23.02.2016 · IWW-Abrufnummer 183864
Landesarbeitsgericht München: Urteil vom 15.09.2015 – 7 Sa 190/15
In dem Rechtsstreit
W.
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Firma B.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. September 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Karrasch und die ehrenamtlichen Richter Schärtl und Eberle
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 16.12.2014 - 7 Ca 1581/14 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer an den Kläger zu zahlenden Jubiläumszahlung.
Der Kläger war bei der Beklagten, die eine Druckerei mit den Bereichen Druck, Buchbinderei, Satz und eMedien sowie kaufmännische Verwaltung und Verkauf betreibt, vom 02.05.1979 bis zum 30.09.2014 als kaufmännischer Angestellter zuletzt mit 35 Wochenstunden im Ressort EDV des Bereichs kaufmännische Verwaltung beschäftigt, wobei er seit dem 15.06.2012 unter Fortzahlung des Gehalts unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt war. Auf sein Arbeitsverhältnis fanden die tarifvertraglichen Bestimmungen für die Arbeitnehmer der Druckindustrie Anwendung.
Im Jahr 2008 entschied sich die Beklagte hinsichtlich des organisatorisch eigenständigen Bereichs Buchbinderei von den angewandten Tarifverträgen Druck zu den kostengünstigeren Tarifverträgen Papier, Pappe und Kunststoff zu wechseln und schloss hierzu einen Haustarifvertrag ab. Die hierdurch bei der Belegschaft eingetretenen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und Einbußen beim Arbeitsentgelt wurden teilweise durch eine Überleitungszulage kompensiert. Darüber hinaus verzichtete die Belegschaft des Bereichs Buchbinderei ab 01.07.2011 auf ein Essensgeld in Höhe von 210,00 € jährlich sowie auf bezahlte Freizeit am 24. und 31. Dezember. Mit den nach dem Tarifwechsel in dem Bereich Buchbinderei eintretenden Arbeitnehmern vereinbarte die Beklagte arbeitsvertraglich die Anwendung der Tarifverträge Papier, Pappe und Kunststoffe und bot ihnen ab Juli 2011 auch kein Essensgeld noch bezahlte Freizeit am 24. und 31. Dezember an.
Am 29.04.2011 wechselte die Beklagte im Rahmen ihres Konzepts "Zukunftssicherung Druckerei B." von der bislang bestehenden Mitgliedschaft mit Tarifbindung im Verband Druck und Medien Bayern e.V. in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung und unterbreitete allen Mitarbeitern außerhalb des Bereichs Buchbinderei am 24.05.2011 ein Angebot zum Abschluss einer Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag, durch die die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden auf 38,75 Stunden ohne Lohnausgleich erhöht und weitere Arbeitsbedingungen zu Lasten der Arbeitnehmer verändert werden sollten (beispielhaft Verzichtsvereinbarung und Ergänzung zum Arbeitsvertrag Anlage B 2 und 3 Bl. 85 ff. d. A.). Vor dem Hintergrund von Meinungsverschiedenheiten und gerichtlichen Verfahren über die Rechtswirksamkeit der Ergänzungsvereinbarung bot die Beklagte am 10.01.2013 eine Änderungsvereinbarung zum Ergänzungsvertrag aus Mai 2011 an (Anlage B 3, Bl. 90 d. A.), die neben einer Gehaltserhöhung um 5,3 % die Bestätigung enthielt, dass die Regelungen der Ergänzungsvereinbarung vom Mai 2011 unabhängig von einem hierfür als erforderlich vereinbarten Quorum gelten würden. Mit Arbeitnehmern, die ab Ende Mai 2011 in einem Bereich außerhalb der Buchbinderei neu eigestellt wurden, vereinbarte die Beklagte Arbeitsbedingungen entsprechend den Konditionen der Ergänzungsvereinbarungen.
Der Kläger nahm, wie auch einige andere Mitarbeiter außerhalb der Buchbinderei, das Angebot vom 10.01.2013 zum Abschluss von Ergänzungsvereinbarungen nicht an mit der Folge, dass seine Arbeitsbedingungen sich weiterhin nach den statisch nachwirkenden günstigeren Tarifverträgen Druck richteten.
Mit Aushang vom 17.09.2013 (Anlage B 6, Bl. 93 d. A.) informierte die Beklagte ihre Mitarbeiter über die Absicht, anlässlich ihres 000. Firmenjubiläums eine Sonderzahlung zu leisten. In dem Schreiben stand u.a.:
"000 Jahre B.
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
B. feiert das 000. Jahr seines Bestehens! In vielen Reden und Ansprachen rund um dieses Jubiläum wird deutlich: Auch Sie sind Teil dieser besonderen und außergewöhnlichen Geschichte.
Unsere Gesellschafter, Herr Dr. D. B. und Herr Dr. W. B., möchten dies unterstreichen und mit einer Jubiläumsprämie für Sie anerkennen.
Sie alle sollen etwas bekommen; keiner soll leer ausgehen. Die Geschäftsleitung wird dem Betriebsrat dazu heute einen Vorschlag vorlegen, der eine Grundprämie für alle vorsieht sowie zusätzliche Prämienbestandteile zum Beispiel für Elternteile mit unterhaltspflichtigen Kindern und diejenigen unter Ihnen, die in den vergangenen Jahren auf Lohn- und Gehaltsbestandteile verzichtet haben.
Ihre Betriebsratsvertreter müssen diesem Vorschlag noch zustimmen, bevor die Prämie an Sie ausgezahlt werden kann
..."
Unter Abänderung eines Entwurfs der Geschäftsleitung (Anlage B7, Bl. 94 f d. A.) schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 20.09.2013 eine "Betriebsvereinbarung zur Auszahlung einer Prämie anlässlich des 000. Firmenjubiläums im September 2013" ab (Anlage B 5, Bl. 91 f d. A.), in der u.a. stand:
"2. Verteilung der Jubiläumszahlung
Für die nachfolgend genannten Gruppen wird jeweils eine Sonderzahlung gewährt, die sowohl steuer- als auch sozialversicherungspflichtig mit der Abrechnung für den Monat Oktober 2013 ausbezahlt wird.
1. Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Vollzeitbasis 35 Std.-Woche), die der Tarifbindung der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie unterliegen aufgrund der geleisteten Verzichte: 1.500 €
Teilzeitbeschäftigte erhalten die Prämie im Verhältnis des Anteils ihrer Arbeitszeit zur Vollzeit.
2. Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Vollzeitbasis 38,75 Std.-Woche), die zu den Konditionen der Ergänzungsverträge tätig sind (entweder mit gültigem Ergänzungsvertrag oder seit Juni 2011 zu diesen Konditionen ins Unternehmen eingetreten) aufgrund der geleisteten Verzichte : 1.500 €
Teilzeitbeschäftigte erhalten die Prämie im Verhältnis des Anteils ihrer Arbeitszeit zur Vollzeit.
3. Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Vollzeitbasis 35 Std.-Woche), die entsprechend den nachwirkenden Bedingungen des Tarifvertrages Druck tätig sind und auf keine Entgeltbestandteile verzichtet haben: 800 €
Teilzeitbeschäftigte erhalten die Prämie im Verhältnis des Anteils ihrer Arbeitszeit zur Vollzeit.
4. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erhalten je bis zum 31.08.2013 geborenen, unterhaltspflichtigem bzw. in Ausbildung befindlichem Kind, für das Kindergeld bezogen wird einen Betrag in Höhe von 500,- € (Kinder-Bonus). Der Kinder-Bonus muss beantragt werden und wird auch an Mitarbeiter in Elternzeit gezahlt.
..."
Der Kläger erhielt eine Jubiläumszahlung in Höhe von 800,00 € brutto. Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 14.01.2014 (Bl. 8-9 d. A.) begehrte er mit einer am 12.06.2014 beim Arbeitsgericht Augsburg eingegangenen Klage die Zahlung weiterer 700,00 € brutto.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht gemeint, sein Anspruch ergebe sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil er schlechter behandelt werde als die Mitarbeiter, die die Ergänzungsvereinbarung abgeschlossen hätten bzw. nach deren Bedingungen arbeiteten. Die Betriebsvereinbarung rechtfertige nicht die Ungleichbehandlung, da sie formell und materiell unwirksam sei. Die Beklagte habe den Betriebsrat erheblich unter Druck gesetzt und es habe die Befürchtung bestanden, überhaupt nichts zu bekommen, wenn der Betriebsrat dem Vorschlag der Beklagten nicht zustimme. Im Übrigen seien zwei Betriebsratsmitglieder zur Sitzung am 20.09.2013, in der der Beschluss zur Betriebsvereinbarung gefasst worden sei, nicht ordnungsgemäß geladen und anwesend gewesen. Die materielle Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung begründe sich aus dem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Nach dem Zweck der Jubiläumszahlung, der in der generellen Belohnung aller Arbeitnehmer anlässlich des Firmenjubiläums bestehe, hätte nicht zwischen den Arbeitnehmern differenziert werden dürfen. Der behauptete Ausgleich von Nachteilen sei nicht angestrebt worden, weil die höhere Zulage auch für die vor 2008 eingestellten Buchbinder geregelt sei und eine pauschale Zahlung unabhängig von den Verdienstunterschieden der Arbeitnehmer zu keinem gerechten Ausgleich führen könne. Auch werde nach dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung weder eine Grundprämie noch ein "Zusatz für geleistete Verzichte" gezahlt. Es seien von vornherein zwei Arbeitnehmergruppen gebildet worden. Der Anspruch ergebe sich aber auch aus § 612 a BGB, denn der Kläger habe in zulässiger Weise sein Recht ausgeübt, über seine bisherigen Arbeitsbedingungen nicht verfügen zu wollen und deshalb sei ihm die höhere Jubiläumszahlung vorenthalten worden.
Die Beklagte hat auf die Regelungen der Betriebsvereinbarung verwiesen, die formell und materiell wirksam seien und die Klageforderung ausschlössen und sie hat gemeint, die Betriebsvereinbarung verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die in der Betriebsvereinbarung geregelte Jubiläumszulage bestehe aus drei Komponenten. Zum einen würden alle auf Vollzeitbasis tätigen Arbeitnehmer eine Grundprämie von 800,00 € brutto erhalten. Die Arbeitnehmer, die nicht unter die nachwirkenden Bedingungen der Tarifverträge Druck fielen, sondern unter den ungünstigeren Tarifverträgen Papier, Pappe und Kunststoff fielen oder die zu den Konditionen der Ergänzungsvereinbarungen tätig seien, erhielten einen zusätzlichen Betrag als Ausgleich für die "geleisteten Verzichte" in Höhe von weiteren 700,00 € brutto und die dritte Komponente sei der Kinderbonus. Die zusätzliche Gewährung von 700,00 € an Mitarbeiter mit schlechteren Arbeitsbedingungen, stehe im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine Sonderzahlung ohne Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einer Gruppe von Arbeitnehmern vorenthalten werden dürfe, wenn sie dem Ausgleich von Nachteilen derjenigen Arbeitnehmer diene, die mit dem Arbeitgeber ungünstigere Arbeitsbedingungen vereinbart hätten. Im Übrigen wäre der geltend gemachte Anspruch des Klägers bei Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung nicht gegeben. Es würde an einer Rechtsgrundlage fehlen. Im Übrigen könne der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den geltend gemachten Anspruch auch deshalb nicht begründen, weil er bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug nicht zur Anwendung komme. Schließlich sei der Vollzug einer kollektivrechtlichen Regelung keine Benachteiligung i.S.v. § 612 a BGB und der tragende Grund für die Ungleichbehandlung sei nicht die zulässige Ablehnung der Änderungsvereinbarung, sondern das bestehende ungleiche Lohnniveau gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Endurteil vom 16.12.2014 abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine weitere Zahlung in Höhe von 700,00 € brutto auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung, denn er falle nicht unter den weiteren Anwendungsbereich dieser Betriebsvereinbarung. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Betriebsvereinbarung wirksam und. Sie sei wirksam zustande gekommen, denn der Kläger habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Ladung zur Betriebsratssitzung nicht den Anforderungen des § 29 Abs. 2 BetrVG entsprochen habe und eine Beschlussunfähigkeit des Betriebsrats stehe nicht fest. Schließlich würde eine mögliche Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung nicht zu einem individualrechtlichen Anspruch des Klägers auf Zahlung des geltend gemachten Betrages führen. Der Sachvortrag des Klägers, die Beklagte habe einen zeitlichen und moralischen Druck aufgebaut, sei unsubstanziiert. Die Betriebsvereinbarung verstoße auch nicht gegen § 75 Abs. 1 BetrVG, denn die Betriebsparteien hätten eine sachgerechte Gruppenbildung vorgenommen. Die Arbeitnehmer, für die der Tarifvertrag Druck nicht mehr gelte, würden weniger verdienen als die Arbeitnehmer, die wie der Kläger unter Ziff. 2.3 der Betriebsvereinbarung fallen. Mit der Betriebsvereinbarung würden keine anderen Zwecke als die teilweise Kompensation der Vergütungsunterschiede verfolgt. Die Zahlung der Zuwendung anlässlich des Firmenjubiläums stehe dem nicht entgegen. Zum einen hätten alle Arbeitnehmer eine Jubiläumszuwendung erhalten. Zum anderen sei es der Beklagten nicht verwehrt, die Jubiläumszuwendung teilweise an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen. Die Beklagte wolle den Arbeitnehmern, die in der Vergangenheit Verzichte geleistet hätten, eine höhere Zuwendung gewähren als den anderen Arbeitnehmern. Dies begegne keinen rechtlichen Bedenken. Schließlich behaupte der Kläger keine Überkompensation bei den Arbeitnehmern, die den Änderungsvertrag unterschrieben haben. Auch ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot (§ 612 a BGB) liege nicht vor, denn die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmergruppen in der Betriebsvereinbarung sei gerechtfertigt. Nicht die zulässige Ablehnung eines Änderungsvertrages durch den Kläger, sondern die Geltung unterschiedlicher Arbeitsbedingungen stelle den maßgeblichen Beweggrund für die Zahlung einer geringeren Jubiläumszuwendung an Arbeitnehmer, die unter Ziff. 2.3 der Betriebsvereinbarung fallen, dar.
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien, der gestellten Anträge sowie der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses den Klägervertretern am 03.03.2015 zugestellte Endurteil, richtet sich die Berufung des Klägers vom 23.03.2015, die am 22.05.2015 begründet worden ist, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.
Der Kläger rügt, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Betriebsvereinbarung formell und materiell unwirksam mit der Folge, dass der darin enthaltene Verteilungsmodus nicht zur Anwendung kommen könne. Die Betriebsratsmitglieder S. und Z. seien nicht zu der Betriebsratssitzung am 20.09.2013 geladen worden und auch nicht verhindert gewesen. Die Differenzierung in der Betriebsvereinbarung verstoße gegen den Gleichheitssatz und gegen § 612 a BGB. Die Betriebsvereinbarung lege die Zweckbestimmung der Sonderzahlung als eine Belohnung für Betriebstreue "anlässlich des 000. Firmenjubiläums" fest und lasse keinen Rückschluss auf den Zweck zu, unterschiedliche Vergütungen auszugleichen. Zwischen dem Lohnverzicht, dem Wechsel im Tarifbereich oder einer höheren Arbeitszeit und dem 000. Firmenjubiläum bestünden keinerlei Zusammenhänge. Zu diesem Ereignis hätten alle Beschäftigten unabhängig von einem Lohnverzicht beigetragen und deshalb verdienten auch alle eine Prämie in gleicher Höhe. Schließlich führe die unterschiedliche Höhe der Jubiläumszahlung mittlerweile zu einer Überkompensation und damit zu einer Besserstellung der Arbeitnehmergruppe, die ursprünglich auf Leistungen verzichtete.
Der Kläger beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 16.12.2014, Az: 7 Ca 1564/14 wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 700,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Berufungsbegründung enthalte keine neuen durchgreifenden Argumente. Zur Vermeidung von Wiederholungen könne auf den erstinstanzlichen Sachvortrag verwiesen werden, den die Beklagten in der Berufungserwiderung vertieft. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei beim bloßen, auch vermeintlichen Normenverzug nicht anwendbar und bei der Auszahlung der Sonderzahlung werde lediglich die Betriebsvereinbarung umgesetzt. Der darlegungspflichtige Kläger behaupte auch nicht, dass die Beklagte eine angebliche Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung gekannt habe. Tatsächlich bestünde an der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung aus der Sicht der Beklagten keinerlei Zweifel. Der Vortrag des Klägers zur angeblichen Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung sei unerheblich und im Übrigen unzutreffend. Die Beklagte meint aber auch, dass selbst bei Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ein Verstoß gegen diesen Grundsatz nicht vorliege. Der Ausgleich unterschiedlicher Arbeitsbedingungen zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern sei nämlich ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung, solange keine Überkompensation eintrete. Entgegen der Auffassung des Klägers liege der Zweck der Betriebsvereinbarung darin, Nachteile für Mitarbeiter mit ungünstigeren Arbeitsbedingungen abzumildern. Der Kläger lege eine Überkompensation bezogen auf seine eigene Person nicht dar. Im Übrigen stelle er zu Unrecht lediglich auf das Jahr 2013 ab. Maßgeblich seien zumindest die Jahre 2011 bis 2013, weil die Verzichte im Jahr 2011 wirksam geworden seien. Schließlich liege im Vollzug einer kollektivrechtlichen Regelung keine Benachteiligung im Sinne des § 612 a BGB.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 22.05.2015, die Berufungserwiderung der Beklagten vom 07.08.2015 sowie die Sitzungsniederschrift vom 15.09.2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 1, 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist aber unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf eine höhere Jubiläumsprämie zu Recht abgewiesen.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, denn die Beklagte hat bei der Auszahlung der Jubiläumsprämie die Betriebsvereinbarung vom 20.09.2013 anlässlich des 000. Firmenjubiläums im September 2013 in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt.
a) Nach der ständigen und gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann sich ein Anspruch nur dann aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben, wenn der Arbeitgeber eine gestaltende Entscheidung trifft, nicht jedoch bei bloßem Normvollzug, der wie auch die bloße Vertragserfüllung keine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers enthält (z. B. BAG Urteil vom 21.09.2011 - 5 AZR 520/10 = NZA 2012 S. 31; LAG Nürnberg Urteil vom 14.01.2014 - 6 Sa 398/13 - Juris; LAG München Urteil in einem Parallelverfahren vom 13.08.2015 - 3 Sa 303/15). Der Gleichbehandlungsgrundsatz greift wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo dieser durch eigenes gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk und eine eigene Ordnung schafft. Würde der Gleichbehandlungsgrundsatz auch beim Normvollzug gelten, befände sich der Arbeitgeber in einem unlösbaren Dilemma. Einerseits wäre er verpflichtet, die Betriebsvereinbarung durchzuführen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG), andererseits müsste er auch Leistungen gewähren, die in der Betriebsvereinbarung nicht geregelt sind (LAG Nürnberg und LAG München aaO.) und deren Gewährung mitbestimmungswidrig wäre mit der Folge, dass der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch geltend macht.
b) Ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz lässt sich auch nicht mit der Behauptung des Klägers begründen, die der Jubiläumszahlung zu Grunde liegende Betriebsvereinbarung sei unwirksam. Denn der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift nur, wie bereits ausgeführt, bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers ein, nicht dagegen beim bloßen Normenvollzug und auch nicht beim Vollzug einer nur vermeintlich wirksamen oder vom Arbeitgeber missverstandenen Norm. Es gibt vielmehr keinen Anspruch auf "Gleichbehandlung im Irrtum". Ein Anspruch auf Grund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich erst dann ergeben, wenn der Arbeitgeber in Kenntnis der Unwirksamkeit oder des tatsächlichen Inhalts der Betriebsvereinbarung weiterhin Leistungen erbringt, denn dann handelt es sich nicht mehr um Normenvollzug. (BAG Urteil vom 23.01.2008 - 1 AZR 988/06 = NZA 2008 S. 709; LAG Nürnberg und LAG München aaO.). (BAG vom 23.01.2008 aaO.; LAG Nürnberg aaO.). Hierzu behauptet der darlegungspflichtige Kläger allerdings nicht, die Beklagte habe eine etwaige Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung wegen einer fehlerhaften Beschlussfassung des Betriebsrats gekannt und gleichwohl die Jubiläumsprämien an die Arbeitnehmer ausgezahlt. Es ist vielmehr offensichtlich, dass die Beklagte auf eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zu der vorliegenden Betriebsvereinbarung im Zusammenhang mit den vorangegangenen Verhandlungen mit dem Betriebsrat vertraut hat und der Betriebsrat hat sich im Übrigen im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber auch zu keinem Zeitpunkt auf eine solche Fehlerhaftigkeit berufen.
c) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergäbe sich aber auch dann nicht, wenn man zu seinen Gunsten von der Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgehen würde.
aa) Eine Sonderzahlung darf ohne Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einer Gruppe von Arbeitnehmern vorenthalten werden, wenn sie ausschließlich dem Ausgleich von Nachteilen derjenigen Arbeitnehmer dient, die mit dem Arbeitgeber ungünstigere Arbeitsbedingungen vereinbart haben. Eine auf den Ausgleich schlechterer Arbeitsbedingungen gerichtete Sonderzahlung darf allerdings nicht zu einer Überkompensation führen. Im Umfang der Überkompensation besteht kein sachlicher Grund, der anderen Gruppe diese Leistung vorzuenthalten (BAG Urteil vom 13.04.2011 - 10 AZR 88/10 = NZA 2011 S. 1047; BAG Urteil vom 03.09.2014 - 5 AZR 6/13 = NZA 2015 S. 222).
bb) Der Zweck der vom Kläger begehrten Zahlung in Höhe von 700,00 € liegt im Ausgleich nachteiliger Arbeitsbedingungen bei den Arbeitnehmern, die zu den Konditionen der Ergänzungsverträge tätig sind. Die Ansicht des Klägers, die Sonderzahlung stelle eine Belohnung für Betriebstreue dar, ist unzutreffend, denn die Leistung knüpft nicht an die Betriebszugehörigkeit an. Der Hinweis des Klägers, das 000. Firmenjubiläum stehe in keinem Zusammenhang mit den Verzichten, die eine Gruppe von Arbeitnehmern geleistet haben, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen ist es den Betriebsparteien nicht verwehrt, bei Zahlungen anlässlich des Firmenjubiläums nachteilige Arbeitsbedingungen auszugleichen. Zum anderen lassen sich die mit der Betriebsvereinbarung verfolgten Zwecke den darin geregelten Leistungen klar zuordnen. Jeder vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhält anlässlich des Firmenjubiläums 800,00 €, ohne, dass damit weitere Zwecke verfolgt werden. Die Zahlung weiterer 700,00 € an Arbeitnehmer, die Verzichte geleistet haben, stellt eine zulässige Kompensation für die geleisteten Verzichte dar. Diese Zweckbestimmung ergibt sich deutlich aus Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung. Sie entspricht auch dem im Aushang der Beklagten vom 17.09.2013 angegebenen Zweck, in dem zusätzliche Prämienbestandteile für Arbeitnehmer angekündigt werden, die in den vergangenen Jahren auf Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile verzichtet haben (LAG München zu einem Parallelverfahren aaO.).
cc) Entgegen der Auffassung des Klägers führt die ungleiche Behandlung von Arbeitnehmergruppen bei der Jubiläumszahlung nicht zu einer Überkompensation. Zur Prüfung der Frage, ob eine Entgelterhöhung nachteilige Arbeitsbedingungen der begünstigten Arbeitnehmer nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert hat, ist ein Gesamtvergleich erforderlich. Gegenüberzustellen ist das Arbeitsentgelt, das der auf Gleichbehandlung klagende Arbeitnehmer im maßgeblichen Zeitraum auf Grund der für ihn geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen tatsächlich verdient hat, und dasjenige Arbeitsentgelt, das er erhalten hätte, wenn er zu den Konditionen der begünstigten Arbeitnehmer gearbeitet hätte (BAG Urteil vom 03.09.2014 - 5 AZR 6/13 = NZA 2015 S. 222). Der für das Vorliegen und den Zeitpunkt des Eintritts einer Überkompensation darlegungs- und beweispflichtige Kläger (BAG aaO.) trägt zu diesem Prüfungsmaßstab nicht vor, sondern vergleicht Mitarbeiter, die mit ihm selbst nicht vergleichbar sind. Zudem verweist die Beklagte zutreffend darauf, dass in den Vergleich nicht nur Leistungen im Jahr 2013 einzubeziehen sind, sondern maßgeblicher Zeitraum die Jahre 2011 bis 2013 sind (LAG München zu einem Parallelverfahren aaO.).
2. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 612 a BGB. Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Maßregelungsverbot ist nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein.
Vorliegend scheidet ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot schon deshalb aus, weil die Beklagte lediglich -wie oben ausgeführt- die vorliegende Betriebsvereinbarung vollzogen hat. Der Vollzug einer kollektivrechtlichen Regelung ist jedoch keine Benachteiligung im Sinne von § 612 a BGB (BAG Urteil vom 21.09.2011 - 5 AZR 520/10 = NZA 2012 S. 31). Eine Benachteiligung kann nur vorliegen, wenn der Arbeitgeber zwischen verschiedenen Maßnahmen wählen kann, nicht dagegen, wenn er sein Verhalten an der Rechtsordnung orientiert. Außerdem hat die benachteiligende Maßnahme, nämlich der Ausschluss des Klägers von einer über 800,00 € hinausgehenden Leistung, ihren Grund nicht in der zulässigen Ablehnung geänderter Arbeitsbedingungen durch den Kläger, sondern in der Angleichung von Arbeitsbedingungen verschiedener Arbeitnehmergruppen (LAG München zu einem Parallelverfahren aaO.).
3. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Wortlaut der vorliegenden Betriebsvereinbarung. Denn der Zahlung einer "ungekürzte Prämie" in Höhe von 1.500,00 € steht Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung entgegen, in der unmissverständlich geregelt ist, dass Anspruch auf diese (ungekürzte) Prämie nur diejenigen haben, die aufgrund geleisteter Verzichte nach den Konditionen der Ergänzungsverträge tätig sind. Der Kläger fällt aber nicht unter diese Fallgruppe. Und wenn der Argumentation des Klägers gefolgt wird, die Betriebsvereinbarung sei wegen einer fehlerhaften Beschlussfassung des Betriebsrats unwirksam, ergibt sich daraus erst recht mangels einer Anspruchsgrundlage kein Anspruch.
III.
Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.
IV.
Die Zulassung der Revision beruht ebenso wie im Parallelverfahren 3 Sa 303/15 beim LAG München auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.