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08.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146522

Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 30.10.2015 – 2 Ss 644/15

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OLG Stuttgart

vom 30.10.2015

im Verfahren 2 Ss 644/15

In pp.

Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 34km/h eine Geldbuße von 160,00 Euro festgesetzt.

Weiter hat es gegen den Betroffenen ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Der Betroffene erhebt im Rahmen seiner Rechtsbeschwerde gegen das Urteil die Sachrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart hat beantragt,, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Geislingen zurückzuverweisen.

Die nach § 79 Abs. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel des Betroffenen hat (vorläufigen) Erfolg. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts zur Fahrereigenschaft des Betroffenen hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Dessen Sachrüge führt deshalb zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag auf Aufhebung des Urteils wie folgt begründet.

„Allerdings genügt die Darstellung der Grundlagen für die Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des Betroffenen den an sie gestellten Anforderungen nicht.

Das Tatgericht stützt seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen auf dessen Identifikation anhand eines Fotos der Geschwindigkeitsmessanlage. Hierzu hat das Gericht Beweis erhoben durch ein anthropologisch-morphologisches Sachverständigengutachten. Zwar hat allein der Tatrichter - gegebenenfalls sachverständig beraten - zu entscheiden. ob im Rahmen der Fahreridentifizierung das Messfoto die Feststellung ermöglicht, dass der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist. Ob ein solches Foto jedoch generell ein geeignetes Beweismittel sein kann, ist durch das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar (vgl. BGHSt 41, 376). Das gilt auch, soweit ein Sachverständigengutachten auf ein solches Foto gestützt wird. Um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Prüfung zu ermöglichen, ist in die Gründe des Urteils eine verständliche) und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen Und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung aufzunehmen (vgl. OLG Bamberg NZV 2008, 211). Hierzu ist zunächst eine ausführliche Beschreibung des Lichtbildes nach Inhalt, Qualität und Bildschärfe erforderlich. Stattdessen kann auch eine den Voraussetzungen des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG entsprechende Bezugnahme auf die Lichtbilder erfolgen (vgl. hierzu und zur Frage der erforderlichen Darstellung, im Urteil bei einem nicht standardisierten anthropologisch- morphologischen Sachverständigengutachten insgesamt Beschluss des OLG Stuttgart vom 21.09.2015 - 1 Ss 553/1 -).

Beides ist vorliegend nicht gegeben.

Die Beschreibung des Messfotos im Urteil ist lückenhaft. Es wird lediglich mitgeteilt, dass dieses von „mäßiger Bildqualität" sei und verschiedene Kriterien geprüft werden konnten „vom Stirnansatz bis zum Oberkörper". Welche Kriterien anhand welcher bildlich erkennbarer Merkmale dies konkret waren, ergibt sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils dagegen nicht. Lediglich Stirn, Augenbrauen, sowie der Bereich der Mundpartie mit „hängenden Mundwinkeln" finden überhaupt Erwähnung. Das Messfoto oder die Vergleichslichtbilder des Sachverständigen wurden auch nicht gemäß §§ 267 Absatz 1 Satz 3 StPO, 71 Abs. 1 OWiG zu einem Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht. Insoweit finden sich im Urteil weder Fundstellen noch eine ausdrückliche und eindeutige Bezugnahme.

Das Rechtsbeschwerdegericht kann und darf daher nicht aus eigener Anschauung beurteilen, ob das Messfoto als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist oder eine so schlechte Qualität aufweist, dass eine Identifizierung - auch unter Zuhilfenahme sachverständiger Beratung - nicht möglich ist. Das Urteil kann daher keinen Bestand haben."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Das Tatgericht hat selbst Merkmale in ausreichender Anzahl anzuführen, die für die Täterschaft des Betroffenen und gegen die Täterschaft seines Bruders sprechen. Je aussagekräftiger die Merkmale sind, desto weniger davon sind erforderlich. Bei schlechter Bildqualität muss der Tatrichter erörtern, warum ihm eine Identifizierung gleichwohl möglich erscheint (vgl. zum Ganzen BGH St 41, 376ff.). Dem in der Hauptverhandlung am 24. September 2014 abgelegten Geständnis des Betroffenen, dass er das Tatfahrzeug zur Tatzeit gelenkt habe, kann Indizwert beigemessen werden.

RechtsgebieteOWiG, StPOVorschriften§ 79 Abs. 1 OWiG; § 267 Abs. 1 S. 3 StPO; § 71 Abs. 1 OWiG; § 261 StPO

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