entgelttarifvertrag vom 15. Juli 2011 Anwendung findet. Der Kläger hat bereits deshalb keinen Anspruch auf die von ihm geltend gemachten Differenzbeträge, weil er die Voraussetzungen für die von ihm reklamierte Eingruppierung in die Bewertungsgruppe 5.2 des Entgelttarifvertrags vom 15. Juli 2011 nicht schlüssig vorgetragen hat.
Die Parteien haben in § 1 ihres Arbeitsvertrags vereinbart, dass der Kläger gemäß dem "zur Zeit gültigen, ihm bekannten Manteltarifvertrag sowie Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe Rheinland-Pfalz, die beide Bestandteile des Arbeitsvertrages sind, als Elektriker gemäß Tarifposition V/3. eingestellt" wird. Dem Arbeitsvertrag der Parteien war als Anlage u.a. der Lohn- und Gehaltstarifvertrag vom 01. Juni 2007 beigefügt, der unter A. V. 3. für "Handwerker mit Berufsausbildung für qualifizierte Arbeiten" einen Monatslohn in Höhe von 1.975,50 EUR brutto vorsah. Nach § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien beträgt der "Garantielohn (laut Tarifvertrag)" monatlich 1.975,50 EUR zuzüglich 74,50 EUR übertarifliche Zulage, somit insgesamt 2.050,00 EUR.
Zwar darf der durchschnittliche Arbeitnehmer bei einer Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag mit dessen Bezeichnung als Tarifentgelt redlicher Weise davon ausgehen, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Gehaltstarifvertrages entwickeln (
BAG 13. Mai 2015 - 4 AZR 244/14 - Rn. 17 [...]; BAG 13. Februar 2013 - 5 AZR 2/12 - Rn. 17, NZA 2013, 1024
[BAG 13.02.2013 - 5 AZR 2/12]
). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Parteien danach eine dynamische Bezugnahme auf den jeweiligen Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe Rheinland-Pfalz vereinbart haben und deshalb der Entgelttarifvertrag vom 15. Juli 2011 Anwendung findet, besteht gleichwohl kein Anspruch des Klägers auf eine höhere als die vom Beklagten gezahlte monatliche Vergütung in Höhe von 2.050,00 EUR brutto, weil der Kläger nicht schlüssig dargelegt hat, dass er mit der von ihm im Betrieb des Beklagten ausgeübten Tätigkeit als Elektriker die Voraussetzungen der Bewertungsgruppe 5 erfüllt. Das Monatsentgelt der niedrigeren Bewertungsgruppe 4.2 liegt nach der Entgelttabelle in § 6 des Entgelttarifvertrags vom 15. Juli 2011 im streitgegenständlichen Zeitraum unter dem von Beklagten gezahlten Monatslohn.
1. Der Kläger ist als Elektriker im Betrieb des Beklagten nach § 1 des Arbeitsvertrags der Parteien nach Maßgabe des bei Vertragsschluss gültigen Lohn- und Gehaltstarifvertrags der unter A. ("Festbesoldetes Personal") V. ("Sonstiges Haus- und Hilfspersonal") aufgeführten Gruppe 3 zugeordnet worden, die "Handwerker mit Berufsausbildung für qualifizierte Arbeiten" umfasst.
Mit Inkrafttreten des Entgelttarifvertrags vom 15. Juli 2011 zum 01. August 2011 sind anstelle des bisherigen Vergütungssystems neue Bewertungsgruppen mit der Folge eingeführt worden, dass nunmehr jeder Tarifbeschäftigte nach den in § 4 festgelegten Grundsätzen in eine der in § 5 genannten Bewertungsgruppen einzugruppieren ist. Zur Besitzstandswahrung ist in § 2 Nr. 1 des Entgelttarifvertrags geregelt, dass sich durch Inkrafttreten und infolge der Anwendung dieses Entgelttarifvertrages die Höhe des derzeitigen monatlichen Entgeltes nicht verringern darf. Anders als der bisherige Lohn- und Gehaltstarifvertrag sieht der Entgelttarifvertrag vom 15. Juli 2011 in § 5 für Handwerker mit abgeschlossener Berufsausbildung nunmehr mehrere aufeinander aufbauende Bewertungsgruppen vor:
Enthält eine tarifliche Vergütungsgruppe sowohl allgemeine Oberbegriffe wie konkrete Tätigkeitsbeispiele, dann sind zunächst die Beispielstätigkeiten zu prüfen, weil die Tarifvertragsparteien mit der Bezeichnung einer Tätigkeit in dem Beispielkatalog zum Ausdruck bringen, dass der diese Tätigkeit ausübende Arbeitnehmer die Erfordernisse der betroffenen Vergütungsgruppe erfüllt. Erfasst eine Beispielstätigkeit die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht erschöpfend oder enthält sie selbst auslegungsfähige und auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe, dann ist für deren Auslegung auf die abstrakten Oberbegriffe zurückzugreifen (
BAG 15. Juni 1994 - 4 AZR 327/93 - AP BAT §§ 22, 23 Krankenkassen Nr. 9).
Im Hinblick darauf, dass das Tätigkeitsbeispiel "Handwerker" sowohl in den Bewertungsgruppen 3 und 4 als auch in der Bewertungsgruppe 5 mit einem zusätzlichen Heraushebungsmerkmal (Handwerker "mit besonderer Verantwortung") aufgeführt wird, ist zur Abgrenzung auf die Gruppenmerkmale zurückzugreifen. Danach verlangt bereits die Tätigkeit eines Handwerkers der Bewertungsgruppe 4, dass seine Tätigkeit - im Vergleich zu einem Handwerker mit abgeschlossener Berufsausbildung der Bewertungsgruppe 3 - "mit erweiterten Fachkenntnissen und erhöhter Verantwortung" verbunden ist. Die herausgehobene Tätigkeit eines "Handwerkers mit besonderer Verantwortung" im Sinne des Tätigkeitsbeispiels der Bewertungsgruppe 5 erfordert danach eine im Vergleich zur niedrigeren Bewertungsgruppe 4 nochmals gesteigerte "besondere" Verantwortung. Nach den Gruppenmerkmalen der Bewertungsgruppe 5 muss die Tätigkeit nicht nur mit "erweiterten Fachkenntnissen und erhöhter Verantwortung" im Sinne der Bewertungsgruppe 4, sondern mit "umfangreichen Fachkenntnissen und Verantwortung für einen Teilbereich bzw. mit erweiterter Selbständigkeit" verbunden sein, wozu in der Regel eine Führungsverantwortung für ein bis drei Vollzeitkräfte gehört.
2. Der für das Vorliegen der tarifvertraglichen Heraushebungsmerkmale darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, aus welchen Gründen seine Tätigkeit als Elektriker im Betrieb der Beklagten - im Vergleich zu einer Fachkraft mit erweiterten Fachkenntnissen und erhöhter Verantwortung im Sinne der Bewertungsgruppe 4 - mit "besonderer Verantwortung" im Sinne des Tätigkeitsbeispiels der Bewertungsgruppe 5 verbunden sein soll. Allein der von ihm angeführte Umstand, dass er der einzige Elektriker beim Beklagten ist, reicht hierfür nicht aus. In den Tätigkeitsbeispielen der Bewertungsgruppen 3 und 4 wird u.a. zwischen einem Koch (Bewertungsgruppe 3) und einem "Alleinkoch ohne Hilfskräfte in der Küche" (Bewertungsgruppe 4) unterschieden. Daraus lässt sich entnehmen, dass die vom Kläger auszuübende Tätigkeit nicht bereits deshalb das Tätigkeitsbeispiel der höheren Bewertungsgruppe 5 erfüllt, weil nur er allein als Elektriker im Betrieb des Beklagten tätig ist. Die nach den Gruppenmerkmalen in der Regel mit dieser Tätigkeit verbundene Führungsverantwortung für ein bis drei Vollzeitkräfte ist dem Kläger unstreitig nicht übertragen. Der Kläger hat auch nicht schlüssig dargelegt, weshalb er die allgemeinen Hervorhebungsmerkmale der Bewertungsgruppe 5 erfüllen soll. Insbesondere ist nicht erkennbar, aufgrund welcher ihm als Elektriker übertragenen Aufgaben seine überwiegende Tätigkeit - im Vergleich zu einer Fachkraft mit abgeschlossener Berufsausbildung - nicht nur mit "erweiterten Fachkenntnissen", sondern mit "umfangreichen Fachkenntnissen" verbunden sein soll.
Mithin kann der Kläger das seiner Klage zugrunde gelegte Monatsentgelt nach der Bewertungsgruppe 5.2 des Entgelttarifvertrages vom 15. Juli 2011 nicht beanspruchen. Die vom Beklagten gezahlte Vergütung in Höhe von monatlich 2.050,00 EUR brutto übersteigt im streitgegenständlichen Zeitraum sowohl die im bisherigen Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe unter A. festgelegte Vergütung der Tarifgruppe V./3. als auch das im Entgelttarifvertrag festgelegte Monatsentgelt der Bewertungsgruppe 4.2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.