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15.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146546

Verwaltungsgericht Berlin: Urteil vom 28.01.2016 – VG 13 K 442.14

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


VG 13 K 442.14                              

Verkündet am 28. Januar 2016
      
VERWALTUNGSGERICHT BERLIN
          
URTEIL

Im Namen des Volkes
         
In der Verwaltungsstreitsache
 
xxx              
         
hat das Verwaltungsgericht Berlin, 13. Kammer, aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2016 durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Schubert,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Mueller-Thuns,
den Richter am Verwaltungsgericht Prof. Dr. Schlette,
die ehrenamtliche Richterin S_____ und
den ehrenamtlichen Richter A_____

für Recht erkannt:

Der Bescheid des Bezirksamts Treptow-Köpenick von Berlin vom 15. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 27. November 2014 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine denkmalschutzrechtliche Instandsetzungsverfügung.

Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Regattastraße 161 sowie 167 in Berlin Treptow-Köpenick (Ortsteil Grünau) mit einer Gesamtgröße von 12.278 m². Die Grundstücke sind mit dem Gesellschaftshaus Grünau (Regattastraße 167, um 1897-98) bzw. mit dem Hotel-Restaurant Riviera mit Saalbau und Anbauten (Regattastraße 161, um 1890, 1925 von Otto Gerth) bebaut. Das Gesellschaftshaus Grünau ist als Einzeldenkmal und das Hotel-Restaurant Riviera als Denkmalbereich in der Denkmalliste Berlin (Abl. 2001 S. 2607) eingetragen. Wegen der Einzelheiten der Bedeutungskategorien und der Begründung wird auf die Denkmalbegründung für das Objekt Riviera (beigezogene Gerichtsakte 13 K 44.14 Bl. 63/Anl. 5 zur Klageschrift) verwiesen.

Laut Angaben einer von der Unteren Denkmalschutzbehörde unterstützen Architektur-Diplomarbeit aus dem Jahr 2003 ist es im Gebäude Riviera in den Jahren des Leerstandes seit 1992 zu teilweise erheblichen Gebäudeschäden gekommen. Die Treuhandliegenschaftsgesellschaft habe nicht instandgehalten, sondern im Gegenteil den Abbruch favorisiert. Der Diplom-Ingenieur H_____ erstellte am 23. April 2003 eine Fotodokumentation und Schadensaufstellung, aus der sich bereits erhebliche Schäden am Dach ergeben (GA Bl.167ff und beigezogene Akte VG 13 L 397.14, Bl. 113-148).

Die Klägerin hatte die Grundstücke mit notariellen Kaufvertrag vom 19. Juni 2006 zum Preis von 7_____ Euro  erworben. Nach § 4 Buchst. a dieses Kaufvertrages erfolgte die Kaufpreisfindung unter der Voraussetzung, dass das Gesamtensemble der Gaststättengebäude unter Denkmalschutz steht und insbesondere die Säle des Gebäudes Riviera und des Gesellschaftshauses Grünau zu erhalten und in ihrer historischen Form wiederherzustellen sind, ferner die beim Gesellschaftshaus Grünau umlaufende Holzveranda erhalten bzw. in der historischen Form wiederhergestellt werden muss. Weiter heißt es:

„Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, eine Nachbewertung des Kaufgegenstandes für den Fall vorzunehmen, dass das Planungs- und Baurecht innerhalb von 7 Jahren nach Beurkundung dieses Kaufvertrages eine(r) Bebauung des Kaufgegenstandes ohne Berücksichtigung der vorgenannten Auflagen des Denkmalschutzes zustimmt, alternativ ein Abriss der gesamten Altbebauung genehmigt wird. Nachbewertungsstichtag ist der 19. 06. 2013. Bei der Nachbewertung bleiben Wertsteigerung aufgrund von Maßnahmen, die der Käufer selbst oder auf eigene Kosten oder durch fremde Dritte durchgeführt hat unberücksichtigt… Übersteigt der so übermittelte Nachbewertungswert den Kaufpreis, so hat der Käufer die Differenz, maximal jedoch 500.000 €… zu zahlen“.

In dem den Beteiligten bekannten Beschluss der 16. Kammer vom 28. November 2013
- VG 16 L 341.13 -, bestätigt durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Februar 2014 - OVG 2 S 103.13 -  hat die 16. Kammer ausgeführt:

„Ersichtlich ist die Antragstellerin auch ihrer Verpflichtung, die seit 2007 in ihrem Eigentum stehenden Gebäude, die sie wegen der Denkmalbelastung mit einem entsprechenden Kaufpreisabschlag von der TLG erworben hatte, zu schützen, nicht im ausreichenden Maße nachgekommen. Sie hat es insbesondere unterlassen, die Gebäude nachhaltig vor Witterungseinflüssen und Vandalismus zu schützen mit der Folge, dass es zu erheblichen Undichtigkeiten von Dächern, Fenstern und Türen sowie zu zahlreichen Beschädigungen in den Innenräumen gekommen ist. Soweit die Antragstellerin nach dem Grundstückserwerb einzelne Gebäudeöffnungen mit Metallplatten verschlossen und Zäune gezogen hat, war dies ersichtlich nicht auf Dauer ausreichend, insbesondere was die Erhaltung der Dachfunktionen angeht. Dass einzelne Schäden - wenn auch, wie der Antragsgegner substantiiert dargetan hat, nicht in dem heutigen Ausmaß - möglicherweise bereits beim Erwerb der Immobilien zu beklagen waren, entbindet die Antragstellerin nicht von ihrer Schutzverpflichtung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 DSchG Bln.“

In dem Verfahren ging es um vorläufigen Rechtsschutz gegen die (1.) Sicherungsanordnung vom 25. April 2013, mit der der Beklagte der Klägerin aufgegeben hatte, binnen 6 Wochen
1. für den Gebäudekomplex Riviera und Gesellschaftshaus1. 1 zur Dachentwässerung alle Regenrinnen und Fallrohre zu säubern, auf ihre Tauglichkeit zu prüfen und gegebenenfalls zu reparieren bzw. zu ersetzen; Wasser sei vom Gebäude wegzuleiten,1. 2 Gestrüpp und Bäume direkt am Mauerwerk zu entfernen,1. 3 alle offenstehenden Fenster und offenstehenden Außentüren, auch in den Obergeschossen, durch Anbringen von Stahlblechen zu sichern; die Stahlbleche seien über die Öffnungen zu setzen und innen zu befestigen; um eine Beschädigung des Gebäudes zu vermeiden, seien die Elemente von innen zu verspannen, so dass für die Befestigung der Bleche keine zusätzlichen Befestigungslöcher hergestellt werden müssten; um eine dauerhafte Belüftung des Gebäudes zu gewährleisten, seien die Bleche mit Öffnungen zu versehen,2. für den Saal des Gesellschaftshauses2. 1 das Dach auf Undichtigkeit zu prüfen und an den Stellen, wo Wasser eindringt, durch einen Fachbetrieb zu reparieren (Beispiel: Bitumenbahnen zweilagig aufbringen),3. für den Gebäudekomplex Riviera3. 1 bezüglich des Eingangsbereichs vor dem Saal einen gesicherten Zugang zum Saal zu schaffen (Eingangsgastraum, Durchgang, Gastraum), indem Gerüstlaufflächen ausgelegt werden,3. 2 bezüglich des Saals Riviera zur konkreten Beurteilung über den Schadensgrad der Deckenkonstruktion ein Gutachten zur Tragfähigkeit der Decke vorzulegen,3. 3 bezüglich Gastraum, Erdgeschoss, Durchgangszimmer zum Treppenbereich den Stuck abzunehmen und in einem geschlossenen Raum im Gebäude sicher einzulagern,
3.4 bezüglich Obergeschoss Stuckzimmer die Fenster zur eingefallenen Raumseite (ehemalige Bar) zu schließen.

In einem von der Klägerin eingeholten Gutachten zum baulichen Zustand und zur Grobkostenschätzung und Wirtschaftlichkeitsberechnung des Ingenieurbüros S_____ vom 8. Oktober 2013, S. 8, heißt es, dass so erhebliche Schäden im Dach des Saals
Riviera vorliegen, dass vermutlich kurzfristig mit einem Einsturz der Dachkonstruktion zu rechnen sei. Hier sollten Sicherungs-/Abstützmaßnahmen noch vor dem Winter durchgeführt werden. Weiter heißt es in dem Gutachten zum Zustand des Saales: Es sei bereits 1/3 der Unterdecke herabgestürzt. An den Fassaden befänden sich großflächige Putzabplatzungen. Die Holzsubstanz an Fenstern und Türen weise starke Pilzschäden auf. Die Holzschalung im Deckenbereich weise auf Grund von Fäulnis einen 100-prozentigen Substanzverlust auf. Ferner seien aufgrund der Feuchtigkeit große Putz- und Stuckelemente im Wandbereich abgängig. Auch sei der Farbanstrich im gesamten Wand- und Deckenbereich abgeblättert. Die Feuchteschäden über dem Dachbereich hätten inzwischen Auswirkung auf den Fußboden gehabt, so dass ca. 2/3 des Fußbodens durch Fäulnis und Pilze massiv zerstört seien. Gleiches gelte für die Balustrade im Inneren des Saals.

Im Februar 2014 dichtete die Dachdeckerei P_____ GmbH das Dach über dem Saal Riviera im Auftrag der Klägerin durch Aufschweißung einer bituminösen Schweißbahn ab. Mit Schreiben vom 25. Januar 2015 (GA Bl. 203) erklärte der Dachdecker P_____ gegenüber der Klägerin, dass nach seiner fachlichen Beurteilung während der Ausführung der Arbeiten keinerlei Einsturzgefahr des Daches bestand, auch wenn mehrere Dachdecker und Arbeitsmaschinen, Materialien und Geräte auf dem Dach standen.

Am 22. Mai 2014 fand in dem dazugehörigen Hauptsacheverfahren VG 13 K 44.14 ein Augenscheinstermin statt, in dem vom Vorsitzenden ausweislich des Protokolls folgende Feststellungen getroffen wurden:

„Hinsichtlich Punkt 1.1 wurde festgestellt, dass dieser bei dem Gebäudekomplex Riviera und Gesellschaftshaus nicht erfüllt ist.

Herr E_____ erklärte:
Ich bin bereit, dies binnen sechs Wochen zu erfüllen.

Hinsichtlich Punkt 1.2 - Gestrüpp und Bäume entfernen - sind die Beteiligten übereinstimmend der Auffassung, dass dies überwiegend erledigt worden ist.
Hinsichtlich Punkt 1.2 wurde festgestellt, dass zwar rund um die Gebäude die Spontan-
vegetation entfernt worden ist, dass jedoch weiter Pflanzen und Bäume aus dem Mauerwerk wachsen. Diese müssen noch entfernt werden, so dass dieser Teil der Verfügung nur teilweise erledigt ist.

Insofern erklärte Herr E_____: Wir werden das Mauerwerk innerhalb von sechs Wochen von der restlichen Spontanvegetation befreien.

Hinsichtlich Punkt 1.3 wird festgestellt, dass dieser Punkt noch nicht erledigt ist. Das Bezirksamt wies nochmal darauf hin, dass im großen Saal des Gesellschaftshauses die
Türen auch zugemauert werden können mit einer Bautür. Und zwar die Westseite wird zugemauert, indem hinter den teilweise noch vorhandenen Holztüren zugemauert wird. Dies ist preiswerter als Lochbleche, die verspannt werden müssen. Hinsichtlich der umlaufenden Veranda müssen Lochbleche angebracht werden. Der große Saal im Gesellschaftshaus muss weiterhin durch eine an der Südseite angebrachte Bautür zugänglich bleiben. Wenn die umlaufende Veranda durch Lochbleche zugemacht worden ist, muss nur die Westseite des großen Saals im Gesellschaftshaus zugemauert werden.

Hinsichtlich der Lochbleche erklärte Herr K_____ vom Bezirksamt, dass er Angebote bereits eingeholt hat. Er erklärte sich bereit, diese dem Klägervertreter zu übermitteln innerhalb einer Woche. Auch hierfür gilt eine Frist von sechs Wochen.

Hinsichtlich des Fensters im Dach des Gesellschaftshauses muss auch dieses verschlossen werden.

Hinsichtlich des Punktes 2.1 wird festgestellt, dass dieser Punkt noch nicht erledigt worden ist.

Herr E_____ erklärte:
Es ist nicht möglich nach unseren Erkenntnissen, dieses Dach noch zu reparieren.

Das Bezirksamt erklärte:
Wir möchten dies gerne überprüfen, wenn das Fenster oben geschlossen wird, weil dann eine Bühne vorhanden ist. Dann werden wir uns das anschauen und dann werden wir entweder eine weitere Frist festsetzen, in der das Dach zu reparieren ist, oder andere Maßnahmen erlassen.


Das Bezirksamt erklärte:
Anstelle der Lochbleche kann in den Obergeschossen auch Glas eingesetzt werden, falls die Fenster das noch erlauben. Wir weisen aber auf den Vandalismus hin. Hinsichtlich dieses Vandalismus ist das Bezirksamt bereit, die zuständige Polizeiwache mit einem geeigneten Schreiben über den Zustand hier zu unterrichten und auf mehr Polizeistreifen zu drängen.

Das Gericht begab sich über die Südseite des Gesellschaftshauses (Verandaseite) zu dem Riviera-Haus. Hinsichtlich Punkt 3.1 sagte Herr E_____ zu, dies innerhalb von sechs Wochen zu schaffen. Hinsichtlich Punkt 3.2 im Saal Riviera wurde festgestellt, dass das Dach inzwischen gesichert worden ist (nicht Gegenstand der Anordnung). Ein Gutachten wurde seitens des Bezirksamts eingeholt. Das Bezirksamt erklärte, dass das Gutachten zu dem Schluss gekommen ist, dass eine Unterfangung von unten notwendig ist. Hierüber besteht Streit zwischen den Beteiligten. Es ist aber nicht Gegenstand der vorliegenden Anordnung. Das Bezirksamt behielt sich den Erlass einer weiteren Sicherstellungsanordnung diesbezüglich vor. Das Gericht bat darum, dies auch im Zusammenhang mit dem Mediationsverfahren zu sehen. Hinsichtlich des Punktes 3.2 erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt (Gutachten Saal Riviera), das Bezirksamt unter Protest gegen die Kostenlast.


Hinsichtlich Punkt 3.4 bezüglich Obergeschoss Stuckzimmer (ehemalige Bar) erklärte sich Herr E_____ bereit, die Fenster zumauern zu lassen und den Eingang zum Treppenhaus zu schließen bzw. dort das Fenster im Treppenhaus zu schließen. Hierfür wurde eine Frist von sechs Wochen vereinbart. Hinsichtlich Punkt 3.3 Gastraum Erdgeschoss Durchgangszimmer wird festgestellt, dass Teile der Decke herabgestürzt sind.

Herr B_____ erklärte:
Dies ist in jüngster Zeit geschehen.

Herr E_____ bestreitet dies:
Es ist ein Stuckkranz auf den Boden gefallen, von dem das Bezirksamt behauptet, dieser hätte bei der letzten Besichtigung dort noch nicht gelegen.

Herr E_____ erklärte sich bereit, den herabgefallenen Stuckkranz einzulagern.“

Nachdem ein zwischenzeitliches Mediationsverfahren gescheitert war, wurde die Klage
13 K 44.14 von der Klägerin nach erneuter Terminierung zurückgenommen. Die Verfahren sind wie erwähnt beigezogen worden.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 15. Juli 2014 gab das Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin der Klägerin auf, im Saal des Restaurantkomplexes Riviera die Stuckdecke durch Aufstellen eines flächenorientierten Arbeitsgerüstes innerhalb von 6 Wochen zu sichern. Dazu sollte auf der obersten Gerüstlage mindestens eine Lage Dachwolle zur gedämpften Abtragung etwa herabfallender Stuckelemente aufzulegen sein. Hierfür drohte das Bezirksamt der Klägerin die Ersatzvornahme unter Veranschlagung eines vorläufigen Kostenbetrages von 20.000 € an (2. Sicherungsanordnung). Zur Begründung führte das Bezirksamt aus, dass die akute Gefahr des Herabfallens der Saaldecke bestehe. Dazu bezog sich der Beklagte auf eine Stellungnahme des Ingenieurbüros J_____ GmbH vom 20. Mai 2014. Danach wies der Tanzsaal ein als Pultdach errichtetes Holzdach auf. Die Dachkonstruktion sei in mindestens 4 Bereichen wegen jahrelanger Undichtigkeit der Dachdichtung durchgefault, weshalb diese Teilbereiche nicht mehr tragfähig seien. Es sei eine neue geschweißte Papplage in den letzten Monaten aufgebracht worden. Diese Maßnahme lasse den Rückschluss zu, dass das Dach gerade noch eine Mannlast trage. Aus Sicherheitserwägungen dürfe das Dach nicht betreten werden, notfalls nur mit einer Seilsicherung. Es bestehe Durchsturzgefahr. Falls das Dach betreten werde, dürfe sich niemand in der Halle befinden, einen Winter mit Schneelasten würden Teilbereiche des Daches nicht mehr tragen können.

Hiergegen legte die Klägerin am 15. August 2014 Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 29. August 2014 begründete. Die Klägerin führte aus, es bestünden erhebliche Zweifel, ob der Saal der Gaststätte Riviera überhaupt erhalten werden könne. Hierzu bezog sich die Klägerin auf das bereits erwähnte Gutachten von S_____ vom 8. Oktober 2013.

Am 17. Oktober 2014 fand seitens des Beklagten ein Ortstermin in Begleitung der Gerüstbaufirma R_____ statt, bei dem sich der Beklagte mithilfe eines Schlüsseldienstes Zugang zum Gebäude verschaffen musste, da seitens der Klägerin trotz Ankündigung niemand anwesend war. Es wurde festgestellt, dass im Saal Riviera neue Schäden erkennbar seien. Ein Gerüst zur Sicherung der Stuckelemente könne kurzfristig gestellt werden. In einer weiteren, von der Klägerin eingereichten Unterlage zu der Begehung, die sich nicht im vorgelegten Verwaltungsvorgang befindet, heißt es, dass ein Langzeittraggerüst erforderlich sei (GA Bl. 156). Es wurden folgende Feststellungen in Bezug auf die Erledigung der Verfügung vom 25. April 2013 getroffen:

Zu Punkt 1.1 wurde festgestellt, dass die Regenrinnen teilweise gereinigt wurden, eine Reparatur erfolgte nicht.

Zu Punkt 1.2 wurde festgestellt, dass die Spontanvegetation entfernt worden ist, aber zwischenzeitlich nachgewachsen ist.

Zu Punkt 1.3 wurde festgestellt, dass die Fenster abweichend zur Vorgabe mit OSB-Platten verschlossen wurden, die allerdings keine Lüftungslöcher aufwiesen.

Im Hinblick auf den Saal Riviera wurde festgestellt, dass neue Schäden erkennbar seien. Eine Sicherung der Stuckdecke sei kurzfristig erforderlich.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2014 setzte das Bezirksamt das angedrohte Zwangsmittel der Ersatzvornahme fest.

Aufgrund der E-Mail der Bauingenieurgemeinschaft B_____ vom 31. Oktober 2014, in der ausgeführt wurde, dass auch die Lastfälle zu untersuchen seien, bei denen das Dach unter Schnee seine Tragfähigkeit verliere und sich sanft lege bzw. dass das kollabierte Dach sich auf dem Gerüst befinde, der Schnee aber geräumt sei, fertigte der Gerüstbauer R_____ am 5. November 2014 ein Angebot zur Errichtung eines diesen Lastfällen entsprechenden Langzeittragegerüstes der Lastklasse 3 i.H.v. 111.834,36 € an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2014 wies das Bezirksamt den Widerspruch der Klägerin zurück (A 1 des Tenors) und änderte im Tenor unter A 2 die Anordnung vom 15. Juli 2014 bezüglich der Androhung dahin, dass es die vorläufigen Kosten der Ersatzvornahme nach dem Bericht des Gerüststatikers B_____ und dem Angebot des Gerüstbauers R_____ auf ca. 112.000 € veranschlagte. Außerdem traf das Bezirksamt unter D eine Entscheidung „in der Gestalt dieses Widerspruchbescheides“ über die Festsetzung der Ersatzvornahme mit einem vorläufig veranschlagten Kostenaufwand von 112.000 €. Zur Begründung führte das Bezirksamt aus, die Sicherung der Saaldecke sei bislang nicht erfolgt. Es bestehe eine akute Gefahr für den Fortbestand der Decke. Die Sicherung der Saaldecke sei auch zumutbar. Unter Bezug auf den Bericht des Gerüststatikers und das Angebot des Gerüstbauers führte das Bezirksamt auf S. 8f des Widerspruchbescheides aus, dass eine Ausführung auch zur Sicherung des Daches bei drohender Schneelast erfolgen müsse, weshalb die titulierten Änderungen erfolgen müssten.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2014 wies der Vorsitzende als Einzelrichter einen Antrag der Klägerin auf vorläufigen Rechtsschutz - VG 13 L 397.14 - zurück. Dabei führte der Einzelrichter aus:

„Wie in der mündlichen Verhandlung umfangreich erörtert worden ist, besteht aufgrund der in den Akten befindlichen Stellungnahmen und Gutachten eine unmittelbare Einsturzgefahr hinsichtlich des gesamten Daches (vgl. Gutachten S_____ vom 8. Oktober 2013, S. 8; Schreiben der J_____ GmbH vom 20. Mai 2014, S. 1, Bl. 26 der Gerichtsakte). Ersichtlich ist die Antragstellerin auch ihrer Verpflichtung, die seit 2007 in ihrem Eigentum stehenden Gebäude Riviera und Gesellschaftshaus, die sie wegen der Denkmalbelastung mit einem entsprechenden Kaufpreisabschlag von der TLG erworben hatte, zu schützen, nicht im ausreichenden Maße nachgekommen. Sie hat es insbesondere unterlassen, die Gebäude nachhaltig vor Witterungseinflüssen und Vandalismus zu schützen mit der Folge, dass es zu erheblichen Undichtigkeiten von Dächern, Fenstern und Türen sowie zu zahlreichen Beschädigungen in den Innenräumen gekommen ist. Dass einzelne Schäden möglicherweise bereits beim Erwerb der Immobilien zu beklagen waren, entbindet die Antragstellerin nicht von ihrer Schutzverpflichtung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 DSchG Bln
(Beschluss der 16. Kammer vom 28. November 2013 - 16 L 341.13 - S. 4 des amtlichen Abdrucks). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin der vollziehbaren Auflage Nr. 3.2 im Bescheid des Bezirksamts vom 25. April 2013, bezüglich des Saales Riviera ein Gutachten zur Tragfähigkeit der Decke vorzulegen, bislang nicht nachgekommen ist. Insoweit gehen bestehende Restzweifel zu ihren Lasten. Damit liegen sogar die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 2 DSchG vor, was jedenfalls die hier in Rede stehenden Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 DSchG abdeckt.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin überschreitet die Sicherungsanordnung auch nicht die Grenzen der Zumutbarkeit. Dabei kommt es im Rahmen des § 8 Abs. 2 Satz 1 DSchG Bln nicht auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit der endgültigen Sanierung und Erhaltung des Denkmals an, sondern nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg allein darauf, ob die konkret angeordnete Maßnahme zur
vorübergehenden Sicherung des Denkmals vor Gefährdungen als solche zumutbar ist. Denn es kann im Interesse des Gemeinwohlbelangs des Denkmalschutzes und der Erhaltung des Denkmalbestands nicht hingenommen werden, dass noch vor oder während eines möglicherweise langwierigen Verfahrens um Denkmalabriss und Genehmigung alternativer Bauprojekte, in dem gerade geprüft werden soll, ob die Erhaltung des Denkmals zumutbar ist, infolge fehlender vorläufiger Sicherungsmaßnahmen ein Verlust des Denkmals eintritt (vgl. Beschluss der 16. Kammer, a.a.O., S. 5 des amtlichen Abdrucks mit weiteren Nachweis; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2014 - OVG 2 S 103.13 - S. 4 des amtlichen Abdrucks).

Dass die hier angeordneten Maßnahmen zur Stützung der Decke des Riviera-Saales, deren Kosten der Antragsgegner zuletzt mit 112.000 € angenommen hat, zu unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastungen führen, hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargetan. Bei der Antragstellerin handelt es sich offenbar um eine im Grundstücksbereich tätige Geschäftsfrau, die das umfangreiche Grundvermögen seinerzeit zu einem dem Denkmalschutz Rechnung tragenden Kaufpreis erworben hat, um es zu entwickeln.
Gegenteilige Einkommens- und Vermögensverhältnisse hat die Antragstellerin nicht dargelegt.

Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Ausnahmefall berufen, weil sich hier nicht feststellen lässt, dass sich eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Genehmigung des von der Antragstellerin offensichtlich beabsichtigten Abrisses der fraglichen Baulichkeiten derart aufdrängt, dass jegliche nähere Prüfung, insbesondere der wirtschaftlichen Erhaltungsbelastungen, von vornherein entbehrlich erschiene. Das Ergebnis einer solchen Prüfung erscheint vielmehr offen. Insoweit wird auf den mehrfach zitierten Beschluss des 16. Kammer, Seite 6 des amtlichen Abdrucks, Bezug genommen.

Keine durchgreifenden Bedenken ergeben sich daraus, dass der Antragsgegner im Ausgangsbescheid zunächst den Schwerpunkt der Sicherungsanordnung auf die Abfangung herabfallender Stuckelemente gelegt hat, während es im Widerspruchsbescheid um die Stützung des Daches insgesamt geht, wie sich aus der Begründung des Widerspruchsbescheides und der dem Widerspruchsbescheid zu Grunde liegenden E-Mail des Sachverständigen für Gerüstbau, B_____, vom 31. Oktober 2014 an den Antragsgegner ergibt. Die dort aufgeführten, mit dem Ziel der Abfangung des gesamten Daches bei Schneelasten technisch zu bewältigenden Lastfälle haben offensichtlich zu dem um rund 72.000 € höheren Aufwand entsprechend dem Angebot des Gerüstbauers R_____ vom 5. November 2014 geführt. Gegen die in dieser inhaltlichen Veränderung der Maßnahme liegende
reformatio in peius bestehen schon deshalb keine Bedenken, weil Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde hier identisch sind, vgl. § 27 Abs. 1 b AZG.

Bei summarischer Prüfung ist auch nicht feststellbar, dass der Antragsgegner die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Die Antragstellerin verkennt, dass es der Sinn des Denkmalschutzes gerade ist, das Denkmal möglichst weitgehend in seiner Originalsubstanz zu erhalten. Damit scheidet als weniger belastende, gleich geeignete Maßnahme die bloße Abnahme der gefährdeten Stuckteile von der Decke aus.

Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse hinsichtlich der Sicherungsanordnung folgt aus den sich in den Akten befindlichen Stellungnahmen und Gutachten, wonach der Einsturz der Saaldecke bei Schneelasten droht.

Die im Widerspruchsbescheid erfolgte Festsetzung der Ersatzvornahme unter Benennung der vorläufig auf 112.000 € veranschlagten Kosten entspricht den gesetzlichen Bestimmungen (§ 5 Abs. 2 VwVfG Bln i.V.m. §§ 6, 9, 10, 14 VwVG). Sie konnte erstmalig durch die Widerspruchsbehörde erfolgen, da diese mit der Ausgangsbehörde identisch ist, vgl. § 27 Abs. 1 b AZG.“
Am 23. Dezember 2014 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

In der letzten Arbeitswoche des Jahres 2014 wurde die Grundverfügung vollstreckt und das vollastfähige Langzeitgerüst im Wege der Ersatzvornahme gestellt.

Mit Beschluss vom 17. September 2015 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Beschluss der Kammer geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides wiederhergestellt bzw. angeordnet (OVG 2 S 2.15). Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt:

„Zu Recht macht die Antragstellerin geltend, dass die erstinstanzlich angenommene
reformatio in peius ungeachtet der Behördenidentität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde schon deshalb nicht zutreffe, weil die durch den Widerspruchsbescheid geänderte Veranschlagung der vorläufigen Kosten von ca. 20.000 Euro auf ca. 112.000 Euro einer neuen Grundverfügung bedurft hätte, die fehle.
Die prognostizierte Kostenerhöhung, die zur teilweisen Änderung des Ausgangsbescheids (dort Abschnitt B Satz 3) geführt hat, stützt sich ausdrücklich auf den Bericht des Sachverständigen für Gerüstbau B_____ (Gerüststatiker) vom 31. Oktober 2014 sowie das Angebot der Gerüstbau GmbH R_____ vom 5. November 2014. Danach sind die neu veranschlagten Kosten ersichtlich der veränderten Sicherungsmaßnahme - Aufstellen eines Langzeittraggerüsts der Lastklasse 1 statt Aufstellen eines flächenorientierten Arbeitsgerüstes - geschuldet, die im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt werden soll. Denn nur durch das Traggerüst, nicht durch ein einfaches Arbeits- und Schutzgerüst kann aus der auf die Empfehlung des Gerüststatikers gestützten Sicht des Antragsgegners die beabsichtigte Sicherung der gesamten Decken- und Dachkonstruktion gewährleistet werden (vgl. das im Verwaltungsvorgang fehlende, von der Antragstellerin ein­ge­reich­te Protokoll der Vor-Ort-Begehung am 22. Oktober 2014, *2). Davon geht in der Sache auch das Verwaltungsgericht aus. Es ist der Auffassung, der Antragsgegner habe zunächst im Ausgangsbescheid den Schwerpunkt der Sicherungsanordnung auf die Abfangung herabfallender Stuckelemente gelegt, während es im Widerspruchsbescheid um die Stützung des Daches insgesamt gehe. Es kann offen bleiben, ob - wie das Verwaltungsgericht meint - „in dieser inhaltlichen Veränderung der Maßnahme“ mit Blick auf die Behördenidentität eine zulässige reformatio in peius liegen könnte, denn das Verwaltungsgericht übersieht in dem angegriffenen Beschluss bereits, dass die angenommene Verschiebung der Schwerpunktsetzung nicht zur Veränderung der unter A.1 getroffen­en Sicherungsanordnung geführt hat. Vielmehr ist der Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid zurückgewiesen worden.

Vor diesem Hintergrund bezieht sich die der Kostenschätzung im Widerspruchsbescheid zugrunde gelegte Maßnahme auf eine der Antragstellerin nicht durch eine entsprechend hinreichend bestimmte Sicherungsanordnung auferlegte Handlung, die mit dem Zwangsmittel der Ersatzvornahme durchgesetzt werden kann (§ 5a Satz 1 BlnVwVfG i.V.m. § 6 Abs. 1, § 9, § 10 VwVG). Denn selbst wenn - wie der Antragsgegner ausführt  der Maßnahmezweck von Anfang an die Stützung der Deckenkonstruktion und nicht nur der Stuckdecke eingeschlossen haben sollte, ändert dies nichts an der festgestellten Ungeeignetheit der gegenüber der Antragstellerin allein angeordneten Sicherungsmaßnahme (Arbeitsgerüst), deren voraussichtliche Kosten nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Beschwerde zur ursprünglichen Kostenschätzung, die im Verwaltungsvorgang ebenfalls fehlt, lediglich für ein Gerüst zur Sicherung der Stuckelemente kalkuliert wurden. Folgerichtig ist nach der Ortsbesichtigung am 17. Oktober 2014 auch nur diese angedrohte Ersatzvornahme mit einem vorläufig veranschlagten Kostenaufwand von 20.000 Euro durch Bescheid vom 20. Oktober 2014 festgesetzt worden. Mangels ausreichender Traglastfähigkeit konnte jedoch das Aufstellen eines solchen Arbeits- und Schutzgerüstes den behaupteten Maß­nahme­­zweck auf längere Zeit objektiv nicht erfüllen. Dies räumt der Antragsgegner selbst ein (vgl. Protokoll der Vor-Ort-Begehung am 22. Oktober 2014, *2). Dass die Antragstellerin gleichwohl unter A.1 des angegriffenen Bescheids vom 15. Juli 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2014 zur Aufstellung eines deutlich kostenintensiveren Langzeittraggerüsts der Lastklasse 1 verpflichtet worden sein sollte, war für diese trotz des bereits jahrelangen Streits um die Denkmalunterhaltung des Gebäudekomplexes bei verständiger Würdigung (Empfängerhorizont) der angefochtenen Sicherungsanordnung schon angesichts des Umfangs der festgesetzten Kosten der Ersatzvornahme nicht erkennbar. Der Umstand, dass aufgrund der „erheblich ausgedünnten Personaldecke“ zunächst ein Mitarbeiter des Antragsgegners mit der Kostenschätzung für die festgesetzte Ersatzvornahme betraut wurde, der nicht über das geforderte „spezielle() Ausbildungsprofil“ verfügte, geht zu Lasten des Antragsgegners.

2. Unabhängig davon greift die weitere Rüge der Antragstellerin ebenfalls durch, wonach
- eine zulässige Verböserung unterstellt - diese zumindest erneut mit eigener Fristsetzung habe angedroht werden müssen und nicht uno actu im Widerspruchsbescheid (Abschnitt B Satz 3 und Abschnitt D) als Ersatzvornahme mit einem vorläufig veranschlagten Kostenaufwand von 112.000 Euro habe angedroht und festgesetzt werden dürfen. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners handelt es sich nicht lediglich um einen „präzisierte(n) Kostenansatz der Ersatzvornahme“, sondern um die neue Androhung einer von der bereits festgesetzten Ersatzvornahme abweichenden Maßnahme. Die Androhung dieser neuen Ersatzvornahme ohne neue Fristbestimmung unter gleichzeitiger Festsetzung ist unwirksam. Eine Androhung kann ihre Funktion als ernste Warnung an den Pflichtigen nur erfüllen, wenn dieser weiß, dass ihm Zwang droht, und wenn er weiß, wie viel ihn das in etwa kostet. In beiden Fällen muss dem Betroffenen die volle Frist zur Verfügung stehen, die gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG zu bestimmen ist (vgl. Sadler, VwVG, VwZG, 9. Aufl. 2014, § 13 Rz. 103). Daran fehlt es hier, so dass der Antragstellerin das Recht der eigenverantwortlichen Kalkulation unter den von dem Antragsgegner im Widerspruchsbescheid geänderten Bedingungen genommen worden ist. Die Androhung der Ersatzvornahme mit dem neu veranschlagten vorläufigen Kostenaufwand hätte vor der Festsetzung erfolgen müssen, die ihrerseits erst nach erfolglosem Ablauf einer - hier fehlenden - neuen Fristbestimmung möglich gewesen wäre.“

Am 11. November 2015 fertigte die J_____ GmbH im Auftrag des Bezirksamts ein erneutes Gutachten zur Statik des Daches des Saals Riviera an (VG 13 K 6.16, Bl. 10ff). In diesem Gutachten heißt es, dass die Dachform des Pultdachs durch 4 Stahlbinder (Ober- und Untergurte) erzielt werde. Dabei stünden die Stahlbinder schräg zum Grundriss, so dass dieser einen Grat bilde. Die Dachbalken lägen oberseitig auf den Obergurten auf und seien durch Stahlwinkel in ihrer Lage gesichert. Die Holzbalken der Unterdecke schlössen seitlich auf der Höhe der Untergurte an. Die vorhandene Dach- und Deckenkonstruktion „überrasche“ durch ein einfaches, aber robustes Tragsystem. Bis auf einige Fehlstellen im Holzbereich seien keine größeren Bedenken aus der optischen Berücksichtigung bezüglich der Statik erkennbar. Die vorhandenen Schäden könnten auf einfachere handwerkliche Weise saniert werden, doch müssten die Schäden schnell beseitigt werden.

Nach dem Holzgutachten des Ingenieurs D_____ vom 29. Oktober 2015 (VG 13 K 6.16 Bl.17ff) muss zur Vermeidung weiterer partieller Einbrüche der Pfettenstrang im Schadensbereich 1 (Westtraufe, aufgeständerter Pfettenstrang) provisorisch abgestützt werden, die Pappabdichtung über den Schadenbereichen 2 (südliche Dachschalung) und 3 (aktuelle Durchfeuchtung Bereich nahe Saalmitte) sei von einem versierten Dachdecker zu überprüfen und nachzuarbeiten. Unmittelbar vor dem Untersuchungstag seien im Berliner Raum Niederschläge zu verzeichnen gewesen. Die Feuchtbelastung rühre von diesen Niederschlägen, da die provisorische Dachdeckung regelmäßig unterfeuchtet werde. Nach Durchführung der Sicherungsmaßnahmen könne der Schadenbereich 1 durch eine einfache Erneuerung der geschädigten Hölzer saniert werden. Nach Abdichtung der Dachhaut sollten die Schadenbereiche 2 und 3 vorsichtig technisch getrocknet werden. Echter Hausschwamm sei nicht vorhanden.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens erließ das Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin am 8. Dezember 2015 eine nicht streitgegenständliche (3.) Sicherungsanordnung bezüglich Dach- und Stuckdecke im Saal Riviera. Darin gab es der Klägerin auf

a) am Pultdach,
1 den aufgeständerten Pfettenstrang an der Westtraufe provisorisch abzustützen
2 die in diesem Bereich geschädigten Hölzer zu erneuern
3 die angefaulte Schalung auf dem Dach zu entfernen
4 stark geschwächte Hölzer der Dachkonstruktion auszutauschen bzw. zu verstärken
5 die Fehlflächen in der Schalung zu erneuern
6 die Abdichtung der gesamten Dachhaut zu sanieren bzw. zu erneuern, auf der gesamten Dachfläche eine beschieferte Bitumenschweißbahn dicker als 4 mm aufzubringen, im Bereich der erneuerten Schalung eine Lage Glasvlies-Dachpappe G200, besandet, aufzulagern und 2 Lagen Schweißbahn aufzutragen
7 für alle Sanierungsarbeiten technisch getrocknetes näher spezifiziertes Kiefernholz zu verwenden
8 nach Abdichtung der Dachhaut die Schadenbereiche 2 und 3 vorsichtig technisch zu trocknen
b) an der Unterkonstruktion der Stuckdecke
1 Absturzgefährdete Stuckteile durch einen Stuckateur zu befestigen bzw. im Bereich von schadhaften Balken und Schalung auf das Gerücht zu legen
2 schadhafte Schalung zu entfernen
3 schadhafte Hölzer der Konstruktion zu verstärken bzw. zu erneuern
4 an den Fehlstellen neue Schalung aufzubringen
5 entfernte Stuckteile von einem Stuckateur wieder anschrauben zu lassen.

Mit weiterem Bescheid vom 8. Dezember 2015 gab das Bezirksamt der Klägerin auf, das bereits stehende flächenorientierte Traggerüst der Firma R_____ für weitere 6 Monate ab dem 21. Dezember 2015 vorzuhalten. Die hiergegen erhobenen Widersprüche wies das Bezirksamt mit Widerspruchsbescheid 22. Dezember 2015 zurück. Hiergegen wendet sich die Klägerin soweit es die (3.) Sicherungsanordnung betrifft mit der Klage VG 13 K 6.16.

Mit der vorliegenden Klage gegen die (2.) Sicherungsanordnung macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe mit dem Widerspruchsbescheid nicht wie erforderlich eine neue Grundverfügung erlassen und auch nicht erlassen können. Stattdessen habe er mit der veränderten Festsetzung eine andere Maßnahme festgesetzt als im Ausgangsbescheid. Die Behörde habe die Maßnahme dahin geändert, dass statt eines Traggerüstes ein Arbeitsgerüst angeordnet worden sei und auch hinsichtlich des Sicherungszwecks, der nunmehr darauf gerichtet war, zusätzlich die eigenen Lasten der Dachkonstruktion im Falle des Kollabierens zu tragen. Dabei habe es sich um ein Aliud und nicht um eine Verböserung gehandelt, für das die Widerspruchsbehörde nicht zuständig gewesen sei. Im Übrigen sei die Sicherungsanordnung nicht gerechtfertigt gewesen, weil sie von der unzutreffenden Annahme eines Holzdaches ausgegangen sei. Nach dem schon erwähnten Gutachten der Firma J_____ vom 11. November 2015 „überrasche“ die vorhandene Dach- und Deckenkonstruktion durch ein robustes Tragsystem aus 4 Hauptträgern aus Stahl und einem quer dazu verlaufenden Holzbalkensystem. Die Grundverfügung sei demgegenüber ergangen, ohne dass die Dachkonstruktion als solche berücksichtigt worden sei, sie beruhe allein auf oberflächlicher Augenscheinseinnahme. Aus den Akten ergebe sich aber, dass dem Beklagten die Stahlkonstruktion des Daches bekannt gewesen sei. Es habe sich nicht um eine Maßnahme zur Erhaltung der Denkmalsubstanz handeln können, weil sie zugleich die Denkmalsubstanz beeinträchtigt habe, da für das Gerüst 72 Öffnungen im Bestandsfußboden veranschlagt worden seien. Schließlich sei die Maßnahme unzumutbar, weil sie nicht aus den Erträgen der Denkmalnutzung, sondern alleine aus dem sonstigen Vermögen der Klägerin finanziert werden müsse. Die erforderliche Anhörung für diese veränderte Grundmaßnahme sei nicht erfolgt. Die Festsetzung sei im Rahmen des Widerspruchsverfahrens von einer unzuständigen Behörde getroffen worden. Im Übrigen sei die neue Maßnahme nicht wie erforderlich mit eigener Fristsetzung angedroht worden. Die Festsetzung der Gerüststellung auf ein Jahr sei unverhältnismäßig gewesen.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Bezirksamts Treptow-Köpenick von Berlin vom 15. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 27. November 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide und das Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. Es habe sich bei der Veränderung des Ausgangsbescheides durch den Widerspruchsbescheid um eine reformatio in peius gehandelt und nicht um ein Aliud. Die Maßnahme habe von Anfang an eine Stützung der Deckenkonstruktion mit einbezogen, da ansonsten ein effektiver Schutz des Deckenstucks nicht realisierbar gewesen sei. Zusätzlich führte er aus, das Dach sei unverändert partiell einsturzgefährdet. Die partielle Einsturzgefahr werde nicht dadurch aufgehoben, dass die Metallbinder in einem besseren Zustand gewesen seien als ursprünglich angenommen. Auch nach dem aktuellen Gutachten bestehe eine örtliche Durchbruchsgefahr schon aufgrund der Weite der Dachabschnitte zwischen den Stahlbindern.

Der Vorsitzende hat in dem beigezogenen Verfahren VG 13 K 44.14 die Örtlichkeiten am 22. Mai 2014 in Augenschein genommen, wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung in jenem Verfahren Bezug genommen, soweit es im Tatbestand nicht schon wiedergegeben ist. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (zwei Leitzordner betreffend die (1.) und einen Leitzordner betreffend die (2.) Sicherungsanordnung) sowie die Akte des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens VG 13 L 397.14 und die Klageverfahren betreffend (1.) und (3.) Sicherungsanordnung VG 13 K 44.14 und
VG 13 K 6.16 Bezug genommen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere haben sich die Grundverfügung sowie die Androhung und die Festsetzung nicht durch die Errichtung des auferlegten Gerüstes im Wege der Ersatzvornahme durch den Beklagten in der letzten Arbeitswoche des Jahres 2014 erledigt (§ 43 Abs. 2 VwVfG Bund i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Berlin), weil ihre Wirksamkeit Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten nach §§ 19, 10 VwVG Bund i.V.m. § 1 Abs. 5a VwVfG Berlin ist (vgl. OVG Koblenz, NVwZ 1997, 1009; BVerwG, NVwZ 2009, 122).

(A) Die Klage ist auch begründet. Die Sicherungsanordnung des Bezirksamts Treptow- Köpenick von Berlin vom 15. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 27. November 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Zunächst in Betracht kommende Rechtsgrundlage für die Sicherungsanordnung ist hier § 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 DSchG Bln. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 DSchG Bln ist der Verfügungsberechtigte verpflichtet, ein Denkmal im Rahmen des Zumutbaren instandzuhalten und instandzusetzen, es sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdungen zu schützen. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 DSchG kann der Verfügungsberechtigte durch die zuständige Denkmalbehörde verpflichtet werden, bestimmte Maßnahmen zur Erhaltung des Denkmals durchzuführen.

Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in seinem  Beschluss im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vom 17. September 2015 (OVG 2 S 2.15) fehlt es nicht an der erforderlichen Grundverfügung für die hier im Wege der Ersatzvornahme vollstreckte Maßnahme der Errichtung eines volllastfähigen dauerhaften Traggerüstes. Diese Maßnahme hat die Widerspruchsbehörde zulässigerweise im Wege der reformatio in peius angeordnet (1). Es fehlt jedoch an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 DSchG (2). Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 2 DSchG liegen erst recht nicht vor (3).

(1) Nach Auffassung der Kammer hat das Bezirksamt in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 27. November 2014 die Grundverfügung dahingehend verbösert, dass statt der Stellung eines flächigen Gerüsts zur Abfangung herabfallender Stuckelemente ein volllastfähiges Stützgerüst zur Abfangung des Daches insgesamt im Falle seines Kollabierens auferlegt wurde. Es trifft zu, dass diese Verböserung nicht im Tenor des Widerspruchsbescheides enthalten ist. Ausdrücklich ändert der Widerspruchsbescheid nur die Androhung hinsichtlich des veranschlagten Kostenbetrages. Auch gehen Zweifel bei der Auslegung von Verwaltungsakten zulasten der Behörde (st. Rspr.). Aus der Begründung des Bescheides wird jedoch hinreichend deutlich, dass die Anordnung nunmehr zur Abfangung der Saaldecke insgesamt erfolgt und nicht nur zum Abfangen herabfallender Stuckteile. Bei der Auslegung ist in Bezug auf den objektiven Empfängerhorizont zu berücksichtigen, dass es sich bei der Klägerin um eine im Baugeschäft tätige internationale Geschäftsfrau handelt sowie dass die Beteiligten im dauernden Gespräch standen. Unter Bezug auf  die E-Mail des Gerüststatikers B_____ und die Stellungnahme des Statikbüros J_____ vom 20. Mai 2014 kommt die Widerspruchsbehörde zu dem Schluss, dass nunmehr eine „dezidierte“ Ausführung erforderlich sei, welche gewährleiste, dass die Decke gesichert sei, auch wenn das Dach aufgrund der drohenden Schneelast versagen sollte (Seite 8). Auf Seite 6 des Bescheides heißt es, die Anordnung zur Sicherung der Saaldecke sei auch zumutbar. Damit hat die Behörde die Verböserung in der Begründung des Bescheides verfügt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. § 37 Rn. 6 bei Fna;
BVerwG, NJW 88, 506). Aus der Zurückweisung des Widerspruchs im Tenor folgt auch nicht, dass eine reformatio in peius nicht vorliegen könne. Denn die reformatio in peius geht regelmäßig mit der Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen einher.

(2) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 DSchG liegen jedoch nicht vor.

Der in Rede stehende Saal ist, was die Klägerin nicht in Abrede stellt, Denkmal im Sinne von § 2 Abs. 2, 3 DSchG Bln, dessen Erhalt wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Er ist als Gesamtanlage (Regattastraße 161, Hotel-Restaurant Riviera mit Saalbau und Anbauten, um 1890, 1925 von Otto Gerth) in der Denkmalliste Berlin (Abl. 2001 S. 2607) eingetragen.

Die auferlegte Maßnahme muss jedoch dazu dienen, das Denkmal vor Gefährdungen zu schützen (§ 8 Abs. 1 Satz 1, letzte Alternative DSchG). In der maßgeblichen Gestalt, die die auferlegte Maßnahme durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), diente die Maßnahme dazu, das Dach insgesamt im Falle eines Kollabierens abzustützen. Anders als vom Vorsitzenden nach ausführlicher Erörterung in der mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2014 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren VG 13 L 397.14 noch angenommen, bestand jedoch im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides keine Einsturzgefahr hinsichtlich des Daches. Dafür sprachen zwar zum Zeitpunkt der Entscheidung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens die in den dem Gericht bekannten Akten befindlichen Stellungnahmen und Gutachten (vgl. Gutachten S_____ vom 8. Oktober 2013, S. 8; Schreiben der J_____ GmbH vom 20. Mai 2014, S. 1, Bl. 26 der Gerichtsakte des Verfahrens VG 13 L 397.14). Nach dem nunmehr vorgelegten Gutachten der J_____ GmbH vom 11. November 2015 und dem Holzgutachten des Ingenieurs D_____ vom 29. Oktober 2015 bestand und besteht diese Gefahr jedoch nicht, und zwar auch nicht aus der gefahrenrechtlich maßgeblichen Perspektive ex ante.  

Zwar ist die Klägerin ihrer Verpflichtung nach § 8 Abs. 1 Satz 1, letzte Alternative DSchG, die seit 2007 in ihrem Eigentum stehenden Gebäude Riviera und Gesellschaftshaus, die sie wegen der Denkmaleigenschaft mit einem entsprechenden Kaufpreisabschlag von der Treuhandliegenschaftsgesellschaft erworben hatte, zu schützen, nicht im ausreichenden Maße nachgekommen. Sie hat es insbesondere unterlassen, die Gebäude nachhaltig vor Witterungseinflüssen und Vandalismus zu schützen mit der Folge, dass es zu erheblichen Undichtigkeiten von Dächern, Fenstern und Türen sowie zu zahlreichen Beschädigungen in den Innenräumen gekommen ist. Auch die mit der (1.) Sicherungsanordnung vom 25. April 2013 auferlegten Verpflichtungen hat die Klägerin nur unzureichend erfüllt, wie der Augenscheinstermin in dem beigezogenen Verfahren VG 13 K 44.14 am 22. Mai 2014 und der Ortstermin des Bezirksamts am 17. Oktober 2014, bei dem sich das Bezirksamt trotz Ankündigung mithilfe eines Schlüsseldienstes Zutritt verschaffen musste, belegen. Selbst die im Februar 2014 erfolgte Aufbringung einer bituminösen Schweißbahn durch die Dachdeckerei P_____ war nicht ausreichend, um das Dach vor weiterer Durchfeuchtung zu schützen, wie sich aus dem Gutachten D_____ ergibt, wo darauf hingewiesen wird, dass die provisorische Dachdeckung regelmäßig unterfeuchtet wird (Seite 7 des Gutachtens; VG 13 K 6.16, GA Bl. 23). Dass Schäden bereits beim Erwerb der Immobilien vorhanden waren (vgl. Gutachten W_____), entbindet die Klägerin nicht von ihrer Schutzverpflichtung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 DSchG Bln, da sie in die bodenbezogenen denkmalrechtlichen Verpflichtungen der TLG mit einem entsprechenden Kaufpreisnachlass eingetreten ist (vgl. Beschluss der 16. Kammer vom 28. November 2013 - 16 L 341.13 - S. 4 des amtlichen Abdrucks).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gefährdung eines Denkmals ist wie auch sonst im Recht der Gefahrenabwehr die Sicht eines besonnenen Beamten im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme (vgl. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., D, Rn. 47), hier im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 27. November 2014. Zu diesem Zeitpunkt lagen zwar das Gutachten J_____ GmbH vom 11. November 2015 und das Holzgutachten des Ingenieurs D_____ vom 29. Oktober 2015, aus denen sich ergibt, dass eine Einsturzgefahr des Daches insgesamt infolge der unbeschädigten Primärkonstruktion aus Stahl nicht bestand und nicht besteht, sondern nur einzelne Bestandteile der sekundären Holzdachkonstruktion ausgetauscht werden müssen, noch nicht vor. Das Nichtbestehen einer Einsturzgefahr räumt auch das Bezirksamt der Sache nach ein, indem es mit der (3.) Sicherungsanordnung vom 8. Dezember 2015 der Klägerin nur noch eingeschränkte Instandsetzungen hinsichtlich der Sekundärkonstruktion aus Holz auferlegt. Auch aus dem Schreiben des Dachdeckers P_____ vom 25. Januar 2015 (GA Bl. 203) ergibt sich, dass nach seiner fachlichen Beurteilung während der Ausführung der Arbeiten im Februar 2014 keinerlei Einsturzgefahr des Daches bestand, auch wenn mehrere Dachdecker und Arbeitsmaschinen, Materialien und Geräte auf dem Dach standen. Auch ergibt sich aus der Fotodokumentation des Sachverständigen W_____ von 2003, dass Schäden am Dach bereits 2003 in erheblichem Umfang vorlagen, ohne dass es zu einem Einsturz in den folgenden 11 Jahren gekommen ist. Dies sprach dagegen, allein vom bloßen äußeren Anschein auf die Einsturzgefahr zu schließen. Der Beklagte hat demgegenüber zu Unrecht allein aufgrund einer bloßen Augenscheinseinnahme auf die nicht mehr gegebene Tragfähigkeit des Daches insgesamt geschlossen und deshalb der Klägerin im Widerspruchsbescheid die Stellung eines volllastfähigen Langzeittraggerüstes auferlegt. Dies entsprach auch nach dem damaligen Erfahrungsstand nicht der Perspektive eines besonnenen Verwaltungsbeamten. Vielmehr hätte der Behörde aufgrund des bei ihr befindlichen umfangreichen Aktenbestandes bekannt sein müssen, dass das Dach eine Primärkonstruktion aus Stahl aufwies. Auf die entsprechenden Verwaltungsvorgänge hat die Klägerin unwidersprochen hingewiesen. Bei dieser Sachlage bestand zum damaligen Zeitpunkt aus der Sicht eines besonnenen Verwaltungsbeamten allein ein Gefahrenverdacht, der einen sog. Gefahrerforschungseingriff gerechtfertigt hätte. Die Behörde hätte im Rahmen des Gefahrerforschungseingriffs die Klägerin mit der Erstellung eines Gutachtens zum Zustand des Daches beauflagen müssen, um sich über den Umfang der bereits eingetretenen Beschädigung der Dachkonstruktion und der daraus resultierenden Einsturzgefahr nähere Aufschlüsse zu verschaffen (vgl. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., D, Rn. 48). Genau dies hat die Behörde ja auch richtigerweise mit der Verfügung vom 25. April 2013 unter Punkt 3.2 auch getan. Diese Auflage hätte die Behörde im Wege der Ersatzvornahme vollstrecken müssen. Stattdessen hat sie sich auf die unzutreffende Einschätzung der J_____ GmbH vom 20. Mai 2014 verlassen, wonach die Dachkonstruktion eine (reine) Holzkonstruktion darstelle und Einsturzgefahr bestehe. Auf diese Einschätzung durfte sich die Behörde schon deshalb nicht verlassen, weil sie erkennbar ohne Besichtigung des Dachraumes erfolgt war. Außerdem hätte der Behörde aus ihren Vorgängen und den historischen Bauakten bekannt sein müssen, dass die statisch relevante Primärkonstruktion aus genietetem Stahl bestand. Die Kosten für einen derartigen Gefahrerforschungseingriff hätte nach richtiger Ansicht schon nach allgemeinen Grundsätzen die Klägerin tragen müssen; im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Klägerin wie ausgeführt die notwendige Instandhaltung des Denkmals nicht vorgenommen hat. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Voraussetzungen für die Auferlegung einer Dachstützkonstruktion zur Abfangung des gesamten Daches im Ergebnis nicht vorlagen und dies auch aus der damaligen Sicht der Behörde erkennbar war.

(3).Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 2 DSchG liegen erst recht nicht vor. Tatbestandliche Voraussetzung für diese spezialgesetzliche Form der unmittelbaren Ausführung ist das Bestehen einer unmittelbaren Gefahr für den Bestand des Denkmals. Eine unmittelbar bevorstehende Einsturzgefahr im maßgeblichen Zeitpunkt kann hier erst recht nicht festgestellt werden.  

(B) Infolge der mit diesem Urteil erfolgten Aufhebung der Grundverfügung fehlt es an einem wirksamen Grundverwaltungsakt. Damit sind auch Androhung und Festsetzung aufzuheben, §§ 6 Abs. 1, 13, 14 VwVG.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBl. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBl. S. 881) zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe schriftlich oder in elektronischer Form darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen.
Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer
öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören.
              
Schubert    Dr. Mueller-Thuns    Prof. Dr. Schlette    

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