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16.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146621

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 27.11.2012 – 15 Ta 2066/12

Für die Darlegung des Zugangs einer E-Mail reicht es nicht aus, dass die Mail abgesandt worden ist.


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

15 Ta 2066/12
2 Ca 774/12 Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren des zu dem Rechtsstreit

pp

zu dem Rechtsstreit

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender
am 27. November 2012 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 31.08.2012 – 2 Ca 774/12 – wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Auch wenn das Arbeitsgericht Brandenburg das hiesige Verfahren fälschlicherweise unter einem Ca-Aktenzeichen geführt hat, begehrt der Antragsteller tatsächlich die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu einem Klageentwurf vom 13. Juli 2012.

Mit diesem Klageentwurf macht der Antragsteller eine angemessen Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG geltend mit der Begründung, er sei im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens von dem Antragsgegner diskriminiert worden. Der Kläger hat unter dem 20. November 2011 auf eine Stellenausschreibung unter „ww.icjobs“ (Kopie Bl. 38 d. A.) eine E-Mail abgeschickt. Der Antragsteller erhielt keine Fehlermeldung. In der Ausschreibung war u. a. von einem „jungen Team“ die Rede. Unter dem 2. April 2012 erkundigte der Antragsteller sich erneut per E-Mail bei dem Antragsgegner.

Der Antragsteller behauptet, der Antragsgegner habe beide E-Mails bekommen. Er habe sich auf eine Ausschreibung bei „EURES“ (Kopie Bl. 6 ff. d. A.) beworben. Er ist der Ansicht, dass der Antragsgegner den Nachweis erbringen müsse, dass diesem die Mail nicht zugegangen sei. Es reiche aus, dass er selbst das Absenden nachweisen könne. Der Ausschreibungstext stelle eine Altersdiskriminierung dar. Der Hinweis „deutsch – Muttersprache“ sei eine Diskriminierung wegen der Herkunft.

Der Antragsgegner behauptet, vom Antragsteller keine Mails erhalten zu haben.

Mit Beschluss vom 31. August 2012 hat das Arbeitsgericht Brandenburg den Antrag zurückgewiesen. Es hat dies einerseits damit begründet, dass die Bewilligungsvoraussetzungen gem. § 114 ZPO vorlägen. Die Klage habe jedoch keine Aussicht auf Erfolg. Der Antragsteller habe keinen Nachweis angeführt, aus dem zu entnehmen sei, dass die Bewerbung bei dem Antragsgegner auch eingegangen sei. Im Übrigen könne aus den Formulierungen auch keine Diskriminierung hergeleitet werden.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde.

Auch wenn das Arbeitsgericht Brandenburg durch Beschluss vom 17. Oktober 2012 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen hat, hat es tatsächlich inhaltlich einen Nichtabhilfebeschluss gefasst. Das Arbeitsgericht ist weiterhin der Ansicht, dass der Antragsteller nicht nachgewiesen habe, dass seine Bewerbung bei dem Antragsgegner zugegangen sei.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zum Klageentwurf vom 13. Juli 2012 zurückgewiesen. Es kann offen bleiben, ob in dem hier streitigen Anzeigentext Formulierungen enthalten sind, die als Indiz für eine Diskriminierung eines Bewerbers gelten könnten. Jedenfalls hat der Antragsteller nicht ausreichend dargelegt, dass er zum Kreis der Bewerber gehört. Insofern fehlt der Nachweis, dass seine als E-Mail abgeschickte Bewerbung vom 20. November 2011 bei dem Antragsteller zugegangen ist.

Eine Willenserklärung geht unter Abwesenden zu, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (Palandt/Ellenberger § 130 BGB Rn. 5). Eine E-Mail geht insofern zu, wenn sie in die Mailbox des Empfängers oder der des Providers abrufbar gespeichert wird (a. a. O. Rn. 7 a). Die Beweislast kommt demjenigen zu, der sich auf den Zugang beruft (a. a. O. Rn. 21; OLG Düsseldorf 26.03.2009 – 7 U 28/08 – juris). Für den Zugang einer E-Mail kann möglicherweise eine Eingangs- oder Lesebestätigung einen Nachweis erbringen (a. a. O. Rn. 21). Ein Ausdruck der E-Mail ohne Eingangs- oder Lesebestätigung reicht für einen Anscheinsbeweis nicht aus (AG Bremen 15.04.2009 – 23 C 494/06 – juris Rn. 34). Ein Beweis des ersten Anscheins für den Eingang in die Mailbox des Empfängers ergibt sich auch nicht bereits dann, wenn der Erklärende die Absendung der E-Mail beweisen kann (OLG Köln, 05.12.2006 – 3 U 167/05 – juris Rn. 5).

Bei Anwendung dieser Kriterien fehlt es an der notwendigen Darlegung des Antragstellers und auch an einem Beweisangebot, dass die abgesandte E-Mail bei dem Antragsgegner eingegangen ist. Der Antragsteller hat nur behauptet, er habe die Mail vom 20. November 2011 abgesandt. Hieraus ergibt sich jedoch keinerlei Nachweis des Zugangs.

Soweit der Antragsteller meint, die zweite E-Mail vom 2. April 2012 sei unstreitig bei dem Antragsgegner zugegangen, so trifft dies nicht zu. Mit Schriftsatz vom 16. August 2012 hat der Antragsgegner dem Antragsteller eine mutwillige Fehlinterpretation vorgeworfen. Zwar sei er auch auf die Anlage 9 (Mail vom 02.04.2012) eingegangen, da diese der Klageschrift beigelegen habe. Wörtlich heißt es sodann: „Ich habe auch keine E-Mails vom Kläger selbst erhalten.“

Doch selbst wenn der Antragsgegner die zweite E-Mail vom 2. April 2012 erhalten hätte, ergibt sich hieraus keinerlei Nachweis, dass auch die erste E-Mail vom 20. November 2011 zugegangen sein muss. Es fehlt vielmehr jegliche Reaktion des Antragsgegners (z. B. Lesebestätigung), aus der ein Rückschluss auf den Zugang der E-Mail vom 20. November 2011 gezogen werden könnte.

Im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers ergibt sich eine andere Verteilung der Darlegungs- und Beweislast auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 21. November 2006 (1 ZB 17/06 – juris). Dort ging es ausschließlich um die Frage, wer darzulegen und ggf. zu beweisen hat, ob der Beklagte im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses Anlass zur Klage gegeben hat im Sinne des § 93 ZPO. Der BGH hat insofern aus allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen geschlossen, dass dies nicht der Kläger, sondern der Beklagte darzulegen hat (a. a. O. Rn. 10). § 93 ZPO stellt im Rahmen der Kostenverteilung selbst bei einem sofortigen Anerkenntnis einen Ausnahmetatbestand für diejenige Partei dar, die keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Hierzu gehört auch die Tatsache, dass die beklagte Partei zuvor nicht abgemahnt worden war. Diese Ausnahmekonstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Im hiesigen Fall geht es ausschließlich darum, wer nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen den Zugang einer Willenserklärung unter Abwesenden darlegen und beweisen muss. Da der Antragsteller sich darauf beruft, Bewerber gewesen zu sein, muss er auch darlegen und beweisen, dass die entsprechende E-Mail dem Antragsgegner zugegangen ist.

Auch die Entscheidung des LG Hamburg (07.07.2009 – 312 O 142/09 – juris) kann ebenfalls eine andere Entscheidung nicht rechtfertigen, da sie gleichfalls zum Ausnahmetatbestand des § 93 ZPO ergangen ist (a. a. O. Rn. 17). Im Übrigen hatte das Landgericht auch darauf abgestellt, dass jedenfalls eine Kontroll-Mail, die unter „cc“ versandt worden war, tatsächlich zugegangen war. Auch ein solcher Umstand ist vorliegend nicht gegeben.

Soweit der Antragsteller sich auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt vom 23. Oktober 2008 beruft, kann offen bleiben, ob diese Entscheidung tatsächlich im Rahmen der allgemeinen Beweislastverteilung ergangen ist und zu Gunsten des Antragstellers spricht. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre diese Entscheidung im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung isoliert und kann deswegen allein nicht für eine Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage sprechen.

Da schon nicht mit genügender Erfolgsaussicht festgestellt werden kann, dass der Antragsteller tatsächlich Bewerber im Sinne des AGG war, kann offen bleiben, ob auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch gegeben sind. Insofern ist aber auch darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller ausweislich der von ihm selbst eingereichten E-Mail vom 20. November 2011 sich nicht auf eine Bewerbung bei dem Portal EURES beworben hat, sondern auf eine Ausschreibung bei icjobs.de. Welchen genauen Inhalt die dortige Stellenausschreibung hatte, ist vom Antragsteller jedoch nicht dargelegt.

Nur vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass die Erfolgsaussicht der Klage jedenfalls nicht daran scheitern würde, dass der Antragsteller als Beklagtenbezeichnung einen Begriff aus dem E-Mail-Verkehr (wardow.com) genommen hat. Angesichts der als Anlagen eingereichten Unterlagen lässt sich entnehmen, dass D. W. der Beklagte sein soll.

Die Voraussetzungen für die Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Insofern ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

RechtsgebieteZPO, BGBVorschriften§ 114 ZPO; § 130 BGB

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